Der Selbstversorger: Mein Gartenjahr - Wolf-Dieter Storl - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Selbstversorger: Mein Gartenjahr E-Book

Wolf-Dieter Storl

0,0
16,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 15,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit dem Selbstversorger durch das Gartenjahr: Vom ersten Umgraben im Vorfrühling bis zur letzten Ernte im Winter - der Kultautor Wolf-Dieter Storl verrät seine ganz persönlichen Tipps und Tricks zur erfolgreichen Gartenpraxis. Alle wichtigen Arbeitsschritte werden Schritt für Schritt erklärt und zusätzlich von Herrn Storl auf der beigelegten DVD und über die kostenlose App in über 110 Minuten Video gezeigt. Dabei spielt es keine Rolle in welcher Region Sie leben, welchen Monat der Kalender anzeigt und wie das Wetter ist. Anhand von Naturphänomenen, wie der Apfelblüte, zeigt Herr Storl wann der richtige Zeitpunkt fürs Säen, Pflanzen, Mulchen oder Ernten ist. Begleiten Sie Herrn Storl auf seinem Hof gemeinsam erfolgreich durchs Gartenjahr.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 201

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Unsere eBooks werden auf kindle paperwhite, iBooks (iPad) und tolino vision 3 HD optimiert. Auf anderen Lesegeräten bzw. in anderen Lese-Softwares und -Apps kann es zu Verschiebungen in der Darstellung von Textelementen und Tabellen kommen, die leider nicht zu vermeiden sind. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Mit der GU Garten & Natur Plus-App Wolf-Dieter Storl interaktiv erleben!

So einfach geht’s: Sie brauchen nur ein Smartphone und eine Internetverbindung. Das kleine Smartphone-Icon zeigt Ihnen, wo noch mehr dahintersteckt.

1. App herunterladen

Laden Sie die kostenlose GU Garten & Natur Plus-App im Apple App Store oder im Google Play Store auf Ihr Smartphone. Starten Sie die App und wählen Sie Ihr Buch aus.

2. Bild scannen

Scannen Sie nun jeweils die in Ihrem Buch gekennzeichneten Bilder mit der Kamera Ihres Smartphones und tauchen Sie weiter ein in die Gartenpraxis des Selbstversorgergartens.

3. Mehr erfahren

Alle wichtigen Arbeitsschritte zum Selbstversorger-Garten werden als Video über die kostenlose App vom Autor selbst gezeigt. Begleiten Sie Herrn Storl auf seinem Hof gemeinsam erfolgreich durchs Gartenjahr!

DER GEMÜSEGARTEN IM JAHRESLAUF

DER GARTEN ALS ZUKUNFT

Gärtnern macht Spaß. Man bewegt sich in der frischen Luft, hört die Vögel singen und riecht den Duft der Erde, der Blüten und des Laubs. Man ist mittendrin im Leben und Weben der Natur. Das berührt uns anders, tiefer, als wenn unsere Wirklichkeit vor allem aus der Interaktion mit einem flimmernden elektronischen Bildschirm besteht.

Wer einen Garten sein eigen nennt, darf sich glücklich schätzen: Er ist mit der Natur verbunden und kann sich seine eigenen wohlschmeckenden Lebensmittel anbauen.

Gärtnern ist gesund.Die rhythmische körperliche Arbeit entlastet den Kopf. Die Gedanken werden harmonischer, man bekommt Farbe im Gesicht und wird geerdet. Wenn man barfuß über den weichen oder auch harten Erdboden läuft, dann erhält man zugleich eine kostenlose Reflexzonen-Massage. Und übrigens, wo bekommt man dermaßen frisches, unverdorbenes, vitaminreiches Gemüse, Obst oder Salat wie aus dem eigenen Gemüsegarten unmittelbar hinter dem Haus? Nicht mal die teuersten Nobelrestaurants vermögen so etwas zu bieten.

