Der Schein trügt - Manfred Lukaschewski - E-Book

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Manfred Lukaschewski

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Beschreibung

Um der drohenden Energieknappheit zu begegnen, macht sich eine Crew Wissenschaftler mit einem futuristischen Unterseeboot auf den Weg in die Tiefsee. Eine Reihe von Abenteuern und seltsamen Wendungen warten auf den neugierigen Reisebegleiter.

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Manfred Lukaschewski

Der Schein trügt

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Fieren bis zum letzten Geräusch

 

 

 

 

DER SCHEIN TRÜGT

 

 

 

 

 

 

 

FIEREN BIS ZUM LETZTEN

                                                     GERÄUSCH

 

 

 

Manfred Lukaschewski

 

„Ist alles zum Fieren bereit?“

Ruhig stand Frederik Leclerq backbords auf der Brücke und beobachtete das emsige Treiben auf dem Vordeck.

Das unförmige Unterwasserlabor schwankte zwar bedenklich im aufkommenden Sturm, ohne ihm allerdings besondere Sorgen zu bereiten.

Der nach oben gestreckte Daumen des Chefs der Überwassercrew, Alan McPherson, signalisierte ihm, dass alles im grünen Bereich ist.

„Fieren!“, befahl er kurz. Es war die Art von Frederik Leclerq in spannungsgeladenen Situationen knapp und eindeutig zu kommandieren. Seinen sonst so ausgeprägten Hang zum Sarkasmus konnte er dann eigentlich immer unterdrücken, so jedenfalls nahm er es an.

Langsam, schon fast schwerfällig begann sich das Ungetüm der schäumenden Wasseroberfläche zu nähern und die 24-köpfige Besatzung hatte nun die letzte Möglichkeit durch die Bullaugen das Tageslicht zu sehen.

Es würde sehr lange dauern, bis das Labor wieder gehievt werden würde und sie die Salzluft einatmen könnten.

„Commander McPherson, kommen Sie auf die Brücke und überprüfen Sie die Datenverbindungen!“

McPherson mochte diesen Kommandostil nicht, zumal sich Leclerq und er seit über zwanzig Jahren kannten, aber nie warm miteinander geworden sind. Beide wussten, dass das Gelingen des ganzen Unternehmens wesentlich von ihnen abhing und jeder auf seine ganz besondere Weise unentbehrlich war.

Alan McPherson war ein großer stattlicher Mann, der allein schon durch seine Erscheinung Respekt einflößte. Seine donnernde Bassstimme konnte selbst den stärksten Orkan übertönen. Das Unterwasserlabor war im Wesentlichen sein Werk, obwohl die grundlegenden Gedanken von Leclerq stammten. Die ingenieurtechnische Umsetzung oblag seiner Führung und ihm kam deshalb hin und wieder der Gedanke, warum nicht er mit der Leitung des Unternehmens betraut worden war.

Er musste sich allerdings auch eingestehen, dass das präzise logische Denken und das blitzschnelle Erfassen aller notwendigen Details nicht seine Stärke war. In diesem Punkt war ihm Leclerq turmhoch überlegen.

Trotzdem oder gerade deswegen genoss er die Zusammenarbeit mit dem Captain und wenn sich die Gelegenheit bot, die manchmal philosophischen Gespräche, die bis in die Nacht dauern konnten.

„Alle telemetrischen Daten kommen ohne Störung, die Kommunikation ist einwandfrei, die medizinischen Daten geben keinen Anlass zur Sorge!“

Ein leichtes Lächeln zeichnete Leclerqs Gesicht.

„Ich wusste gar nicht, dass Sie außer Schrauben und Drähten auch medizinisches Gerümpel in ihrem Kopf haben.“

Da war sie, die manchmal bis an eine Beleidigung gehende Art des Captains. McPherson verstand es damit umzugehen, wusste er doch seit vielen Jahren, dass Leclerq es umgekehrt genauso gut vertrug. Allerdings schützte ihn sein Dienstgrad vor übermäßiger Belästigung dieser Art.

„Was meinen Sie, Alan, wie lange werden wir da unten bleiben können?“, wollte Leclerq unvermittelt wissen.

„Schwer zu sagen, hängt auch ein wenig vom Szenario ab, aber da lassen Sie mich ja im Unklaren. Nur Sie wissen, was passiert und ich hoffe, dass alles gut geht, vor allen Dingen dem Labor nichts passiert.“

„Das Labor, das Labor...“, betont ruhig kamen diese Worte.

