Der schöne Mann - Walt Whitman - E-Book
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Walt Whitman

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Beschreibung

Männer sind schön! Männer denken einfach zu viel! Und sie lassen sich immer wieder einreden, Schönheit wäre eine Sache der Frauen, reine Haut, leichtfüßige Bewegungen, eine klangvolle Stimme. Walt Whitman, Begründer der modernen amerikanischen Dichtung, kannte die Wahrheit. Mit ›Der schöne Mann‹ schrieb er eine Hymne auf den männlichen Körper und einen Leitfaden, wie man seine Möglichkeiten voll ausschöpft. Das reicht von einer reinen Fleischdiät über das Rezitieren von Gedichten im Freien und sorgloses Tanzen bis zu Bare-Knuckle-Fights. ›Der schöne Mann‹ erschien 1858 in dreizehn wöchentlichen Kolumnen im ›New York Atlas‹ und war 150 Jahre lang verschollen. Mit dieser Ausgabe liegt Whitmans kurioser Ratgeber erstmals auf Deutsch vor.

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Seitenzahl: 241

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Walt Whitman

DER SCHÖNE MANN

Das Geheimnis eines gesunden Körpers

Aus dem amerikanischen Englisch und mit einem Nachwort von Hans Wolf

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Jedem Leser, dessen Augenmerk auf dem obigen Titel verweilt und den wir bis zum Abschluss unserer Serie hoffentlich zu einem Gefährten gemacht haben – jedwedem Mann, reich oder arm, Arbeiter oder Müßiggänger – allen Altersstufen des Lebens, von dessen Anfang bis zum Ende –, ist gewiss nichts unmittelbarer bewusst oder von so unentwegtem, beherrschendem Interesse wie dieses Thema, welches wir hier in ein paar Artikeln präsentieren, mit deutlichen und, wie wir hoffen, verständigen Fingerzeigen zur Beförderung der männlichen Kraft und Schönheit. Wir werden uns nicht dafür rechtfertigen, dass wir unsere Kolumnen teilweise der Erörterung eines solchen Themas widmen; noch halten wir es für unbedingt erforderlich, unsere Standpunkte immer wieder darzutun, um uns einer neugierigen und zahlreichen Leserschaft versichern zu können.

Männliche Kraft und Schönheit! Wohnt diesen Worten nicht eine Art Zauber inne – eine faszinierende Magie? Vor unserem geistigen Auge sehen wir den Blick, mit dem mancher junge Mann dieses Motto betrachtet, ein junger Mann, der, kräftig, regsam und zäh, im Innern schon immer den Ehrgeiz verspürt, aber nie in Worte gefasst hat, seine Leibestüchtigkeit zu vervollkommnen – der sich bewusst wurde, dass die übrigen Güter des Daseins, verglichen mit einem makellosen Körper und makellosem Blut, wohl schwerlich echte Güter sein können – keine krankhaften Säfte und Mattigkeiten, keine Impotenz, keine Gebrechen oder sonstigen Unbilden; sondern Belebung und Lebenslust im Überfluss, durch und durch bestimmt von herkulischer Kraft, von Geschmeidigkeit, einem reinen Teint und der fruchtbaren Wirkung, die eine lachende Stimme, ein munteres Lied des Morgens und Abends, ein strahlendes Auge und immerwährender Frohsinn auszuüben vermögen!

Für solch einen jungen Mann – für jeden Leser dieser Zeilen – wollen wir mit rascher Feder skizzieren, welche Bedingungen dem genannten Zustand von Kraft und Schönheit vorausgehen – einem Zustand, der, um es unmissverständlich zu sagen, leichter zu erlangen ist, als man insgemein annimmt; und woran auch die vielen, welche durch üble Gewohnheiten oder Krankheit seit Langem beeinträchtigt sind, nicht verzweifeln müssen, sondern beharrlich bestrebt sein sollten, dieses nach menschlicher Voraussicht durchaus mögliche Ziel zu erreichen.

WAS EIN GESUNDER KÖRPER BEWIRKT

Zu den Kennzeichen männlicher Kraft und makelloser Leibesbeschaffenheit, innerlich wie äußerlich, zählen ein klares Auge, ein schimmernder und womöglich gebräunter Teint (Letzteres kein Muss), aufrechte Haltung, ein federnder Gang, wohlriechender Atem, eine klingende Stimme und wenig oder gar keine Reizbarkeit des Gemüts. Beim Choleriker stimmt oft etwas nicht mit dem Magen, den Gelenken oder dem Blut. Wird hier Abhilfe geschaffen, so wendet sich das allgemeine Befinden in neun von zehn Fällen zum Besseren.