Aber nicht nur das. In der heutigen Zeit ist das Gärtnern – der Familiengarten, das urban gardening, der örtliche Gemeinschaftsgarten – eine echte Notwendigkeit. Es ist eine umweltfreundliche gesunde Alternative zu der mit chemischen Rückständen belasteten, von weither gekarrten, lieblos gezogenen Massenware, die in den Handelsketten feilgeboten wird. Dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln auch in diesen modernen Zeiten der Hochtechnologie nicht unbedingt gesichert ist, wurde mir bewusst, als ich jüngst meine alte Mutter im amerikanischen Mittelwesten besuchte. Die hochbetagte Dame, inzwischen 96 Jahre alt, lebte bis vor Kurzem noch alleine in ihrem Haus. Als sie eines Tages stürzte und sich einige Rippen brach, hatten wir keine andere Wahl, als sie in einem Altersheim unterzubringen. Während meines Aufenthalts, in dem ich ihren Umzug regeln wollte, schaute ich mir die Landschaft an, in der ich den größten Teil meiner Kindheit und Jugend verbracht hatte. Was ich sah, beunruhigte mich sehr.

Die alten Bauernhöfe verschwinden

Im Mittelwesten, der Kornkammer der Vereinigten Staaten, findet man kaum mehr die traditionellen Familienfarmen, die noch in den 1950er-Jahren vor allem die Bevölkerung der Region versorgten. Milch, Eier, Brot und Gemüse waren damals noch relativ unverdorben, gesund und billig. Zu dieser Zeit gab es noch rund sieben Millionen solcher Farmen in den Staaten, heutzutage sind es nur noch um die 500.000, davon die Hälfte hoch verschuldete Agrarbetriebe mit Tausenden Hektaren Monokulturen oder Massentierhaltung; der Rest besteht aus Nebenerwerbs-Bauernhöfen. Agrarkonzerne, Saatgut-Multis, Chemie- und Ölgiganten haben die Familienfarm verdrängt. Sie beherrschen nun die Erzeugung von Lebensmitteln, die dann von Großhandelsgesellschaften und Supermarktketten vertrieben werden.

Auf dem Land, wo es einst richtige Bauernhöfe mit Kühen samt Bullen, Schweinen, Hühnern, Truthähnen, Gemüsegärten, Obstbäumen, Getreidefelder und Weiden gab, sieht man nun endlose Monokulturen mit genverändertem Mais und Soja. Kein »Unkraut« wächst zwischen den Reihen – alles wird mit Totalherbiziden (Glyphosat) weggeputzt. Die vielen verschiedenen Insektenarten, Falter, Käfer und anderes durch die Luft schwirrendes Volk sind rar geworden – nicht nur wegen Pestizid-Spritzungen aus Flugzeugen und Hubschraubern, sondern auch wegen der Einschleusung von Bacillus-thuringiensis-Genen in das Erbgut der Mais- und Sojapflanzen. Insekten, die an solchen Pflanzen fressen, oder Bienen, die den Pollen sammeln, sterben. Die Straßenbeleuchtungen werden nachts kaum mehr von Faltern und Käfern umkreist; die Windschutzscheiben der Autos bleiben sauber. Auch die Abermillionen von Leuchtkäfern, die einem Feuerwerk gleich nachts durch die lauen Lüfte des Mittelwestens tanzten, sucht man vergebens und die Zikadenchöre sind weitgehend verstummt.

Zwischen den schier endlosen Maiswüsten sieht man hier und da noch die verlassenen, eingefallenen Häuser und Scheunen der einstigen Familienfarmen – das heißt, wenn sie nicht schon wegplaniert wurden, um den Monstermaschinen freien Manövrierraum zu lassen. Die einst blühenden kleinen Ortschaften, die ich in meiner Jugend noch kannte, haben sich in Geisterstädte verwandelt. Wo einst Gaststätten, Geschäfte, Werkstätte, Läden und Kinos gediehen, bleiben nur noch Tankstellen für Fernfahrer und Filialen der Fast-Food-Ketten.

Die industrialisierte Landwirtschaft verseucht das Grundwasser mit Pestizidrückständen und Nitraten und zerstört mit Giften und Mineraldüngern das Bodenleben. Schwere Maschinenkolosse verdichten die Erdkrume, die normalerweise zur Hälfte aus Luft und Wasser besteht, mit dem Ergebnis, dass die Mikroorganismen, die für die natürliche Fruchtbarkeit zuständig sind, allmählich ihre Lebensgrundlage verlieren und absterben. Auf diese Weise verkommen einst fruchtbare, humusreiche Böden zu »Agrarwüsten«. Das ist keine bloße Metapher: Alle Böden, die weniger als fünf Kilo Kohlenstoff pro Quadratmeter aufweisen, gelten als Wüsten (Benjamin Seiler, 2015).

