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Der 5. Fall für Frau Wunder und Herrn Spyridakis Julia Wunders Vater Wolfgang Hillberger vermisst seinen Bekannten Konrad im Caféhaus. Hillberger vermutet, dass er krank ist und stattet ihm einen Hausbesuch ab. Doch wie er seinen Kaffeebruder vorfindet, lässt ihn erschaudern. Er informiert seine Tochter, Hauptkommissarin Wunder, die mit Assistent Vlassi nach kurzer Zeit an Ort und Stelle ist. Was Julia entdeckt, übersteigt ihre Befürchtung. Der Kaffeegenosse ihres Vaters hängt im Wohnzimmer bäuchlings von der Decke herab, als ob er fliegen wolle. Auf jeden Fall ist er davon gesegelt, denn an seinem mausetoten Zustand ist nicht zu rütteln. Handelt es sich um einen perfiden Mord? Bald stellt sich heraus, dass der Fall nicht nur rätselhaft, sondern auch absonderlich ist. Doch unser Kommissar-Duo Julia und Vlassi knackt gemeinsam mit dem Kollegen Lustig von der anderen Rheinseite auch diesen Fall – wiederum mit Witz, Humor und seltsamen Ideen.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
„Wer da meint, sein Dasein sei auf sein jetziges Leben beschränkt, hält sich für ein belebtes Nichts, denn vor 30 Jahren war er nichts, und über 30 Jahre ist er wieder nichts.“Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena
Der Roman spielt hauptsächlich in bekannten Regionen, doch bleiben die Geschehnisse reine Fiktion. Handlungen und Charaktere sind frei erfunden. Tatsächlich existierende Personen haben ihre Zustimmung erteilt.Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über http://dnb.ddb.de© 2020 CW Niemeyer Buchverlage GmbH, Hamelnwww.niemeyer-buch.deAlle Rechte vorbehaltenUmschlaggestaltung: C. RiethmüllerEPub Produktion durch CW Niemeyer Buchverlage GmbHeISBN 978-3-8271-8388-0
Lothar SchöneDer Todlebt im RheingauEin Rhein-Main-Krimi
Lothar Schöne, geb. in Herrnhut, arbeitete als Journalist, Hochschullehrer, Drehbuchautor und veröffentlichte Romane, Erzählungen und Sachbücher. Er erhielt eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen, unter anderem das Villa-Massimo-Stipendium in Rom, den Stadtschreiber-Preis von Klagenfurt/Österreich und den von Erfurt, den Literaturpreis der Stadt Offenbach a.M., zuletzt 2015 den Kulturpreis des Rheingau-Taunus-Kreises. Sein Roman „Der blaue Geschmack der Welt“ wurde von den Lesern der Tageszeitung „Die Welt“ zum „Buch des Jahres“ gekürt, der Roman „Das jüdische Begräbnis“ in sechs Sprachen übersetzt. Derzeit wird die Verfilmung vorbereitet.Mehr über Lothar Schöne finden Sie auf der Internetseite: www.lothar-schoene.de
Für den üblichen Verdächtigen, meinen Freund, den Tod
Wolfgang Hillberger schaute vom Rheingau-Echo auf. Das hatte er schon einige Male getan, obwohl die Zeitung der Region ganz lesenswerte Artikel bot, in die man sich versenken konnte. Jedes Mal sah er zur Tür, doch die öffnete sich nicht. Hillberger saß im Café Schwab in Eltville und wartete auf seinen Kaffeebruder Konrad. Sie hatten sich vor einiger Zeit in diesem Café kennengelernt, und einmal in der Woche plauschten sie um die Wette. Bei Kaffee und Kuchen, versteht sich. Hier gab es gottlob nicht den scheußlichen Moringa-Tee, ein Gesundheitsgebräu, das ihm Frau Becker, seine Nachbarin, stets mit mahnenden Worten einschenkte.
Das Treffen im Kaffeehaus hielt der Vater von Hauptkommissarin Julia Wunder für therapeutisch, ja eigentlich sogar für lebensverlängernd. Nicht nur wegen des Kaffees. Wir gleiten als soziale Wesen durch die Welt, überlegte er, und benötigen dringend den Austausch mit anderen sozialen Wesen, auch Menschen genannt, vor allem solchen, die geistig anregend sind. Und für einen solchen hielt er seinen Kaffeegenossen. Wo blieb Konrad? Allein den Kaffee zu genießen, fand Hillberger unbefriedigend, ja eigentlich ungenügend, wenn nicht sogar mangelhaft. Ja, Schulnoten mussten her, um den Sachverhalt zu beleuchten, ging es dem ehemaligen Oberstudienrat durch den Kopf. Er wollte sich dem Rest seines Streuselkuchens widmen, stocherte aber nur unlustig in den Bröseln herum. Streuselkuchen ist nun mal kein Ersatz für ein Gespräch zwischen Kaffeebrüdern.
