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Nie waren Archäologie-Abenteuer so rasant! Ein neuer Fund wartet auf Sean Wyatt und Thomas Schultz.
In der Goldenen Kammer der Cherokee entdeckten die Archäologen Sean Wyatt und Thomas Schultz einen Hinweis, dass es noch mehr solcher verborgenen Schätze gibt. Doch kaum gelingt es ihnen, den geheimen Code zu entschlüsseln, entwickelt sich die Suche schnell zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Denn auch ihr ebenso geheimnisvoller wie skrupelloser Gegner hat es darauf abgesehen, die zweite Kammer zu finden. Er weiß, dass darin mehr verborgen liegt als nur unermesslicher Reichtum. Sean und seine Verbündeten müssen all ihren Mut und ihre Fähigkeiten einsetzen, um zu überleben – und um das Geheimnis eines Toten zu lüften.
Action, Archäologie und Abenteuer! Lesen Sie jetzt, wie alles begann: in Sean Dempeys Bestseller »Das Geheimnis der Steine«.
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Seitenzahl: 492
Veröffentlichungsjahr: 2025
In der Goldenen Kammer der Cherokee entdeckten die Archäologen Sean Wyatt und Thomas Schultz einen Hinweis, dass es noch mehr solcher verborgenen Schätze gibt. Doch kaum gelingt es ihnen, den geheimen Code zu entschlüsseln, entwickelt sich die Suche schnell zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Denn auch ihr ebenso geheimnisvoller wie skrupelloser Gegner hat es darauf abgesehen, die zweite Kammer zu finden. Er weiß, dass darin mehr verborgen liegt als nur unermesslicher Reichtum. Sean und seine Verbündeten müssen all ihren Mut und ihre Fähigkeiten einsetzen, um zu überleben – und um das Geheimnis eines Toten zu lüften.
Ernest Dempsey hat einen Bachelor of Science in Psychologie und einen Master in Schulseelsorge. Er hat seine erste Story bereits 2010 veröffentlicht, schrieb zu der Zeit allerdings hauptsächlich Songtexte für seine Rockband »Soulcrush«. Doch inzwischen hat Dempsey bereits mehrere Thriller und Abenteuerromane geschrieben, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Der internationale Durchbruch gelang ihm schließlich mit seinen Archäologie-Thrillern um den ehemaligen Geheimagenten Sean Wyatt. Dempsey lebt heute in Chattanooga, Tennessee.
Das Geheimnis der Steine
Der Schatz der Gerechten
Weitere Titel in Vorbereitung
Ernest Dempsey
Ein Archäologie-Thriller
Deutsch von Wolfgang Thon
Die Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »The Cleric’s Vault (Sean Wyatt 2)« bei Enclave Books.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.
Copyright der Originalausgabe © 2012 by Ernest Walter Dempsey III
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR.)
Redaktion: Michael Rahn
Umschlaggestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com (Alberto Gonzalez, Stephen, Zhivko, Noradoa, yujismilebituke, parinya, makieni, Nelida Zubia, knautschbaer, Maurizio De Mattei, Wildaanun) und bookcoversphotolibrary.com (Colin Thomas)
HK · Herstellung: DiMo
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-32759-0V001
www.blanvalet.de
Cuenca, Südost-Ecuador – 1982
»Padre, dónde está la llave?«
Der junge Priester stand vor einem mit schlichter weißer Bettwäsche bezogenen Bett und stieß seine Worte hastig auf Spanisch hervor. Seine Miene war angespannt und verzweifelt. Er hatte versucht, den älteren Mann, der dort im Sterben lag, mit den üblichen Gebeten und Worten aus der Heiligen Schrift zu trösten. Doch seine Bemühungen hatten halbherzig gewirkt, heruntergeleiert.
Seine Frage nach dem Schlüssel verriet, warum er wirklich dort war.
Ein blasser Halbmond schien durch die wenigen Wolken am Nachthimmel und warf einen unheimlichen Schimmer in das kleine Dormitorium. Die Luft war kühl und irgendwie beruhigend.
Carlos Crespi wurde von starken Hustenanfällen geplagt, die sein klappriges Metallbett erschütterten. Der alte Mann war sich sicher, dass das Ende nahte, aber er glaubte, dass es noch nicht so weit sein würde. Seine Hände krallten sich in die Bettlaken, und er kämpfte gegen den schleichenden Schmerz an, der jeden Augenblick größer zu werden schien.
Sein kahler Kopf war vom Todeskampf zerfurcht, seine buschigen grauen Augenbrauen zogen sich wie die einst so fröhlichen, dunklen Augen in einer Mischung aus Frustration und Qual zusammen.
Der junge Priesterschüler musterte ihn stoisch und rezitierte weiter die vorgeschriebenen Sentenzen, versicherte dem Pater, dass ihm das ewige Leben im Himmel gewiss sei. Der Sterbende wusste, dass die Worte nur eine List waren, um ihn zur Preisgabe seines Geheimnisses zu bewegen.
Pater Carlos war nicht dumm. Er wusste genau, weshalb ihm dieser eifrige junge Mann vor sechs Monaten als Assistent geschickt worden war. Seine ständigen, drängenden Fragen nach der Schatzkammer machten seine wahre Motivation nur allzu deutlich. Er hatte den jungen Priester nur einmal in die Schatzkammer geführt. Als er die funzlige Birne im Lagerraum eingeschaltet hatte, hatten die Augen des jungen Mannes seine wahren Absichten verraten.
Die Sammlung.
Jahrelang hatte der Vatikan vergeblich versucht, die Geheimnisse der mysteriösen Schatzkammer von Pater Crespi zu lüften. Der von den Einheimischen verehrte alte Mann hatte fast sein ganzes Leben in ihren Dienst gestellt. Im Gegenzug schützten sie ihn und die Altertümer, die sie seiner Obhut anvertraut hatten. Wenn sie von Außenstehenden gefragt wurden, woher der Pater diese wundersamen Stücke hatte, antworteten sie einfach nur: »Aus dem Wald.« Jetzt aber, an der Schwelle des Todes, musste der alte Priester seine Schätze an jemanden weitergeben. Schließlich konnte er sie nicht mitnehmen.
Ein weiterer Hustenanfall setzte ihm zu, und das Bett erbebte heftig. Der junge Priester griff nach unten, um das einfache Metallgestell festzuhalten, das bei jedem Hustenanfall quietschte. Als Pater Carlos aufhörte zu husten, nahm der Jüngere das Rasseln in der Brust des Paters wahr. Es würde nicht mehr lange dauern. Und er brauchte eine Antwort.
»Pater, ich bitte Sie, wo ist der Schlüssel zu Ihrer Schatzkammer? Ihre Schätze müssen im Namen der Kirche erhalten werden, zur Ehre Gottes.« In der Stimme des Mannes schwang Verzweiflung mit. Er fürchtete sich vor dem, was ihm bevorstand, wenn Crespi ihm den Schlüssel nicht aushändigte.
Zwei andere Mönche standen an der Tür, lästige Zeugen, die ihn davon abhalten sollten, einfach in die Schatzkammer einzubrechen und zu nehmen, was seiner Meinung nach dem Vatikan rechtmäßig zustand.
Der Satz schien Crespi aus seinem Dämmerzustand zu reißen, und seine Augen öffneten sich langsam zu schmalen Schlitzen. Er blieb ruhig liegen, drehte den Kopf zu dem jungen Mann und betrachtete ihn fast neugierig. »Zur Ehre Gottes?«, fragte er.
Der junge Priester nickte. »Sí, Padre. Für die Kirche – und Gott.«
Pater Carlos lachte schwächlich, darauf bedacht, keinen weiteren Hustenanfall auszulösen. Dann lächelte er auf jene sanfte Art, die die Menschen der Stadt so gut kannten. »Ich gebe Ihnen den Schlüssel«, erwiderte er zögernd. »Aber Sie müssen der Kirche diese Botschaft überbringen.«
»Selbstverständlich«, sagte der junge Priester und lächelte den Alten an. »Was immer Sie wünschen.«
Erneut erschütterte ein heftiger Hustenanfall den alten Mann, und ein dünnes rotes Rinnsal sickerte aus Crespis Mundwinkel. Seine Augen weiteten sich kurz, dann sank sein Kopf wieder in das Kissen zurück.
»Vater, wie lautet Ihre Nachricht?«, drängte der Adept.
Crespi sah ihn wieder an und ließ eine schwache Hand in das zerschlissene braune Gewand gleiten, das er trug. Als er sie hervorzog, hielt er einen einfachen, langen Messingschlüssel zwischen den Fingern. Er hatte am Ende ein seltsames Muster, das wie eine Spinne in einem Kreis aussah. Als der Assistent nach dem Schlüssel griff, packte ihn Pater Carlos mit der anderen Hand und zog ihn unerwartet kraftvoll zu sich.
»Die Schätze des Königreichs sind für die Gerechten.« Er hielt inne und sammelte Kraft für den Rest seiner Botschaft. »Die Lichter werden sie leiten wie Leuchtfeuer in der Finsternis. Nur die Gerechten werden vom Baum des Lebens essen.«
Ein bedrohliches Rasseln ertönte tief in der Brust des Padres. Er löste seinen Griff und sackte bewusstlos auf das Bett zurück.
Der junge Priester blickte auf den Mann herab und legte seine Hand unter Crespis Nasenlöcher.