„Wissen Sie, Alan, genau das ist ihr Problem. Sie denken immer zuerst an ihren scheiß Kasten. Ja, ja ich weiß, hat alles viel Geld und noch mehr Arbeit gekostet und wenn etwas schief geht, werden die Gelder gestrichen und wir beide können unsere Sachen packen und uns im Männerheim einen Platz buchen.

Da unten sind unsere Männer drin, ach so, Frauen sind ja auch dabei, egal, es sind Menschen, die dann untergehen, und wir haben Angst um irgendwelche Gelder.

Zum Teufel mit ihrer Blechbüchse!“

Leclerq war wütend, oder kurz davor, es zu werden.

Er hat ja Recht, dachte McPherson, sagte aber besser kein Wort mehr. Schon fast froh nahm er zur Kenntnis, dass Leclerq bereits das Thema gewechselt hatte. Während er noch polterte, hatte er die Sprechmuschel genommen und versuchte mit dem Labor Kontakt aufzunehmen.

„Wie tief sind Sie inzwischen, Commander Nemec?“

„Wir haben soeben die 3000 ft Marke überschritten und sinken weiter.“

Die Stimme von Jana Nemec klang deutlich und ohne Erregung. Commander Nemec war eigentlich Biologin mit Spezialgebiet Ichthyologie. Die Unterwasserbesessenheit hatte sich aus familiären Gründen wohl kaum verhindern lassen, ihr Vater ist ein bekannter Tiefseespezialist und wäre am liebsten selbst an Bord dieses Labors gewesen, hätten die Ärzte nicht einen Riegel davor geschoben.

„Bleiben Sie zunächst bei 5000 ft und warten Sie auf weitere Befehle!“, ordnete Leclerq kurz an und wandte sich wieder McPherson zu.

„Sehen Sie, Alan, die Menschen da unten sind unser Kapital, da können Sie im Ministerium noch so am Geldhahn drehen, ohne diese Leute bewegt sich nichts. Unser Erfolg hängt nicht von einer rostenden Blechbüchse ab, sondern von solchen Forschern, wie die Nemec.“

Auch wenn Leclerq ziemlich verächtlich von einer Blechbüchse redete, so war es doch ein Wunderwerk der Technik und ein echtes Schmuckstück.

Wusste er doch nur zu gut, dass dieses Labor nur ein Segment eines weitaus größeren Projektes ist.

Leclerq hing seinen Gedanken nach.

Vor fast genau vier Jahren fand im Ministerium für Unterwassererkundung eine Beratung mit führenden Wissenschaftlern und Vertretern der finanzierenden Gremien statt, an der auch Leclerq teilnahm.

Auf dieser Beratung galt es herauszufinden, inwieweit die Tiefsee über nutzbare Ressourcen verfügt, um den ständig steigenden Energiehunger der Welt zu befriedigen.

Leclerq als Physiker sollte auf diesem Forum die Denkansätze liefern, mit denen dann über die finanziellen Mittel diskutiert werden konnte.

Allerdings dachte Leclerq überhaupt nicht daran, sich mit Allgemeinplätzen aufzuhalten. Zunächst musste sich Leclerq in Geduld fassen, der zuständige Direktor für Ressourcenerkundung , ein Dr. Zabill hatte das Erstrederecht.

Soll er, dachte sich Leclerq und hörte kaum hin bis zu der Passage, in der der Doktor auf die ungeheure Energieverschwendung der Menschheit zu sprechen kam.

Interessant, dachte sich Leclerq, dieser Mann hat die Macht, mit seinem Geld alles mögliche in die Wege zu leiten, hat aber keinen blassen Schimmer von der eigentlichen Materie. Er hatte das Gefühl, seine kostbare Zeit besser nutzen zu können.

Nach unendlich langer Zeit hörte er seinen Namen und wusste, dass es jetzt darum ging, ob er für sein Projekt den notwendigen Rückhalt finden konnte.

„Meine sehr verehrten Damen und Herren“ begann er vielleicht ein wenig zu unsicher.

„Wenn Sie gestatten eine kleine Erwiderung auf die Worte unseres hochgeschätzten Direktors Dr. Zabill.“

Jeder der Anwesenden wusste, dass diese beiden Protagonisten unterschiedlicher Lager in diesem und im nächsten Leben keine Freunde werden.

