Der süße Kuss der Prinzessin - Christine Rimmer - E-Book

Der süße Kuss der Prinzessin E-Book

Christine Rimmer

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Beschreibung

Das größte Geheimnis des Palastes ist in Gefahr! Denn Marcus Desmarais wird zum Bodyguard von Prinzessin Rhia ernannt. Wie sollen sie da die magische Anziehungskraft verbergen, die zwischen ihnen herrscht?

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IMPRESSUM

Der süße Kuss der Prinzessin erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2013 by Christine Rimmer Originaltitel: „Her Highness and the Bodyguard“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRABand 21 - 2014 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Ines Schubert

Umschlagsmotive: Merlas, phaisarn2517 / GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733754822

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Prinzessin Rhiannon Bravo-Calabretti konnte es immer noch nicht glauben. Wie war das bloß passiert? Wie hoch war denn die Wahrscheinlichkeit für dieses Aufeinandertreffen gewesen?

Ja, Montedoro war nur ein kleines Fürstentum, und Elite-Bodyguards wie Marcus Desmarais gab es nicht viele im Dienst der Herrscherfamilie.

Aber Marcus war entschlossen gewesen, ihr für den Rest seines Lebens aus dem Weg zu gehen, das hatte er überdeutlich gemacht. Warum hatte er nicht einfach Nein gesagt, als er den Auftrag bekam, bei dieser Reise für ihre Sicherheit zu sorgen?

Natürlich wusste Rhiannon die Antwort selbst: Wenn er den Auftrag abgelehnt hätte, dann hätten seine Vorgesetzten Fragen gestellt. Seine Weigerung hätte Neugier und Verdacht erregt, und das wollte er um jeden Preis vermeiden.

Trotzdem, wie konnte er sie beide nur in diese Situation bringen?

Verzweifelt versuchte Rhia das Gedankenkarussell in ihrem Kopf zu stoppen. Sie saß in der alten hölzernen Kirchenbank und starrte auf ihre nervös im Schoß verkrampften Hände. Vorne fand die Trauung in englischer Sprache statt, und entschlossen starrte Rhia geradeaus und versuchte, sich auf die Worte des Priesters zu konzentrieren. Schließlich heiratete ihre große Schwester nur einmal.

Die kleine, innen und außen weißgekalkte Kirche des Städtchens Elk Creek in Montana war schlicht und feierlich. Es roch nach Kerzenwachs und Holzpolitur, feuchten Jacken und Mänteln und altem Weihrauch.

Die schweren Eichenbänke waren bis auf den letzten Platz gefüllt. An den Seitenwänden und im Hintergrund der Kirche drängten sich die vielen Hochzeitsgäste, die keinen Sitzplatz mehr gefunden hatten.

Natürlich stand auch Marcus hier irgendwo. Hinten bei der Tür, stumm, diskret, wie die übrigen Security-Leute. Rhias Schultern schmerzten vor Anspannung, während sie förmlich spürte, wie seine ernsten graugrünen Augen ihr Löcher in den Hinterkopf starrten.

Es spielt keine Rolle. Vergiss es. Vergiss ihn.

Heute war Belles Tag. Ihre hinreißende Schwester Arabella stand strahlend, ganz in Weiß vor dem massiven Altar, an der Seite von Preston McCade, dem hochgewachsenen amerikanischen Rancher, den sie im letzten Jahr lieben gelernt hatte.

Es war eine Doppelhochzeit. Belles langjährige Vertraute, Lady Charlotte aus dem Mornay-Zweig der Familie, heiratete gleichzeitig Prestons Vater, den charmant ergrauten Silas McCade.

„Erheben Sie sich“, sagte der Priester.

Rhia erhob sich mit der versammelten Gemeinde. Aber es gelang ihr nicht, sich auf die Worte des Priesters zu konzentrieren. Ihre Gedanken wanderten unwillkürlich zurück zu Marcus.