Er atmet noch, aber nicht mehr lange. Was hatte die Botschaft zu bedeuten? Es war ihm egal. Er hatte den Schlüssel und damit Zugang zu all den legendären Schätzen, die der alte Mann jahrelang gehortet hatte. Er hatte ihm den Schlüssel freiwillig gegeben, das konnten die beiden ecuadorianischen Mönche bezeugen.
Er würde selbstverständlich dafür sorgen, dass der Vatikan den größten Teil der Schätze erhielt. Würde jemand merken, wenn ein paar Stücke fehlten? Der junge Mann bezweifelte es.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der kranke Pater nichts mitbekam, schlich er aus dem Zimmer in einen dämmrigen, nur von ein paar Kerzen an den Wänden erhellten Flur. Die eisernen schwarzen Kerzenständer waren von jahrzehntealten Wachsspuren überzogen.
Eine Krankenschwester wartete draußen und warf dem jungen Priester einen fragenden Blick zu. Er schüttelte nur den Kopf und ging schnell vorbei.
Er bahnte sich seinen Weg durch das Labyrinth der Flure und Portale, bis er zu einem Hof in der Mitte des Klosterkomplexes gelangte. Direkt vor ihm befand sich eine große Holztür. Er hatte diese riesige Tür schon oft gesehen und Pater Carlos immer wieder gebeten, ihm zu zeigen, was sich dahinter befand, aber der ältere Mann hatte sich jedes Mal geweigert – bis auf ein einziges Mal. Einmal hatte er den gewaltigen Schatz sehen dürfen, aber nur für wenige Minuten. Jetzt hatte er ihn ganz für sich allein.
Er eilte zur Tür und steckte den Schlüssel in ein großes silbernes Schloss. Er sah sich kurz um und vergewisserte sich, dass er von niemandem beobachtet wurde. Etwas anderes hatte er zu dieser späten Stunde auch nicht erwartet. Die wenigen Mönche, die die bescheidene Klosteranlage betreuten, hatten sich mit Ausnahme der beiden, die bei Crespi im Zimmer gewesen waren, schon vor Stunden zur Nachtruhe begeben.
Er drehte rasch den Schlüssel, entriegelte das Schloss, zog an dem alten Metallgriff und öffnete das große Portal langsam.
Drinnen war es dunkel, und der Raum hatte keine Fenster, die Licht durchließen. Für diesen Fall hatte er glücklicherweise vorgesorgt. Er holte eine kleine Taschenlampe aus seinem Gewand und schaltete sie ein, um den riesigen Schatz von Pater Carlos Crespi in all seiner Erhabenheit auf sich wirken zu lassen. Stattdessen fand er sich in einer ausgeräumten Kammer mit leeren Holzregalen, Spinnweben und Staub wieder.
Die Schatzkammer war leer. Das kann nicht sein! Wo ist das Gold, wo sind all diese uralten Artefakte und Relikte? Der junge Mann fuhr mit den Händen über die leeren Regale und durchsuchte minutenlang den gesamten Raum. Er fand nichts.
Plötzlich begannen im Giebel der Kapelle auf der gegenüberliegenden Hofseite die Glocken zu schlagen. Das Läuten hallte über die verschlafene Stadt, und dunkle Wolken zogen über das Antlitz des Mondes.
Carlos Crespi war tot.
Las Vegas, Nevada – Heute
»Ich gehe all-in.«
Sean Wyatt starrte seinen Widersacher an. Seine eisgrauen Augen waren ruhig, sein Blick wirkte nüchtern und sachlich. Er schob alle seine Chips über die runde Linie auf dem grünen Filz des Tisches der World-Poker-Tour.
Er war ein lausiger Bluffer – eine Tatsache, an die er im Laufe seines Lebens immer wieder erinnert worden war – im Beruf wie bei Frauen. Glücklicherweise wusste er im Moment, dass er die besten Karten hatte.
Der andere Mann hatte zweimal gesetzt – einmal beim Flop und einmal beim Turn. Jetzt zeigte sein junger Kontrahent Unsicherheit. Er hatte nervös gewirkt, seit er sich an den Tisch gesetzt hatte.
Es war der zweite Tag des Kings-of-Vegas-Pokerturniers, das immerhin tausend Dollar Startgeld kostete, und der Junge war sichtlich verunsichert. Er dürfte etwa 25 oder 26 sein. Anders als manche eingebildeten jüngeren Spieler, denen Wyatt begegnet war, schien dieser junge Mann hier unerfahrener und weitaus weniger von sich selbst eingenommen zu sein.
Sein dunkles, lockiges Haar war zerzaust. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen über einer langen, schiefen Nase. Der Blick seiner grünlichen Augen hinter der schwarzen Drahtbrille war panisch. Das laute Klicken der Chips verlieh der ganzen Situation eine gewisse Dramatik.
Wyatt registrierte, dass die Hände des Jungen fürchterlich zitterten, wenn er ein gutes Blatt hatte. Er stellte sich vor, dass in diesem Moment irgendwo eine Richterskala verrücktspielte. Wahrscheinlich im Herzen des Jungen.
Sean vermutete, dass der Bursche wahrscheinlich ein gutes Zwillingspaar hatte, aber niedriger als Wyatts zwei schwarze Asse, die verdeckt auf dem Tisch lagen.
Sie waren schon vor Stunden in die Gewinnzone gelangt, und jeder im Rio war froh, sich seine tausend Dollar zurückgeholt zu haben und etwa noch mal die gleiche Summe an Preisgeld mitzunehmen. Sean hatte Mitleid mit Leuten, denen es nur darum ging, Gewinn zu machen. Wo bleibt da der Spaß? Der Nervenkitzel bestand darin, ins Finale zu kommen und das ganze Turnier zu gewinnen.
Sean hatte diese Woche etwas Ruhe und Erholung gebraucht. Da er wusste, dass Tommy eine Weile damit beschäftigt sein würde, ihre jüngste Entdeckung zu entschlüsseln, war eine kleine Auszeit wohl unproblematisch.
Er hatte Allyson gefragt, ob sie mit ihm nach Vegas kommen wolle, aber sie war nach Washington zurückbeordert und mit einer neuen Aufgabe betraut worden – zumindest hatte sie das behauptet. Es hatte Sean nicht überrascht, dass sie so schnell wieder zum nächsten Einsatz gerufen worden war. Genau das war einer der Gründe, weshalb er die Agentur nach kurzer Zeit wieder verlassen hatte. Stets hatte ein neuer Auftrag gewartet.
Er hätte gern herausgefunden, was sich aus der Sache mit ihr entwickeln könnte, aber wenn man versuchte, eine Beziehung mit jemandem zu führen, der für Axis arbeitete, erwarteten einen jede Menge Probleme. Das hatten ihn seine Jahre dort gelehrt. Also reiste er wie immer allein. Es machte ihm nichts aus – bis auf den Mangel an Unterhaltung. Aber manchmal war das auch nicht so schlimm.
Vor zwei Tagen war er mit einer Frühmaschine aus Atlanta hergeflogen, und dank der Hilfe eines alten Freundes war an seinem Ankunftstag wundersamerweise eine Suite im Venetian frei geworden. Es war hilfreich, Freunde zu haben.
»Ich gehe mit«, sagte der jüngere Spieler. Die Stimme des jungen Mannes lenkte Seans Aufmerksamkeit wieder auf den Pokertisch. Der Junge drehte ein Paar Königinnen um. Das hatte Sean vermutet.
Sean deckte sein Paar Asse auf und sah, wie der andere Spieler fast augenblicklich eine Leidensmiene aufsetzte. Der junge Mann wusste, dass es nur zwei Karten in einem Deck von 52 Karten gab, die ihn retten konnten.
Der Dealer legte die oberste Karte ab und drehte die fünfte und letzte Karte auf dem Tisch um – die Kreuzdame. Sie bescherte dem jüngeren Spieler einen Drilling. Der junge Mann stieß einen ekstatischen Schrei der Erleichterung aus und hob triumphierend die Fäuste. Eine Mischung aus Stöhnen und Jubel rauschte durch die Menge. Die anderen Spieler am Tisch sagten nichts, waren aber offensichtlich verblüfft über das Ergebnis. Sean lächelte nur ironisch, während er zusah, wie der Dealer die Chips seinem Widersacher zuschob.
Dann stand er auf und streckte dem Jüngeren, der ihn gerade aus dem Turnier geworfen hatte, die Hand hin. Der Mann beruhigte sich so weit, dass er die Geste des Gentlemans erwiderte und unbeholfen Seans Hand ergriff.
»Gutes Blatt, Junge«, sagte Sean.
»Danke. Wow. Tut mir leid, Mann. Das muss wehtun.«
Sean lachte. »Beim Poker sagt man nie, dass es einem leidtut.« Dann zwinkerte er ihm zu. »Außerdem passiert so etwas irgendwann zwangsläufig.«
Der jüngere Spieler verstand, was er meinte, lächelte und setzte sich beschwingt wieder hin.
Sean ging zur Kasse, um seinen zuvor erzielten Gewinn einzulösen, und auf dem Weg zur Tür trösteten ihn ein paar Leute wegen des Pechs, das ihn gerade ereilt hatte. Aber ein kanadischer Profi sprach ihn auf dem Weg nach draußen an.