„Aus physikalischer Sicht ist es, bei allem notwendigen Respekt, völliger Unsinn, von Energieverschwendung zu reden.

Energie kann man weder verschwenden, noch kann man sie erzeugen. Energie ist nur von einer Erscheinungsform in eine andere wandelbar, weiter nichts. Wenn sie es so wollen, ist die Menge der Energie immer gleich, und das seit 14,5 Milliarden Jahren.

Zunächst sollte es uns darum gehen, nach Wegen zu suchen, die Energieeffizienz zu erhöhen und nicht Energieformen unnütz zu produzieren.

Wenn es darum geht, neue Ressourcen zu erschließen, dann kann es nicht um lokale Lösungen gehen, die immer nur temporäre Lösungen bieten, sondern es kommt nur eine komplexe Lösung in Frage.

Die Unterwassererforschung benötigt eine Forschungseinheit, die mit modernster Technik ausgestattet, über einen langen Zeitraum die Tiefsee erkunden kann.“

„Und wie haben Sie sich das praktisch vorgestellt?“, fragte mit einem nicht zu überhörenden drohendem Unterton Dr. Zabill.

Auf diese Frage hatte Leclerq eigentlich nur gewartet.

„Vom trockenen Schreibtisch aus ist die Tiefsee unerkundbar!“, diese Unverschämtheit musste sein, um sofort mit seinem Vorschlag allen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

„Ich kann mir ein von mir geplantes Unterwasserboot vorstellen, dass einer hochqualifizierten Mannschaft die Möglichkeit bietet, über einen sehr langen Zeitraum die Tiefsee zu erforschen. An dieser Stelle erspare ich mir die technischen Anforderungen, möchte aber darauf hinweisen, dass meine Vorstellungen von diesem Boot nichts mit den uns bekannten U-Booten gemein haben. Es handelt sich um andere Dimensionen.“

„Sie sind Physiker, kein Bootsbauer, oder?“, meldete sich nach einer längeren Unruhe Dr. Zabill wieder zu Wort.

„Das ist richtig, Herr Direktor, die Umsetzung des Planes bedarf einer Menge anderer Fachleute, ich als Physiker versuche nur, meine Anforderungen zu formulieren.

Ich bin der festen Überzeugung, dass es genügend Fachleute mit genügend Enthusiasmus gibt, dieses Boot Wirklichkeit werden zu lassen.“

„Und wer soll Ihnen Ihr Wunderboot bauen, wenn man fragen darf?“ Wieder war der drohende Unterton deutlich zu spüren, Leclerq ließ sich zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr bremsen.

„Ich kenne zufällig einen herausragenden Ingenieur, dem es eine Freude sein dürfte, sich diesem Projekt zu widmen. Er verfügt über umfangreiche U-Boot-Erfahrung und ist zur Zeit bei der Navy in Pearl Harbour stationiert. Sein Name ist Commander Alan McPherson.“

„Doch nicht der McPherson, der vor etwa einem Jahr die Beinahekatastrophe in Pearl Harbour zu verantworten hatte?“

„Erstens handelte es sich bei der von Ihnen beschriebenen Begebenheit nicht um eine Beinahekatastrophe, sondern um eine tatsächliche Zusammenballung unglücklicher Umstände, die nur durch das Eingreifen...“

„Unsinn, totaler Unsinn.“, brüllte Zabill schroff dazwischen. „McPherson hatte über 1,5 Promille im Blut und Sie wollen mir etwas von umsichtigem Eingreifen weissmachen.“

Es ließ sich tatsächlich nicht leugnen, McPherson war zum Zeitpunkt der Havarie in einem Kernfusionskraftwerk erheblich betrunken und es war allgemein bekannt, dass er Alkoholprobleme hat.

Dessen ungeachtet war er es, der durch gezielten Beschuss mit einem Protonenstrahl die Fusion beendete und durch das Abschalten der Leitungskühlung die Supraleitung unterbrach, so dass die gesamte Energieversorgung zusammenbrach.

„Beruhigen Sie sich bitte wieder, ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass McPherson unmittelbar nach diesem Vorfall eine Therapie gemacht hat und zwar mit Erfolg. Seit dieser Zeit ist kein einziges Alkoholproblem aufgetaucht, weder im Dienst noch sonst irgendwann. Ich lege für ihn meine Hand ins Feuer.“

„Ach, hören Sie doch auf. Einmal Alkoholiker, immer Alkoholiker!“

Zabill`s lief hochrot an, Leclerq hatte allerdings das Gefühl, dass es Zabill gar nicht vordergründig um McPherson ging, sondern um das gesamte Projekt.