Wer hatte ihn wohl für diesen Einsatz eingeteilt? Wusste jemand, was einst zwischen ihnen geschehen war? Nur einem einzigen Menschen hatte Rhia von jenen unvergesslichen, verzauberten Wochen damals erzählt. Diese Person hätte es niemals weiter. erzählt. Und Marcus hatte sich ganz sicher keiner Menschenseele anvertraut.

Ihre Geschichte lag nun acht Jahre zurück, Rhia war damals Studentin an der Universität von Los Angeles gewesen. Sobald sie ein Zimmer im Wohnheim bewohnte und Vorlesungen und Seminare besuchte, hatte niemand sie mehr bewacht. Sie hatte es genossen, eine Studentin wie alle anderen zu sein und ein ganz normales Leben zu führen.

Sie war ja auch nur die Nummer sechs der Thronfolge in dem kleinen Fürstentum, ihre vier Brüder und Belle kamen alle vor ihr an die Reihe. Außerdem war sie immer die wohlerzogene, vorbildliche Prinzessin gewesen, und die Skandalblätter hatten sich kaum für sie interessiert.

Am Altar wurden jetzt die Versprechen ausgetauscht. Rhia reckte sich ein bisschen und lauschte den vertrauten Worten.

„Vor Gottes Angesicht nehme ich, Preston, dich, Arabella, zu meinem angetrauten Weibe …“

Seit sie gestern in Nizza an Bord des Familienjets gegangen waren, hatte Marcus keine drei Worte mit ihr gewechselt. Er war hier, um sie zu beschützen, und er würde seine Pflicht hundertprozentig erfüllen und keine Sekunde lang seine untergeordnete Stellung vergessen. So war er immer gewesen.

Sie musste nur den heutigen Tag und den Abend überstehen, und morgen flogen sie alle zurück nach Europa. Dann war sie wieder frei von ihm. Für immer.

Rhia seufzte leise. Jetzt war Belle vorne an der Reihe, und sie wandte den Blick nicht von ihrem Bräutigam. Ihr feingeschnittenes Gesicht schien von innen heraus zu leuchten. „Vor Gottes Angesicht nehme ich, Arabella, dich, Preston, zu meinem angetrauten Ehemann …“

Benjamin, Prestons kleiner Sohn, krähte fröhlich auf dem Schoß einer älteren Verwandten: „Belle, Dada, Papa!“ Die Gäste lachten, als beide Brautpaare sich kurz umdrehten und dem Kleinen zuwinkten.

Es ist nur für einen Tag, sagte Rhia sich noch einmal. Bei dem Lachen des kleinen Jungen hatte ihre Stimmung sich schon ein wenig aufgehellt.

Nach der Trauung nahmen Rhias Eltern, Ihre Fürstliche Hoheit Adrienne und Prinzgemahl Evan von Montedoro, gemeinsam mit den beiden Hochzeitspaaren an der Tür die Glückwünsche entgegen. Anschließend erwartete sie noch der Fototermin, zu dem auch Rhia gebeten wurde. Die Sonne hing schon tief über den schneebedeckten Berggipfeln draußen, und die Luft war merklich abgekühlt.

Die ganze Zeit hielt Marcus sich gerade außerhalb von Rhias Gesichtsfeld auf. Er verstand es perfekt, außer Sicht und doch ständig in ihrer Nähe zu sein. Wann immer sie den Fehler beging, einen nervösen Blick in seine Richtung zu werfen, war sein Gesichtsausdruck so ruhig und unergründlich wie ein tiefer Bergsee.

Sie versuchte ihn zu ignorieren. Sie gab sich große Mühe, den Kopf nicht in seine Richtung zu drehen, aber es half nichts. Marcus Desmarais schien gleichzeitig überall und nirgends zu sein.

