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Dem Ruf der Skilehrer gerecht werdend, flirtet Davide, was das Zeug hält – charmant, ungebunden und mit einem Augenzwinkern. Frauen? Nicht sein Ding. Aber im eigenen Teich schwimmen mehr als genug attraktive Fische. Liebe? Ein Konzept, das er eher belächelt. Doch dann taucht ER auf: ein Rettungssanitäter, der ausgerechnet ihn als Skilehrer braucht – und plötzlich wird alles anders. Statt eines harmlosen Flirts steht Davide auf einmal vor etwas, das tiefer geht. Sein Herz beginnt sich gegen seinen Willen zu öffnen. Und das mitten im Schnee.
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Seitenzahl: 361
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhaltsverzeichnis
1: Davide – Ein Tag wie jeder andere
2: Skurrile Schüler
3: Tim - Neuanfang
4: neue Arbeitskollegen
5: erster Arbeitstag
6: Davide – neuer Schüler
7: Tim – auf zum Skiunterricht
8: Davide – die Schicksalhafte Simone
9: Tim – was war das jetzt?
10: Davide – Entscheidung des Herzens
11: Tim – tolle Arbeitskollegen
12: Davide – die erste Talabfahrt
13: Tim – einen Drink oder zwei
14: Davide – der weibliche Hulk
15: Tim – die Begegnung des Grauens
16: Davide: Mmm… Zitrone
17: Tim – rechts oder links?
18: Davide - Albtraum
19: Tim + Davide: erste Erkundungen
20: Tim - Revanche
21: Davide –Minion Weckruf
22: Tim – Polizei, dein Freund und Helfer
23: Davide - Schildkrötenarmee
24: Tim – die Silvester Talabfahrt
25: Davide – tiefgefrorener Willi
26: Tim – entspannende Dusche
27: Davide – das erste Mal
28: Tim – Sicht gleich Null
29: Davide – im Baum hängen
30: Tim - Pistensau
31: Davide - Leo
32: neue Schülerin
33: Tim – Typische Skiunfälle
34: Davide – schlechte durch gute Gefühle ersetzen
35: Tim – bald ist Weihnachten
36: Davide – Mara und Talabfahrt Silvester
37: Tim – wer schläft wo
38: Davide – was soll ich Tim schenken?
39: Tim – meine Eltern sind da
40: Davide – erstes Kennenlernen
41: Tim - Bescherung
42: Davide - Unfall
43: Tim + Davdie - Schreckmoment
44: Tim – Aktiv und passiv
45: Davide – nur Rumsitzen ist nicht
46: Tim – Silvester Feuerwerk
47: Davide – Energieriegel der speziellen Art
48: Tim - Befana
49: Davide – Erdpyramiden Percha
50: Davide – ganz ohne (au nature)
51: Tim - Toblachersee
Alle Welt liebt Skilehrer… unterliegen sie doch einem gewissen, leicht verruchten Ruf. Was aber, wenn man erstens auf das gleiche Geschlecht steht und dann plötzlich auch noch in einem Schüler die einzig wahre Liebe findet?
Ich bin Davide, Skilehrer mit Leib und Seele, hier am Kronplatz, und ja, auch ich lasse nichts anbrennen. Warum auch? Das Leben ist viel zu kurz, als dass man die vielen Leckerbissen da draussen, verschmähen sollte. Mit der Liebe konnte ich bis jetzt nichts anfangen und hab meine Freunde, die mit ihren Freundinnen auf Pärchen machen, immer eher belächelt. Ich denke nicht, dass ich ausschliesslich nur noch mit ein und demselben Partner zusammen sein könnte. Tja. Wie das Schicksal oft so spielt, tauchte dieser Kerl auf…. Ein Rettungssanitäter und er sollte mein Schüler sein. Durch einen dummen Zufall, entschied sich aber mein Herz, sich endlich zu öffnen…
DER SKILEHRER
Die Sonne scheint, strahlend blauer Himmel und beste Pistenverhältnisse. Nur, als ich oben auf dem Berg, ins Büro gegangen bin und meine heutigen Unterrichtslektionen durchsehe, würde ich am liebsten wieder umkehren und nach Hause fahren. Heute ist wieder einer dieser Tage, wo ich nur Anfänger habe. Tja, das Leben als Skilehrers ist eben kein Ponyhof. Und dennoch liebe ich meinen Job. Denn wo sonst, kann man sein liebstes Hobby voll ausleben und lernt auch noch die unterschiedlichsten Menschen kennen?
Zuerst darf ich gleich die Kleinen bespassen, was ja manchmal ganz lustig sein kann. Besonders wenn die ganz Kleinen dran und die noch so richtig tollpatschig sind. Die kann man ganz einfach unter den Armen hochheben, auf die Füsse (an denen Vorzugsweise Skier stecken) stellen und dann rauf, auf den fliegenden Teppich namens Förderband. Mit ihren 3 bis 4 Jahren, können die einem noch nicht so viele Löcher in den Bauch fragen, aber dafür weinen sie öfters mal. Darum haben wir immer den einen oder anderen Lolli dabei, damit die mini Rennfahrer, schnell beruhigt werden können.
Ja, ich bin tatsächlich Skilehrer, auf einem der tollsten Berge überhaupt, dem Kronplatz, im Hohen Norden Italiens, dem Südtirol. Hier werden drei Sprachen gesprochen. Deutsch, Ladinisch und natürlich die Landessprache, Italienisch. Doch wir bevorzugen eindeutig, die deutsche Sprache, ausser du stammst aus dem ladinischen Tal, dann ist es fast so, als ob du eine Geheimsprache sprichst. Der ladinische Dialekt ist schwer zu erklären… es ist eine Mischung aus verschiedenen Sprachen. Da ich in in eben genau diesem Teil der Region gross geworden bin, spreche ich natürlich auch diesen speziellen Dialekt fliessend. Mit dem älter werden, bin ich dann aber auf die andere Seite des Berges umgezogen, wo eher die deutsche Sprache vorherrscht.
Mit meinen knackigen 24 Jahren, gehöre ich eher noch zu den jüngeren Skilehrern, aber das stört mich keineswegs. Was bestimmt viele von euch interessiert… Was macht ein Skilehrer im Sommer? Nun, im Sommer arbeite ich auch hier auf dem Berg, allerdings als Touristen- und Bergführer. Denn auch im Sommer kann man hier oben ganz tolle Sachen unternehmen, Wandern oder die Berge erklimmen. Für die Kidds haben wir auch einen Kletter- und Erlebnispark, den wir jede Saison aufstellen.