„Wissen Sie, damit haben Sie sogar recht, wer einmal Alkoholiker geworden ist, kann diese Krankheit nur beherrschen. Heilbar ist sie leider noch nicht.

Ich gehe aber davon aus, dass Sie insgesamt etwas gegen dieses Projekt vorbringen möchten. Ich bitte Sie, Folgendes zu bedenken. Die gegenwärtige Energieversorgung ist in Kürze und in dieser Struktur nicht mehr in der Lage, den Bedarf flächendeckend zu erfüllen. Zu lange hat man in der Kernfusionsforschung Zeit verstreichen lassen, Zeit, die uns heute fehlt. Wenn Sie alsbald nicht im Dunkeln sitzen möchten, muss gehandelt werden. Einen zweiten Fehler dieser Größenordnung können wir uns nicht leisten.“

„General, ich mache Ihnen einen Vorschlag.“

Leclerq war Admiral der Navy, mochte aber diese Anrede nicht besonders, auch hatte er nur zu offiziellen Anlässen eine Uniform getragen. Seine Dienstgradabzeichen trug er unauffällig am linken Ärmel. Die drei goldenen Sterne fielen dort kaum auf und die Anrede -Captain- fand er für sich deutlich passender, obwohl es deswegen schon zu Irritationen kam. Ist zum Beispiel ein Commander doch ein höherer Dienstgrad als der Captain, Leclerq konnte damit umgehen, es machte ihm sogar Spaß, damit zu spielen.

„Ich höre!“ Ungeduldig und unbeabsichtigt laut kam diese Aufforderung.

„Legen Sie mir innerhalb von sechs Monaten ein schlüssiges Konzept vor und benennen Sie bis dahin Ihre Führungsoffiziere.

Verzichten Sie aber unter allen Umständen auf diesen Säufer.“

Leclerq schluckte den Ärger herunter, kommt Zeit kommt Rat, und nickte kurz.

Als er das Haus verließ griff er in seine Jackentasche und kramte die Zigaretten heraus, dieses Laster hatte er nie ablegen können, obwohl er sich bisweilen als Exot vorkam.

Ein paar tiefe Züge und er fühlte sich wesentlich wohler. Voller Tatendrang stieg er in das Auto und machte sich auf den direkten Weg zu McPherson.

Jana Nemec stand gedankenverloren in der Kommandoeinheit und starrte durch das Panzerglas hinaus in die Dunkelheit.

Ständig gingen ihr immer die gleichen Gedanken durch den Kopf. Sie war eine anerkannte Biologin, hatte aber noch niemals ein Kommando über 27 Männer, die noch dazu allesamt Seeleute waren. Sie konnte zwar leidlich segeln, das war aber auch alles, was sie mit der Seefahrt verband.

Natürlich, dieses Labor kannte sie , hatte sie doch an der Konzeption mitgearbeitet und sogar beim Bau oftmals mit Rat und Tat kooperiert.

Sie war von dem Gedanken fasziniert, mit diesem Labor in eine Welt vorzudringen, die noch nie vor ihr jemals ein Mensch erforschen konnte.

Was mag sich in dieser Tiefe alles an Geheimnissen verbergen, welche Lebensformen mögen in der Lage sein, in dieser unwirtlichen Welt zu existieren?

„Commander, wir warten auf Ihre Befehle!“

Erschrocken drehte sie sich um. Direkt vor ihr stand Bolka, Stefan Bolka, Oberbootsmann.

Ein ihr unsympathischer, meist auch ungepflegter Riese, aber auch jemand, der sich mit allen Unbilden der See hervorragend auskannte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auf ihn verzichtet und wenn er schon dabei sein musste, dann wenigstens ordentlich rasiert. Der Bart schien bei ihm im Minutentakt nachzuwachsen.

„Machen Sie bitte...“

Sofort hätte sie sich selbst ohrfeigen können. Hier werden Kommandos und keine Höflichkeitsfloskeln erwartet.

„Lassen Sie die Scheinwerfer anmachen, nehmen Sie die ersten Wasserproben und lassen Sie alle technischen Daten prüfen!“

Ziemlich leise, dachte sie, keine Kommandosprache.

