Der Sommer der Freiheit 5 - Heidi Rehn - E-Book

Der Sommer der Freiheit 5 E-Book

Heidi Rehn

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Beschreibung

Liebe in schwierigen Zeiten - Teil 5 des sechsteiligen Serials »Der Sommer der Freiheit« Selma ist die Tochter einer angesehenen Zeitungsverlegerfamilie und fährt mit ihrer Familie wie jedes Jahr in die Sommerfrische nach Baden-Baden. Man genießt das elegante Ambiente, die Konzerte und Bälle. Selma hat gerade – zum Entsetzen der Mutter! – das Autofahren gelernt und wartet ungeduldig auf die Ankunft ihres Verlobten Gero. Da lernt sie bei einem Ausflug ins nahe gelegene Elsass den französischen Fotografen Robert kennen – und es ist um sie geschehen. Doch wir schreiben das Jahr 1913, und bald wird der Geliebte zu den Feinden zählen …

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Seitenzahl: 73

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Heidi Rehn

Der Sommer der Freiheit 5

Serial Teil 5

Knaur e-books

Über dieses Buch

Es begann im Sommer 1913

Selma ist die Tochter einer angesehenen Zeitungsverlegerfamilie und fährt mit ihrer Familie wie jedes Jahr in die Sommerfrische nach Baden-Baden. Man genießt das elegante Ambiente, die Konzerte und Bälle, Selma hat gerade – zum Entsetzen der Mutter! – das Autofahren gelernt und wartet ungeduldig auf die Ankunft ihres Verlobten Gero. Da lernt sie bei einem Ausflug ins nahe gelegene Elsass den französischen Fotografen Robert kennen – und es ist um sie geschehen.

Inhaltsübersicht

Zweiter Teil17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel
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Zweiter Teil

Ausbruch

Sommer 1915 bis Spätsommer 1917

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17

Das tagelange Warten stellte Selmas Geduld auf eine harte Probe. Frühmorgens beobachtete sie von ihrem Fenster im ersten Stock des Gehöfts, wie die Männer mit dem Renault losfuhren. Jedes Mal schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel, sie würden abends unversehrt zurückkehren. Bislang wurden ihre Bitten erhört.

Für die drei Frauen war es ebenfalls nicht ungefährlich, allein in dem Haus zu bleiben. In der verwüsteten Gegend südlich von Verdun schien es weit und breit das einzige intakte Gebäude zu sein. Auch die Linde erwies sich als schlechter Schutz. Ihre grünen Blätter markierten schon von weitem ein gut sichtbares Ziel. Die als Bäuerin verkleidete, dunkel gelockte Pariserin, die sich ihnen inzwischen als Elaine vorgestellt hatte, machte dennoch kein Aufheben darum. Gleich am ersten Morgen zeigte sie ihnen den Keller, in dessen entlegenstem Winkel sich eine gut getarnte Tür fand, die zu einem weitverzweigten Gangsystem führte.

»Dort findet uns so schnell niemand«, erklärte sie und gewährte Selma und Constanze einen Blick hinein, leuchtete die ersten Meter mit einer Taschenlampe aus. Angesichts der beengten, von grob behauenen Steinen gemauerten Röhre ins unterirdische Nirgendwo hoffte Selma zutiefst, niemals in Gefahr zu geraten und vor Marodeuren gleich welcher Couleur dort hinein fliehen zu müssen. Als sie sich wieder aufrichtete, streifte ihr Blick über Elaines Gestalt. Sie war ein gutes Stück kleiner, dafür aber etwas kräftiger als sie. Aus der Nähe wurden die ersten Falten um Augen- und Mundwinkel erkennbar. Hatte Selma sie zunächst auf etwa ihr eigenes Alter geschätzt, rechnete sie nun noch einmal fünf bis zehn Jahre dazu. Oder lag es an ihren schrecklichen Erlebnissen, dass sie älter wirkte? Zumindest verstand sie etwas von Schminke und Maniküre, wie ihre gepflegte Haut und die für eine Bäuerin viel zu sauberen Hände verrieten. Kaum bemerkte sie Selmas forschenden Blick, wandte sie sich ab und erklärte Constanze: »Für den Ernstfall haben wir natürlich auch Waffen im Haus. Sicher könnt ihr damit umgehen.«

»Wie kommst du darauf?«, entfuhr es Selma.