Eine Murmelbahn, wo die Kugel verschiedene Klänge erzeugt… Einen Elebnispfad, wo sie einiges über die Tier-, Flora- und Faunawelt erfahren… einen kleinen streichel Zoo mit Geissen, Schaffe und Kaninchen… einen grossen Kletterpfad, wo auf einer der Plattformen ein kleiner, nachgebautes Pistenfahrzeug steht. Aber auch die Erwachsenen kommen hier voll auf ihre Kosten. Es gibt hier oben das Reinhold Messner und das Lumen Museum. Im Messner Museum wurden diverse Dinge ausgestellt wie die alte Bivakhütte, das Kletterequipment, welches er damals benutzt hatte, Fotos und sonstiger Krimskrams. Eben alles um die Erlebnisse von Reinhald Messner.
Im Lumen Museum dagegen finden sich ausschliesslich Fotografien von diversen Künstler, die die Berge lieben und ins bestmögliche Licht gerückt werden. Auch ein riesiger Spiegelsaal gibt es da, damit der Besucher sich fühlt, als ob er tatsächlich mitten in diesen fantastischen Bergen stehen würde. Echt cool gemacht.
Im Winter haben wir für die Kidds einen Funpark. Hier werden mit Hilfe von verschiedensten Schildern, die Regeln auf der Piste erklärt. Nicht auszudenken, wenn so ein Knirps ausserhalb, oder auf einer gesperrten Piste unterwegs ist. Spielerisch können sie danach durch den Drachenpark kurven, durch eine aus Plastik aufgebaute Burg und durch das Maul eines Drachens wieder nach draussen gelangen. Immer nur strickt nach Schema Skifahren, ist auf dauer den Kleinen viel zu öde.
Nach dem Spiel und Spass Vormittag, geht es nun zum ersten Privat Unterricht des heutigen Nachmittages. Zwei Stunden darf ich einem jungen Kerl die ersten Meter auf diesen zweit Latten namens Ski, beibringen. Ach wie ich mich freue… überhaupt nicht. Denn das sind die schlimmsten Unterrichtsstunden. Ich stehe mir die Beine in den Bauch und versuche zu verhindern, dass der Schüler sich nichts bricht.
Normalerweise treffen wir solche Anfänger unten am Berg, denn da ist das Gelände viel flacher als hier oben, doch er wollte partout den Unterricht, nicht dort unten starten. Somit werde ich mit ihm in den Anfängerparkt, für der für die Kinder aufgebaut wurde, gehen. Dort ist es zum Glück auch relativ flach und wir haben Hütchen, um die Kurven zu lernen, und ein Förderband, damit keiner den Minihügel hochlaufen muss. Mit Ski an den Füssen, noch ein Stück schwieriger als nur in Skischuhen.
Ich werde ihm als erstes zeigen, wie er um die Hütchen seine ersten Bögen ziehen kann und mit dem Förderband geht es recht simpel wieder nach oben. Auch wenn der Hügel nur ein paar Meter lang ist, reicht es allemal zum Üben und auch auf dem Förderband zu stehen, will gelernt sein. Denn man rutscht auf eine Gummimatte, die Vorwärts läuft und kommt somit, sehr apruppt, zum stehen. Wenn man nicht darauf vorbereitet ist, hauts dich schonmal hin.
Doch als ich vor dem Büro der Skischule, beim Treffpunkt, den Kerl sehe, dem ich heute das Skifahren beibringen soll, würde ich am liebsten gleich schon jetzt das Handtuch werfen. Kann ich dem Kerl überhaupt etwas beibringen oder ist da schon Hopfen und Malz verloren?
Da steht doch tatsächlich ein Typ in top Skiklamotten (Kleider machen ja bekanntlich Leute, aber keine besseren Skifahrer) und hat die Ski verkehrt rum angezogen. Warum machen Leute sowas? Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, dass das falsch rum ist. Die leicht nach oben gebogene Skispitze zeigt ja eindeutig nach vorne und der flache, gerade Teil ist hinten, so wie bei einem Pfeil. Solche Leute können doch nur besoffen sein, oder?
Tief durchatmen und… Wuuuuusaaaaah!!
Mit meinem besten, aufgesetzten Lächeln gehe ich auf den Kerl zu, begrüsse ihn freundlich. Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter und mit den Füssen löse ich ganz nebenbei, seine Bindung. Bevor er aber prottestieren kann…
Wir tragen unsere Skier erst einmal zum Übungsplatz rüber. Dort zeige ich dir dann einige Trockenübungen, bevor du die ersten Kurven ziehen lernst.
Wenig begeistert liegt sein Blick auf mir, doch hebt dann seine Bretter an den Spitzen an, einer mit der linken und den anderen mit der rechten Hand, und schleift diese hinter sich her. Die Stöcke hat er, mittels den Schlaufen, an den Handgelenken befestigt und auch diese schleift er hinter sich her. Innerlich klatsche ich mit der flachen Hand an meine Stirn und schüttel den Kopf.
Klappe halten und auf keinen Fall aufregen. Er ist schliesslich ein zahlender Kunde und du sein Lehrer (das muss ich mir immer wieder vor Augen führen, damit ich hier nicht vollends verzweifle). Und so nehme ihm, ganz Skilehrerlike, die Skier ab und lege sie ordentlich zusammen. Da ich meine Skistöcke im Büro von der Skischule gelassen habe, kann ich problemlos seine und meine Skier zusammen, auf meinen Schultern tragen. Etwas mürrisch dackelt er mir dann hinter her und mein Lächeln scheint geradezu eingefroren zu sein. Auch wenn ein eisiger Wind über die Kuppe weht, muss ich immer gute Miene zum bösen Spiel machen. Nie darf ich die Contenance verlieren, immer muss ich fröhlich und freundlich gegenüber den grössten Idioten sein. Leute, ich sage euch, das ist schwerst Arbeit und ich bin froh, wenn ich dann endlich Feierabend habe und mir den einen oder andren Drink genehmigen darf...
Der Weg zum Übungsgelände ist zum Glück nicht sehr weit, nur um das Gebäude einer anderen Skischule und dem dazugehörigen Restaurant. Unterhalb ist dann auch schon der Übungsplatz für die Kids und Anfänger.
Dort angekommen, lege ich seine Skier so auf den Boden, dass er die richtig rum anziehen kann und erkläre ihm erst einmal, wie die Bewegungsabläufe sind. Trockenübungen sozusagen.