Wir werden Schritt für Schritt dartun, inwiefern Gesundheit die Grundlage aller wahrhaften männlichen Schönheit bildet. Auch befähigt sie uns vielleicht mehr, als gemeinhin vermutet, ein guter Gefährte zu sein, ein geselliger, immerzu willkommener Gast – die göttlichen Freuden der Freundschaft zu erfahren. Auf just solchen Punkten (und sie umfassen gewiss einen Gutteil der besten Segnungen des Daseins) beruhen jene feinen Vorzüge eines gesunden, makellos funktionierenden Körpers, welche sich durch nichts aufwiegen lassen und die ihrerseits manchen anderen Mangel, etwa an Erziehung, Bildung oder dergleichen, aufzuwiegen vermögen.

Mitunter kommt uns gar der Gedanke, dass schon die bloße Gegenwart eines Mannes, der sich vollkommen wohl befindet, von wundersam heilkräftiger Wirkung sein kann!

Während andererseits wohl kaum etwas niederdrückender ist, als ständig von kränklichen Menschen umgeben zu sein und ausschließlich mit solchen zu tun zu haben!

VERNUNFT – UNSERE ZIELE

Es ist nicht zu viel verlangt von jungen Männern und wohl ganz allgemein von den Menschen (wie es gewissenhafte Zeitungsschreiber, Redner etc. pp. fordern), dass in der großen Frage der Gesundheit und männlicher Leistungskraft beharrliche Vernunft das Ruder übernehmen und in der Hand behalten sollte. Wie wir wissen, ist das ein Rat, dessen Befolgung für viele als allgemeine Regel nicht in Betracht kommt. Dennoch bekennen wir uns zu der Hoffnung, dass er im Laufe der Zeit Früchte trägt. Denn wo, abermals, ist der Mann, jung, alt oder in mittleren Jahren, der sich nicht vornehmlich danach sehnt, einen makellosen Körper zu haben?

Unser ins Auge gefasstes Ziel ist es, jegliche Fakten, Regeln, Vorschläge etc. pp. für den alltäglichen Gebrauch in gebundener, zusammenhängender Form zu präsentieren und unbedingt jenen nahezubringen, welche der Frage, wie man zu einem makellosen männlichen Körper gelangt, noch keinerlei ernsthafte Aufmerksamkeit geschenkt haben. Just die Vertreter dieser gängigen Haltung und die jungen Männer bilden die riesige Gemeinde, das Publikum, dem unsere Fingerzeige in der Hauptsache gelten. Wir halten es daher für erforderlich, auch ein Stück Boden zu betreten, das manchem Leser, der sich mit unserem Thema bereits hinreichend befasst hat, wahrscheinlich längst vertraut ist. Dennoch kann es vermutlich nicht schaden, wenn er dasselbe Gelände noch einmal betritt. In der Tat: Drei Viertel der jungen oder im mittleren Alter befindlichen Männer, nicht nur hier in New York, sondern überall in den Vereinigten Staaten, erweisen sich wohl eine der größten Wohltaten, wenn sie während ihres restlichen Lebens ein- oder zweimal jährlich sorgfältig die Artikel lesen, welche wir hier nun zu schreiben gedenken.

Unser Ziel kann auch über Umwege und auf unmethodische Weise erreicht werden, und was wir schreiben, kommt ohne künstliche Begriffe und Wendungen aus; wir bekennen nämlich freimütig, kein Arzt zu sein – sondern jemand, der mittels Beobachtung und Nachsinnen dazu gelangt ist, das Thema Gesundheit als etwas zu betrachten, das im Alltag oft besser von einem Laien als von einem Mediziner behandelt wird –, denn wer hätte jemals einen Arzt gekannt, der eine Abhandlung schreibt, welche sich nicht vornehmlich an seine eigenen Zunftgenossen richtet?

Wir hätten längst Gelegenheiten zur Leibesübung geschaffen, sie sollten nach und nach Bestandteil einer jeden amerikanischen Gemeindeschule sein, von Maine bis Texas, von der Nordgrenze Washingtons bis zum südlichen Ende Floridas. Dem oberflächlichen Leser klingt dies zweifellos sonderbar, doch wer das Thema bereits erfasst und zur Kenntnis genommen hat, dass, unter allen Umständen, angemessene Übungen die natürliche Kraft, Ausdauer und das Leibeswohl um ein Dreifaches vermehren, wird unser Anliegen umso eher begreifen. Es gibt keinen Jäger, Krieger, wilden Indianer, auch keinen Hinterwäldler des Westens, und wäre er noch so stark und gewandt, welcher nicht durch wohlüberlegte Leibesübungen seine natürliche Kraft weit über ihr ursprüngliches Maß hinaus gesteigert hätte. Das ist die Hohe Schule, aus der die natürlichen Anlagen und Gaben erwachsen sollten, um dann aufs Vollkommenste und Beste ausreifen zu können.