Während der Fotograf jetzt Fotos von Belle und Charlotte mit dem strahlenden Benjamin schoss, gingen Silas und Preston McCade freundlich winkend an Rhia vorbei und blieben irgendwo hinter ihr stehen.

Sie drehte sich um und sah, dass sie zu Marcus getreten waren.

Marcus nickte Vater und Sohn zu: „Gentlemen.“ Seine klare, ernste, beherrschte Stimme hätte Rhia unter Hunderten herausgehört. „Herzlichen Glückwunsch.“

Silas streckte ihm lächelnd die Hand entgegen. „Schön, Sie zu sehen, Marcus. Sie haben uns gefehlt.“

Marcus erwiderte den Händedruck und sagte noch etwas, so leise, dass Rhia es nicht verstand. Silas und Preston lachten.

Überrascht und getroffen wandte Rhia sich ab. Es tat weh, wie vertraut und beinahe freundschaftlich Marcus mit den McCades verkehrte, während er sich ihr gegenüber wie ein kalter, wachsamer Fremder verhielt.

Sie hasste das Geheimnis zwischen ihnen. Sie schämte sich nicht dafür, dass sie Marcus einmal geliebt hatte. Es war Marcus gewesen, der sie beschworen hatte, dass niemand je davon erfahren durfte.

Rhia schlüpfte durch die weit offenen Eichentüren hinaus in den Kirchenvorraum. Es drängte sie, Abstand zu Marcus zu bekommen, auch wenn sie wusste, dass es sinnlos war. Er war sein Job, ihr überallhin zu folgen. Es gab einfach kein Entrinnen.

Im Vorraum trat ihre jüngere Schwester Alice auf sie zu, schlang einen Arm um sie und flüsterte: „Wie kommst du klar?“

„Frag nicht“, seufzte Rhia.

Alice lachte leise. „Ups, zu spät!“

Rhia verstand sich mit allen ihren vier Schwestern sehr gut, aber sie und Alice waren sich besonders nah. Sie waren nicht nur Schwestern, sie waren beste Freundinnen. Sie erzählten sich alles und hatten sich von Kindheit an geschworen, ihre gegenseitigen Geheimnisse zu bewahren. Alice war es, die Rhias und Marcus’ Geschichte kannte.

Marcus trat durch die offene Tür in den Vorraum heraus. Er sah sie und verschwand sofort hinter einer Säule im Halbschatten, wo er außer Sicht war und sie doch im Blick behalten konnte.

„Ich werde noch verrückt!“, stöhnte Rhia. „Wieso macht es mir so viel aus, Allie?“

Alice stellte sich zwischen Rhia und Marcus und versperrte dem Bodyguard damit kurzzeitig die Sicht. Jetzt konnten sie reden, ohne zu befürchten, dass Marcus sie hören oder von ihren Lippen lesen konnte.

„Wenn du es gar nicht mehr aushältst, dann rede mit Alex“, schlug Alice leise vor. „Sag ihm, dass du einen anderen Leibwächter willst.“

Ihr Bruder Alexander war Chef der gesamten Sicherheitsdienste. Er befand sich mit seiner Frau, Ihrer Königlichen Hoheit Liliana von Alagonien, und ihren drei Monate alten Zwillingen noch im Inneren der Kirche.

Rhia schüttelte den Kopf. „Es würde ein schlechtes Licht auf Marcus werfen. Außerdem könnte Alex sich fragen, ob da etwas zwischen uns ist.“

Alice schnaubte und sagte leichthin: „Na und? Dann streitest du es ab.“

„Es würde trotzdem auf Marcus zurückfallen“, murmelte Rhia. „Hatten wir das alles nicht schon mal?“

Sie sah sich vorsichtig um. Niemand schien sich für ihre Unterhaltung zu interessieren. Alice strich ihr tröstend über die Wange.