So, erst einmal stellen wir uns Hüftbreit hin und kippen, leicht in die Kniegebäugt, von einer Seite auf die andere, damit wir ein Gefühl für die Bewegungen bekommen. Ausserdem halten wir einen Arm vor unserm Körper ausgestreckt und den anderen, abwechselnd zur Bewegung, in die Seite gestemmt.
Auch wenn ich ihm die Bewegung vorzeige, wippt er hin und her, als ob er auf einer Party wäre. Ich stelle ich mich hinter ihn, greife nach seinen Hüften und führe ihn durch die Bewegungen, bis ich denke, dass er es langsam kapiert hat.
Dann endlich darf er in seinen Ski steigen und ich zeige ihm vor, wie ein Pflug gemacht wird. Den Kleinen bringen wir das als Pizza bei. Denn ein korrekt gemachter Pflug, sieht wie ein Stück Pizza aus und das verstehen die Kidds am besten. Die Skier parallel halten, wird dann als Pommes bezeichnet. Also immer schön eine Pizza für die kommende Kurve und dann Pommes, bis wieder eine Pizza für die nächste Kurve gemacht wird…
Nach dem ich das Gefühl habe, dass er es verstanden hat, lasse ich ihn auf das Förderband. Dass er selbst von diesem Ding runterpurzeln würde, hätte ich jetzt echt nicht gedacht. Irgendwie hat er es geschafft, die Spitzen zu kreuzen und als er sie lösen wollte, ist er seitwärts, wie ein nasser Sack, umgekippt. Mir das Lachen zu verkneifen, war verdammt schwer, das könnt ihr mir glauben, und doch bin ich zu ihm geeilt, habe ihm wieder auf die Füsse geholfen und ihn bis oben begleitet. Ihm war das ganze sichtlich mehr als Peinlich, denn das eine oder andere Kind, das da rumkurvte, hat ihn ausgelacht. Die kleinen Biester haben sogar mit dem Finger auf ihn gezeigt und ihn auf Italienisch als Dumpfnase betitelt. Himmel, Kinder können so herrlich ehrlich sein und sind auch nicht schüchtern, ihre Meinung mitzuteilen. Das kommt dann leider erst mit dem älter werden.
Seid nett zu dem jungen Mann. Er steht das erste Mal auf den Skiern und ihr schon etwas länger...
…mahne ich die Kleinen, doch denen das natürlich total wurscht und spielen weiter. Endlich ist er oben angekommen und kann nun seine ersten Bögen ziehen. Ich helfe ihm, einen ordentlichen Pflug hin zu bekommen und führe ihn um die Hütchen, in dem ich mit ausgebreiteten Armen, vor ihm hergehe. Allzeit bereit, ihn aufzufangen, sollte er sich verhacken oder einfach so umfallen.
Zum Glück sind diese Hütchen aus flexiblem Plastik, denn er schafft nicht einmal eine odentliche Kurve und brettert einfach darüber hinweg. Unten muss ich ihn dann doch auffangen, damit er nicht auch noch die Umzäunung umnietet und auf die normale, offene Piste saust. Oh man!
Nach Ende der Stunde, bedankt er sich dann tatsächlich bei mir für meine Mühen. Was kann ich als braver Skilehrer schon erwiedern? Genau…
Das habe ich gerne gemacht. Und immer schön üben, dann wird das schon.
Ich hoffe nur, dass er sich noch nicht auf die normale Piste wagt, denn sonst haben die Kollegen der Rettung, schneller alle Hände voll zu tun, als ihnen lieb ist.
Zurück bei der Schule, wartet schon meine nächste Schülerin. Sie trägt einen ganzkörper Skianzug, mit Leopardenmuster, plüschigem Fellkragen, knall rot gefärbten Lippen und grünem Liedschatten, mit Wimpern, die bis in dem Himmel reichen. Damit könnte sie locker den vorbeifliegenden Vögeln, den Bauch kraulen...
Was bitte schön, habe ich dem Universum bloss angetan, dass es mich so straft? Erst der Kerl, der seine Skier falschrum angezogen hatte und dann auch noch vom fliegenden Teppich flog, und jetzt steht hier diese Möchtegern Barbie vor mir. Gemäss dem ausgefüllten Bogen, kann sie schon ziemlich gut Skifahren, wobei ich mir das bei ihrem Erscheinungsbild, echt nicht vorstellen kann. Dennoch lasse ich mich sehr gerne auch vom Gegenteil überzeugen.
Na dann… Ich setzte mal wieder, nicht das erste und bestimmt auch nicht das letzte Mal am heutigen Tag, mein professionelles Lächeln auf und gehe sie begrüssen.
Hi, du musst Sina sein. Ich bin Davide und dein heutiger Skilehrer.
Sie kichert wie so ein kleines Schulmädchen und hält mir ihre schrecklich manikürte Hand entgegen… Ihre Fingernägel sind so lang wie die Krallen eines Raubtieres (damit könnte sie einem ja problemlos die Augen auskratzen), bunt und mit künstlichen Blüten versetzt. Du meine Güte, wie kann man nur so rumlaufen, geschweige denn Skifahren? Ein Wunder, dass sie überhaupt passenden Handschuhe gefunden hat und die Nägel sich nicht durchgestochen haben.
Du hast im Fragebogen angegeben, dass du gut Skifahren kannst. Dann starten wir doch am Besten gleich mal und fahren die blaue Piste runter bis zu dem Sessellift dort unten.
Mit dem Stock zeige ich in Richtung der Talstation vom Plateau, dem Anfänger Sessellift…
Fahr mir erst mal hinterher, etwas weg von den vielen Menschen die hier rumwuseln.
Ich steige auf meine Skier, klicke die Stöcke ein (ich trage so spezielle Handschuhe von Leki, welche eine praktische Schlaufe zwischen Daumen und Zeigefinger haben, damit man diese in die Leki Stöcke einklinken kann) und stosse mich sachte ab. Schon geleite ich mühelos und sanft, einige Meter nach vorne. Mein Blick geht zurück und ich bin überrascht, sie bewegt sich vorwärts. Doch will ich den Tag nicht vor dem Abend loben, denn Vorwärts sollte eigentlich noch jeder kommen. Naja, der Schüler von eben ist da wohl eher die Ausnahme…
Als ich etwas aus der Menschenmenge bin (oben auf dem Gipfel tummeln sich immer hunderte von Leuten: Anfänger, Könner, Möchtergerns und solche, die mit ihren Fifis die Sonne geniessen wollen), stoppe ich und warte, dass meine heutige Schülerin, sich neben mir aufstellt. Etwas wackelig, aber dennoch sauber, bleibt sie neben mir stehen und stählt voller Stolz, ihre Brust.