»Sie spielen viel zu gut, um nicht eines dieser Turniere zu gewinnen«, war alles, was er sagte. Vielleicht, dachte Sean, andererseits brauchte er das Geld nicht wirklich. Der junge Bursche, der ihm gerade seine Chips abgenommen hatte, musste wahrscheinlich noch seine Studentenkredite abbezahlen. Deshalb nahm er den Verlust nicht so schwer. Er ging hinaus in die frühe Nacht. Die warme Wüstenluft empfing ihn und ließ ihn sofort die klimatisierte kühle Behaglichkeit des Casinos vergessen. Es war neun Uhr abends im Spätherbst, und es fühlte sich immer noch wie ein später Frühling zu Hause an.
Am Horizont, knapp über den Bergen, die den Talkessel umgaben, in dem die Stadt lag, behauptete sich noch ein blasser Sonnenuntergang gegen die hereinbrechende Dunkelheit. Wyatt hatte Las Vegas schon mehrmals besucht, und jedes Mal hatte ihn das Wetter fasziniert. Im Sommer schien unentwegt die Sonne über der Stadt und heizte sie extrem auf. Er erinnerte sich, wie er an einem Junitag über den Strip geschlendert war und sich fühlte, als wäre er unversehens in einen riesigen Ofen geraten. Aber jetzt, im Spätherbst, war es nicht so schlimm. Die Temperaturen lagen tagsüber bei 25 bis 30 Grad Celsius, und abends kühlte es sich merklich ab.
Zu Hause in den Südstaaten beschwerten sich die Leute immer, dass es im Sommer zu heiß sei. Durch die Luftfeuchtigkeit kam es einem zwar wärmer vor, als es war, aber wenigstens beruhigte einen dort eine kühlende Brise. Hier in der Wüste von Nevada schien der Wind die Hitze nur noch zu verschlimmern. Es war, als hätte jemand einen Heizlüfter angestellt.
Sean beschloss, ein Taxi zu nehmen, und schlängelte sich durch die Menschenmassen, die ins Rio strömten und es verließen. Vor dem Casino standen zahllose Taxis, und Sean winkte sich das nächstbeste heran. Ein paar Minuten später war er auf dem Weg zu seinem Hotel.
Die Fahrt zurück zum Venetian dauerte eigentlich nur fünf bis zehn Minuten, aber der Taxifahrer entschied sich anscheinend für eine Stadtrundfahrt – eine verbreitete Taktik der Taxifahrer in Las Vegas. Auf dem Las-Vegas-Boulevard, auch bekannt als Strip, drängten sich die Fußgänger. Einige waren nüchtern, andere hatten kräftig Schlagseite und nutzten die in der Stadt herrschende Toleranz. Sie liefen mit riesigen Bechern voll Bier herum.
Manche Leute hatten Gefäße in Form von Plastikgitarren dabei, aus denen Strohhalme ragten. Andere tranken aus riesigen Plastikschädeln, die mit Schnaps in allen Geschmacksrichtungen und Farben gefüllt waren. Man verwendete dafür billigen Schnaps und verdünnte ihn mit Softdrinks. Aber sie schienen ihren Zweck zu erfüllen. Die Leute lachten und schlenderten breit grinsend durch die Stadt.
Bunte Lichter und digitale Reklameflächen beleuchteten den Hauptstrip, und darüber ragten riesige Monstrositäten in den nächtlichen Wüstenhimmel empor. Das Paris, das Cosmopolitan, Caesar’s Palace, das Aria, das Wynn, das Bellagio und das MGM Grand gehörten zu den gehobeneren Etablissements. Wie Schandflecke fielen dazwischen einige weniger schicke Casinos auf, die dringend renoviert werden mussten, wenn sie mit der Ästhetik der neueren Gebäude Schritt halten wollten.
Das Taxi hielt vor dem Haupteingang des Venetian. Sean liebte das Venetian und das Nachbarhotel, das Palazzo. Er bezahlte den Taxifahrer und legte einen Fünfer als Trinkgeld obendrauf.
Der livrierte Portier grüßte ihn mit einem Lächeln unter seinem dichten, ergrauten Schnurrbart, und Sean nickte ihm im Vorbeigehen grüßend zu. Der vertraute Duft des Venetian wehte aus der Tür und umfing ihn. Er konnte ihn nicht genau zuordnen, aber es schien eine Mischung aus Jasmin, Vanille und anderen Gewürzen zu sein. Es roch irgendwie nach Geld.
In der Hotellobby erwartete ihn ein überwältigendes Fest der Sinne. Ein kreisrunder Raum weitete sich zu einer dramatischen Kuppel, in deren Mitte sich ein rundes Oberlicht befand. Aufwendige Fresken von Engeln, Göttern und Heiligen säumten die lichtdurchlässige Öffnung. Säulen aus weißem Marmor akzentuierten die Wände und Ecken, gekrönt von goldenen Sockeln und Wappen. Auf einem cremefarbenen und braunen Marmorsockel in der Mitte des Raumes saß ein kugelförmiger Brunnen. Die glänzenden Metallstreifen, aus denen die Kugel bestand, wurden von engelhaften, armlosen Figuren getragen; sie sahen wie Galionsfiguren auf der Vorderseite eines alten Schiffes aus.
Sean wandte sich nach links und ging durch einen überwölbten Gang mit ähnlicher Gestaltung, der zum Casino und zu den Fahrstühlen dahinter führte. Hoch über ihm zierten weitere mythologische und religiöse Wandmalereien unterschiedlicher italienischer Stilrichtungen die gewölbte Decke. Er bewunderte die Kunstwerke. Die Details der Reliefs und ihr Farbenreichtum machten die Szenerie im Inneren des Gebäudes geradezu spektakulär.
Tagsüber war er durch das Einkaufszentrum des Komplexes gebummelt, das mit dem Palazzo verbunden war. Die Erbauer hatten verzierte Kanäle geschaffen, die komplett mit Gondeln und singenden Gondolieri den Originalen nachempfunden waren. Die Anlage war so gestaltet, dass die Touristen das Gefühl hatten, tatsächlich in Venedig zu sein – bis hin zu einer kleineren Version des Markusplatzes.
Geschäfte säumten die Gehwege rund um die Kanäle und boten dem Besucher eine atemberaubende Fülle sowohl von traditionellen Waren der Alten Welt als auch modernen Verlockungen. Sogar ein künstlicher, teilweise bewölkter Himmel schmückte die Decke, um den Besuchern das Gefühl zu geben, sich im Freien zu befinden.
Wie viel Geld hier wohl investiert wurde?, fragte er sich, als er zur Melodie von Phantom der Oper den Aufzug betrat. Das Musical gastierte zurzeit im Venetian. Er hatte viel Gutes über die Show gehört und überlegte, ob er sie sich einmal ansehen sollte.
Sean blickte erst in beide Richtungen durch den Gang, als er im zehnten Stock ausstieg. Alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen. Auch wenn er schon seit ein paar Jahren nicht mehr für die Regierung arbeitete, waren ihm einige Dinge in Fleisch und Blut übergegangen.
In den letzten Monaten hatte er sich ein wenig entspannt und war ins normale Leben zurückgekehrt. Das heißt, bis vor ein paar Wochen. Die Episode mit Tommys Entführung hatte ihm all das wieder ins Gedächtnis gerufen. Er dachte an die Waffe, die in seinem Zimmer versteckt war. Man konnte nie vorsichtig genug sein, besonders wenn man die jüngsten Ereignisse bedachte.
Der Gang mündete in eine kreisförmige Rotunde, von der die Zimmer, Suiten und eine Brücke zum Venezia Tower abgingen, wo sich ein weiterer Pool und mehrere Restaurants befanden. An Swimmingpools und Restaurants mangelte es dem Venetian sicherlich nicht. Er hatte schon einmal gedacht, dass das Resort mehr Restaurants als eine mittelgroße Stadt aufweisen musste – und die Pools waren zudem ein schöner Luxus, um der Hitze zu entkommen. Im Sommer waren sie unverzichtbar.
Als er sich der Tür näherte, zückte er seine Schlüsselkarte und steckte sie in das Lesegerät. Die Suite gehörte zu den schöneren Räumlichkeiten, in denen er auf seinen Reisen gewohnt hatte. Und er war viel gereist. Von hier aus hatte er einen Ausblick auf die beiden großen Pools unter ihm, und jenseits der Stadt ragten dunkelbraune Berge in den Nachthimmel. Heute Nacht war das Zimmer jedoch völlig dunkel. Das Zimmermädchen musste die Vorhänge und die automatischen Rollos geschlossen haben.
Nachdem er Schlüssel und Brieftasche auf eine Kommode geworfen hatte, schaltete er das Licht an. Da sah er aus den Augenwinkeln die dunkle Gestalt an einem Fenster in der Ecke des Zimmers. Und den Umriss einer Pistole.
Nevada
Alexander Lindseys alte Augen blickten aus dem Fenster des Helikopters auf die dunklen, zerklüfteten Berge unter ihm. Er hatte das Fliegen immer geliebt. Hubschrauber hatten ihn besonders interessiert, aber auch das Fliegen im Allgemeinen hatte ihn stets fasziniert. Die schnellen Flugbewegungen, die schiere Geschwindigkeit – all das war sehr aufregend. Es hatte ihn, im Gegensatz zu einigen unglücklichen Seelen, nie nervös gemacht. Natürlich schienen schon seine Vorfahren ein bisschen abenteuerlustiger gewesen zu sein als ihre Zeitgenossen. Sie hatten in so vielen Lebensbereichen Vorsicht walten lassen müssen, dass die Suche nach Nervenkitzel einen Ausgleich geboten hatte.