Acht Jahre lang hatte Rhia nun versucht, die Vergangenheit ein für alle Mal zu begraben. Inzwischen war sie zweimal verlobt gewesen, beides wunderbare Männer und perfekte Partien: der eine ein international bekannter Künstler aus berühmter Familie, der andere ein Angehöriger des Hochadels, der sich unermüdlich zahllosen wohltätigen Organisationen widmete.

Irgendwie hatte sie sich nicht dazu durchringen können, einen von ihnen zu heiraten. Und beide hatten irgendwann gemerkt, dass sie nicht mit dem Herzen dabei war. Sie war mit ihren Ex-verlobten gut befreundet geblieben, und seltsamerweise deprimierte diese Tatsache sie im Augenblick nur noch mehr.

Alice spähte zur offenen Kirchentür hinüber. „Es geht zu Ende. Jetzt fahren wir gleich alle zur Ranch.“

Der große Empfang fand auf der Ranch der McCades statt, eine halbe Wegstunde entfernt. Alice zeigte Rhia den Autoschlüssel des glänzenden roten Pick-ups, den sie an diesem Morgen gemietet hatte. „Du fährst mit mir! Die Bodyguards können uns in einem anderen Wagen folgen. Wir bleiben ein bisschen auf der Feier, dann verdrücken wir uns. Wir machen uns irgendwo einen tollen Abend, und du vergisst alles für eine Weile.“

Rhia sah sie skeptisch an. „Heimlich abhauen? Nein, Allie, im Ernst!“

Alice legte ihr einen Arm um die Schulter. „Vertrau mir. Ein paar Stunden irgendwo inkognito werden dir guttun.“

An der Stelle hätte Rhia sofort Nein sagen sollen. Es war keine gute Idee. Aber sie fühlte sich so in dieser vertrackten Situation gefangen, dass die Idee, etwas Wildes, Verrücktes zu tun, ihr plötzlich verlockend erschien.

Sie fuhr mit Allie gemeinsam zur Ranch. Ihre Bodyguards folgten ihnen in einem der schwarzen Luxus-Geländewagen, die die Fürstenfamilie für diesen Besuch geleast hatte.

Das Haupthaus der Ranch war ein beeindruckender, mächtiger Holz- und Steinbau. Ein paar Cowboys spielten an diesem Tag formvollendete Diener, wiesen die Wagen zum Parken ein und nahmen den Gästen die Mäntel ab.

Rhia legte sich ein paar Häppchen von dem erlesenen kalten Büffet auf einen kleinen Goldrandteller, holte sich ein Glas Champagner und mischte sich unter die Hochzeitsgesellschaft.

Dabei merkte sie selbst, dass sie etwas zu laut redete und etwas zu viel lachte. Sie versuchte, sich und ihrem stummen, allgegenwärtigen Schatten zu zeigen, dass sie sich bestens amüsierte. Es war furchtbar anstrengend.

Ihr Nacken schmerzte von dem Bemühen, den Rücken durchgedrückt zu halten und das Kinn hoch zu recken. In ihren Schläfen klopfte es. Sie wollte nur noch zurück in das Hotel, das ihre Familie komplett gebucht hatte, in der warmen Badewanne liegen, ein Aspirin schlucken und unter die Bettdecke kriechen.

Aber wenn sie die Feier jetzt verlassen wollte, musste Marcus sie mit dem Wagen fahren. Um nichts auf der Welt wollte sie mit Marcus allein in einem Auto sitzen.

Also blieb sie.

„Du runzelst so die Stirn“, flüsterte Alice ihr ins Ohr. Sie war von irgendwoher wieder aufgetaucht. „Bist du bereit zur Flucht?“

Unwillkürlich sah Rhia nun doch zu Marcus hinüber. Die gleichzeitig distanzierten und glühenden Augen erwiderten ihren Blick, wissend und wachsam.