Schön, schön... Damit ich mir ein Bild von deinem Können machen kann, werde ich nun etwas vorausfahren und du wartest bitte hier solange, bis ich dir ein Zeichen gebe, dass du mir folgen sollst.
Sie nickt mir zu und ich mache mich auf den Weg, etwas weiter nach unten. Auf einer kleinen Anhöhe stoppe ich, positioniere mich so, dass ich einen guten Blick nach oben habe, hebe meinen rechten Stock und winke ihr, dass sie loslegen kann. Was ich dann zu sehen bekomme, lässt mir augenblicklich den Angstschweiss auf der Stirn ausbrechen.
Sie saust im Pflug den Berg hinunter, auch wenn sie die eine oder andere Kurve macht, sieht es eher so aus: # Achtung! Platz da, jetzt komme ich! # und rudert seitlich mit den Armen und Stöcken. Hoffentlich erwischt sie damit keinen…
Auf halber Strecke knallt sie beinahe mit einem korrekt fahrenden, älteren Herrn, ich schätze ihn mal so zwischen 60 und 65 Jahre, zusammen und schnauzt ihn an, dass er sich besser einen Rollator zulegen sollte, anstelle hier auf der Piste im Weg zu stehen. Als ihr Skilehrer ist mir diese Situation mehr als nur unangenehm und ich entschuldige mich natürlich bei dem Herrn in aller Form, in dem ich den Hang hoch rufe.
Entschuldigung! Bei Ihnen alles okay?!? Tut Ihnen was weh?!?
Er schüttelt seinen Kopf, stemmt sich auf die Beine hoch und klopft sich den Schnee ab. Meine Schülerin interessiert sich nicht die Bohne für dessen Wohlergehen und schaft es dann doch noch irgendwie, ohne noch jemanden umzunieten, zu mir und stellt sich wieder, stolz wie Bolle, neben mich.
Ähä... Ich konnte mir nun ein Bild machen und weiss, was wir zusammen üben können.
Naja, eigentlich nicht wirklich, denn ich denke ernsthaft, dass sie Lernresistent ist, aber irgendwie werde ich diese Stunde auch hinter mich bringen. Es ist ja zum Glück nur eine Stunde und nicht zwei, wie beim vorherigen Schüler.
Fahr mir bitte weiter hinter her. Wir gehen nun zum Sessellift, um oben mit den Übungen zu beginnen.
Langsam ziehe ich eine Kurve nach der anderen und werfe immer wieder einen Blick über meine Schulter, ob sie mir auch ja folgen kann und nicht doch noch mit einem anderen Skifahrer zusammen knallt.
Unten angekommen, reihen wir uns ein und warten bis wir an der Reihe sind, um durchs Drehkreuz zu kommen. Als es dann soweit ist, fällt sie mir doch beinahe vorn übers Kreuz und ich kann sie gerade noch so, am Arm festhalten.
Hoppla! Immer langsam mit den jungen Pferden.
Sie kichert wieder so komisch, dass mir beinahe das Kotzen kommt, aber ich wahre die Contenance und bleibe professionell.
Endlich auf dem Sessel, flirtet die mich dann doch tatsächlich mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln an und will sich mit mir, auf einen Drink verabreden.
Tut mir leid, aber wir Skilehrer dürfen uns mit den Schülern leider nicht verabreden.
Eigentlich eine fette Lüge. Aber warum soll ich ihr auf die Nase binden, dass ihr ein ganz bestimmter Körperteil fehlt? Ich stehe eben auf Schwänze und nicht auf Muschis. Aber auch wenn ich nicht auf das männliche Geschlecht stehen würde, würde ich mich nicht in hunder Jahren mit ihr verabreden. Selbst wenn sie das letzte weibliche Wesen auf diesem Planeten wäre. Bei der weiss man ja nicht, ob man sich nicht doch was wegholt. Uuuuaaaah….
Oben angelangt, will ich mit ihr gerade vom Sessellift steigen, als sie ihre Skispitzen kreuzt und sich lang legt. Ach nööö!!!
Sofort hält der Kollege die Alage, mittels Notstop, an und ich helfe ihr wieder auf die Beine. Ihr ist das Ganze natürlich mehr als nur peinlich und versucht sich schnell wieder aufzurappeln. Doch mit dem immer noch gekreuzten Ski, ist das eine fast unlösbare Aufgabe. Also halte ich sie weiterhin am Arm fest, den ich mir gegriffen habe, um ihr aufzuhelfen und deute mit dem Kopf nach unten…
Versuch deine beiden Skispitzen nach vorne auszurichten. Dann kannst du dich langsam aufrichten. Keine Angst, ich halte dich fest.
Es klappt nicht und die Leute auf dem Lift werden langsam unruhig und beginnen zu motzen. Schnell löse ich daher meine Skier, packe ihre Spitzen, richte sie korrekt aus und gebe ihr am unteren Rücken, einen kleinen Schupser, damit sie aus dem Weg, nach vorne fährt. Damit auch ich wieder aus dem Weg bin, springe ich schnell wieder in meine Bindung und fahre zu ihr rüber.
Alles in Ordnung bei dir?
Sie nickt und entschuldigt sich tausendmal bei mir. Himmel noch eins… wann ist die Stunde denn bitte um? Es hilft alles betten nichts und es geht an unsere erste Übung.
Wir nehmen nun unsere Skistöcke parallel vor den Oberkörper und neigen die Arme in der entsprechenden Kurve, nach unten zum Bein, welches zum Tal hin steht. So verlagern wir automatisch das Gewicht auf den Aussenski und ziehen eine Kurve.
Ich zeige dir mal einige Kurven vor und du machst es mir dann einfach nach. Okay?
Nach einigen Kurven sieht das Ganze doch schon ziemlich gut aus und ratzfatz sind wir wieder unten am Skilift. Hoffentlich kommen wir aber dieses Mal, ohne irgendwelche Zwischenfälle oben an... Meine stillen Gebete wurden wohl erhört, denn… Halleluja!!!... wir sind tätsächlich, ohne dass der Lift wegen uns gestoppt werden musste, oder dass meine Schülerin am Anfang, oder am Ende, vom Sessel gefallen ist (das passiert leider öfter als ihr denkt) oben angelangt. Zum Glück ist die Stunde dann auch bereits um und ich darf dann endlich, endlich meinen wohlverdienten Feierabend geniessen.