Die mondbeschienenen Berge zogen unter ihnen vorbei, während die Agusta A109 ruhig durch die Abendluft knatterte; die silberne Außenhaut reflektierte etwas verzerrt den Mond. Er liebte diesen Hubschrauber. Er war viel praktischer als ein Privatjet – kleiner, wendiger und bei Bedarf leicht zu verstecken. Er hatte das elegante Fluggerät bereits für eine Vielzahl von Zwecken eingesetzt, von denen einige etwas finster gewesen waren.
Die Wüste war für seine Familie lange Zeit ein Ort des Trostes gewesen. Nachdem sie im 19. Jahrhundert im Osten und im Mittleren Westen gequält worden waren, hatten sie im amerikanischen Südwesten Zuflucht gefunden.
Schutz. Sicherheit. Dinge, die er jetzt, da er extrem reich und mächtig geworden war, für selbstverständlich hielt. Und die Ratte, die ihm gegenübersaß, hätte alles zunichtemachen können.
»Ich habe immer alles getan, was Sie von mir verlangt haben, Alex!«, unterbrach sein Opfer von der anderen Seite der Kabine jammernd seine Gedanken.
Der gedrungene, kräftige Mann wehrte sich vergeblich gegen seine Fesseln. Die Hände waren hinter seinem Rücken mit einem Seil gebunden, um seinen Körper und seine Beine waren schwere Ketten geschlungen. Die Adern zeichneten sich unter der Haut seiner Schläfen deutlich ab, und sein Gesicht war rot vor Anstrengung. Ein paar Schweißtropfen rannen ihm über die fleischige Stirn.
Zwei weitere Männer, Lindseys persönliche Leibwächter, waren die einzigen anderen Passagiere in der Kabine.
»Das können Sie doch nicht machen! Sie brauchen mich!«
Die verzweifelten Bitten waren unbegründet und irrational. Es gab genügend andere Möglichkeiten. Schließlich hatte Alexander Lindsey in fast allen Behörden der Regierung seine Leute sitzen. Es war kein Problem, einen neuen Informanten zu finden.
Lindsey starrte den plumpen Mann missmutig an. In den letzten zwei Jahren hatte er sich als nützlich erwiesen. Einen Insider im Justizministerium zu haben, war eine gute Sache. Alexander Lindsey erfuhr so gut wie immer, wann er beobachtet wurde, und konnte vielen potenziellen Problemen geschickt ausweichen. Gary war jedoch nicht der Einzige, der für den Orden arbeitete, und die Nützlichkeit seines Gefangenen hatte sich erschöpft, wie es schien.
»Was genau haben Sie ihnen erzählt, Gary?«, fragte Lindsey und blickte dem Mann in die Augen. »Und hören Sie auf herumzuzappeln. Sehen Sie Ihrem Ende wie ein Mann entgegen, nicht wie ein wimmerndes kleines Baby.«
Gary Holstrum blickte einen Moment lang auf den grauen Boden hinunter und dann wieder hoch. »Ich habe ihnen nur ganz wenig erzählt. Das schwöre ich. Es waren Dinge ohne jede Bedeutung. Sie hatten nichts mit Ihnen zu tun. Ich musste ihnen schließlich irgendetwas liefern!«
»Es hat Bedeutung für mich, Gary. Damit haben Sie alles, was ich mir erarbeitet habe, sehr stark gefährdet.«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich würde nie etwas tun, was Sie in Gefahr bringen könnte, Alex. Ich arbeite nun schon seit zwei Jahren für Sie. Sie kennen mich.«
Lindsey saß einen Moment lang schweigend da, als ob er über die Worte des Mannes nachdachte. Gary hatte ihm gut gedient. Aber jetzt stand zu viel auf dem Spiel.
Die Geschehnisse der vergangenen Wochen waren äußerst ergiebig gewesen. Die erste Goldene Kammer mit dem entsprechenden Hinweis auf die anderen war gefunden worden. Jetzt arbeitete Tommy Schultz mit einem Professor der Georgia Tech zusammen, um den Standort der zweiten Kammer zu entschlüsseln. Bis auf ein paar kleinere Probleme war fast alles nach Plan verlaufen. Aber diese Probleme würden schon bald gelöst werden.
Der ältere Mann warf einen kurzen Blick auf einen seiner Leibwächter und nickte. Der riesige Mann befolgte den unausgesprochenen Befehl, trat an die Tür, die dem Gefangenen am nächsten war, zog den Riegel hoch und schob den Mechanismus auf. Trockene Wüstenluft strömte in die Kabine, zusammen mit dem Dröhnen der Rotoren. Einen Moment später überflog der Hubschrauber einen kleinen Bergrücken, und plötzlich breitete sich eine riesige dunkle Wasserfläche unter ihnen aus: Lake Mead.
Der Leibwächter packte Gary und drückte ihn an den Rand der Tür, sodass sein Gesicht in die Weite des Sees hinausragte. Er schrie, Tränen liefen über sein feistes rotes Gesicht. »Nein! Bitte! Tun Sie das nicht, Alex!« Seine Stimme übertönte das Rauschen des Windes und der Turbinen draußen.
»Was haben Sie denen erzählt?«, fuhr Lindsey ihn an.
»Ich habe ihnen nur gesagt, dass Sie an irgendeinem verlorenen Schatz interessiert sind. Ich habe denen erzählt, dass das dumm ist, dass Sie nur ein verrückter, alter reicher Kerl sind, der gerne alten Artefakten nachspürt. Das ist alles, ich schwöre!«
Alex nickte. »Ich verstehe. Die wissen also nichts über den Orden oder unser Vorhaben?«
Holstrum schüttelte aufrichtig den Kopf. »Die wissen nichts. Ehrlich. Die würden es auch nicht glauben, wenn ich es ihnen sagen würde.«
Vielleicht sagte er die Wahrheit. Vielleicht auch nicht. Aber jemand im Justizministerium war neugierig geworden. Das passierte nur, wenn irgendjemand ein loses Mundwerk hatte.
»Okay, Gary. Ich glaube Ihnen.«
Lindsey nickte dem Leibwächter zu, der seinen Griff leicht lockerte.
Erleichterung machte sich auf dem Gesicht des Gefangenen breit. »Ich danke Ihnen. Oh, ich danke Ihnen, Alex. Sie tun das Richtige. Sie werden nicht enttäuscht sein.«
Ein Ausdruck des Abscheus ging über das Gesicht des älteren Mannes, und seine Augen verengten sich. »Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie mich nie Alex nennen sollen.« Für einen kurzen Moment wirkte Holstrum verwirrt. Lindsey nickte erneut. Plötzlich spannte sich der Leibwächter an und stieß den gefesselten Mann aus der offenen Tür. Sein Schrei verhallte schnell, als er Hunderte von Metern tiefer in die schwarzen Wasser des Sees stürzte.
Lindsey beobachtete, wie der korpulente Körper in das dunkle Gewässer platschte und dann verschwand. Einen Moment später deutete nichts mehr darauf hin, dass irgendetwas passiert war.
Der Lake Mead, der durch den Bau des Hoover-Damms entstanden war, war an seiner tiefsten Stelle 180 Meter tief, obwohl ein Jahrzehnt mit vielen Dürreperioden den See beträchtlich ausgetrocknet hatte. Dennoch wäre es fast unmöglich, die Leiche zu finden. Es war fraglich, ob überhaupt jemand auf die Idee kommen würde, dort zu suchen. Hubschrauberflüge von Las Vegas zum Grand Canyon und zurück gab es ständig, also würde ihr kleiner Ausflug nicht den leisesten Argwohn erregen.
Lindsey blickte über die Weite des Sees, der in der Ferne an schroffe, dunkle Berge grenzte, während der Leibwächter die Tür zuschob und den Riegel wieder verschloss, bevor er zu seinem Platz auf der anderen Seite der Kabine zurückkehrte. Hinter dem gegenüberliegenden Fenster glitzerten in der Ferne die Lichter von Las Vegas. Ein Schandfleck, aber ein praktischer. Von seinem Anwesen in den Bergen aus war es nicht weit bis in die Stadt, wo sie alles besorgen konnten, was sie brauchten. Bei so vielen Touristen war es leicht, in der Masse zu verschwinden. Niemand erinnerte sich an irgendwen. Und das war es, was er wollte: Anonymität.
Seine Gedanken verweilten bei den letzten Worten, die sein anmaßender Informant gesagt hatte. Als er noch jünger war, wäre es Lindsey nie in den Sinn gekommen, einen älteren Menschen beim Vornamen zu nennen. Die neue Generation, schien es, hielt nichts mehr von Höflichkeit. Die Zeiten, in denen man Menschen mit »Mister« oder »Miss« ansprach, waren wohl passé. Doch schon bald, so glaubte er, würde die Welt ihn unter einem anderen Titel kennenlernen. Er lächelte bei dem Gedanken.
Der Prophet.