EIN STOLZES MANN-TIER

Erschrick nicht vor der Überschrift, wertester Leser. Es ist, in unseren Augen, dem Manne unbedingt nötig, stark und kräftig zu sein – ein stolzes Tier. Das ist, offen gesprochen, der Grundtext und Keim fast aller unserer Kommentare – welche daraus entsprießen und die zu verbreiten und zu erklären suchen, wie sich diese Aufgabe vollständig bewältigen lässt. Da sich in diesen Artikeln alles um dieses Anliegen dreht, muss auch alles, was mit dir, Leser, mit deinem Körper, deiner Statur etc. pp. zu tun hat, einzig unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Und weshalb auch nicht? Fast jedwedes Ding findet Beachtung, bloß nicht, dass im Manne auch ein Tier steckt – als wäre das etwas, dessen man sich zu schämen und das man von sich zu weisen hätte. Tatsächlich reden viele hochmögende Leute dieser Denkweise ganz offen das Wort und lassen sich bei der Erziehung ihrer Kinder davon leiten.

Dass wir dieser Denkweise nicht zuneigen, steht freilich außer Frage und spricht aus jeder Zeile unserer Artikel. Zugleich sind wir natürlich mit jedermann darüber einig, dass der Mensch über eine moralische, gefühlige und geistige Natur verfügt, welche gleichfalls der Förderung bedarf; aber dem ungeachtet behaupten wir, dass die gegenwärtige Tendenz eher dahin geht, diese Aspekte der menschlichen Natur zu überfördern, während die leibliche Seite ausgeklammert und unterschlagen wird.

Jawohl, Leser, unsere Lehre lautet: Erst ein vollkommener Leib macht den vollkommenen Menschen – mit dieser Prämisse, mit diesem Grundsatz beginnen wir. Wir bringen ein paar prinzipielle Fingerzeige und Anregungen in eine einigermaßen geregelte Form. Nur darum geht es hier. Würden doch auch andere Autoren und andere Lehrer unserer richtungsweisenden Fährte folgen – bis es landauf, landab keinen Mann mehr gibt, namentlich keinen jungen Mann, dem es noch gestattet ist, Unkenntnis dieser schlichten Regeln vorzuschützen, wenn er seine schlechte Konstitution und mangelnde Kraft begründen soll.

Eine Genugtuung freilich wäre uns der Gedanke, diese Fingerzeige könnten vielleicht dazu dienen, die Aufmerksamkeit des jüngeren Teils der amerikanischen Bevölkerung zu fesseln und ihm wieder bewusst zu machen, dass das einmal Erworbene durchaus nicht schwierig zu halten ist, doch hat man es einmal vollständig verloren, so wird man es wohl noch lange danach betrauern und vergeblich zurückzuerlangen suchen – und gewinnt man es tatsächlich zurück, so benötigt es nunmehr doppelte Achtsamkeit. Dennoch, wir wollen niemanden entmutigen, der seine beschädigte Gesundheit wiederherzustellen bestrebt ist. Vielmehr wollen wir ihm nachdrücklich zu verstehen geben, dass die Möglichkeit, ja die Aussicht besteht, sein leibliches Wohl zurückzuerlangen.

AN DIE STUDENTEN, LOHNSCHREIBER UND SOLCHE IN SITZENDER ODER GEISTIGER TÄTIGKEIT

Kann es denn etwas wie ein angestrengtes Studium geben, in dessen Verlauf die Gesundheit keinen Schaden nimmt – wo doch jedes Studium zunächst geistige Ertüchtigung ist? Wir haben an anderer Stelle bereits angedeutet, dass es das nicht nur geben kann, sondern dass ein Studium die Gesundheit vielleicht sogar fördert. Allerdings ausschließliches Studium ohne gekräftigten Leib ist der Untergang. Unsere Leser sollten sich eine breite und tiefe Sicht unserer Argumente zu eigen machen, und zwar von unserer Warte aus; wir haben nämlich keine Zeit, den Lückenbüßer zu spielen und Pünktchen für Pünktchen aneinanderzureihen, als hätten wir sonst nichts zu tun. Für jetzt müssen ein paar Andeutungen genügen, und wir sind zuversichtlich, dass wir zu intelligenten Menschen sprechen, welche in diesem Thema schon einigermaßen bewandert sind.

Wir behaupten nicht nur, dass beim jungen Mann die geistige Entwicklung sehr wohl Hand in Hand mit der körperlichen Entwicklung einherzugehen vermag, sondern auch, dass dies tatsächlich die einzige Art ist, nach der die beiden einhergehen sollten – stets zusammen, was beiden sehr zum Vorteil gereicht. Bist du Student, so studiere auch deinen Leib und ertüchtige ihn auf männliche Weise, und bald wirst du feststellen, dass eine breite Brust, zwei muskulöse Arme und zwei sehnige Beine dir just die gleiche Anerkennung verschaffen und dir dein künftiges Leben hindurch ebenso zur Verfügung stehen wie deine Geometrie, deine Geschichtswissenschaft, deine Klassiker, deine Jurisprudenz, Medizin oder Theologie. Lass dich durch nichts von deiner Pflicht gegen deinen Körper ablenken. Des Morgens früh aus den Federn! Mache dir den flotten Spaziergang an der frischen Luft zur Gewohnheit – ebenso die fleißige Handhabung des Ruders – und lautes Deklamieren auf den Hügeln oder am Strand. Auf diese Weise kannst du mit dreifachem Zugriff die Probleme und Mühsale deines Studentenlebens bewältigen – ganz gleich, welche Schwierigkeiten sich dir in deinen Büchern oder aus Professorenmund in den Weg stellen. Bewahre deine männliche Kraft, deine Gesundheit und Stärke vor jedem Schaden und jeder Verletzung – dies ist die heiligste Pflicht, die du nie außer Acht lassen darfst.