Schnell verabschiede ich mich von meinen Kollegen, die noch oben im Büro rumlungern, und nehme heute mal die Talabfahrt nach unten. Normal fahre ich mit der Gondel, doch heute war so ein beschissener Tag, dass ich noch etwas die Sau raus lassen muss. Da kommt die Talabfahrt, eine ziemlich steile schwarze Piste, gerade recht. Wer hier runter will, sollte technisch was drauf und darf keine Angst haben. Denn mit 72% Gefälle, ist sie echt nicht ohne und ich fahre die, wenn ich sie dann mache, in einem Zug und mit ordentlich Speed, durch.
Unten angekommen, steige ich aus den Ski, stütze mich auf den Stöcken ab und atme erst einaml tief druch. Die rasante Abfahrt hat echt geholfen, den Kopf wieder etwas frei zu bekommen und runter zu kommen. Aber jetzt steht noch ins Aprés Ski auf dem Plan, bevor ich mich auf den Weg nach Hause mache.
Schon jetzt, steppt in meinem Stammlokal schon ordentlich der Bär und ich lasse mich von der Stimmung einfach mitreissen. Klar werde ich, da ich noch immer in Skilehreruniform bin, ständig von irgendwelchen Schneehäschen angegraben, oder gar angetatscht, aber hey, ich bin sozusagen ausser Dienst und muss keine gute Miene mehr zum bösen Spiel machen. Also rede ich Klartext, dass ich nicht auf Weiber stehe. Ich sage das laut genug, dass vielleicht das eine oder andere willige Männchen, ja auch schwule Männer stehen auf leckere Skilehrer, darauf anspringt und heute Nacht vielleicht noch was bei mir geht. Denn nach so einem Tag wie heute, brauch ich echt etwas Bettsport um den ganzen Frust loszuwerden.
Mein Name ist Tim, ich bin Rettungssanitäter und eigentlich bin ich eine absolute Frohnatur. Doch das ist irgendwie bei diesem ganzen Leid, das ich in letzter Zeit sah, verloren gegangen. In der Stadt wo ich bis jetzt gelebt habe, war ständig was los. Kaum waren wir zurück in der Rettungswacht, mussten wir auch schon wieder ausrücken und uns um das nächste Unfallopfer kümmern. Mit meinen 26 musste schon sehr viel schreckliches mitansehen... Tote, verstümmelte Menschen, die während des Autofahrens mit ihren Handys beschäftigt waren, anstatt dass sie sich auf den Verkehr konzentrierten. Übermüdetet LKW- Fahrer, die einnickten oder einfach zu spät reagierten und auf eine stehende Kolonne auffuhren. Fussgänger, die ihre Nase tief in ihre Smartphones hielten und ohne nach links oder rechts zu sehen, über die Strasse gelaufen sind und von einem Fahrzeug erfasst wurden…
Ich habe die Schnauze voll von diesem Elend, diesem Trubel und der Hektik. Ich möchte wieder Spass an meinem Leben und endlich wieder mehr Freude an meinem Beruf haben. Aus diesem Gund habe ich mich auch versetzen lassen… in die Berge Nord Italiens.
All meine Hoffnung liegt in dieser neuen Herausforderung. Denn es wird definitiv eine Herausforderung werden. An diesem Ort, wo ich mich hin versetzen lassen habe, ist Skifahren ein absolutes muss. Aber das letzte Mal, als ich auf meinen Skiern stand, ist schon ein Weilchen her. Damals war ich noch ein Teenager. Eigentlich heisst es ja, Skifahren sei wie Fahrradfahren und man verlernt es nie. Dennoch habe ich einen heiden Respekt davor. Gut dass ich erst in ein paar Tagen meinen neuen Dienst antreten muss, so habe ich hoffentlich noch die Gelegenheit, wenigstens ein bischen zu Üben.
Im Internet habe ich mich schon etwas schlau gemacht und der Berg, wo ich in Zukunft arbeiten werde, scheint nicht ganz so schlimm zu sein. Es hat viele blaue Pisten und nur eine Handvoll rote. Natürlich gibt es auch die eine oder andere schwarze, aber die werden dann bestimmt, durch die Retter ausschliesslich mit dem Schneemobil bezwungen. Zwar bin ich noch nie so ein Teil gefahren, aber schwerer als ein Motorrad zu fahren, kann es ja wohl nicht sein.
Da meine Beziehung, durch den Schichtdienst und meiner sinkenden Laune, auch erst gerade in die Brüche ging, hält mich hier wirklich absolut nichts mehr. Mein neues zu Hause ist klein aber fein und da ich mit meinem Ex zusammen eine Wohnung gemietet hatte, er die Wohnung aber für sich behalten will, muss ich weder einen Nachmieter suchen, noch Möbel schleppen. Auch wenn wir die Möbel hauptsächlich zusammen ausgesucht und bezahlt haben, will ich davon nichts mitnehmen. So habe ich nur meinen Koffer, mit all meinen Klamotten, und mein Auto. Alles andere wird vor Ort neu gekauft. Aber die Wohnung konnte ich voll Möbliert anmieten. Damit ich nicht in eine leere Wohnung ziehen und vielleicht sogar noch auf dem Boden schlafen oder essen muss.
Die Fahrt vom Süden in den Norden, dauert doch eine ganze Weile. Vorbei an imposanten Bergen, unzähligen Weingütern, Städten und Dörfer. Je weiter ich fahre, desto mehr sieht es nach einem völlig fremden Land aus. Denn nicht nur die Berge erzeugen diesen Eindruck, sondern auch die Fauna und Flora ändert sich stark. Ist diese im Süden eher karg und braun, ist sie hier grüner und voller Wäder.
In meinem neuen Zuhause angekommen, schliesse ich die Türe zu meinem neuen Leben auf, atme tief ein und muss sofort husten… Bäääh! Ist hier drin etwas gestorben? Es riecht furchtbar nach… ja nach was eigentlich? Nach Verwesung, nach altem Muff, nach Staub…Schnell reisse ich alle Fenster auf und lasse die frische, kühle Winterluft hinein.