Internationale Großkonzerne, denen es nicht um die Gesundheit von Mensch, Vieh und Natur geht, sondern vor allem um Dividende, haben heute das Sagen. Sie bestimmen nicht nur, was angebaut und was gegessen wird, sondern zunehmend die Politik, die Medien, die Erziehung. Die Bevölkerung, abgelenkt und endlos unterhalten durch Soaps und Sportevents, scheint diesen neuzeitlichen Feudalismus kaum wahrzunehmen. In Europa ist diese Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten, aber mit dem sich anbahnenden transatlantischen Handelsabkommen sind wir auf dem besten Weg dazu.

Warum ist diese Entwicklung, dieser landwirtschaftliche Strukturwandel, problematisch? Vielleicht sind das nur vorübergehende Anpassungsschwierigkeiten? Wie soll man sonst die wachsende Weltbevölkerung ernähren, wenn nicht mit den Mitteln der Agrarindustrie, mit Gen-Technologie, Massentierhaltung, Agrarchemie und globalem Handel?

Die Antwort ist, dass diese Agrarindustrie gar nicht so effizient ist, wie sie von ihren Befürwortern dargestellt wird. Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Agrarwissenschaftler und Vorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, hat recht, wenn er sagt: »Eine solche Landwirtschaft verhindert den Hunger nicht – sie produziert ihn!« (Löwenstein, 2011).

Die Agrarindustrie erzeugt zwar Rekordernten, aber sie verschlingt Unmengen an fossiler Energie; sie funktioniert nur mithilfe von Pestiziden, Herbiziden, Fungiziden, Kunstdüngern, Bewässerungssystemen und – das sollte nicht vergessen werden – mit erheblichen staatlichen Subventionen. Was von den meisten nicht bewusst wahrgenommen wird, ist, dass sich die genetisch veränderten Hochleistungssorten in den Monokulturen auf einer sehr engen genetischen Basis befinden. Viele Tausende an das regionale Klima angepasste Sorten von Nahrungspflanzen sind schon verloren gegangen oder ruhen in Saatgutbanken. Es braucht nur einen neuen Virus oder einen Pilz, der sich – möglicherweise begünstigt durch Klimaveränderung – rapide ausbreitet, um eine weltweite Hungersnot hervorzurufen. Das ist keine nur theoretische Gefahr. So etwas hat es schon gegeben. Etwa, als die genetisch einheitliche Monokultur der irischen Kartoffel im Jahr 1845 von dem Phytophthora-Pilz befallen wurde und die Kartoffelfäule hervorrief. Die Bevölkerung der grünen Insel wurde halbiert; ein Viertel der Iren verhungerte, ein Viertel wanderte aus.

Unser Gemüsegarten, eingebettet in die Wiesen- und Waldlandschaft im Allgäu, versorgt die ganze Familie das Jahr über mit frischem Gemüse und Salaten, mit Obst, Beeren und Nüssen.

Der Nutzgarten – beste Erträge auf kleiner Fläche

Es gibt mehr als genug empirische wissenschaftliche Studien, die eindeutig belegen, dass nirgendwo der Leistungsgrad pro Hektar und Energieaufwand höher ist als auf kleinen, liebevoll gepflegten intensiv bearbeiteten Flächen. Dass das so ist, hat sich in den französischen Marktgärten gezeigt, ebenso wie in der Gartenkultur Chinas oder in den Privatgärten, den Datschas, in Russland, wo auf einer Nutzfläche von nur einem Prozent des Landes ein Drittel der Nahrung der Sowjetunion erzeugt wurde. Auch der zweitausend Seiten dicke Weltagrarbericht der IAASTD (International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development) – 400 Wissenschaftler und Experten, gesponsert von UNESCO, WHO und Weltbank, arbeiteten daran – kommt zu dem Schluss, dass Ernährungssicherheit am besten durch kleinbäuerlichen, lokalen, arbeitsintensiven, ökologischen Landbau gewährleistet wird.

WIE ICH ZUM GÄRTNERN KAM

Nach dem Krieg herrschte große Not in der sowjetischen Besatzungszone. Man hatte ständig Hunger im Bauch, träumte nachts von Brot und wachte weinend auf, wenn man hineinbeißen wollte und der Traum der Wirklichkeit wich. Wir überlebten, weil wir auf »Hamstertouren« bei den Bauern Tafelsilber gegen Kartoffeln tauschten, weil wir die Wiese und den Rasen rund um die Familienvilla umgruben, um Gemüse anzubauen, und weil Brennnesseln, Giersch, Wegerich und andere Wildpflanzen in die dünne Suppe kamen. Auf mich als kleinen Jungen machte ein Garten, in dem Essbares wächst, Eindruck. Wahrscheinlich haben mich diese frühen Erlebnisse geprägt, denn für mich bedeutete das Gärtnern einen vollen Teller auf dem Tisch.