Lächelte Bolka vielleicht überheblich, als er fragte: „In dieser Reihenfolge?“

Scheißkerl, dachte sie und sagte schon etwas bestimmter: „Sie werden es nicht für möglich halten, genau in dieser Reihenfolge, verstanden?“

Bolka blieb entgegen ihrer Erwartung stehen und schaute völlig unbeeindruckt in ihr hübsches Gesicht.

„Ist noch was?“ Da war wieder diese Unsicherheit, daran musste sie unbedingt arbeiten, sie war doch nicht schüchtern, warum also dieses unbeholfene Verhalten.

„Nein, kann ich gehen?“

Ja, natürlich.

„Sie können wegtreten!“ Jede Schraube haben sie ihr in der Ausbildung dreimal erklärt, die sogenannte Kommandosprache aber immer nur erwähnt, niemals trainiert oder zumindest einmal vorgeführt.

Es dauerte einige Minuten, bis die Dunkelheit einem gleißenden Licht weichen musste. Ihre Augen mussten sich erst an die Helligkeit gewöhnen und einen kurzen Augenblick durchzuckte sie der Gedanke, diesen arroganten Kerl zu sich zu befehlen und ihn zusammenzudonnern, weil sie die Zeit der Befehlsausführung für zu lang hielt.

Nein, sagte sie sich, das hebe ich mir für einen passenderen Moment auf und sie konzentrierte sich auf das, was da draußen zu sehen war.

Enttäuscht starrte sie nach draußen. Nichts als Helligkeit, keine Lebewesen, nicht mal Schwebstoffe, als wäre das Wasser gefiltert. Es hatte den Anschein, als hinge das Labor in einem riesigen Bottich mit Aquadest.

Es klopfte an der Tür, und erst jetzt fiel ihr auf, dass Bolka beim ersten Zusammentreffen ohne Aufforderung eintrat.

„Bitte“

Bolka betrat die Kommandozentrale.

„Commander, die technischen Daten sind alle im Toleranzbereich und die Wasserproben sind im hydrologischen Labor.“

„Danke, setzen Sie sich“

Bolka nahm ungewöhnlich schwerfällig Platz und schaute sie neugierig an.

„Bootsmann, waren Sie bereits auf einem U-Boot stationiert?“

„Ich bin einige Monate im Atlantik im Einsatz gewesen. Haben dort die Auswirkungen der Erderwärmung auf den Golfstrom untersuchen wollen. Was dabei rausgekommen ist, wissen Sie bestimmt besser als ich. Ich war nur für das Boot zuständig.“

„Wie tief waren Sie unten?“

„Warum wollen Sie das wissen. Wenn ich mich richtig erinnere, war die größte Tiefe nicht unter 1500 ft.“

„Sehen Sie raus. Da draußen ist nur klares Wasser, nichts, was auf eine Lebensform hinweist. Konnten Sie im Atlantik noch Lebewesen finden?“

„Commander, ja, da sind Fische zu sehen gewesen, aber das ist doch egal, Fisch ist Fisch und wenn hier nichts ist, gibt es nichts zu untersuchen und wir sind bald wieder oben.“

„Nicht so ungeduldig, Bootsmann. Wir haben auch ohne Fische noch eine ganze Reihe von Fragen zu beantworten. Es wird schon noch eine Weile dauern, bis Sie wieder auf festem Boden stehen.“

Das leise Knirschen hatten beide nicht bemerkt oder als unbedeutend abgetan.

Commander Nemec machte sich auf einen Rundgang durch die verschiedenen Sektionen des Labors und wollte, dass dieser Rundgang zu einem regelmäßigen Bestandteil ihres Tagesplanes wird.

Ihr erster Weg führte sie in den Technikraum. Hier liefen alle lebenswichtigen Daten zusammen, von hier wurde quasi das Labor am Leben erhalten.

„Guten Morgen, die Damen und Herren.“ Es widerstrebte ihr, die militärischen Dienstgrade zu benutzen, sie hielt sie schlichtweg für überflüssig, empfand sie sogar als hinderlich.

Hier saßen Techniker, Wissenschaftler und erfahrene Seeleute, die ein gemeinsames Ziel haben und sich der Respekt nicht an Hand der Sterne am Ärmel entwickelt.

Nicht alle in ihrer Umgebung sahen das genauso, fanden sich aber zumindestens hier in der Enge des Labors damit ab.