Nachdem ich das Bett neu bezogen habe (Mattraze habe ich eine liefern lassen, denn auf der alten, durchgelegenen und womöglich versifften, wollte ich nicht schlafen. Das ekelte mich dann doch viel zusehr), widme ich mich mal dem Kühlschrank, der noch ausgestellt war. Darin herrscht beinahe gähnende Leere. Der Gestank nach Verwesung scheint hiervon zukommen, denn darun ist eindeutig irgend etwas gestorben. Eine eklige, braune Pfütze zeugt noch von einer Existenz, die hier mal gehaust hatte. Aber jetzt heisst es erst einmal, ab in den Supermarkt, neue Lebensmittel und etwas zum Putzen organisieren…
Den Koffer stelle ich aber erst einmal ins Schlafzimmer, schliesse wieder alle Fenster und mache mich dann auf den Weg. Mit dem Auto bin ich in nur fünf Minuten beim Supermarkt, finde sogar sofort einen Parkplatz und schnappe mir einen Einkaufswagen. Klar hätte es auch einer diese rollbaren Körbchen getan, aber ich denke, da ich absolut nichts zu Essen oder irgendwelche Reinigungsmittel habe, wird das eher ein Grosseinkauf. Und da wäre so ein Körbchen auf Räder, viel zu klein für.
Ich schlendere so durch die Gänge von diesem überdimensionalen Supermarkt, schmeisse Butter, Marmelade und Brötchen in den Einkaufswagen, dann noch Käse, Wurst und Milch, bevor ich mich zum Kaffee durchschlage. Vor dem Regal stehend, weiss ich erst nicht, welchen ich nehmen soll, denn die Auswahl hier ist einfach immens. Lavazza, ChiccoDoro, Alps, die Eigenmarke vom Spaar, Illy und viele, viele mehr. Dann gibt noch jeweils die Unterscheidung von Espresso, Crema oder Barista… welcher schmeckt denn nun am Besten?
Ich schnappe mir eine Tüte von diesem Alps Kaffee, denn der stammt hier aus der Region und regionale Sachen unterstütze ich wenn möglich immer. Denn meist sind die Geschmacklich auf einem hohen Niveau, da die nicht noch extra durch die halbe Weltgeschichte gekarrt werden müssen. Früchte und Gemüse werden so oft, unreif geerntet und in überdimensionalen Reifelager, zum Nachreifen gelagert. Sowas gibt leider immer extreme Abzüge im Geschmack. Oft schmeckt dann eine Tomate nach nichts anderem als nach Wasser.
Da fällt mir gerade ein… ich brauche ja noch eine Mokka (einer dieser italienischen Kaffeekocher für auf den Herd). Die, die ich hatte, ist dem letzten Streit mit meinem Ex zum Opfer gefallen. Wenn ich den sich im Eikaufswagen befindenden Kaffee geniessen möchte, brauche ich also eine neue. Auf geht die fröhliche Fahrt mit dem Einkaufswagen zurück in Richtung Eingang, denn ich erinnere mich, dass da die Mokka fein säuberlich aufgehängt waren.
Für einen echten Italiener gibt es nur eine wahre Mokka, die von Bialetti, und die darf auch gerne mal Farbe zeigen. Mein Griff geht zur knall roten, mit dem Typischen Bialetti Männchen drauf… So, ich denke, nun habe ich alles und kann mit meinen ganzen Errungenschaften zur Kasse.
Unzählige Tüten wollen in meinem Kofferraum Platz finden und ich muss echt Tetris spielen, damit ich alles unter bekomme. Und ab geht die Fahrt, zurück in mein neues Heim.
Nach dem ich den Kühlschrank, mit Gummihandschuhen und einem Tuch über der Nase, gründlich gereinigt habe, kann ich die ganzen Lebensmittel feinsäuberlich einräumen. Nochmal gründlich durchlüften, denn der beissende Geruch des starken Reinigungsmittels hängt nun in der Luft. Immerhin wollte ich den Kühlschrank keimfrei bekommen, nicht dass ich später noch mein bester Patient werde.
Meine danzen Klamotten aus dem Koffer, wollen dann auch noch ihren neuen Platz, im etwas in die Jahre gekommenen Schrank finden, ehe ich mich, mit einem frischen Bier, auf die Couch flänze. Zuvor musste ich diese aber noch von ihrem schicken, vor Staub und Motten schützenden Platzikkleid befreien. Und für morgen habe ich geplant, schon mal auf den Berg hochzufahren und meinen neuen Arbeitsplatz, und natürlich die neuen Kollegen, kennenzulernen. Zudem sollte ich mich noch um eine Skischule kümmern, damit ich beim Erstenmal auf den Skiern, nicht gleich auf die Nase falle. Denn sonst war’s das schon mit dem neuen Job, ehe er überhaupt angefangen hat.
Durch mein Wohnzimmerfenster, habe ich einen traumhaften Blick auf den berühmten Kronplatz und freue mich schon jetzt, auf meinen neuen Arbeitsplat. Oben, auf dem kleinen weissen Hügel, der von Wald umrandet ist, werde ich bald arbeiten.
Am nächsten Morgen erwache ich frisch und ausgeruht und ich fühle ich mich voller Tatendrang. Heute wird ein toller Tag!
Nach einer erfrischenden Dusche, wirklich erfrischenden weil der Boiler noch nicht so wirklich arbeiten will und kein warmes Wasser produziert, mache ich mir eine Tasse Kaffee und lasse mir die so richtig schmecken. Es gibt ja Menschen, die können mit Matcha (diesem nach Gras schmeckenden grünen Getränk, kann ich so garnichts abgewinnen), oder mit Tee, oder einer Schokolade in den Tag starten, aber ich brauche einfach Koffeein. Typisch Italiener halt eben.
Mmm… dieser Alps Kaffee ist echt sau lecker… stöhne ich, mit vor Genuss geschlossenen Augen, vor mich hin.
Nach dem ich mich in Jeans, Pulli, Winterjacke und Boots geschmissen habe, setze ich mir noch eine Mütze auf und binde mir einen Schal um. Draussen weht ein echt eisiges Lüftchen, ist ja auch Winter und wir sind hier mitten in den Bergen. Die Nase tief in meinen flauschigen Schal vergraben, mache mich auf den Weg zur Talstation, um auf den Berg zu gelangen.
Da ich meinen neuen Dienstausweis bereits mit der Post zugeschickt bekommen habe, brauche ich nicht extra noch ein Ticket zu kaufen. Denn die kleine Plastikkarte, mit meinem Foto darauf, öffnet mir hier Tür und Tor, zu allem was ich so brauche und möchte.
Als ich bei der Gondel eintreffe, fährt gerade der Rettungswagen los. Wie oft der wohl hier hochfahren muss? Hat der Verletzte ein gebrochenes Bein, einen gebrochenen Arm oder gar schlimmeres? Wobei, ich kann mir kaum vorstellen, dass hier jemand schlimmer verletzt wird, als mit einer Beinfraktur. Eine stark blutende, offene Schnittwunde wird bestimmt eher selten der Fall sein. Gut, ich weiss natürlich auch, dass hier ab und an der Rettungs Hubschrauber zum Einsatz kommt und dass die Skikanten zum Teil rasiermesserscharf sein können. Dennoch muss der Hubschrauber eher selten geordert werden. Meist nur, wenn die Leute sich überschätzen und einen Abhang hinunter stürtzen, oder mit Speed zusammen knallen, oder wenn es ganz dumm läuft, in einen Baum am Pistenrand, donnern.