In der britischen Besatzungszone, in die es uns verschlug, war die Versorgungssituation besser. Aber auch hier wurden auf jedem freien Stückchen Land Kohl und Gemüse angebaut. Ich selber räumte hinter dem Haus auf einer kleinen Fläche Schutt und Unrat weg und pflanzte meine ersten Gemüse. Auf dem Weg von der Schule sammelte ich sorgfältig die Pferdeäpfel auf – es fuhren damals kaum Autos auf den Straßen, außer den Militärfahrzeugen der Besatzungssoldaten – und düngte damit meinen Garten.

Gärtnern in Amerika …

Als wir dann nach Ohio auswanderten, verdiente ich mein Taschengeld bei einem alten Nachbarn. In seinem Gemüse- und Obstgarten lernte ich viel über Kompostierung und andere Gärtnergeheimnisse – obwohl er Kunstdünger streute und Pestizide spritzte. Auch ich richtete mir hinter dem Haus ein Beet her, in dem ich Tomaten, Kürbisse und andere Gemüse anpflanzte. Sie gediehen so gut, besser als die im Garten meines Nachbarn. Der Alte war sich sicher, dass ich heimlich Kunstdünger streute. Ich beteuerte, dass ich das nicht getan hatte; er glaubte mir aber nicht. Wahrscheinlich war es meine Begeisterung und Hingabe, die in den Pflanzen eine Resonanz bewirkten. Irgendwie begriff ich damals, dass Pflanzen auch auf unsere Gefühle und unser Interesse reagieren. Später erklärte mir der Bauernphilosoph und Mystiker Arthur Hermes – er war mein Guru, was das Verständnis der Beseeltheit der Natur betrifft –, dass unsere Gartenzöglinge nicht nur Sonne, Regen und gute Erde brauchen, sondern auch unsere Liebe, die »Sonne des Herzens«, um gut zu gedeihen.

Weil mich die Welt der Vegetation begeisterte, wollte ich Botanik studieren. Aber die Einstellung der Professoren war strikt materialistisch. Mit dem Dogma, dass sich Pflanzen allein durch chemische und mechanische Gesetze erklären lassen, konnte ich mich nicht abfinden. Also wurde ich Anthropologe und Völkerkundler und vergaß die Botanik und das Gärtnern. Aber irgendwann holten mich meine wahren Interessen wieder ein.

…und in der Schweiz

Eine ethnologische Feldforschung brachte mich in eine Camphill-Gemeinschaft südlich von Genf. Hier lebten und arbeiteten geistig behinderte und sozial schwache Menschen und versorgten sich selber mit biologisch-dynamischer Landwirtschaft. Ein Bauernhof mit 30 Hektar Land, Kühen, Hühnern, Schweinen und einem Ross und zwei Hektar Gemüsegarten gehörten dazu. Aus dem einen Feldforschungsjahr wurden fünf Jahre intensiven Gartenstudiums unter dem Gärtner- und Kompostmeister Manfred Stauffer. Hier lernte ich, wie man Saatbeete und Frühbeete einrichtet, Komposte herstellt, Fruchtfolgen einhält, Mischkulturen anpflanzt, wie man bewässert und wie man auf sogenannte Schädlinge und Unkräuter reagiert. Hier bekam ich auch den ersten Kontakt zu dem alten Weisen, dem Bergbauern Arthur Hermes.

Ich hätte wahrscheinlich dort, im Garten an der Rhone, den Rest meines Lebens verbracht. Aber wie es in alternativen Gemeinschaften oft passiert – irgendwann kam es zu Konflikten und Spannungen, und die Universität lockte mich mit einem Fulbright-Stipendium wieder zurück in den Elfenbeinturm.