Atlanta, Georgia
Tommy Schultz fühlte sich beschwingt. Er schüttelte verschiedenen Wohltätern, Spendern und den lokalen Honoratioren die Hände, als sie alle an ihm vorbei zur Tür gingen. Normalerweise hasste er es, Smoking und Fliege zu tragen, aber heute Abend machte es ihm nichts aus. Sein dichtes dunkles Haar war fein säuberlich gestylt. Vor seinen blauen Augen saß eine schwarz geränderte Brille auf seiner spitzen Nase. Seine Haut war stärker gebräunt als sonst, da er während seiner Arbeit an dem Kammerprojekt in Georgia der Sonne ausgesetzt gewesen war.
Dieses Ereignis erfüllte ihn mit Stolz. Seine Gruppe zur Bergung von Artefakten, bekannt als IAA (Internationale Archäologische Agentur), hatte den bedeutendsten archäologischen Fund in der Geschichte der Vereinigten Staaten gemacht.
Der Wert der Goldenen Kammer, die sie in der Nähe von Augusta gefunden hatten, wurde auf über 500 Millionen Dollar geschätzt. Natürlich gab die Regierung der IAA nur einen Bruchteil davon, aber die Belohnung war groß genug, um die Mittel der Agentur auf über 200 Millionen Dollar zu erhöhen. Nicht gerade wenig für einen Haufen forschender Bücherwürmer.
Er hatte auch dafür gesorgt, dass einige der Artefakte für eine Ausstellung ins Georgia Historical Center gebracht wurden, zusammen mit etlichen anderen Relikten, darunter ein langes, hochseetüchtiges Kanu, das auf Weeden Island entdeckt worden war, einem alten Siedlungsgebiet der amerikanischen Ureinwohner vor der Küste Georgias. Dort fanden sich immer noch alte Töpferwaren und andere Artefakte. Die Entdeckung des antiken Bootes war bedeutsam, weil sie belegte, dass die Ureinwohner vor Tausenden von Jahren in der Lage gewesen waren, über das Meer zu reisen und Handel zu treiben, was die Vermutung nahelegte, dass sie einst vielleicht sogar den Atlantik nach Amerika überquert hatten.
Doch es war auch ein Gefühl des Bedauerns dabei. Sein Freund Frank Borringer war ermordet worden, weil er davon besessen gewesen war, die Goldenen Kammern von Akhanan zu finden, die geheimen Räume, die das Alte Ägypten mit Nordamerika und möglicherweise auch mit anderen Teilen der Welt verbanden. Ein weiterer Mann, ein Angestellter eines staatlichen Naturparks, war ebenfalls im Zuge des Wettlaufs um die Suche nach der ersten Goldenen Kammer getötet worden.
Er konnte sich in vielerlei Hinsicht glücklich schätzen. Die Männer, die ihn entführt hatten, hätten ihn jederzeit umbringen können. Nur Glück und sein Verstand hatten ihm das Leben gerettet. Er hoffte, dass beides ihn nicht so bald verließ. So wie es bei seinen Eltern der Fall gewesen war.
Seine Eltern waren fleißige Sparer und skrupellose Investoren gewesen. Sie waren wohlhabend, aber diskret gewesen, und nur wenige wussten von dem Vermögen, das sie im Geheimen angehäuft hatten.
Obwohl ihre Gehälter zusammengenommen kaum sechsstellig waren, hatten sie Millionen zusammenkratzen können. Tommy hatte vor zwölf Jahren alles geerbt, als ihr Flugzeug in Südamerika abstürzte.
Er unterdrückte den schmerzhaften Stich und versuchte sich vorzustellen, wie stolz sie wären, wenn sie die heutige Ausstellung sehen könnten. Er bedauerte nur wenige Dinge in seinem Leben. Was seine Eltern anging, wünschte er sich nur, noch einmal mit ihnen reden zu können.
Nach ein paar Minuten hatte sich die Ausstellungshalle aus Glas und Stahl fast vollständig geleert, und er stand allein da, umgeben von roten Vorhängen und riesigen Fotografien einiger Artefakte aus dem Kammerfund. Die Lichter der Wolkenkratzer und Hotels von Atlanta drangen durch die gläserne Decke herein. Ein Blick auf seine Uhr verriet ihm, dass es schon sehr spät war.
Er schnappte sich sein iPad und seine Wasserflasche von einem Stuhl in der Nähe und wollte gerade den Raum verlassen, als er eine vertraute Gestalt bemerkte, die schweigend in einem Winkel nahe der Tür stand. Der Mann war jung, Mitte bis Ende zwanzig, groß, kräftig, mit kurzen dunklen Haaren und ebenso dunklen Augen. Tommy vermutete, dass Will Hastings bei Frauen beliebt war, aber er bezweifelte, dass der Detective viel Zeit für zwischenmenschliche Bindungen hatte. Irgendetwas an ihm schien jedoch nicht zu stimmen. Tommy konnte es nicht genau benennen. Wahrscheinlich bildete er es sich nur ein. Vielleicht war es auch Ehrgeiz. Es war für ihn schwer, das zu erkennen. Er war schließlich Historiker, kein Psychologe.
Er trat auf den Officer zu und reichte ihm die Hand. »Wie geht es Ihnen, Detective Hastings?«
Will erlaubte sich ein kurzes Lächeln, als er die Hand des Archäologen ergriff, aber es verblasste schnell. Tommy bemerkte die Veränderung in seinem Verhalten. Dies würde kein freundlicher Besuch werden. »Es geht um Ihren Freund Dr. Nichols.«
Tommy sah den Mann besorgt an.
Terrance Nichols war Mathematikprofessor am Georgia Institute of Technology, besser bekannt als Georgia Tech. Tommy hatte ein paar Tage nach seiner Entdeckung der Goldenen Kammer einen Anruf von dem Professor erhalten.
Nichols hatte eine Software zum Entschlüsseln von Codes entwickelt, mit der nahezu jeder Code auf der Erde entziffert werden konnte. Diese Software konnte das Verständnis verlorener alter Sprachen beträchtlich erleichtern. Der Mann war so aufgeregt gewesen, dass er einen Schwall von technischem Kauderwelsch von sich gegeben hatte, das Tommy nicht verstand. Ihn interessierte nur, ob das Programm funktionierte.
Nach seiner Rückkehr nach Atlanta hatte er die merkwürdige Komposition von Buchstaben und Symbolen auf der Rückseite der Steinscheibe, die er in der Kammer gefunden hatte, kopiert und an Nichols geschickt. Professor Borringer hatte den Code auf dem ersten Stein entschlüsselt. Die Inschriften waren eine Kombination alter Sprachen, die seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt wurden. Dieser Stein warf alles über den Haufen. Die seltsamen Buchstaben und Symbole waren Tommy völlig fremd. Noch nie in seinem Leben war er auf etwas Vergleichbares gestoßen. Glücklicherweise hatte Nichols eine Lösung präsentiert, die ihnen vielleicht helfen konnte, den Standort der nächsten Kammer schnell zu finden.
Tommys Gedanken kehrten schnell zum eigentlichen Thema zurück. Er sah Detective Hastings an, dass er die Neuigkeit nur ungern überbrachte. »Was ist mit Professor Nichols, Will?«
Will zögerte einen Moment, bevor er antwortete. »Er ist ermordet worden.«
Las Vegas
Sean war wütend auf sich selbst, obwohl er es nicht zeigen konnte. Vielleicht war er tatsächlich nachlässig geworden. Er starrte auf die schattenhafte Gestalt in der Ecke des Raumes.
»Den großen Sean Wyatt zu überrumpeln, ist eine ziemlich knifflige Angelegenheit.« Die Stimme war weiblich – und er kannte sie.
Die geschmeidige Silhouette trat aus dem Schatten in der Nähe des großen Fensters und entpuppte sich als eine Frau Ende vierzig. Ihr braunes Haar reichte bis knapp unter die Ohren und umrahmte ihr schmales, markantes Gesicht. Die braunen Augen wirkten ernst, als ihr Blick sich auf ihn richtete. Sie trug einen gut sitzenden grauen Hosenanzug, der geschäftlich-nüchtern wirkte. Allerdings betonte er ihre Proportionen.
Sean seufzte tief. »Hallo, Emily.« Er leerte den Inhalt seiner Hosentaschen und legte die Dinge auf die Kommode, während sie die Pistole senkte und wieder in ihrer Anzugjacke verschwinden ließ.
»Schön, Sie wiederzusehen, Sean.« Sie lächelte und schien sich zu entspannen.
»Sie haben Glück, dass ich Sie nicht erschossen habe«, warnte er sie beiläufig.
»Und Sie können froh sein, dass ich Ihnen erlaubt habe, bei der Agentur aufzuhören«, konterte sie.
»Möchten Sie etwas trinken?«
»Ich habe mir schon die Freiheit genommen.« Sie ergriff ein halb volles Glas mit Eiswürfeln vom Couchtisch und nahm auf dem plüschigen hellgrünen Sofa Platz. »Möchten Sie auch einen Drink?«
Natürlich hatte sie sich schon bedient.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber danke.«
»Wie Sie wollen«, scherzte sie und hob das Glas zu einem Toast. »Obwohl, nach der Pleite am Pokertisch, die Sie gerade erlebt haben, würde ich an Ihrer Stelle einen nehmen.«
Er schnaubte kurz. Sie hatte nicht ganz unrecht. »Das haben Sie gesehen?«
Sie nickte mit einer hochgezogenen Augenbraue.