Beim Drehkreuz, an der Talstation, zeige ich einem der Jungs, die da arbeiten, meinen Ausweis und schon öffnet sich das Türchen für mich. Die unzähligen Skifahrer bekämpfen sich schon fast, damit sie als erster in die Kabine kommen. Dabei gibt es doch genug von denen. Und wenn man einfach auf die nächste freie, die vom Berg runterkommt, wartet, kann man gemütlich und ohne Stress einsteigen. Tzzz, ich verstehe manche Leute einfach nicht. Die sind hier doch im Urlaub und nicht auf der Flucht, oder? Immerhin gibt es hier für jeden einen Sitzplatz, denn stehen ist in den Dingern ganz klar verboten.
Nach rund zwanzig Minuten, komme ich endlich oben an und mir bietet sich ein fantastisches Panorama…
Der weisse Schnee glitzert regelrecht in der Sonne und er blaue Himmel dazu… Wow! Ich kann es kaum glauben, dass das hier bald zu meinem täglichen Blick werden wird.
Tief sauge ich diese klare, herrliche Bergluft in mich und augenblicklich merke ich, wie sich die ganze Anspannung bereits zu lösen beginnt. Mit jedem Schritt den ich mache, knistert der Schnee unter meinen Füssen und ich freue mich riesig, gleich meine zukünftigen Kollegen zu treffen. Und kaum dass ich über die kleine Kuppel bin und um das eine Gebäude, sehe ich sie schon… Anscheinend werden sie gerade zu einem verunfallten Skifahrer gerufen. Denn schnellen Schrittes gehen sie zu zweit, zu einem der bereitstehenden Skidoo’s, wo ein Rettungsschlitten hinten dranhängt.
Einen kurzen Moment bleibe ich stehen und sehe ihnen hinter her. Langsam und vorsichtig fahren sie los, ehe sie ziemlich auf die Tube drücken. Da rund um die Rettungsstation reges Treiben herrscht (Ski- und Snowbordfahrer, jede Menge kleine Kinder, die ihrem Skilehrer hinterher fahren und auch solche, die mit Ihren Hunden spazieren gehen), können die Rettungssanitäter mit dem Skidoo nicht sofort mit Vollgas losdüsen. Und mich juckts schon im Hintern, ihnen zu helfen, aber das muss leider noch ein bisschen warten. Noch bin ich kein Teil ihres Teams. Dies leider erst ab morgen und das auch nur hier oben im Büro. Für den Fall, dass einer so herkommt und Hilfe benötigt. Denn auch das passiert hier ab und an, dass die Touristen sich selbst herschleppen.
Mein Weg führt mich also weiter, an den ganzen Skischulen vorbei, zum Büro des Rettungsdienstes. Hier herrscht gerade reges Treiben, denn ein Skifahrer liegt mit einer ordentlichen Platzwunde, auf der Liege und wird gerade erstversorgt. Die Wunde wird vorsichtig gesäubert, bevor die Blutung zum Stillstand gebracht und mit zwei, drei Stichen genäht wird. Dann noch ein ordentliches Pflaster drauf und der Patient kann seinen Urlaub fortsetzen.
Als der Patient gerade die Station verlässt, fällt der Blick meines zukünftigen Kollegen auf mich. Er sieht mich skeptisch an und mustert mich von oben bis unten. Scheinbar versucht er herauszufinden, was für eine Verletzung ich haben könnte. Aber bevor er was sagen kann, mache ich einen Schritt auf ihn zu und halte ihm meine Hand zur Begrüssung entgegen.
Hi, ich bin Tim und ich werde euch hier, hoffentlich ab morgen, tatkräftig unte die Arme greifen.
Jetzt erhellt sich sein Gesicht doch und ein kleines Lächeln breitet sich aus.
Tim! Schön dass du schon da bist. Unterstützung können wir aktuell nur zu gut gebrauchen. Ich bin übrigens Renato.
Er ergreift meine Hand und schüttelt diese ganz euphorisch. Scheinbar werde ich hier wirklich schon sehnlichst erwartet und dieser eine Kollege ist zu allem Überfluss auch noch ganz schnugglig anzusehen. Doch desswegen bin ich ja nicht hier. Ich will mich nicht gleich wieder ins erst beste Unglück stürzen. Ich bin hier, um Jobmässig neu Anzufangen und nicht eine neue Beziehung. Und wer sagt denn, dass er auf’s gleiche Geschlecht steht? Immerhin latschen wir ja nicht mit einem Umhängeschild durch die Gegend, wo drauf steht: Hei, ich steh auf Männer!
Wie sieht es eigentlich mit deinem skifahrerischen Können aus?
Oha… gut, mit dieser Frage musste ich ja rechnen. Aber schon jetzt? Ehe ich überhaupt den Dienst angetreten habe?
Hm… das letzte Mal als ich die Piste runter gebrettert bin, ist schon ein Weilchen her. Aber hier hat es ja jede Menge Skischulen und mit deren Hilfe, habe ich das bestimmt schnell wieder drauf.
Jep, hier gibt es so einige Skischulen und ich bin mir ziemlich sicher, dass du das gebacken bekommst. Wir haben zm Beispiel mit der Cima Skischule einen seziellen Deal, dass die uns jedes Jahr einen Auffrischungskurs anbieten. Geh doch mal dort rüber ins Büro und sag, dass du zu uns gehörst und einen Tageskurs benötigst.
Das klingt perfekt. Das werde ich machen. Wo ist denn diese Skischule?
Das ist ganz einfach. Gleich gegenüber von diesem Gebäude, ein bisschen oberhalb. Die mit den schwarzen Jacken wo unten in weiss „Cima“ steht. Der Eingang vom Büro gleicht einer kleinen Holzhütte.
Na da hät ich ja auch selber draufkommen können. Denn als ich von der Gondelstation hergekommen bin, bin ich an einer Skischule vorbei, wo unzählige Fahnen davor eingesteckt waren und auch der eine oder andere Skilehrer, in eben diesen schwarzen Jacken, davor standen. Aber ey… voll cool, dass die einen Deal haben. Das wird es für mich hoffentlich viel einfacher machen.
