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Studienarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Philosophie - Philosophie der Antike, Note: 1, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Philosophisches Seminar), Veranstaltung: Fragmente der Vorsokratiker, Sprache: Deutsch, Abstract: Heraklits Fragmente zeichnen sich durch eine hohe Sprachbegabung und auf den ersten Blick rätselhaft anmutende Aussagen aus. Die Aphorismen sind geprägt durch starke Metaphorik und paradoxe Behauptungen; Sprachspiele sind nicht nur ein Mittel der Sprechgestaltung, sondern bergen auch verdeckte Hinweise auf die Zusammenhänge der Fragmente. Nach dem Bearbeiten des Werkes Heraklits möchte ich dem vielfach zitierten Wort der „Dunkelheit“ die starke Interkonnektivität der Fragmente zuordnen, die immer wieder, ganz im Sinne Heraklits, darauf hinausläuft, dass „Anfang und Ende dasselbe seien“. Heraklit-Interpretationen schwanken zwischen Extremen: Unterscheidet Heraklit die wahrnehmbare Welt von der Realität, oder tut er dies nicht? Gibt es, in der Tradition der milesischen Denker, eine Welt des Scheins und eine Welt des Seins? Nimmt man ersteres an, so erscheinen die Dinge einzeln und isoliert voneinander, sie sind ständigem Wandel unterlegen. In der Realität aber, muss der Sphäre des sich wandelnden Scheins eine Sphäre des unveränderlichen Seins zugrunde liegen. Ist Heraklits „Feuer“ diese Substanz, die sich nie verändert, und wie muss man diese weiter verstehen? Heraklits „Flussfragmente“ geben eine Antwort auf die Frage, ob denn die Dinge nun wirklich alle „im Fluss sind“. Es muss zumindest eine Stabilität im Wandel geben, damit Wandel erst als solcher wahrgenommen werden kann. Wandel und Stabilität sind „Gegensätze“, oder anders gesagt: die extremen Pole eines von den beiden Begriffe gebildeten Kontinuums. Somit fallen beide Begriffe in Heraklits Denken von der „Einheit der Gegensätze“. Aller Wandel findet im Konflikt zwischen den Extremen statt, im „Krieg“ der streitenden Extreme. So besteht Stabilität im Wandel und durch den Wandel. Die „Einheit der Gegensätze“ besteht in all diesen Prozessen. Heraklit erkennt Gesetzmäßigkeit im Wandel - ein Gesetz, das vor allem durch den Wandel geprägt ist. Aller Wandel ist durchdrungen von einem durch Heraklit durch göttliche Attribute ausgedrückten, höchsten Gesetz, dem Logos, den zu verstehen, den Menschen die höchste Einsicht gibt. [...]
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Veröffentlichungsjahr: 2006
Eberhard-Karls Universität Tübingen
Fakultät für Philosophie und Geschichte
Philosophisches Seminar
Dozent: Dietmar Koch
Lektürekurs: Fragmente der Vorsokratiker
SS 2005
Hausarbeit
Der Sinn des Polemos bei Heraklit
Björn Schneider
1. Vorbemerkung
Heraklits Fragmente zeichnen sich durch eine hohe Sprachbegabung und auf den ersten Blick rätselhaft anmutende Aussagen aus. Die Aphorismen sind geprägt durch starke Metaphorik und paradoxe Behauptungen; Sprachspiele sind nicht nur ein Mittel der Sprechgestaltung, sondern bergen auch verdeckte Hinweise auf die Zusammenhänge der Fragmente. Nach dem Bearbeiten des Werkes Heraklits möchte ich dem vielfach zitierten Wort der „Dunkelheit“ die starke Interkonnektivität der Fragmente zuordnen, die immer wieder, ganz im Sinne Heraklits, darauf hinausläuft, dass „Anfang und Ende dasselbe seien“.
Heraklit-Interpretationen schwanken zwischen Extremen: Unterscheidet Heraklit die wahrnehmbare Welt von der Realität, oder tut er dies nicht? Gibt es, in der Tradition der milesischen Denker, eine Welt des Scheins und eine Welt des Seins? Nimmt man ersteres an, so erscheinen die Dinge einzeln und isoliert voneinander, sie sind ständigem Wandel unterlegen. In der Realität aber, muss der Sphäre des sich wandelnden Scheins eine Sphäre des unveränderlichen Seins zugrunde liegen. Ist Heraklits „Feuer“ diese Substanz, die sich nie verändert, und wie muss man diese weiter verstehen? Heraklits „Flussfragmente“ geben eine Antwort auf die Frage, ob denn die Dinge nun wirklich alle „im Fluss sind“. Es muss zumindest eine Stabilität im Wandel geben, damit Wandel erst als solcher wahrgenommen werden kann. Wandel und Stabilität sind „Gegensätze“, oder anders gesagt: die extremen Pole eines von den beiden Begriffe gebildeten Kontinuums. Somit fallen beide Begriffe in Heraklits Denken von der „Einheit der Gegensätze“. Aller Wandel findet im Konflikt zwischen den Extremen statt, im „Krieg“ der streitenden Extreme. So besteht Stabilität im Wandel und durch den Wandel. Die „Einheit der Gegensätze“ besteht in all diesen Prozessen. Heraklit erkennt Gesetzmäßigkeit im Wandel – ein Gesetz, das vor allem durch den Wandel geprägt ist. Aller Wandel ist durchdrungen von einem durch Heraklit durch göttliche Attribute ausgedrückten, höchsten Gesetz, dem Logos, den zu verstehen, den Menschen die höchste Einsicht gibt.
Oder bricht Heraklit die milesische Tradition[1]? In diesem Fall gibt es keine Unter-scheidung zwischen Schein und Sein. Alles ist in konstantem Wandel – das Feuer ist keine zugrunde liegende Substanz, die, immer gleich bleibend, Wert und Sinn verleiht. Das Feuer – eine Metapher für den durch die Sinne wahrnehmbaren Wandel. Für die „Flussfragmente“ bedeutet dies, dass der Fluss gar nicht existiert – überhaupt sind so keine Dinge – allein Vorgänge des Werdens und Wandelns konstituieren die Welt. Die Einheit der Gegensätze, der Streit der Gegensätze, der Logos: all dies relativiert sich im Zuge des universellen Wandels zu einer Sache des Standpunktes in der Welt. Es ist dann allein Heraklits Lehre, sich nur auf sinnlicher Wahrnehmung gründend, nicht ein alldurchdringendes Weltgesetz. - Hier soll es um eine Interpretation des Sinnes des polemos, des Krieges, in den Fragmenten Heraklits gehen. Es ist kaum möglich, diesen singulären Aspekt des Werkes Heraklits aus dem ganzen Sinnzusammenhang herauszugreifen. Zur Interpretation ist zu sagen, dass ich werkimmanent interpretieren werde und keinerlei externen Primärquellen zu Hilfe ziehe.