Sean hatte bei Axis vier Jahre lang mit Emily Starks gearbeitet. Sie hatte ihn sogar ausgebildet, als er frisch vom College zur Agentur gekommen war. Die Frau war hartnäckig und berechnend – zwei Eigenschaften, die sie zur jetzigen Direktorin der Agentur gemacht hatten. Als ihr früherer Chef Grant Rawson zurückgetreten war, um eine Position im Weißen Haus zu übernehmen, war Starks die bei Weitem geeignetste Nachfolgerin gewesen. Sie wusste genau, wie weit sie gehen konnte, was das Whiskeyglas in ihrer Hand bewies. Emily hielt sich nicht immer an die Regeln, was ihr gelegentlich Vorladungen ins Justizministerium einbrachte. Aber in den meisten Fällen hatte sich ihr Bauchgefühl als richtig erwiesen, und mehr als ein paar Mal hatte sie dadurch Leben gerettet.
Sean ließ sich auf einen Schreibtischstuhl in der Nähe des Fensters fallen und streckte seine Hände über den Kopf. »Was verschafft mir das Vergnügen Ihrer Gesellschaft zu dieser Stunde … in Las Vegas … während meines Urlaubs?«, fragte er.
Emily trank einen weiteren Schluck von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit und schwenkte nachdenklich das Eis im Glas. »Wir brauchen Ihre Hilfe, Sean.«
Sean verzog keine Miene. Er hatte sich schon gedacht, dass sie etwas von ihm wollte. Es kam nicht oft vor, dass die Leiterin einer der oberen Regierungsbehörden im Justizministerium nur auf einen Drink und ein Schwätzchen vorbeikam. »Ich nehme an, mit wir meinen Sie, dass Sie meine Hilfe brauchen.«
Sie lächelte und nahm einen weiteren Schluck. »Das ist ein ziemlich guter Whiskey.« Sie blickte kurz auf das Glas. »Das stimmt, zum Teil jedenfalls.« Sie blickte vom Glas auf.
Das kurze höfliche Vorgeplänkel war beendet. Er war neugierig, worauf sie hinauswollte. Sie ließ einen Moment lang ihren Finger über den Rand des Glases gleiten und stellte es dann auf den Tisch zurück. »Haben Sie schon einmal vom Hermetic Order of the Golden Dawn gehört?«
Sean schüttelte den Kopf. »Nur flüchtig. Das ist doch ein nicht mehr aktiver Geheimbund oder so etwas in der Art? Sie sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts größtenteils von der Bildfläche verschwunden.« Er hielt einen Moment inne und blickte nachdenklich an die Decke. »Ich glaube gelesen zu haben, dass sie sich für Magie interessieren.«
»Die ursprünglichen Mitglieder des Golden Dawn waren sehr an Magie interessiert«, bestätigte sie seine Erinnerung. »Sie hatten einen enormen Einfluss auf Wicca und andere Gruppen, die okkulte Systeme entwickelten.«
»Dann dürfen wir ihnen also die Schuld am Gothic-Trend geben?«
Sie ignorierte seinen Scherz. »Golden Dawn wurde ursprünglich von drei ehemaligen Freimaurern gegründet. Die drei Männer waren auch Mitglieder einer anderen, noch geheimnisvolleren Gruppe namens Rosenkreuzer.«
»Klingt, als wären sie ganz schön umtriebig gewesen. Ich habe nicht einmal Zeit, Blut zu spenden.«
»Die Gründer waren Wescott, Mathers und Woodman«, fuhr sie fort. »Woodman leitete verschiedene Geheimgesellschaften, eine davon war der Order of the Red Cross of Constantin. In seinem früheren Leben war er Arzt gewesen. Es ist nicht viel über ihn bekannt, denn er starb kurz nach der Gründung des Golden Dawn.«
Sean versuchte, nicht gelangweilt zu wirken. »Ich nehme an, das alles hängt irgendwie damit zusammen, dass Sie meine Hilfe brauchen.«
Emily warf ihm einen genervten Blick zu.
»Tut mir leid. Fahren Sie fort«, lenkte er ein.
»Wescott und Woodman waren beide Mediziner: Wescott ein Pathologe, Woodman ein zugelassener Chirurg. Beide hatten lateinische Wahlsprüche. Woodmans Motto lautete: ›Magna est Veritas et Praevalebit …‹«
»Groß ist die Wahrheit, und sie wird sich durchsetzen«, warf Sean ein.
»Angeber.« Dann fuhr sie fort: »Wescotts Motto war ganz ähnlich: ›Sapere aude‹, also ›Wage es, weise zu sein‹.«
Sean rieb sich die Augen und schaute auf die Uhr. Es war viel zu spät für eine Geschichtsstunde.
»Und, welches Motto hatte der dritte Kerl?«
»Er hatte keins. Mathers war anders als die anderen beiden. Ich sagte bereits, dass Woodman und Wescott Ärzte waren. Beide gehörten einer ganze Reihe verschiedener Organisationen an. Mathers war Angestellter und von einem Freund bei den Freimaurern eingeführt worden. Während Wescott und Woodman darauf aus waren, Wahrheiten zu entdecken, schien sich Mathers mehr dafür zu interessieren, was die verschiedenen Geheimorganisationen für ihn tun konnten. Die beiden anderen starben vor ihm, und als er 1903 aus dem Orden austrat, geschah dies angeblich wegen hoher Schulden. In den letzten hundert Jahren galt der Golden Dawn, wie Sie sagten, als ruhend. Jetzt scheint er wieder aufgewacht zu sein.«
»Was soll das heißen?«
Sie nahm ihr Glas und trank einen weiteren Schluck Whisky, bevor sie fortfuhr. »Der Order of the Golden Dawn war eine unnötige Ergänzung in einer bereits von Geheimgesellschaften übersättigten Epoche. Die meisten Mitglieder gehörten zur Sekte der Rosenkreuzer und zu den Freimaurern. Aber diese Leute haben diese Gruppe nicht gegründet, weil ihnen langweilig war.«
»Was wollen Sie damit sagen, Em?«
»Ich will damit sagen, dass sie nach etwas gesucht haben.«
Sean hob verärgert die Hände. »Und zwar?«
»Wir glauben, dass sie nach den Goldenen Kammern gesucht haben, insbesondere nach der vierten Kammer.«
»Was ist an der letzten Kammer so besonders?«
Sie beugte sich vor. »Offenbar glauben sie, dass sich in der vierten Kammer etwas Mächtiges befindet, das dem Orden außergewöhnliche Kontrolle über die Gezeiten der menschlichen Ereignisse geben kann.«
Sean stand auf. »Wie viele Drinks haben Sie sich schon genehmigt, bevor ich hier reingekommen bin?«
Emily verdrehte die Augen. »Hören Sie, Sean. Wir wissen, dass diese Gruppe lange Zeit inaktiv war, nachdem sie einen obskuren Anfang und ein abruptes Ende hatte. Aber anscheinend haben sie jetzt einen neuen Anführer, der vor nichts zurückschreckt, um die vierte Kammer zu finden.«
Er stellte sich ans Fenster und blickte auf die Lichter des Strips unter ihm. »Und wer ist das, dieser neue Anführer?«
»Haben Sie schon mal den Namen Alexander Lindsey gehört?«
»Da klingelt irgendwas. Ein exzentrischer reicher Kerl. Fast wie Howard Hughes. Hält sich meistens aus der Öffentlichkeit fern.« Er zuckte mit den Schultern. »Was ist mit ihm?«
»Wir glauben, dass er hinter dem steckt, was Ihnen und Tommy vor ein paar Wochen passiert ist.«
Seans Kopf ruckte zu ihr herum. »Hören Sie, Em, ich bin jetzt im Ruhestand und arbeite nicht mehr für die Regierung. Ich habe einen Job bei der IAA.« Er konnte sehen, dass sie verstand. Aber da war etwas, das sie ihm nicht sagte.
»Wer sind diese Wir, von denen Sie vorhin gesprochen haben?«, fragte er. »Und warum sind Sie an meiner Hilfe interessiert?«
Plötzlich wurde das Gespräch durch ein Geräusch unterbrochen, das vom Eingang kam. Jemand versuchte, die Tür zu öffnen.
Sie hob eine Braue. »Sieht so aus, als wären wir nicht die Einzigen, die sich für Sie interessieren.«
»Freunde von Ihnen?«, fragte er hoffnungsvoll.
Sie schüttelte langsam den Kopf.
Las Vegas
Die Turbine der Agusta brummte über ihm, als der Hubschrauber durch die Nacht in Richtung der Berge nördlich von Las Vegas flog. In der Dunkelheit der Wüste flimmerte jenseits des Kabinenfensters die betriebsame Stadt. Lindsey blickte gedankenverloren durch die Scheibe. Bald würde er wieder in seinem Bett liegen, in der sicheren Bergfeste, die er vor Jahrzehnten errichten ließ. Es war schön, Geld zu haben. Damit konnte man sich Ruhm oder Einsamkeit kaufen. Er zog Letzteres vor, besonders in Anbetracht seiner Mission.
Er war überzeugt, dass er damit Erfolg haben würde, wobei sein Urgroßvater versagt hatte.