Sie seufzte. „Er fährt uns doch sofort hinterher. Das ist sein Job! Und was ist mit deinem Bodyguard?“

Alice sah unauffällig hinüber in seine Richtung. Er stand, wie Marcus, ganz in der Nähe. „Wir warten, bis sich beide einmal wegdrehen, und dann flitzen wir hinaus.“

„Marcus dreht sich niemals weg“, erwiderte Rhia überzeugt.

Alice überlegte kurz, dann nahm sie Rhia bei der Hand und zog sie mit sich in den nächsten von festlichen Gewändern und Stimmengewirr erfüllten Raum. Ehe die beiden Männer ihnen folgen konnten, drückte sie Rhia den Autoschlüssel in die Hand. „Der Pick-up steht vor der Eingangstür, abfahrbereit. Du fährst allein! Zu zweit können wir nicht unauffällig verschwinden.“

Verwirrt blickte Rhia hinunter und sah, dass der Schlüssel nicht das Einzige war, was Alice ihr in die Hand gedrückt hatte. Daneben lagen zwei Kondome.

„Das ist nicht dein Ernst“, flüsterte sie entgeistert.

„Hör auf, in deine Hand zu starren. Sonst sieht er es.“

Schnell schloss Rhia die Faust und ließ den Arm vorsichtig herunterhängen. „Was soll das? Ich werde ganz bestimmt nicht mit irgendeinem Fremden ins Bett gehen.“

„Sei auf alles vorbereitet im Leben, ist meine Devise.“ Alice’ Augen blitzten übermütig. „Beweg dich schon unauffällig Richtung Ausgang. Ich bleibe hier und lenke ihn ab! Es geht nicht anders.“

Es war eine völlig verrückte Idee, und Rhia wusste, dass sie einfach Nein sagen sollte. Sie war nicht wie Allie. Sie war immer eine Vorzeigetochter der Herrscherfamilie gewesen. Sie lebte ein ruhiges, sehr komfortables Leben in einer hübschen Villa mit herrlichem Meerblick und hatte einen wunderbaren Beruf: Sie kümmerte sich um Neuerwerbungen und Restaurierungen im Nationalmuseum von Montedoro – mehr eine angenehme Beschäftigung als echte Arbeit, ganz wie es einer Prinzessin von Montedoro zukam.

Und in einsamen Nächten sehnte sie sich noch immer nach dem einzigen Mann, der ihr je das Herz gebrochen hatte und der ihr nie wieder nahe kommen wollte. In diesem Augenblick stand er in der Tür zur Eingangshalle und beobachtete stumm die Festgesellschaft. Hochgewachsen, breitschultrig und hinreißend männlich, mit distanzierten Augen, in denen man versinken konnte, und dem jetzt so ernsten, schön geschwungenen Mund.

Vielleicht hatte Alice recht. Vielleicht musste sie einfach etwas Verrücktes tun.

„Ich hole meinen Mantel“, sagte sie leise zu Allie und wollte sich zur Treppe wenden, die ins obere Stockwerk führte. Dort lagen die Gästezimmer, in denen an diesem Tag die Cowboy-Diener Mäntel und Jacken der Festgesellschaft untergebracht hatten.

Allie packte sie am Arm und flüsterte: „Als Kriminelle bist du wirklich nicht begabt. Wenn du deinen Mantel holst, sieht er doch, dass du fortwillst.“

„Aber es ist kalt draußen“, protestierte Rhia schwach.

„Der Pick-up hat eine Heizung. Und jede Cowboy-Bar ebenfalls. Viel Glück, mach was draus!“ Mit diesen Worten klopfte Alice ihr noch einmal auf die Schulter und war im nächsten Augenblick verschwunden.

Rhia sah ihr hinterher und ärgerte sich über ihre eigene Unentschlossenheit. Nein, alles war besser, als sich noch Stunden auf Arabellas Hochzeitsfeier zu quälen und sich dabei ständig weit weg zu wünschen!