An dich, Lohnschreiber, Literat, Mann des Sitzfleisches, Glücksritter, Müßiggänger, der nämliche Rat: Aufgestanden! Die Welt (vielleicht siehst du sie eben jetzt mit bleichen und widerwilligen Augen an) steckt für dich voller Genuss und Schönheit, wenn du sie mit der rechten Gesinnung angehst! Hinaus in der Früh! Selbst in der Großstadt mit ihrer unendlichen Vielfalt von Menschentypen und Professionen findet sich ein reicher Quell von Kurzweiligem und Interessantem – auf den Schauplätzen ihres Erwachens und Sich-Einrichtens aufs Tagewerk –, bei den Menschenmengen an den Fähren, auf den Hauptverkehrsstraßen und in den großen Lager- und Markthallen. Lass dich nicht gleich entmutigen. Gönne unserem Rat einen längeren Versuch – nicht bloß ein paar Tage oder Wochen, sondern mehrere Monate hindurch. Früh aus den Federn, früh zu Bett, Gymnastik, einfache Kost, mit beharrlicher Ausdauer durchgeführte, sanft angegangene Leibesübungen, der unbedingte Wille zur Kultivierung eines heiteren Gemüts, die Gesellschaft von Freunden und eine bestimmte Anzahl von Stunden für das regelmäßige Tagesgeschäft – all das, schlicht genug, behaupten wir, reicht hin, das Leben zu revolutionieren und es aus einem Schaustück der Düsternis, Schwäche und Unschlüssigkeit in echtes Leben zu verwandeln, sodass es zu einem Universum voller Möglichkeiten zum Glück wird, voller gutgesinnter, zärtlicher Männer und Frauen, wo der wohltätige Gang der Natur nie erlahmt, wo die Sonne scheint, die Blumen blühen, die Ähren sprießen, die Wasser fließen, wo kein Wunsch unerfüllt bleibt, wenn nur der Mensch in der rechten Stimmung ist, sich als Teil der universellen Kraft und Lebenslust zu empfinden. Dies vermag er nur mittels Verstand, Wissen und Abhärtung – kurz, durch ständige Leibesübung; denn darauf läuft das Ganze hinaus.

AN DIE MORALISTEN, REFORMER ETC. PP.

Es ist unsere tiefste Überzeugung und das Resultat ausgiebiger Beobachtung in New York, Brooklyn und anderen Städten, dass die einzig wahre und nutzbringende Methode, die Moral der Jugend zu heben, darin besteht, sie, die Jugend, zuvörderst zu einem gesunden, reinblütigen und kraftvollen Typus von Menschen zu machen. Der klügste Prediger, Lehrer oder Philanthrop ist nicht der, welcher immerzu bei abstrakten Geschäften verweilt, weitab in den Wolken, denn das würde unsere jungen Männer in züchtige, blutleere Phantome verwandeln. Das darf niemals geschehen; hingegen glauben wir, dass sich aus einem gesunden und starken Leib ein unendlich größerer Gewinn für die Moral und sonstige abstrakte Güter ziehen lässt.

Gegenwärtig besteht eine Kluft zwischen den reinen Moralisten und denjenigen, welche die Heil bringende Wirkung von Leibesübungen und Sport lehren – eine Kluft, die es unserer Ansicht nach keineswegs geben müsste. In früherer Zeit war das nicht so. Die jungen Männer Athens und anderer griechischer Städte waren in Dingen der körperlichen, geistigen und moralischen Entwicklung als Ganzes geübt – was, wie bereits angedeutet, in der Tat der einzige Weg ist, auf dem beharrliche Übung dem ganzen Manne gerecht wird. Dennoch, wir wiederholen es, die erste Forderung an einen jungen Mann lautet: Gesund und zäh soll er sein; allein auf dieser Grundlage mag es ihm eher gelingen, ein guter, aufrechter und freundlicher Mensch voller Selbstachtung zu werden.

EIN LEBEN OHNE GESUNDEN LEIB – WAS KANN ES TAUGEN?

Die Vernunft sagt uns, der Tod birgt nicht so viel Schrecken, als wenn sich ein zu nichts taugliches, Mangel leidendes, kränkelndes Leben in die Länge zieht. Wir glauben sogar, dass einem solchen Jahr für Jahr fortwährenden Leben, ohne die Möglichkeit eines Wandels, der Tod vorzuziehen ist – dass er eine wohltuende, eine segensreiche Erlösung wäre.