War Konrad etwa verreist? Trieb er sich auf den Malediven herum oder auf Madagaskar? Unwahrscheinlich – das hätte er ihm mitgeteilt. Hatte er ein anderes Café aufgesucht? Es gab ja einige im Ort, Eltville war schließlich nicht nur ein Wein-, sondern auch ein Caféstädtchen, ganz zu schweigen von der Kurfürstlichen Burg mit ihrem Rosengarten unten am Rhein, auf den man besonders stolz war. Oder hatte Konrad ihren Treff im Café Moser vergessen? Handelte es sich um erste Zeichen von Demenz?
Wolfgang Hillberger erhob sich mit einem Ruck, griff zu seinem Regenmantel und schritt nach vorne zum Tresen. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und nachdem er gezahlt hatte, streifte er den Mantel über und verließ das Café-Etablissement mit raschen Schritten.
Draußen nieselte es ein wenig, was für Hillberger kein Grund war, von seinem Vorhaben abzuweichen. Er zog den Mantelkragen hoch und schritt aus in Richtung Rheingauer Straße. Er kam bei der Bücherstube Lauer vorbei, eine Buchhandlung, die er öfter aufsuchte, diesmal aber achtlos liegen ließ. Heute musste Frau Lauer ohne ihn auskommen. Schon erreichte er mit zügigem Schritt die MM-Sektmanufaktur und bog in die Matheus-Müller-Straße ein. Ja, ja, er wusste, wo Konrad wohnte, sein Kaffeebruder hatte es ihm nebenbei einmal mitgeteilt. Nikolausstrasse – dort musste er hin. Ohne Zweifel eine gute Gegend, wo Konrad Anker geworfen hatte. Die konnte er sich offenbar leisten, Geld war für ihn kein Thema und Geiz schien ihm ein Fremdwort zu sein, im Gegenteil: Wenn Hillberger seinen Grundzug nennen sollte, würde er die Vokabel Freigiebigkeit verwenden.
Als er sich dem Haus in der Nikolausstrasse näherte, fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, ob Konrad verheiratet war. Darüber hatten sie nie gesprochen. Umgekehrt hatte er seinem Kaffeegenossen auch nicht mitgeteilt, dass seine Frau schon vor längerer Zeit gestorben war und er jetzt in die Fänge der Frau Becker geraten war. Nein, schöner wäre es doch zu sagen, dass er ein Techtelmechtel mit ihr hatte. Mit ihr gewissermaßen wunderbar techtelmechtelte. Wunderbar? Nun, darüber ließe sich streiten. Vor allem, wenn er an die Becker’schen Gesundheitsattacken auf ihn dachte, mit denen sie ihn immer mal wieder malträtierte.
Hillberger erreichte ein frei stehendes Haus in einem Gartengrundstück. Hier lebte also Konrad, mit wem auch immer. Ein eisernes Tor versperrte den Eingang, an dessen Seite sich eine Sprechanlage mit einem Klingelknopf befand. Er drückte ihn sanft. Nichts tat sich. Keine konradische Stimme ertönte. Das rieselnde Nass von oben hatte sich verstärkt, Hillberger fasste sich an seinen Kopf, wo seine grauweißen Haare schon in einer Pfütze schwammen. Sein Finger näherte sich abermals dem Klingelknopf, den er diesmal heftiger behandelte. Als auch das keinen Erfolg brachte, drückte er mehrmals hintereinander und mit Inbrunst auf den Knopf. Keine Reaktion. Was war mit Konrad los? Doch die Malediven? Oder hörte Konrad gerade ein Konzert mit Kopfhörer? Hillbergers Neugier war erwacht, der Nieselregen hielt ihn überhaupt nicht ab, jetzt wollte er es genau wissen. Er ging ein paar Schritte auf der Straße, entdeckte einen seitlichen Pfad und ein nicht allzu hohes Gartentor. Da könnte er drübersteigen, das wäre zu schaffen, schließlich war er kein gebrechlicher Greis.