Ich wurde Anthropologe an einem kleinen College in Oregon. Mit dem Wissen, das mir der Gärtnermeister beigebracht hatte, legte ich mir dort, nicht weit vom Campus, einen Selbstversorger-Gemüsegarten an. Alles wuchs und gedieh prächtig. Die Studenten wurden neugierig und wollten mehr über diese Gartenbaumethode wissen. Das College richtete einen Sonderkurs ein in Organic Gardening (»Biologisches Gärtnern«) und stellte ein Versuchsgelände zur Verfügung. Der Kurs wurde zum Dauerbrenner. Es war ja die Zeit der Hippies und alternativen Landkommunen. Wir mussten die Teilnehmerzahl jedes Semester auf sechzig begrenzen. Die Studenten fragten, ob es Literatur zu dem Thema gebe. Das musste ich verneinen – leider waren das entweder persönliche Erfahrungen, die ich bei Schweizer Bergbauern oder eben bei den biodynamischen Betrieben wie in Genf gemacht hatte, darüber gab es kaum etwas in englischer Sprache zu lesen. Ob ich wenigstens die Vorlesungsnotizen für sie aufschreiben und vervielfältigen könne, fragten sie. Daraus wurde das Buch Culture and Horticulture, das ich den Studenten zu Herstellungskosten zur Verfügung stellte. Bald wurde das Buch zum Underground-Bestseller. Später hat es ein größerer Verlag aufgegriffen und herausgegeben. Auch das wurde zum Dauerbrenner und gilt inzwischen als Klassiker der Organic Gardening-Szene.

Ausgewachsene Radieschen und Rettiche entwickeln grüne Schoten, in denen die Samen reifen. Man kann die ganzen Schoten als pikantes Gemüse zubereiten.

Drei Jahre später verbrachte ich mit meiner Frau ein Jahr auf einem traditionellen Bauernhof im Emmental. Die erste Ölkrise hatte der Welt gerade einen Schock versetzt. Auf einmal wurde man sich bewusst, dass das billige fossile Öl irgendwann mal ausgehen würde. Da schaute man mit anderen Augen auf die Energiebilanz der verschiedenen landwirtschaftlichen Systeme. Wenn man den Energiekonsum berechnete, sah die bewunderte amerikanische Landwirtschaft gar nicht mehr so gut aus. Sie war zwar hochproduktiv, beruhte aber auf gigantischem Energieverbrauch. Um eine Kilokalorie Nahrung zu erzeugen, bedurfte es fünfzehn Kilokalorien an Energie – Transport, Agrarchemikalien, Treibstoff. Dagegen sah die einfache chinesische Landwirtschaft gut aus. Sie war zwar extrem arbeitsintensiv, produzierte aber mehr Kilokalorien als sie verbrauchte. Die Frage, die ich beantworten wollte, war: Wie sah es bei den traditionellen mitteleuropäischen Bauern aus? Auch diese Art der Landwirtschaft war arbeitsintensiv – es wurde von Hand gemolken, mit Pferden gepflügt, die auch den Wagen zogen, mit der Sense gemäht –, und auch hier wurde nicht mehr verbraucht als erzeugt wurde. Man stellte Käse her und backte das tägliche Brot mit Getreide aus eigenem Anbau. Ein wichtiger Teil der Ernährung auf dem Hof bestand aus selbst erzeugtem Obst und Gemüse. Die Frauen waren erfahrene Gärtnerinnen, denen ihre Tradition manche Gärtnergeheimnisse mit in die Wiege gelegt hatte. Auch hier lernte ich viel über das Gärtnern.

Es folgten Jahre, in denen ich in Südasien und China unterwegs war; immer schaute ich mir die Gärten und die Arbeitsweisen der Gärtner dabei an. Als wir schließlich im Allgäu landeten und dort auf einem Einödhof, ohne weiteres Einkommen, zu überleben versuchten, wurde mein Gärtnerwissen auf die Probe gestellt. Ohne den Selbstversorgergarten und ohne Kenntnisse der essbaren Wildpflanzen hätten wir es nicht geschafft.

Der Erde und dem Leben treu bleiben

Diese kurze Geschichte meines Werdegangs soll andeuten, warum ich mich befugt fühle, etwas über das praktische Gemüsegärtnern zu schreiben. In der bewegten, eher unsicheren Zeit, in der wir heute leben, könnte dieses Wissen von Nutzen sein, wenn nicht sogar notwendig.