Unisono kam das „Guten Morgen, Commander.“ Wie bei einer Chorprobe, dachte Jana, fehlt nur noch die zweite Stimme.

Der leitende Techniker, Raffael van Belt, blickte von seinem Steuerpult auf und er lächelte die hübsche Kommandantin unverholen an.

Entweder bemerkte sie diese Blicke und das süffisante Lächeln nicht oder ihr war es nicht unangenehm.

Sie war sich ihrer Wirkung auf das andere Geschlecht durchaus bewusst, ohne damit zu kokettieren, aber hin und wieder setzte sie ihre Ausstrahlung auch zielgerichtet ein.

Ohne Aufforderung machte van Belt Meldung.

„Alles im Normbereich, wir sind im vollen Umfang einsatzbereit.“

„Vielen Dank, Mr. van Belt.“

Niemand wusste, wer die englischen Anreden eingeführt oder gar festgelegt hatte, waren doch Personen aus aller Herren Länder in dieses Projekt involviert, aber seltsamerweise fiel das niemandem auf und jeder hielt sich an dieses ungeschriebene Gesetz.

„Wie sieht es mit unserer Atmosphäre aus? Ich habe das Gefühl, dass mir bei schnellen Bewegungen schwindlig wird?“

„Ich denke, es ist normal und wird sich in den nächsten Stunden von allein legen. Wir haben den Sauerstoffgehalt der Atemluft um drei Prozent erhöht, um das fehlende Tageslicht etwas auszugleichen. Bei diesem Sauerstoffgehalt werden mehr Endorphine ausgeschüttet und man fühlt sich nach der Anpassung einfach wohler.“

„Gut.“ Ihr fehlte die Lust zu einem längeren Gespräch, außerdem wollte sie schnell weiter. Sie ging hinaus auf den zentralen Gang, der alle Sektionen, einschließlich der persönlichen Kabinen, miteinander verband.

Diesmal vernahm sie das Knirschen, unüberhörbar. Sie konnte nur nicht genau orten, woher dieses Geräusch gekommen war.

Sofort ging sie zu van Belt zurück, der wohl einen anderen Grund für ihr plötzliches Wiedererscheinen vermutete.

„Haben Sie das eben auch gehört?“

„Was?“

Ziemlich überrascht schaute er seine Chefin an.

„Ich war draußen im Gang und es war ein Knirschen, als würden wir irgendwo langschrammen oder das ganze Labor bewegt sich in sich.“

„Ich werde sofort einen gründlichen Check der Hülle veranlassen. Soll ich auch die Außenkamera fertig machen lassen?“

„Gehört ja wohl zum gründlichen Check dazu, oder?“

„Ich veranlasse alles Nötige.“

„Machen Sie mir in einer halben Stunde Meldung. Ich bin bei unserem Medicus oder in der Kommandozentrale.“

Ey, ey, Sir!“

Sir Jana Nemec, wie widersinnig doch diese Anrede ist, auch daran musste sie sich wohl oder übel gewöhnen.

Unverzüglich machte sie sich auf den Weg in die medizinische Abteilung. Hier herrschte Dr. Tomski.

Alex Tomski, ein sportlicher Mitdreißiger, war ein anerkannter Internist und hatte sich während seines Studiums intensiv mit psychologischen Problemen, die aus Einsamkeit erwachsen können, beschäftigt. Ihr persönlich war dieser Doktor bisweilen unheimlich. Sein ausgeprägtes rationales Denken, ohne den Anschein von Emotionen, machte Diskussionen nicht einfach, zumal sein Humor ein besonderer war.

„Guten Morgen, Doc.“

„Commander, wer sich am Morgen aufgehängt hat, ist jetzt schon kalt.“

Darauf zu reagieren, wäre verschwendete Zeit, Dr. Tomski war mit seinen Gedanken ohnehin schon ganz woanders.

„Ich gehe davon aus, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist und die Besatzung vollzählig einsatzbereit!“

„Ja, davon können Sie ausgehen.“

Konversation war etwas anderes.

Sie verließ diesen Sektor und ging den Gang zurück in den Kommandoraum, wo sie auf van Belt warten wollte.

Auf haben Weg war es wieder zu vernehmen, dieses Knirschen, diesmal nur lauter. Es hatte etwas Bedrohliches.

Die Straße war schnurgerade, und Leclerq kam gut voran. Wie würde McPherson wohl auf seine Ideen reagieren, würde er mitarbeiten oder würde er versuchen, dieses Projekt schlecht zu reden.