Langsam bog sie um eine Ecke, wo Marcus sie für einen Augenblick nicht sehen konnte, und steckte den Autoschlüssel und die völlig überflüssigen Kondome in die Jacketttasche zu ihrem Führerschein, den sie auf Allies Anraten – „für alle Fälle“ – schon vorher an sich genommen hatte.

Dann trat sie an einen der blumengeschmückten Tische mit Getränken und nahm sich eine kleine Flasche Wasser. Sie nippte an der Flasche und wanderte mit unschuldigem Gesichtsausdruck hinüber ins Wohnzimmer, wo sie stehen blieb und kurz mit ihrem Bruder Rule und seiner Frau plauderte.

Ohne Eile schlenderte sie Richtung Diele, blieb unterwegs bei jedem stehen, mit dem ihre Blicke sich kreuzten, und wechselte ein paar Worte. Bis sie auf diese Weise irgendwann in der Nähe des Ausgangs landete.

Inzwischen machte es ihr sogar Spaß, die heimliche Flucht vorzubereiten.

Würde Allie das Ablenkungsmanöver gelingen? Und wo war Allie überhaupt?

In diesem Augenblick trat ihre Schwester in Aktion. Ein spitzer Schrei ertönte, und alle Köpfe fuhren herum Richtung Wohnzimmer. Dort war Allie gerade mit einem vollen Teller und einem großen Glas Eistee in den Händen auf Marcus zugestolpert.

Der Bodyguard fing sie blitzschnell auf, bevor sie der Länge nach auf dem Parkett landen konnte.

Den Teller mit Essen und das gefüllte Glas erwischte er allerdings nicht mehr. In hohem Bogen flogen die Köstlichkeiten vom Büffet Marcus ins Gesicht, und der Tee ergoss sich über seine schmucke Uniform.

Rhia sah nicht mehr, was weiter geschah. Während alle Augen auf Alice und dem mit Essen und Tee überschütteten Bodyguard ruhten, öffnete sie schnell die Haustür und schlüpfte hinaus.

2. KAPITEL

Der große rote Pick-up wartete am Fuß der breiten Eingangstreppe und glänzte schwach im Mondlicht. Atemlos eilte Rhia die Stufen hinunter und um den Wagen herum zur Fahrerseite.

In der nächsten Sekunde saß sie hinter dem Lenkrad. Mit ruhigen Händen drückte sie den Startknopf, legte den Gang ein und fuhr die lange Auffahrt hinunter, die zum Highway führte.

Viel schneller als erlaubt fuhr sie in Richtung Elk Creek, bis sie irgendwann einen Blick in den Rückspiegel riskierte. Niemand folgte ihr. Da warf sie den Kopf in den Nacken und lachte laut heraus. Im Wagen war es kuschelig warm, und ein Sender mit Country-Musik verbreitete muntere Stimmung.

Als sie Elk Creek erreichte, ging sie vom Gas und hielt Ausschau nach irgendeiner Cowboy-Bar, von denen es laut Allie hier an jeder Ecke eine geben sollte. Aber Elk Creek schien ein hoffnungslos verschlafenes Städtchen, und nirgends sah Rhia die Art Lokal, wo man sich mit Cowboys, Tequila und Rundtänzen amüsieren konnte.

Bevor es ihr richtig bewusst wurde, lag Elk Creek schon hinter ihr. Sie fuhr einfach weiter, der fast runde, helle Mond leitete sie, in ihrem hochhackigen Designer-Schuh trat sie wieder aufs Gas. Früher oder später würde Marcus ihr hinterherfahren. Bis dahin musste sie nur genügend Vorsprung gewinnen, damit er sie an diesem Abend nicht mehr fand.

Vielleicht sollte sie den Highway verlassen und sich an Nebenstraßen halten, um ihre Spur zu vertuschen? Aber dann verirrte sie sich am Ende noch in der ihr völlig unbekannten Gegend!

Also fuhr sie immer weiter geradeaus.