Dies vorausgesetzt, sollte es das erstrebte Ziel eines Mannes sein – und zwar schon bevor er Mann ist, also bereits in der frühen Jugend –, den Grundstein zu einem gesunden und widerstandsfähigen Leben zu legen, indem er sich einen gesunden und widerstandsfähigen Leib formt. Nichtig ist die Behauptung (selbst wenn die zivilisierte Welt sie auf mancherlei Art gerne ausspricht), auch ein kranker, gebrechlicher, vor der Zeit todgeweihter Mensch habe in Wahrheit ein lebenswertes Leben. Bedenken wir, welch riesige Schwärme solcher kranker (oder zum Mindesten nicht gesunder) Menschen es gibt, so nimmt dieser Umstand geradezu furchterregende Ausmaße an!

Jawohl, noch einmal: Ein einziges Leben, durch Schwäche und Kraftlosigkeit unglücklich gemacht, birgt mehr Elend und Schrecken als einhundert Tode. Lenken wir also die Aufmerksamkeit auf das, was das Leben wirklich lebenswert macht; möge das männliche Leibeswohl öfter gelehrt und unermüdlich gefördert werden.

ATHLETIK

Eines der Ziele, die wir im Auge haben, während wir dem Leser unsere Standpunkte darlegen, besteht darin, der Begeisterung für athletische Übungen und erquickenden Sport auf die Sprünge zu helfen, einer Begeisterung, welche in New York, Brooklyn und anderen amerikanischen Städten bereits im Aufkeimen begriffen ist. Das Thema Athletik (das Fremdwort scheint uns sehr wohl am Platz zu sein) ruft unwillkürlich Gedanken ans alte Griechenland wach, woselbst es die allergrößte Aufmerksamkeit erfuhr und seinerseits nicht zuletzt dazu beitrug, dass die Griechen, was körperliche und geistige Tugenden betrifft, das glorreichste Volk der Antike wurden.

Der Sport der Griechen (wir bringen ihn hier zur Sprache, weil das Interesse daran nie versiegt) bestand hauptsächlich aus fünf Disziplinen, nämlich Wettlauf, Weitsprung, Faust- und Ringkampf sowie Werfen mit dem steinernen oder ehernen Diskus – welche alle wir von jenem altehrwürdigen Zeitalter und Volk übernommen haben.[1]

Unter diesen Disziplinen stand der Wettlauf in höchstem Ansehen – und der Name des Gewinners wurde mit der Olympiade, in welcher er den Sieg davontrug, nicht selten in einem Atemzug genannt. Vermutlich gingen dem Sieg wesentlich sorgfältigere Zurüstungen voraus als bei uns Heutigen; die Zahl der Wettkämpfer war groß, und der Preis, ein Olivenkranz, galt als das bedeutendste Ehrenzeichen, das zu erringen in der Macht eines Sterblichen stand. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass die vorangehende Prüfung der Wettstreiter sehr streng war und ein zuvor schon von Maß, Zucht, Sitte und Heldenmut geprägter Lebenswandel zu den unverzichtbaren Voraussetzungen zählte. (Wie viele unserer heutigen Jünglinge wären wohl in der Lage, eine solche Prüfung zu bestehen?)

Die Faustkämpfe waren eine gefährliche und blutige Angelegenheit und endeten oft mit dem Tod. Die Kombattanten bedeckten ihre Fäuste mit dem Cestus, einem aus Lederbändern gefertigten, mit Metall ausgelegten Kampfriemen, welcher eine ähnliche Wirkung wie der moderne Schlagring erzielte. Die Faustkämpfer waren die wildesten und grausamsten der antiken Athleten. Sie alle waren mehr oder weniger versehrt, hatten ein Auge oder einen Zahn verloren, eine gebrochene Nase oder schlimm klaffende Gesichtswunden davongetragen.

BEWEGUNGSSTUDIE ZWEIER BOXER

Der Weitsprung wurde ebenso ausgeführt wie in der Gegenwart. Der Ringkampf erforderte erhebliche Gewandtheit und Erfahrung und war eine große sportliche Kunst. In der Arena fanden immer mehrere Kämpfe gleichzeitig statt. Die Ringer waren nackt und hatten die Leiber mit Öl eingerieben.

Es gab eine Disziplin namens Pankration, wo dem Kämpfer sämtliche Mittel des Angriffs und der Verteidigung gestattet waren; man erwartete von ihm, nach Kräften alles zum eigenen Wohl und alles zum Schaden des Gegners zu tun. Erlaubt waren Kratzen, Beißen, Quetschen und Treten – kurz, die Disziplin unterschied sich in nichts von einer wüsten Prügelei im heutigen Arkansas, außer dass damals kein Bowiemesser zum Einsatz kam.[2]

Diese Kampfspiele, welche großen Zulauf hatten und an denen sich fast alle Männer in jungen und mittleren Jahren beteiligten, dienten zur Züchtung eines sehr zähen, durch wohlgeformten Körperbau gekennzeichneten Geschlechts. In solch ernstem Wettstreit präparierten sich die Griechen nicht nur für die harten Waffengänge des Krieges, sondern auch für die Freuden des Lebens, immer bestrebt, der Wohlfahrt und Stärke der Nation aufzuhelfen. Dabei waren sie, allem rauen Wettstreit zum Trotz, keineswegs ein roher oder gar blutrünstiger Menschenschlag; nein, im Gegenteil, sie zeichneten sich durch eine freundliche, sanftmütige, wohlwollende und gütige Gesinnung aus.