Notwendig, also das »Not Wendende«, etwas, das die Not ins Gute wendet, ist es, der Erde und dem Leben treu zu bleiben. Man tut das, unter anderem, indem man

artgerechte Tierhaltung und biologische Landwirtschaft unterstützt, lokal und jahreszeitgemäß einkauft und, wo möglich, seine Nahrungsmittel selber anbaut. Das kann im Rahmen einer Nachbarschaftsinitiative, einer Gemeinschaft oder auch als Familie, in einem Kleingarten oder gar auf dem Balkon, geschehen. Auch auf das Saatgut sollte man achten, da die internationalen Großkonzerne das Saatgutgeschäft praktisch monopolisieren und eine genetisch wenig variable Auswahl zur Verfügung stellen. Einiges kann man selber züchten, oder man bezieht die Samen von einem noch selbstständigen, biologisch arbeitenden Saatgutzüchter (>).

auf die Gesundheit achtet, die eigene und die der Familie und Freunde; sich mit natürlichen Heilmitteln – Sonne, Wasser, Erde und der Fülle heilender Kräuter – bewusst und vorbeugend behilft, anstatt sich den »Gesundheits«-Konzernen auszuliefern. Das naturgerecht erzeugte Gemüse spielt dabei eine zentrale Rolle.

Netzwerke mit Freunden und Familie aufbaut, anstatt sich dem Staat oder staatlich sanktionierten Konzernen zu überantworten, sodass Kinder Schutz und liebevolle Führung genießen und die Alten von ihren Familien betreut werden können.

ACHTSAMKEIT – DER PHÄNOLOGISCHE ANSATZ

Phänologie? Was ist das überhaupt? Und was hat das mit dem Gärtnern zu tun? Ein Phänomen – aus dem griechischen phainein: »sichtbar machen« – bezieht sich auf das Erscheinende, das, was sich den Sinnen zeigt.

Theoretisch wissen wir, dass die Erde eine Kugel ist und um die Sonne kreist. Unsere Sinne aber sehen die Sonne am Morgen aufgehen und am Abend wieder untergehen. Der Himmel ist oben, der feuchte Erdboden unten, und wir befinden uns zwischendrin – auch für die Pflanzen ist das so. Der Gärtner hält sich an die unmittelbare Erscheinung mehr als an irgendwelche abstrakten Theorien. Die Erscheinungen sind der Schlüssel zur Natur. Deswegen hat wohl der »dümmste Bauer die größten Kartoffeln«, denn er ist kein Theoretiker, sondern arbeitet, ohne viele Worte zu verlieren, im Einklang mit den Jahreszeiten, mit den Pflanzen und Tieren.

Auch Goethe, der ein begeisterter Gärtner und Naturforscher war, erkannte das. Die sinnlich erfassbaren Erscheinungen waren für ihn die Sprache der Natur. Nur ist sie nicht so einfach zu verstehen. Goethe sagte dazu:

Was ist das Schwerste von allem?

Was dir das Leichteste dünket:

mit den Augen zu sehen,

was vor den Augen dir liegt.

Ja, kein Zweifel, Achtsamkeit ist der Schlüssel, der uns, wenn es ums Gärtnern geht, zum Erfolg führt und mit Freude erfüllt. Die Phänomene, die sich unseren Sinnen bieten – die Farben, die vielen Schattierungen des Grün, die Düfte –, sei es der Gestank vergorener Brennnesseljauche oder der zarte Blütenduft –, das Summen der Bienen oder das Rauschen des Windes im Laub, die samtige Berührung der wollenen Königskerze oder der Stich der Brennnesseln, der Gurkengeschmack des Borretsch-Blattes oder das Saure des jungen Staudenknöterich-Triebes – sie alle offenbaren unendlich tiefe Dimensionen, wenn wir ihnen Achtsamkeit schenken. Die Phänomene sind die Sprache, mit der die Natur Zwiesprache mit unserer Seele hält.

Zugleich sollten wir nach innen schauen und darauf achten, was diese sinnlichen Eindrücke in uns auslösen. Denn mit dem »Spiegel der Seele« nehmen wir die »Innenseite« der Phänomene wahr. In diesem »Spiegel« – vorausgesetzt er ist glatt und rein – erscheinen Bäume und Kräuter, Blumen und Sträucher, ja, der Erdboden selber, als beseelt und ansprechbar. Ein Dialog, von Seele zu Seele sozusagen, ist möglich. Das ist kein subjektiver Animismus, keine Projektion, sondern Eigenschaft einer ganzheitlichen Sichtweise – und diese ist eine gute Voraussetzung für das richtige Gärtnern.