Das Vibrieren des Mobiltelefons in seiner linken Jackentasche riss ihn aus seinen Gedanken. Er warf einen Blick auf die Nummer und nahm den Anruf entgegen. »Ich gehe davon aus, alles läuft nach Plan?«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung war jung, aber selbstbewusst. »Nicht ganz. Wir hatten eine Komplikation mit der Code-Interpretation. Ich bin gerade dabei, das Problem zu beheben.«
Noch ein Problem. Die Komplikationen, die vor einigen Wochen aufgetreten waren, hatten sich zu einem regelrechten Fiasko ausgeweitet. Was eigentlich eine ruhige Aktion hatte sein sollen, wurde zu einem Medienspektakel. Die Öffentlichkeit war fasziniert von der Schatzsuche, den Intrigen und dem Mord. Wenigstens deutete nichts in seine Richtung. Aufmerksamkeit wollte Lindsey nicht. Noch nicht. Aber jetzt war so ziemlich jeder Schatzsucher auf dem ganzen Planeten mit der Suche nach der nächsten Kammer beschäftigt.
»Was ist passiert?«, fragte er.
»Ich glaube, die anderen haben ebenfalls versucht, sich die Informationen zu beschaffen.« Es gab eine kurze Pause. »Derjenige, den sie geschickt haben, hat alles durcheinandergebracht.«
Lindseys Blut kochte, und seine Augen verengten sich vor Wut. »Diese Idioten. Ich habe ihnen doch gesagt, dass sie sich nicht einmischen sollen. Aber sie können es einfach nicht lassen.«
Ihre Organisation wurde von drei Leuten geführt, von einer Art Triumvirat. Es traf in Ordensangelegenheiten die schwerwiegenden Entscheidungen, Entscheidungen, von denen die meisten Mitglieder der unteren Ebenen nicht einmal etwas wussten. Das war schon immer so gewesen, von Anbeginn an.
Er merkte erst, dass er länger geschwiegen hatte, als sein Handlanger wieder sprach. »Keine Sorge, Sir. Ich erledige das. Und ich vertraue darauf, dass Sie sich um die anderen beiden kümmern werden.«
Lindsey überlegte kurz, wie er die Sache mit den anderen angehen sollte. Im Großen und Ganzen waren die beiden gehorsam und unterwürfig. Sie stimmten immer dem zu, was er als das Beste für den Orden erachtete. Es war schön, Marionetten zu haben. Aber Lindsey wusste auch, dass sie ihn um seine Macht beneideten und es hassten, dass er die Organisation fast vollständig kontrollierte. Dennoch, unter seiner Führung war die einst zerrüttete und vergessene Gruppe aus der Asche der Bedeutungslosigkeit aufgestiegen und hatte Finanzmittel in Milliardenhöhe angehäuft. Hinzu kam ein enormer Einfluss in den Reihen der Politik. Während Verschwörungstheoretiker über die Bilderberg-Gruppe und die Freimaurer debattierten, zog der Order of the Golden Dawn von Jahr zu Jahr immer mehr Fäden im Hintergrund.
»Kümmern Sie sich unverzüglich um diese Angelegenheiten.« Er hielt einen Moment inne und dachte über etwas anderes nach. »Was ist mit dieser Sache in Las Vegas?«
»Unsere Männer rücken gerade vor, Sir. Das Problem dürfte in einer Stunde behoben sein.«
»Gut.« Bald würden seine Beauftragten den Standort der nächsten Kammer kennen. Dann fehlten nur ein paar Schritte bis … Seine Gedanken schweiften ab und führten sich eine Fülle großartiger Möglichkeiten vor Augen.
Vor sich erkannte er die fahlen Lichter seines Berg-Domizils. Die in den Fels gehauene Villa hatte Millionen gekostet. Aber sie war eine Festung, in der er sich wachsamen Blicken entziehen konnte. Selbst Satelliten dürfte es schwerfallen, den 15 000 Quadratmeter großen Palast zu entdecken, weil er sich ganz natürlich in die Umgebung einfügte. Lange Zeit hatte er sich in den Schatten verborgen gehalten. Bald wird die Zeit des Wartens vorbei sein, dachte er.
Atlanta
Professor Terrance Nichols hatte nicht die geringste Chance gehabt.
Dunkles Karminrot sickerte aus dem Loch in der vorderen Schläfe seines herabhängenden Kopfes; ein Spritzer verunreinigte den dünnen Teppich auf der anderen Seite.
Seine Leiche saß noch in seinem Schreibtischstuhl vor dem Computermonitor. Der Bildschirm war eingeschaltet und verbreitete ein unheimliches blaues Licht in dem abgedunkelten Labor. Schockiert betrachtete Tommy die Szenerie.
Überall waren Leute von der Spurensicherung damit beschäftigt, Beweisstücke zu sammeln. Andere fotografierten den Tatort mit ihren Digitalkameras und versuchten, das Geschehen zusammenzusetzen. Absperrband kreuzte die Türen und Wände des Labors.
»Sieht aus, als wäre es erst heute Morgen passiert«, sagte Will, der direkt hinter Tommy stand. »Wir tun, was wir können, um herauszufinden, wer das getan hat und warum.«
Tommy konnte nur schwach nicken.
»Tommy. Wir benötigen Ihre Hilfe. Sie waren doch mit Nichols befreundet. Haben Sie eine Ahnung, warum jemand so etwas getan haben könnte?«
Insgeheim wunderte sich Tommy. So etwas konnte sich doch nicht einfach wiederholen. Professor Borringer war ermordet worden, weil Tommy ihn in die ganze Sache hineingezogen hatte. Eine Bitte um einen einfachen Gefallen, nämlich die Übersetzung eines antiken Textes, hatte letztlich zu Borringers Ermordung geführt. War Nichols der Zweite?
Will unterbrach seine Gedanken. »Tommy, haben Sie in letzter Zeit mit Dr. Nichols zusammengearbeitet?«
Tommy kam wieder in die Gegenwart und nickte. »Ja«, begann er. »Ich habe ihm eine Kopie der Steinscheibe mitgebracht, die wir vor ein paar Wochen gefunden haben. Auf der Rückseite befand sich ein Code, eine Abfolge von Buchstaben und Symbolen, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Terrance sagte mir, er habe eine Software, mit der er die Bedeutung der Sequenz entschlüsseln könne.«
»Gibt es noch jemanden, der weiß, dass Sie mit ihm daran gearbeitet haben?«
»Nein.« Tommy schüttelte den Kopf. »Das heißt, Sean weiß es, aber er ist in Las Vegas.«
»Er ist der einzige andere? McElroy weiß es nicht?«
Joe McElroy war maßgeblich an der Entdeckung der ersten Kammer beteiligt gewesen. Sein Wissen über die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner war atemberaubend und hatte Tommy zunächst wirklich überrascht. Er war während der Ereignisse, die zur Entdeckung der Kammer führten, angeschossen worden und nahm sich gerade eine kleine Auszeit, um sich zu erholen. Tommy wollte McElroy einen Job bei der IAA anbieten, sobald es ihm besser ging. Sie konnten jemanden mit seinem umfassenden Wissen gebrauchen. Joe wusste jedoch nicht, dass Tommy sich mit Dr. Nichols in Verbindung gesetzt hatte.
»Nein. Er weiß es nicht. Er hat es in den letzten Wochen eher ruhig angehen lassen. Außerdem bin ich mir sicher, dass seine Frau ihn nicht aus dem Haus lässt.«
Will lachte leise bei dieser Vorstellung.
Tommys Gesicht war voller Bedauern. Er fühlte sich irgendwie verantwortlich für den Tod seines Freundes. Dann verwandelte sich sein Bedauern in Neugierde. »Wissen Sie, was auf dem Computer gespeichert war?«
Will schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Wir haben den Tatort akribisch durchsucht, um nichts zu übersehen. Glauben Sie, dass das, wonach sie gesucht haben, auf der Festplatte sein könnte?«
Eine Gruppe von Männern in steril aussehender Kleidung nahm die Leiche vorsichtig vom Stuhl und legte sie in einen gewöhnlichen Leichensack. Tommy sah zu, wie die Männer ihn sorgfältig verschlossen.
»Wahrscheinlich. Sind Sie hier schon mit allem Nötigen fertig?« Er sah Will ausdruckslos an.
»Sie wollen einen Blick drauf werfen, nicht wahr?« Will wirkte besorgt.
»Es ist meine Schuld, dass Terrance tot ist. Ich muss wissen, weshalb er gestorben ist.«
Las Vegas
Emily warf Wyatt einen besorgten Blick zu. »Wer auch immer das sein mag, zu mir gehört er nicht«, zischte sie, während weiter an der Tür gerüttelt wurde.
Sean trat dicht an sie heran und flüsterte ihr ins Ohr: »Ziehen Sie sich aus.«
»Wie bitte?« Sie schaute ungläubig.
»Vertrauen Sie mir. Tun Sie es einfach. Beeilen Sie sich«, sagte Sean und öffnete mit einem schnellen Ruck die Knöpfe ihrer Bluse.
»Ich hoffe für Sie, dass Sie wissen, was Sie tun«, zischte sie leise.
»Legen Sie sich dort auf die Couch«, er zeigte auf das Sofa, »und machen Sie auf sexy.«
Sie warf ihm einen sarkastischen Blick zu, während sie sich in aller Eile bis auf ihren schwarzen BH und ihr schwarzes Höschen entkleidete, was bei der Kleidung, die sie trug, nur ein paar Sekunden dauerte. Dann legte sie sich auf die Couch und stützte ihren Kopf auf ihre Hand, um lässig und doch verführerisch zu wirken.