Doch die geschilderten Kampfspiele erstreckten sich nicht nur auf die Erprobung des Körpers. Bei der Olympiade und anderen großen Veranstaltungen dieser Art fanden auch geistige Wettbewerbe statt. Dichter, Redner und Geschichtsschreiber wetteiferten um den jeweiligen Siegespreis und rezitierten ihre Erzeugnisse vor dem Publikum.

Darüber hinaus gab es Gesang, Tanz und Darbietungen mit Musikinstrumenten.

Bei solchen Gelegenheiten stellten auch Bildhauer, Maler und Kunstschüler Proben ihrer Fertigkeit aus – während die Philosophen und Lehrer umherschritten oder Gruppen bildeten, um ihren gegenseitigen Argumenten und Gegenargumenten zu lauschen.

Unserer knappen Schilderung sei lediglich hinzugefügt, dass diese großen Veranstaltungen stets bei Tagesanbruch begannen und hauptsächlich im Laufe des Vormittags stattfanden – anders als heute, wo man derartige Belustigungen üblicherweise auf den Abend verlegt. Im Übrigen spielte sich damals alles im Freien ab.

Diesen Umständen also, wir wiederholen uns, ist es zu verdanken, dass die Griechen zu einem der gesündesten, edelsten, kühnsten und glücklichsten Völker wurden, welche jemals gelebt haben.

WAS HABEN GEISTIGE FÄHIGKEITEN, STUDIUM ETC. PP. MIT DEM LEIBESWOHL ZU TUN?

Zu den vielfältigen Aspekten dieses interessanten Themas hätten wir einiges zu sagen. Nach allgemeiner Auffassung geht ein hoch entwickelter Geist stets mit einem delikaten Gesundheitszustand einher. So hartnäckig hat sich diese Urteilsweise in der Volksmeinung festgesetzt, dass so gut wie niemand, der einen robusten Körperbau aufweist, gleichzeitig als kultivierter Mensch oder als Geistesgröße gilt. In dieser verbreiteten Denkart steckt insofern eine gewisse Wahrheit, als ein verfeinerter Geist und Kenner der Lebensgesetze den schädlichen Folgen schlechter und ungesunder Gewohnheiten viel eher ausgesetzt ist als jemand von niedrigem Stand, dessen leibliche Konstitution und Kraft ebenso wenig über den Durchschnitt hinausgeht.

Jedermann kann dieses Phänomen beobachten, es zeigt sich in den Behausungen der unteren Klassen, sowohl in der Stadt wie auf dem Land, überall, wo sich die niederste Volksschicht aufhält. Allen Lebensgesetzen zum Trotz entsprießen der Bewohnerschaft dieser Stätten einige der prächtigsten Musterexemplare von Gesundheit und leiblicher Schönheit, welche die Welt jemals gesehen hat. In der Tat, nimmt man es genauer, so erhebt sich die Frage, ob die Oberschicht der Gesellschaft, mit all ihren überragenden Vorzügen, ebenso viele Musterexemplare wohlgeformter, stattlich daherkommender Menschen von reinem Blut und unversehrter Gesundheit hervorbringt wie diese Stätten, wo man der Gesundheit keinen Gedanken widmet und wo sie offensichtlich andauernd gefährdet ist.

Diese zunächst so verblüffende Tatsache, welche den Bau unserer Erwägungen und Ratschläge scheinbar zum Bröckeln bringt, fällt bei näherer Betrachtung unter die schlichte und wahre Lehre des Leibeswohls und bestätigt sie so gut wie alles andere. Die Kinder einer armen Familie, speziell auf dem Lande und großenteils auch in der Stadt, kommen nie in den zweifelhaften Genuss jener verzärtelnden Luxusartikel und Extras, welche die Sprösslinge der Reichen des Öfteren ins Verderben stürzen – jener Liebesgaben, die nicht selten buchstäblich den Tod bringen. Die Kinder der Armen neigen, wenn sie kränklich und schwach sind, womöglich zu höherer Sterblichkeit, doch die Zäheren bleiben am Leben und trotzen nun umso mehr den Stürmen und Unbilden des Daseins. Und just diese Zäheren gehen aus solchen Unbilden und Prüfungen desto stärker hervor. Sie gleichen Schösslingen, welche der Gärtner dort, wo er sie in den Boden pflanzte, einfach wachsen lässt und die fortan unter der Obhut der Sonne, der Luft und des Regens stehen, bis sie zu wilder und verwegener Schönheit erblüht sind, der ihre künstlicher gehegten Geschwister vergeblich nachzueifern versuchen. Das jedenfalls ist das Resultat eines glücklichen Zusammentreffens von Umständen, welche, wie schon gesagt, mit den allgemeingültigen Regeln des Leibeswohls übereinstimmen.