Die Achtsamkeit lässt uns auch gewahr werden, wie einmalig jede natürliche Erscheinung ist. Pflanzen sind dann keine bloßen Gegenstände mehr, sondern lebende, sich ständig wandelnde, verwandelnde Wesen. Nichts wiederholt sich und dennoch tanzen sie den ewigen Reigen der Natur. Bewunderung und Staunen kann die einzige Antwort darauf sein. Und dieses Bewundern und Staunen ist – wie mein Lehrer Arthur Hermes sagte – »geistige Düngung« für den Garten. Es ist unser Dank an die Pflanzen für ihre Schönheit und die Sinnesfreude, die sie uns schenken; es ist Dank für die Nahrung, die sie spenden, für ihre Heilkraft und für die Atemluft, die unser Leben ermöglicht.

DER PHÄNOLOGISCHE KALENDER

In diesem Buch folgen wir nicht dem eher starren offiziellen, zwölfmonatigen Kalender, sondern dem phänologischen Kalender, den Erscheinungen der Natur. Diese sind von Jahr zu Jahr verschieden. So fingen die Frösche im Teich manchmal schon gegen Ende Februar zu quaken an und ich konnte mit dem Umgraben beginnen. In anderen Jahren lag der Schnee noch bis in den April, die Beete mussten warten und die Frösche ihre Hochzeit verschieben.

Aber nicht nur hat jedes Jahr seine Eigenheiten, auch jede Region hat ihren eigenen Charakter. Eines der wichtigsten Feste der alten keltischen Heiden war Beltaine, das Hochzeitsfest der Blumengöttin – der Vegetation – mit dem jungen Sonnengott Bel. Da tanzten die Bauern um eine aufgerichtete geschälte Birke, deren grüne Spitze durch einen Blumenkranz ragte. Dieses Maifest wurde erst gefeiert, wenn der Vollmond in die Weißdornblüte fiel. In wärmeren Regionen, in den Tälern, blüht der Weißdorn oft einen Monat früher als in hoch gelegenen, kälteren Gebieten . Man hielt sich also nicht an ein abstraktes, numerisches Kalenderdatum, sondern an die Naturerscheinung. So wollen wir es auch im Garten machen, im Einklang mit der Naturentwicklung im Jahreslauf.

Wenn ich im Garten bin, vergesse ich das Monats- und Tagesdatum. Die fettglänzenden Blätter des Scharbockskrauts auf den kahlen Weiden und die zögerlichen purpurnen Triebe der Brennnesseln sagen mir, dass Umgraben und Düngen mit altem Kompost angesagt sind. Wenn das Wiesenschaumkraut dann blüht, ist es Zeit, die Samen der frostunempfindlichen Saaten zu säen. Bald fängt der Löwenzahn auf den Weiden an zu blühen, kurz darauf der gelbe Hahnenfuß, und dann, auf einmal, wird die Wiese weiß von Pusteblumen und blühendem Wiesenkerbel. Die Gärtnerarbeit ist nun in vollem Gange. Bald ruft der Kuckuck, der Günsel blüht blau und die Lichtnelken rot – das bedeutet, nun kann man die frostempfindlichen Pflanzen in den Garten setzen. Die Zugvögel sind wieder da, die Apfelbäume in Blüte und das Vieh auf der Weide. Bald ist es Mittsommer und der Holunder blüht; das ist bei uns immer eine regnerische Zeit. Es folgt die Erdbeerzeit, dann die Himbeerzeit. Wenn die Brombeeren reifen, ist es an der Zeit, das Heilkräuterbüschel zusammenzustellen, mit den Heilpflanzen, die man für das Jahr braucht. Nun werden die Kartoffeln geerntet, die Gründüngung ausgesät und die letzten Endivien und Kohlrabi gepflanzt. Bald verfärben sich die Laubblätter und nach einem milden Regen heben die Pilze im Wald ihre Köpfchen. In den Tälern ist diese Entwicklung etwas anders und in anderen Regionen sowieso.

Anstatt von Monaten zu reden, ist es naturnaher, von der winterlichen Ruhezeit zu reden, von Vorfrühling, Erstfrühling, Vollfrühling, Frühsommer, Hochsommer, Spätsommer, Frühherbst, Vollherbst und Spätherbst. Diese zehn Abschnitte des jährlichen Naturkreises bezeichnet man als die phänologischen Jahreszeiten.