Kaum hatte Wolfgang Hillberger das Gartentor überwunden, lobte er sich innerlich. Der Gang zu Konrad hatte ihn zu einer sportlichen Höchstleistung animiert – das würde er seinem Kaffeegenossen berichten. Nicht mehr unten am Rhein würde er in Zukunft spazieren gehen, sondern übers Gartentor zu Konrad hechten. Der Ausgleichssport, den ihm sein Arzt empfohlen hatte, war gefunden. Besuche bei Konrad! Jedoch nicht wie jedermann unsportlich durch den Haupteingang flanieren, sondern mit Hechtsprung übers Gartentor.
Hillberger erblickte eine gepflegte Gartenlandschaft mit wohlgeschnittenen Büschen und kleinen Obstbäumen. Seine Nachbarin Frau Becker wäre entzückt. Sein eigenes bescheidenes Gärtlein wirkte dagegen zerrupft und unordentlich. Ah, da befand sich auch eine Terrasse, auf die Wolfgang Hillberger zusteuerte. Schon von Weitem erkannte er, dass auch die vor Sauberkeit und Ordnung blitzte. Er würde wohl oder übel Konrad ein Kompliment machen müssen. Der ehemalige Oberstudienrat befand sich mittlerweile in Forscherlaune – so musste sich Kolumbus gefühlt haben, als er einen neuen Kontinent namens Amerika entdeckte. Hillberger überlegte, ob er laut nach seinem Kaffeebruder rufen sollte, erklomm dann aber die drei Stufen zur Terrasse und näherte sich einem großen Fenster. Kurz ging ihm durch den Kopf, ob er an die Scheibe klopfen sollte: „Ich bin’s, Konrad. Mach auf und biet’ mir Regengeschädigtem einen Kaffee an!“
Die Regentropfen rannen Hillberger von der Stirn zum Gesicht, er blinzelte und musste sich mit der Hand über die Augen wischen, doch das Bild, das er durch die Scheibe sah, änderte sich nicht. Jetzt beugte sich Wolfgang Hillberger vor – sah er wirklich richtig? Er konnte nicht glauben, was seine Augen ihm mitteilten. War das sein Kaffeebruder Konrad, der da hing?
*
Zur gleichen Zeit eilte Kommissar Vlassopolous Spyridakis durch den ersten Stock des Polizeipräsidiums. Er war gerade Kriminalrat Robert Feuer entflohen. Mit einer Ausrede – die er aber so dringlich formulierte, dass Feuer ihn laufen ließ. Vlassi hatte behauptet, dass Hauptkommissarin Wunder, seine Chefin, ihn schon vor zwanzig Minuten zu sich beordert hatte. Es ging um etwas sehr Wichtiges. Das war gelogen, Julia Wunder wollte gar nichts von ihm. Doch Feuer wollte ihm etwas angeblich Bedeutendes aufschwätzen, etwas, das seiner Karriere förderlich wäre, wie er listig meinte. Doch Vlassi hatte schnell erkannt, dass Feuer ihn lediglich zu einem Raubüberfall schicken wollte. Dafür war er, Vlassopolous Spyridakis, nicht zu haben. Raubüberfall – viel zu harmlos. Es musste schon etwas Ausgefallenes auf ihn zukommen, etwas Ungewöhnliches – eine Herausforderung gewissermaßen. So etwas wie im letzten Fall, wo er sich undercover als Kunststudent an der Rhein-Main-Hochschule einnistete. Sich als kriminalistischer Forscher betätigte. Mit herausragendem Ergebnis, das konnte man wohl behaupten.
Er öffnete die Tür zu Frau Wunders und seinem Dienstzimmer. Julia streifte sich eben ihren Mantel über und setzte sich einen ungewöhnlichen Hut auf. Vlassi deutete auf ihn und fragte: „Ist der neu? Den kenne ich ja noch gar nicht.“
Julia nickte: „Ein Damiana Flower-Schlapphut.“
„Und die Farbe. Ist das rostrot?“
„Nein, blutrot“, antwortete sie und grinste, „die Farbe muss ja zu meinem Beruf passen.“
„Da haben Sie recht“, nickte Vlassi, „blutrot ist genau richtig.“
„Wo haben Sie sich denn rumgetrieben? Ich hab’ Sie schon angerufen …“
„Tatsächlich?“, fiel ihr Vlassi ins Wort – offenbar war seinem Handy mal wieder der Saft ausgegangen.
„Wir müssen nach Eltville. Mein Vater hat angerufen. Er hat etwas entdeckt, da müsse ich kommen.“
„Etwas Ausgefallenes und Ungewöhnliches?“, wollte Vlassi neugierig wissen.