Wer sich entschlossen hat, seine Gesundheit zu fördern, und dauerhaft bemüht ist, sie makellos zu erhalten, tut unbedingt gut daran, Vorsicht walten zu lassen, damit er die Sache nicht übertreibt. Es gibt so etwas wie eine allzu kleinliche und peinliche Sorge um die Gesundheit; dadurch ruiniert man sie ebenso unfehlbar wie durch Sorglosigkeit. Die Bemerkung wendet sich an diejenigen, welche alle Stunden Höllenqualen erleiden, sobald mit ihnen oder ihren Kindern vielleicht etwas nicht ganz richtig ist, und speziell an solche, die meinen, sich immer und überall gegen Kälte, frische Luft und sonstige Gefährdungen schützen zu müssen.

Wisse: Auf dem Weg zur vollkommenen Gesundheit und zu einem von Muskeln durchgeformten Leib braucht es einen gewissen Grad von Ungezwungenheit. Der Fehler der Stubengelehrten besteht zweifellos nicht nur darin, dass sie ihre Grundantriebe von den wichtigen Leibesorganen weg stets viel zu sehr aufs Gehirn umlenken, sondern auch, dass sie allzu oft an die Gesundheit denken und vielleicht sogar allzu viel von ihren Regeln wissen. Aus Letzterem ließe sich schließen, dass, wenn sie ihre Fachgelehrsamkeit zuweilen bloß ein wenig beiseitestellten und nicht allzeit darauf beharrten, die Dinge für sie wesentlich besser vorangingen.

Bei alledem sind wir der Ansicht, ja der tiefen Überzeugung, dass der höchste und glücklichste, ein langes Leben verheißende Stand der Gesundheit, immerzu im Verein mit allem, was den Menschen zum vornehmsten Tier dieser Erde macht, und gekrönt zuletzt von einem schmerzlosen und leichten Tod – sind wir, noch einmal, der Ansicht, dass dieser Zustand sich nur (von seltenen Ausnahmen abgesehen) durch eine kultivierte Geisteshaltung erreichen lässt, dass nur der mit Verstand begabte, der vernünftig denkende Mensch ihn zu erlangen vermag. Denn was sonst ist die ganze Lehre der Leibesertüchtigung als Vernunft, angewandt darauf, die Gestalt, das Blut, die Kraft und das Leben des Menschen zu vervollkommnen?

Anders und kürzer gesagt: Echte geistige Bildung, nicht die überspannte und krankhaft überfeinerte, ist einem langen Leben und einer edlen Leibesgestalt überaus förderlich; und wer dieses Ziel verfehlt, ist (sofern nicht andere Gründe hineinspielen) entweder in schlechter geistiger Verfassung, oder er hat (was heutigentags häufiger vorkommt) nicht genug wildes Tier in sich. Noch einmal, so seltsam es klingen mag: Dies ist in unserer über-geistigen und über-philanthropischen Zeit ganz allgemein der Fall.

Dass eine auf halbem Wege stecken gebliebene, unvollkommene geistige Entwicklung, wie man sie heute in vielen Berufszweigen beobachtet – bei Literaten, bei Personen in sitzender Tätigkeit etc. pp. –, sich äußerst ungünstig auf die Gesundheit auswirkt und somit im Widerspruch steht zum federnden Gang, zur roten Wange und Lippe, zu den muskulösen Armen und Beinen des Menschen, ist uns sehr wohl bekannt. Doch ohne nun allzu streng werden zu wollen – wodurch zeichnet sich, genauer erwogen, die heutige Geistesrichtung eigentlich aus, außer durch einen fieberhaften, oberflächlichen und seichten Umgang mit Worten und leeren Begriffen? Wie viele aus diesen Schwärmen von sogenannten »Intellektuellen« sind nichts anderes als Schwätzer, die, was wahre Bildung und Klugheit betrifft, erst einmal die Anfangsgründe erlernen müssen?

LEIBESERTÜCHTIGUNG

Da steht es nun, das Zauberwort, welches dem Menschenleib all seine Beschwerden zu nehmen und all seine Wunder zur Entfaltung zu bringen vermag. Leibesertüchtigung! In der vollen Bedeutung des Wortes umfasst sie die ganze Wissenschaft von der Vollkommenheit, Erziehung, Schönheit und Kraft des Mannes – zudem wirkt sie sich unmittelbar auf die Moral und geistige Verfassung aus.