Als er das Anwesen erreichte, fiel ihm auf, dass irgendetwas an den Proportionen des Hauses völlig aus dem Rahmen fiel.

Das Wohnhaus kauerte sich an einen steil ansteigenden Hang, war klein und unscheinbar. Neben dem Haus ein riesiges Garagentor, deutlich größer als die gesamte Vorderfront des Häuschens.

Das gesamte Grundstück war, so weit er sehen konnte, von einem akkurat gesetzten zwei Meter hohen Drahtzaun umgeben und es würde ihn nicht wundern, wenn die kleinste Berührung einen infernalischen Alarm auslösen würde.

Er fuhr langsam am Zaun entlang, ohne einen Eingang zu finden. Er wendete seinen Wagen und fuhr den gleichen Weg zurück. Etwa auf halben Weg konnte er den Hausherrn hören.

„Halten Sie an und warten Sie“ dröhnte es aus einem unsichtbaren Lautsprecher. Er tat, was ihm befohlen wurde und stieg aus dem Auto.

Geräuschlos schoben sich zwei Zaunfelder auseinander, Leclerq ging ohne Aufforderung hinein und genauso geräuschlos schlossen sich die Tore wieder.

Leclerc schaute sich ein wenig um und bemerkte nicht, dass wie aus dem Nichts zwei durchaus ernst zu nehmende Hunde vor ihm standen.

Sein Schreck dauerte nicht lange, ein gellender Pfiff durchdrang den Tag und die Hunde liefen in Richtung Haus davon. Instinktiv ging Leclerq hinter den Hunden her und als er sich dem Haus bis auf zehn Meter genähert hatte, öffnete sich die kleine Tür und McPherson stand, die Öffnung ausfüllend, im Rahmen.

„Frederik Leclerq, in voller Größe. Was führt sie in diese Einöde und noch dazu zu mir?“

Die Begrüßung klang nicht unfreundlich und stimmte Leclerq optimistisch.

„Guten Tag, Mr. McPherson. Ich hoffe, ich störe Sie nicht bei etwas Wichtigem.“

„Doch, doch, Sie stören schon, aber da Sie schon mal den weiten Weg gemacht haben...Was kann ich für Sie tun?“

„Darf ich reinkommen, das Problem ist größer, als das man es zwischen Tür und Angel besprechen könnte.“

„Sie machen mich neugierig, kommen Sie rein und schießen Sie los.“

Leclerq betrat das Haus und war erstaunt. Für einen Junggesellen herrschte peinliche Ordnung, fast schon steril, einem Museum nicht unähnlich. Nur die Unmenge von Büchern, die nach seiner Ansicht ungeordnet in jeder Ecke und auf allen unmöglichen Plätzen herum lagen oder standen, trübten diesen ersten Eindruck.

McPherson bemerkte die Blicke Leclerq´s, beachtete sie aber nicht weiter, bot ihm anstelle einer Bemerkung einen Platz an.

Leclerq begann ohne Umschweife.

„Bevor ich zu einigen Einzelheiten komme, muss ich ihnen eine intime Frage stellen. Ich komme auf direktem Weg von einer wichtigen Beratung im Ministerium und hatte mit Dr. Zabill einen ziemlich unerfreulichen Disput. Es ging dabei auch um ihre Person.

Ich will offen sein, haben Sie ihr Alkoholproblem immer noch so gut unter Kontrolle, wie bei unserem letzten Treffen? Davon hängt jetzt eine Menge ab.“

„Dieser Zabill kann es wohl nicht lassen, sich permanent in mein Leben zu mischen. Seien Sie versichert, dass ich meine Lektion gelernt habe. Aber Sie sind doch nicht hierher gekommen, um dem Zabill berichten zu können, ich sei wieder dem Alkohol verfallen?“

„Nein, keine Sorge, ganz im Gegenteil. Ich persönlich war mir sicher, Sie gesund anzutreffen und ich hoffe, dass wir in Zukunft nicht mehr über dieses Thema reden müssen.“

„Sie sind aber nicht gekommen, um mein Verhältnis zu diesem Ziball zu ordnen, oder?“

„Nein, natürlich nicht. Sie sollten aber wissen, daß dieser Dr. Ziball sich vehement gegen ihre Mitarbeit geäußert hat und er nicht weiß, dass ich in diesem Augenblick bei Ihnen bin.