Sean war zur Kommode gehuscht, hatte seine Waffe aus der Schublade genommen und in der Ecke neben dem Bett Stellung bezogen. Er würde außer Sichtweite der Eindringlinge sein, bis sie die Wand passiert hatten, die das Schlafzimmer vom Eingangsbereich und dem Badezimmer trennte. Wer auch immer den Raum betrat, würde zuerst eine halb nackte Frau sehen, bevor er ihn entdeckte. Er hoffte, dass dieser Moment der Ablenkung ihm einen Vorteil verschaffte.
Beim Geräusch der sich öffnenden Tür hielt Sean den Atem an. Er konnte Emily von seiner kauernden Position aus nicht sehen, aber er stellte sich vor, dass es ihr schwerfiel, ruhig zu bleiben. Sie war eine großartige Agentin, aber der Außendienst war nicht unbedingt ihre größte Stärke.
Einen Moment lang ließ sich kein Eindringling blicken. Wahrscheinlich checkte er zuerst das Badezimmer. Dann unterbrach Emilys Stimme die angespannte Stille. »Kommen Sie herein«, sagte sie.
Der Mann trat ins Blickfeld. Er trug ein enges, langärmeliges schwarzes Hemd und eine dazu passende Hose. Er schien Mitte dreißig zu sein.
In der Hand hielt er eine Glock mit einem Schalldämpfer, den er beim Anblick der fast nackten Frau mittleren Alters auf dem Sofa leicht senkte.
Sean drückte zweimal ab und schickte zwei Kugeln in die linke Seite der Brust des Mannes. Der Eindringling keuchte, als er gegen die Wand fiel und auf dem Boden zusammensackte. Plötzlich knallten hinter der Ecke dumpfe Schüsse, die im großen Fenster auf der anderen Seite des Raumes Spinnweben aus zersprungenem Glas erzeugten. Emily ließ sich zwischen Couchtisch und Couch auf den Boden fallen. Offenbar hatten sie mehr als einen Besucher.
James Collack nippte gerade an einer Tasse Kaffee, die er unten im Coffee Bean gekauft hatte, als er distanzierte Schüsse hörte. Etwas war schiefgelaufen. Er hatte seine beiden Männer mit schallgedämpften Waffen in das Zimmer geschickt. Der Lärm normaler Schüsse bedeutete, dass diese Idioten Wyatt irgendwie auf sich aufmerksam gemacht haben mussten.
Er stand von seinem Platz in der Venezia Tower Bridge auf und strich seinen schwarzen Anzug glatt.
»Hören Sie das?« Die weibliche Stimme drang durch seinen Ohrhörer.
»Ja, ich höre es.« Er hielt inne. »Deshalb haben wir auch Plan B entwickelt.«
Von seiner Position aus konnte Sean nicht erkennen, was Emily tat. Sie war auf der anderen Seite des Raumes hinter dem Sofa festgenagelt. Zum Glück hatte sie etwas mehr Deckung, denn der Wohnbereich der Suite lag etwa drei Stufen tiefer als der Schlafbereich.
Die gedämpften Schüsse verstummten für einen Moment.
Sean war sich nicht sicher, ob er zum Angriff übergehen oder warten sollte, bis der Angreifer um die Ecke kam.
Bevor er sich entscheiden konnte, durchbrachen drei laute Knallgeräusche von Emilys Position aus die Stille.
Er war froh, dass sie ihre Waffe noch hatte.
Sean nutzte das neue Deckungsfeuer und riskierte es, in die Offensive zu gehen. Er hoffte, dass ihre Schüsse die Eindringlinge für einen Moment aus der Fassung gebracht hatten. Geschickt schlich er sich in die Ecke und sah zu Emily hinunter. Mit der Hand gab er ihr ein Zeichen, einen weiteren Schuss in die Richtung ihres vorigen Ziels abzugeben. Sie feuerte einen Schuss auf ein Gemälde ab, das gegenüber der Badezimmertür hing. Sobald sie es getan hatte, bog Sean um die Ecke und gab zwei Schüsse auf den Mann ab, der neben der Badezimmertür kauerte. Der Angreifer hatte keine Chance. Emilys Schüsse hatten genau das bewirkt, was Wyatt gehofft hatte. Er konnte nicht einmal seine Waffe heben, bevor die Kugeln seine Brust und den unteren Hals durchbohrten.
Der Körper sackte zu Boden, die schockierten Augen starrten an die Decke, als die letzten Lebensfunken aus ihm entwichen. Sean griff nach unten und fand einen Ohrstöpsel an dem toten Mann. Er hielt ihn noch rechtzeitig an sein eigenes Ohr, um die Anweisungen zu hören: »Bewacht die Aufzüge und das Ende des Flurs.« Er wandte seine Aufmerksamkeit Emily zu, die bereits dabei war, ihre Kleidung wieder anzuziehen. »Wir müssen los.«
Sie warf ihm einen Blick des Verstehens zu und schlüpfte in ihre Schuhe. Ihre Bluse blieb halb offen, und ihr Haar war jetzt zerzaust. Als sie das Geländer der drei Stufen erreichte, die zum Schlafbereich führten, drehte sie sich kurz um.
»Beeilen Sie sich«, sagte Sean.
Sie griff nach dem Glas und trank den letzten Rest des kalten Getränks aus.
»Deshalb verschwende ich doch keinen guten Whiskey«, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf.
»Okay, wie lautet der Plan?«
»Ich habe gerade über das Funkgerät des zweiten Mannes gehört, dass sie das Ende des Flurs und die Aufzüge bewachen. Ich würde vorschlagen, wir nehmen trotzdem die Aufzüge.«
»Aber Sie haben doch gerade gesagt, dass da Wachen sind.« Sie sah ihn zweifelnd an.
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten, diesen Raum zu verlassen. In Richtung der Aufzüge gibt es mehr Möglichkeiten, einen Ausgang zu finden. Und kämpfen müssen wir auf jeden Fall, ganz gleich welchen Weg wir nehmen.«
Da war was dran.
Sie nickte knapp.
Sean ging schnell zur Tür, öffnete sie und warf einen kurzen Blick in beide Richtungen durch den Flur. Dann zielte er mit seiner Waffe zuerst nach rechts in Richtung Aufzüge und dann nach links. Geschlossene Türen säumten den ausgedehnten, leeren Korridor.
»Beide Wege frei. Ich gebe Ihnen Deckung«, sagte er. »Los.«
Sie duckte sich unter ihm hindurch, während er weiter in beide Richtungen sicherte, und huschte durch den Flur zu der Tür, die zwei Zimmer weiter lag. Er tat das Gleiche und drückte sich ihr gegenüber in eine Türöffnung. Vom anderen Ende des Flurs kam ein dumpfer Schuss, der sich neben Sean in die Wand bohrte. Sekunden später wurde ein Sperrfeuer in ihre Richtung eröffnet.
Emily drückte sich so weit wie möglich in die Türöffnung. Sean spähte um die Ecke und feuerte dreimal in den Flur. Die vier Männer am anderen Ende flüchteten hastig hinter die Ecke des Gangs. Er blickte zurück zu den Aufzügen. Noch nichts.
Sie sah, wie er mit dem Kopf zuckte, damit sie sich bewegte, während er zwei weitere Schüsse abfeuerte. Sean warf einen kurzen Blick zurück, um sich zu vergewissern, dass Emily es bis zu den Aufzügen geschafft hatte, wo vier Gänge in verschiedene Richtungen abzweigten. Sie hielt ihre Waffe auf die große Fläche gerichtet und gab ihm ein Zeichen, weiterzugehen.
Warum schossen die Männer am Ende des Flurs nicht? Er hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, und rannte los. Er gab noch einen Schuss in den leeren Gang hinter sich ab, während er durch den Flur sprintete.
Sean schob schnell ein neues Magazin in seine Waffe.
»Haben Sie selbst im Urlaub immer Ersatzmagazine dabei?«, fragte sie.
Er ignorierte ihren Spott und deutete geradeaus.
»Zur Tower Bridge«, befahl er. Im selben Moment klingelte ein Aufzug. »Ich glaube nicht, dass der für uns ist«, sagte er.
Angela Weaver presste sich gegen die Wand und hielt mit beiden Händen ihre Glock fest. Der neue kastenförmige Schalldämpfer sah zwar sperrig aus, war aber ziemlich leicht.
Sie hatte ihren vier Männern befohlen, Wyatt aus seinem Hotelzimmer und durch den Flur zum Venezia Tower zu treiben. Wenn sie das Glück hatten, ihn töten zu können, wäre das ein Glücksfall gewesen. Allerdings hatte sie das nicht erwartet. Nicht von diesen Söldnern. Ebenso wenig hatte sie mit der Frau gerechnet, die Wyatt begleitete. Ihr Gesicht kam ihr bekannt vor, aber sie konnte es nicht genau einordnen. Natürlich hatte in dem Chaos einer der vier Männer eine Kugel ins Bein bekommen und wälzte sich vor Schmerzen auf dem Boden. Blut tropfte aus seinem Oberschenkel.
Profikiller? Das ist wohl leicht übertrieben.
»Können Sie laufen?«, erkundigte sie sich.
Der Mann schüttelte den Kopf, während er die Hand auf die Wunde presste. »Ich glaube nicht.«