Captain Marcus Desmarais jagte den schwarzen Geländewagen durch die Nacht. Er diente seinem Land und der Herrscherfamilie mit Leib und Leben, in diesem Augenblick aber war er einer Katastrophe ziemlich nahe.

Er nahm den Fuß kaum vom Gas, als er Elk Creek erreichte, während er rechts und links nach einem roten Pick-up oder einer wunderschönen dunkelhaarigen Frau im blauen, perfekt sitzenden Seidenkostüm Ausschau hielt.

Weit und breit waren weder die Frau noch der Pick-up zu sehen. Das hieß hoffentlich, dass Rhiannon sich noch vor ihm befand. Wenn sie nur nicht von dem Highway herunter gefahren war! Dann fand er sie womöglich nie.

Nein! Natürlich fand er sie, oder aber sie kam in den nächsten Stunden von selbst zurück. Marcus verbot sich jeden anderen Gedanken. Er biss die Zähne zusammen, trat wieder stärker aufs Gas und konzentrierte sich auf die Straße vor ihm.

Seine Hoheit Alexander hatte ihm eine Stunde Zeit gegeben, die Prinzessin zu finden und das Problem unauffällig zu lösen, ohne Alarm zu schlagen. Wenn Marcus das nicht gelang, wollte der Fürst Verstärkung kommen lassen. Das würde die Familie in Angst und Schrecken versetzen, die Hochzeitsfeier ruinieren und ein gefundenes Fressen für die Skandalpresse bedeuten.

Fast die Hälfte seiner Frist war bereits verstrichen.

Warum hatte Rhiannon das getan? Was wollte sie damit beweisen, dass sie sich so unsinnig und rücksichtslos in Gefahr begab?

Marcus wusste die Antwort, und es tat weh. Die Prinzessin war weggelaufen, weil sie seiner Nähe entkommen wollte.

Er hätte diesen Auftrag niemals annehmen dürfen. Natürlich fand Rhiannon die Situation unerträglich. Er hätte um Ablösung bitten müssen, egal, was seine Vorgesetzten dann dachten. Wenn man es ihm verweigert hätte, dann hatte er wenigstens alles versucht.

Aber er war zu stolz gewesen. Und zu ehrgeizig. Außerdem wollte er nicht, dass Rhiannon ins Gerede kam, er hatte ihr schon genug Leid zugefügt. Er wollte vermeiden, dass jemand womöglich in der Vergangenheit stocherte und herausfand, was vor so langer Zeit passiert war.

Deshalb hatte er geschwiegen und den Auftrag akzeptiert. Es war seine Schuld, dass Rhiannon mithilfe ihrer leichtsinnigen Schwester auf diesen verrückten Fluchtplan verfallen war.

Die Stadt war hinter ihm verschwunden. Vor ihm lag der dunkle Highway, Wolken zogen vor den Mond und verdeckten die hellen Sterne, die Nacht wurde immer schwärzer. Marcus beschleunigte noch ein wenig, rückte den Bluetooth-Knopf in seinem Ohr zurecht und fuhr immer weiter.

Im Autoradio des Pick-up sang ein einsamer Cowboy von seiner großen Liebe. Zu diesem Zeitpunkt hatte Rhia die Lautstärke voll aufgedreht.

Kurz darauf erschien vor ihr am dunklen Horizont Rowdy’s Roadhouse als wundervolles grelles Licht: Musik, Alkohol, Poolbillard, Videopoker und jeden Abend Tanz. Genau das Richtige!

Sie bremste ab, als sie die Einfahrt zu dem großen, unbefestigten Parkplatz erreichte. Helle Laternen auf hohen Masten beleuchteten eine Unmenge schlammverkrusteter Pick-ups und dicker Geländewagen.

Rowdy’s selbst war ein quadratisches Gebäude mit Schindeldach und einem gigantischen Neonschild über der Tür.