Für einen Moment sah Elaine sie entgeistert an, dann lachte sie und erwiderte: »Frauen, die mit Robert unterwegs sind, sollten sich eigentlich auf den Umgang mit Waffen verstehen, findest du nicht?«

Schon eilte sie an ihnen vorbei zurück ins Erdgeschoss. Selma warf dem Küken einen fragenden Blick zu, die zuckte nur mit den Schultern und lief Elaine nach. Selma folgte ihnen.

In der Küche, die angesichts ihrer Geräumigkeit und Einrichtung einem großen Hotel alle Ehre gemacht hätte, öffnete Elaine einen Schrank, der so geschickt in die Wand eingelassen war, dass man ihn auf den ersten Blick glatt übersah. Darin kamen ein halbes Dutzend Gewehre, zwei davon sogar mit einem Bajonett bestückt, sowie eine Pistole und mehrere martialisch aussehende Messer, richtiggehende Dolche, zum Vorschein. Selma schauderte. Sie verstand wenig davon und wollte auch gar nicht genauer wissen, wie man sie im Zweifelsfall benutzte. Constanze dagegen nahm sich ein Gewehr und musterte es interessiert von allen Seiten. »Wann und wo wollen wir mit dem Training beginnen?«

»Am besten sofort.« Elaine winkte sie lachend nach draußen.

Auf der Rückseite des Gasthauses schirmten eine alte Scheune und eine üppige Weißdornhecke den Hof vor neugierigen Blicken ab. Eine reichlich verbeulte und mehrfach durchschossene Konservenbüchse auf einem Holzbock sowie drei weitere, ebenfalls schon arg lädierte Büchsen im Gras davor verrieten, dass sie nicht die Ersten waren, die sich mit den Waffen vertraut machten.

»Hier könnt ihr ein bisschen üben«, erklärte Elaine beiläufig, als wollten sie sich im Lawntennis verbessern. »Allerdings solltet ihr mit dem Abdrücken immer warten, bis in der Ferne Schüsse zu hören sind. So lenken wir die Aufmerksamkeit nicht auf uns.«

Selma schluckte. Gerade wollte sie anmerken, wie leicht ungebetene Späher trotz des Geschützdonners im Osten feststellen konnten, wo sie ihre Schüsse genau abfeuerten, da hatte das Küken bereits mit dem Üben begonnen.

Zu Elaines Freude erwies sie sich als Naturtalent. So gern Selma sich davor gedrückt hätte, blieb ihr keine Wahl, als unter Elaines Anleitung und Constanzes aufmunterndem Zuspruch ebenfalls nach Gewehr und Pistole zu greifen, um mit dem Training zu beginnen. Leider zeigte sie sich alles andere als begabt, doch Elaine erklärte es sich zum Ziel, sie wenigstens so weit zu bringen, einem möglichen Angreifer Angst einzujagen. Das steigerte allerdings eher Selmas Furcht vor dem, was ihnen zustoßen konnte. Dafür aber verstrich über der Schießerei das Warten. Die sengende Hitze und die trostlose Stimmung in dem verlassenen Dorf waren durch die Schießübungen allerdings kaum besser auszuhalten.

Die Vormittage verbrachten sie fortan im Hof, da um diese Zeit auch von den Höhen der Frontlinie heftige Schusswechsel zu hören waren. Nachmittags zogen sie sich ins Haus zurück, Selma und Constanze in ihr einfach eingerichtetes Gastzimmer im ersten Stock, Elaine in die Tiefen des Kellers. Wohin genau, darüber schwieg sie sich mit einer solchen Selbstverständlichkeit aus, dass Selma nicht zu fragen wagte.