Ach ja, hier noch einige Teile deiner neuen Uniform für morgen. Was die Reinigung der Arbeitsklamotten anbelangt… unten im Tal gibt es eine spezielle Reinigung. Denn wie du sicher weisst, kommt es sehr oft vor, dass wir Blutflecken auf unserer Kleidung haben. Auch Skiunfälle sind ab und an sehr blutig. Ganz besonders, wenn Skikanten im Spiel sind.
Er zeigt mir noch das eine oder andere und erklärt mir, dass wir uns morgen, um 8:30 Uhr, hier zum Frühstück (die Freundin des einen Kollegen arbeitet scheinbar bei ener Bäckerei und so bringt er jeden morgen frische Brötchen mit) treffen und um die Einteilung für den Tag zu machen.
Beladen mit zwei Jacken, Hosen und vier weissen Shirts, mache ich mich auf den Weg zu dieser Skischule. Das Büro ist schnell gefunden, noch schneller einen Termin vereinbart und bereits übermorgen, habe ich einen ganzen Tag Unterricht. Die nette junge Dame am Empfang (ja, auch Skischulen haben scheinbar einen Empfang), händigt mit einem Zettel mit der Uhrzeit und Datum des Unterrichtsbeginns aus. Zudem ist, zwar relativ klein aber dennoch erkennbar, ein Foto meines Skilehrers mit aufgedruckt. So sollte ich ihn sofort finden können und dem Auffrischungskurs sollte nichts mehr im Wege stehen.
Holla die Walfee!! Der ist ja mal ein richtiges Sahnebonbon. Aber Hallo, mein lieber Herr Gesangsverein. Ob ich mich da überhaupt auf den Unterricht konzentrieren und ihm folgen kann? Skilehrer sind ja von Natur aus eher Athletisch und der Hintern in dieser schwarzen Skohose… Aber bestimmt steht er auf das weibliche Geschlecht: schlank, grossbusig und mit langen, blonden Haaren. Ausserdem erzähl man sich ja, dass Skilehrer jede Woche eine andere im Bett beglücken…
Ich schüttel meinen Kopf, um diesen gut aussehenden Burschen aus meinem Kopf zu kriegen und mache mich auf den Weg zu einem der Restaurants hier oben. Als ich an der grossen Glocke, der Concordia, vorbeikomme, bleibe ich automatisch stehen. Mein Blick fällt auf einen vergitterten Eingang und einer Metalltreppe nach Oben. Ich habe gelesen, dass man von da Oben, einen fantastischen Rundumblick haben soll. Ausserdem wurde ein Bergrelief aus Metall angebracht, damit die Touristen wissen, welchen Bergzipfel sie da bewundern. Vielleicht sollte ich das auch mal machen…
Ich steige vorsichtig, die zugefrorene Eisentreppe nach oben und staune nicht schlecht über diese wirklich atemberaubende Aussicht. Unter der Glocke stehend, erstrecken sich die Berge soweit das Auge reicht.
Auf der einen Seite kann man beinahe bis Cortina sehen und auf der anderen Seite könnte man Toblach, wo sich die berühmte Langlaufstrecke befindet, sehen. Erta ist auch eine Skipiste aus dem Weltcup der Damen, die sich genau hier am Kronplatz, befindet. Und tatsächlich, von hier oben kann man sie erblicken… Die Dolomiten sind echt beindruckend und hier, rings um mich, befinden sich all diese berühmten Orte, welche man aus dem Fernehen kennt.
Die frische, klare Luft macht mich echt durstig und so steige ich wieder die Treppe hinunter, um im Restaurant gegenüber, draussen an die Bar, etwas zu trinken. Da die Sonne scheint und kein Wind weht, ist es aktuell wirklich angenehm warm und man friert draussen nicht ganz so schnell.
Schon zuvor habe ich vom Corones, wie das Restaurant hier heisst, gehört und mich im Internet etwas schlau gemacht. Anscheinend ist es sehr beliebt und berühmt. Der eine oder andere Promi war hier schon zu Gast und auch der berühmte Rennskifahrer, Manfred Mölgg, der unten im ladinischen Tal lebt, ist hier ein absoluter Stammgast. Vielleicht habe ich ja auch Glück und er ist heute per Zufall da…
Rings um das Restaurant erstreckt sich eine Wand aus Plexiglas, so, dass die Touristen das Panorama geniessen können. Als ich durch den Durchgang schreite, sehe ich mich kurz um… Sieht hier sehr gemütlich aus. An der Bar gibt es einige hohe Hocker mit Kuhfell, wo ich mich ein einen dieser setze und mir, nach einem kurzen Blick in die Karte, einen Glühwein bestelle. Winter und Glühwein gehören für mich einfach zusammen, wie das Amen zur der Kirche.
Sobald das heisse, dampfende Getränk vor mir steht, puste ich erst einmal und nehme dann vorsichtig einen Schluck. Sofort fühle mich wie im Himmel. Verdammt ist der lecker. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal solch einen leckeren Glühwein hatte. Auf meine Nachfrage hin erklärt mir der Kerl hinter der Bar, dass sie den Glühwein hier selber machen und er jeden Tag mehrmals frisch zubereitet wird. Das kann ich mir gut vorstellen. Wahrscheinlich arbeitet hier einer, der den lieben langen Tag nix anderes macht, als Glühwein zu produzieren.
Ich dreh mich um und entdecke eine Gondel auf einem Podest, wo ein Bild einer Kuh darauf klebt… Hä?
Erneut wende ich mich an den Kerl hinter der Bar und er erzählt mir, dass jeweils in der Hochsaison dort ab und an der DJ darin spielt. Hier unten könne dann aber so richtig die Post abgehen. Joa, das kann ich mir gut vorstellen, bei der Menge Alkohol, der hier fliesst… Der eine oder andere schunkelt sogar schon zur Musik, die aus der Anlage dröhnt. Hoffentlich fahren die aber bitte alle brav mit der Bahn nach unten und nicht dass die Rettung die von der Piste kratzen muss. Oder vielleicht irgendwo in einer Tanne hängen bleiben oder einen Pfosten schrecklich lieb haben, weil sie die Talabfahrt nehmen.
Nach einem weiteren Glühwein, bedanke ich mich bei dem Kerl und mache mich dann doch langsam auf den Rückweg nach Hause. Mit der Gondel, die gleich hinter dem Corones steht, fahre ich wieder zurück ins Tal. Denn genau so macht man das, wenn man das eine oder andere Gläschen, oder Shot zu viel hatte.