DER PHÄNOLOGISCHE JAHRESKALENDER

Der phänologische Kalender teilt das Jahr nach den Erscheinungen in der Natur ein – er ist nicht auf den Tag festgelegt wie der astronomische Kalender. Man spricht nicht von Monaten, sondern von zehn Phasen, in die das Jahr aufgeteilt ist: Vorfrühling, Erstfrühling, Vollfrühling, Frühsommer, Hochsommer, Spätsommer, Frühherbst, Vollherbst und Spätherbst. Danach folgt die winterliche Ruhezeit. Diese zehn Abschnitte des jährlichen Naturkreises können sich jedes Jahr ein wenig verschieben. Man bezeichnet sie als die phänologischen Jahreszeiten.

1. Vorfrühling: Blüte Schneeglöckchen, Haselnuss, Krokus, Scharbockskraut, Weidenkätzchen; Erster Austrieb Brennesseln

2. Erstfrühling:Blüte Forsythie, Schlüsselblume, Buschwindröschen, Kirschbaum; Wiesen werden grün

3. Vollfrühling:Blüte Schöllkraut, Apfelbäume, Flieder, Löwenzahn; Laubaustrieb Buche, Fichte

4. Frühsommer:Blüte Holunder, in milden Regionen: Blüte der Sommerlinde; Beginn der Erdbeerernte

5. Hochsommer:Blüte Sommerlinde auch in rauen Lagen; Blüte Wegwarte; Ernte Johannisbeeren; Heuernte

6. Spätsommer:Getrideernte; Obsternte: Frühe Sortenl Blüte Herbstanemonen

7. Frühherbst:Ernte Holunderbeeren, Birnen, Äpfel, Hagebutten, Kornelkirsche; Beginn der Reife von Haselnüssen

8. Vollherbst:Ernte Quitten, späte Zwetschgen, Walnüsse; Reife von Rosskastanien und Eicheln; Beginnender Laubfall

9. Spätherbst:Vollständiger Laubfall der herbstabwerfenden Laubbäume

Wenn die Taglichtnelke blüht, sind die letzten Fröste vorbei. Dann kann man auch die frostempfindlichen Pflanzen ins Freiland bringen.

GARTENTAGEBUCH

Durch alle Jahreszeiten außer im Winter ist es sehr hilfreich, ein Gartentagebuch zu führen. Darin schreibt man am Ende eines jeden Arbeitstags Folgendes auf:

die Naturerscheinungen – was blüht gerade auf, welche Vögel und andere Tiere zeigten sich

das Wetter – Temperatur, Regen, Gewitter, Wolkendecke, Wind

die Sortenauswahl der Saaten, die man gesät hat, und wie sie keimen und gedeihen

die Fruchtfolgen und Mischkulturen

die himmlischen Konstellationen, wie die Mondphase, die Stellung des Mondes in den Tierkreiszeichen, ob der Mond aufsteigend ist oder absteigend; Konjunktionen und Oppositionen der Planeten. Diese Phänomene lassen sich mit bloßen Augen beobachten. Wenn man sich darin nicht gut auskennt, nimmt man einen astronomischen Kalender zu Hilfe, der die geozentrische Position angibt, zum Beispiel den Sternkalender, der jedes Jahr von der Mathematisch-Astronomischen Sektion am Goetheanum in Dornach (Schweiz) herausgegeben wird. Über die Jahre hinweg entsteht der Eindruck, dass es Korrespondenzen zwischen den kosmischen Rhythmen und den Erscheinungen im Wetter wie auch in der Pflanzenwelt gibt.

Was man und in welches Beet man was gesät oder gepflanzt hat, welche Pflegemaßnahmen man unternommen, was man geerntet hat.

Über die Jahre hinweg ergeben sich dadurch erstaunliche Einblicke in die Naturrhythmen und die Entwicklung des Gartens und seiner Fruchtbarkeit. Man erkennt, dass jedes Jahr anders ist und seinen eigenen Charakter besitzt.

Sobald im Frühling die Erde frostfrei ist, beginne ich mit der Arbeit im Garten: Mulch abrechen, umgraben, Beete ausmessen. Den Gartenplan – wo ich was anbaue – fürs neue Jahr habe ich mir schon während des Winters gemacht.

GARTENPLANUNG

Mithilfe des Gartentagebuchs lässt sich der Garten gut planen und gestalten; es erinnert einen daran, was man in den vergangenen Jahren in welchem Beet angebaut hat, sodass die Fruchtfolgen optimal geplant werden können.