»Eine seltsame Frau«, sagte sie zu Constanze, als sie auch am dritten Tag ihres Aufenthalts in dem abgelegenen Gasthaus wieder mangels anderer Sitzgelegenheiten auf dem breiten Bett ihres Zimmers lagen. Aufmerksam starrte sie die schlecht gestrichene Decke an, als könnte sie zwischen den Resten von Fliegendreck und zu dick aufgetragener Farbe die Informationen finden, nach denen sie suchte. »Was glaubst du, hat sie erlebt, bevor sie sich als Bäuerin verkleidet in diese ungastliche Gegend zurückgezogen hat?«

»Was fragst du mich das?« Das Küken ließ das Notizbuch sinken, in dem sie gerade geblättert hatte, und drehte sich zu ihr um. Selma wusste längst, dass sie darin kein Tagebuch führte, sondern Entwürfe für eine verbesserte Reiseschreibmaschine festhielt. »Wenn sie es uns erzählen wollte, hätte sie es längst getan.«

»Schade.« Selma räkelte sich in eine aufrechte Position und angelte mit weit ausgestrecktem Arm nach dem Bleistift und dem Heft, die auf dem kleinen Nachttisch lagen. Darin machte sie sich jeden Tag Notizen für den geplanten Bericht in den Bonner Neuesten Nachrichten und schrieb zudem noch ganz persönliche Gedanken auf.

»Wieso schade? Ich bin mir sicher, du hast dir längst schon eine Geschichte für sie ausgedacht, die weitaus besser als das wahre Leben wird.«

»Wie kommst du darauf?« Gegen ihren Willen begannen Selmas Wangen zu glühen. Fest presste sie das Heft gegen ihre Brust. »Hast du etwa in meinen Sachen geschnüffelt?«

»Was denkst du von mir?« Empört rückte Constanze von ihr ab. »Niemals würde ich es wagen, in deinen …«

»Schon gut«, lenkte Selma ein, tätschelte der Freundin versöhnlich den Arm. »Natürlich weiß ich, dass ich mich auf deine Ehrlichkeit verlassen kann. Du kennst mich wohl einfach zu gut. Es stimmt. Längst habe ich mir eine Geschichte für Elaine ausgedacht. Magst du sie hören?«

»Wusste ich es doch!« Constanze triumphierte. »Rosalie Goldstein wird stolz auf ihre Enkelin sein.«

»Noch ist nicht sicher, ob Melissa Hohenfels mit ihr verwandt ist.«

»Oh, das klingt nach einer weiteren guten Geschichte. Fang an, bevor ich vor Neugier platze und doch noch heimlich in deinen Sachen stöbere.«

Selma begann zu lesen, kam allerdings nicht weit. Das Knattern eines Automotors ließ sie beide zum Fenster schauen. Mit einem Satz sprang Constanze aus dem Bett, lüpfte vorsichtig die Vorhänge. Es war viel zu früh, um mit der Rückkehr Roberts und seiner beiden Gefährten zu rechnen.

»Sie kommen zurück!«

»Wer?« Für einen Augenblick stockte Selmas Herzschlag. »Etwa die Deutschen?«

Kaum hatte sie das gesagt, erschrak sie noch mehr. Die Tage in Elaines Obhut auf französischer Seite hatten tiefe Spuren hinterlassen, anders war nicht zu erklären, dass sie ihre eigenen Landsleute bereits als Feinde betrachtete.

»Nein.« Constanze ließ die Gardine sinken und drehte sich um. »Robert natürlich. Was mag das bedeuten? Sonst sind sie immer erst bei Anbruch der Nacht zurückgekehrt.«

»Wir werden es gleich erfahren«, erklärte Selma und erhob sich ebenfalls aus dem Bett, strich die helle Bluse und die Breeches glatt, um nach unten zu gehen.