LEIBESERTÜCHTIGUNG

Die menschliche Vernunft, angewandt auf die Vervollkommnung von Körper und Geist! Was kann es Edleres geben? Wir sind nicht unempfänglich für die wegweisenden Triumphe der Wissenschaften und Philosophie –, für die Auslegung der Feinheiten des Seelenlebens – für die Bewerkstelligung solcher Wunderwerke wie des Atlantischen Telegrafen, der Großtat unserer Zeit;[3] dennoch kommt, unserer klaren Meinung nach, aller Forschung und Theorie eine noch größere Bedeutung zu, wenn sie unmittelbar auf das individuelle Glück und Wohlbefinden einzuwirken vermögen – auf das Gedeihen einer überlegenen Rasse, die sich durch kräftigen Körperbau, reines Blut und all das auszeichnet, wodurch das Wesen des Menschen im besten Sinne bestimmt sein sollte.[4] Auf kein anderes Gebiet könnte der Philanthrop seine Zeit und seine Fähigkeiten wohl sinnvoller verwenden als auf dieses – und die schreibende Zunft, der Publizist und Dozent, sie täten gut daran, ihm größere Aufmerksamkeit zu schenken und es häufiger zum Thema zu machen.

Leibesertüchtigung! Wenige begreifen (auch du, Leser, so wenig wie jedermann), welch ein Aufwand von Kraft dahintersteckt, wie viel systematische Übung vonnöten ist, um einen Körper von vollkommenem Ebenmaß zu erlangen.

Man betrachte die sehnigen Armmuskeln des jungen Mannes, welcher seit nahezu zwei Jahren im Durchschnitt zwei Stunden des Tages darauf verwendet, zu rudern, Hanteln zu stemmen oder die Indischen Keulen zu schwingen.[5] Man betrachte den Umfang seiner männlichen Brust, an der einzelne Muskelpartien mit denen eines Ochsen oder Pferdes wetteifern könnten. – (Erschrick nicht, zartsinniger Leser! Der Vergleich soll zur Nachahmung anregen.)

Zwei Jahre zuvor war derselbe junge Mann noch ein kümmerliches, hohlbrüstiges Wesen, welches sich des Abends mit schleppendem Gang nach Hause verfügte und seine Mahlzeiten mit nur geringem Appetit zu sich nahm. Die Leibesertüchtigung und ein klein wenig Ausdauer haben einen ganz neuen Menschen aus ihm gemacht.

Leibesertüchtigung, das sollte man stets im Auge behalten, besteht freilich nicht nur aus Leibesübungen. Eine gleichermaßen bedeutsame Rolle spielen Essen, Trinken, Kleidung, Schlaf etc. pp. Auch das Baden, das Einatmen frischer Luft und diverse weitere Erfordernisse sollte man nicht außer Acht lassen. Aber darauf kommen wir gleich noch des Näheren zu sprechen.

ANWENDUNG DER TURNKEULEN I.

Gesangskünstlern, Volksrednern, Anwälten, Dozenten, Schauspielern etc. pp. ist das Einhalten spezieller Regeln stets zu empfehlen. Gemeint ist hier nicht nur die regelmäßige Übung der Stimme, sondern auch große Umsicht, was das Essen und Trinken betrifft. Natürlich ist es unter Gesangskünstlern eine ausgemachte Sache, dass lange und beständige Übung die einzige Leiter sein kann, die zum Erfolg hinaufführt. Doch die anderen genannten Berufszweige finden sich, was ihre physische Tauglichkeit angeht, so gut wie nie hinreichend vorbereitet auf den Eintritt in ihre Profession. In der Tat fallen uns an sehr vielen öffentlichen Rednern die schmale Brust, die schwache Lunge, die heisere Kehle und die armselige Stimme auf.

ANWENDUNG DER TURNKEULEN II.

Sanfte und stufenweise Ausbildung der Stimmkraft ist ein für jedermann erreichbares Ziel; so verleiht man der Stimme nach und nach eine bemerkenswert raumgreifende Wirkung. In der Rhetorik haben sich zu allen Zeiten diejenigen den höchsten und dauerhaftesten Ruhm erworben, welche auf behutsame und geduldige Weise unter anderem ihre Stimmkraft und ihre Körpergesten ausbildeten. Darin besteht die Kunst, ohne die, wie ohne den natürlichen Genius, nichts Großes entstehen kann. Natürlich vermag die Kunst echtes Leben nicht zu ersetzen, allein sie kann es zu etwas Großem, zu schönem Ebenmaß gestalten und formen.

Für diejenigen, welche viel sprechen, singen oder Konversation treiben müssen, spielt die Ernährung eine bedeutsame Rolle. Die einfachste und natürlichste Speise ist immer die beste; und damit wir uns nicht missverstehen: Wir betonen ausdrücklich, dass damit keine auf Vegetarisches oder Haferschleim beschränkte Kost gemeint ist, sondern eine, welche aus kräftigenden Zutaten wie Rind-, Lammfleisch etc. pp. besteht und die es zudem an Obst, Wein und dergleichen nicht fehlen lässt. Wer sich bei seinen Mahlzeiten freilich eine Vielzahl von Gängen gönnt und immer wieder dem Genuss von fetten oder schwer verdaulichen Gerichten, von starkem Kaffee oder Branntwein frönt, wird seine Stimme mit ziemlicher Sicherheit schädigen.