„Könnte man sagen.“
„Einen Toten am Rheinufer mit heraushängender Zunge und ohne Skalp?“, fragte Vlassi, „dessen Geist mit Ihrem Vater anschließend einen aufbauenden Moringa-Tee trinken wollte?“
„Woher kennen Sie denn Moringa-Tee?“, fragte Julia lächelnd.
„Na, ich trinke ihn doch selbst! Das ist ein Tee, der vor gesundheitlichen Schiffbrüchen schützt.“
Julia lachte kurz auf: „Gesundheitliche Schiffbrüche, nicht schlecht. Das müssen Sie meinem alten Herrn mitteilen, der trinkt nämlich lieber Kaffee. Los jetzt! Wir müssen uns sputen.“
„Ich hoffe“, sagte Vlassi, als die beiden ihr Dienstzimmer verließen, „dass Ihr Vater eine Herausforderung für mich entdeckt hat. Ich meine natürlich, für uns. Ein armseliger Raubüberfall wäre doch eine Vergeudung meiner, vielmehr unserer genialischen Kräfte, unseres Spürsinns, unserer kriminalistischen Energie …“
Er hielt inne – Julia Wunder war davongeeilt und hörte seine letzten Worte nicht. Vlassi blieb nichts übrig, als ihr schleunigst hinterherzutappen.
Eine knappe halbe Stunde später fuhren sie in Eltville ein. Julia warf einen Blick auf ihr Navi und steuerte die angegebene Adresse an. Auf der Gutenbergstrasse, die MM-Sektkellerei kam eben in Sicht, wedelte ein Mann mit der Hand. Es war Wolfgang Hillberger.
„Wo bleibst du denn?“, fragte er seine Tochter, die anhielt und die Fensterscheibe runterließ, „ich bin zurück ins Café Schwab, hab’ mich dann wieder aufgemacht und warte schon seit Stunden hier.“
„Bitte nicht übertreiben, Papa“, erwiderte Julia, „wir sind so schnell gekommen, wie wir konnten.“
Und Vlassi schob nach: „Wir sind gewissermaßen geflogen. Und ich hab’ sogar auf meinen gesunden nachmittäglichen Moringa-Tee verzichtet.“
„Unsinn“, brummte Hillberger während er einstieg, „dieser Tee ist höchstens für Hypochonder gesund. Und schon gar nicht am Nachmittag.“
„Aber …“, wollte Vlassi widersprechen, doch Julia unterbrach ihn resolut: „Wo müssen wir genau hin, Papa? Wo hast du deinen seltsamen Fund gemacht?“
„Hab’ ich dir doch am Telefon schon gesagt. Erst mal geradeaus, dann links, dann rechts und wir sind in der Nikolausstrasse. Zum Glück regnet es nicht mehr.“
„Regen ist ganz wichtig“, ließ sich Vlassi hören, „der echte Kommissar braucht Regen, Regen regt an, Regen bringt ihn auf Touren.“
„Sind Sie so einer?“, fragte Hillberger ironisch, „ein Regenkommissar?“
Doch nun hüllte sich Vlassi vornehm in Schweigen. Wenige Minuten später erreichten sie das Haus von Hillbergers Kaffeebruder. Julias Vater führte sie auf den seitlichen Pfad und wies auf das niedrige Gartentor: „Hier müssen wir rein, hab’ ich auch so gemacht.“
Kommissar Spyridakis spielte den Empörten: „Hausfriedensbruch oder vielmehr Gartenfriedensbruch, Herr Hillberger? Was soll der Inhaber dieses Grundstücks von Ihnen denken?“
„Gar nichts. Er denkt gar nichts mehr, da tot.“
„Wissen Sie das denn so genau?“, wollte Vlassi wissen, „manchmal fangen Tote an zu reden.“
„Um sich zu beschweren, dass sie tot sind?“, fragte Hillberger spitz.
Julia machte dem Dialog ein Ende: „Kommen Sie, Herr Spyridakis. Zeigen Sie Ihre Sportlichkeit und springen Sie über die Pforte.“
Während ihr Vater zustimmend nickte, ging Vlassi zwei Schritte näher und schaute über das Gartentor. Dann griff er auf dessen Rückseite und öffnete das Türchen: „Warum denn springen? Wer einen Vlassi bei sich hat – dem bleibt Ungemach erspart.“
„Nicht übel“, erkannte Hillberger, „vor allem nicht übel gesagt.“
Julia war schon in den Garten vorgedrungen und schickte sich an, die Stufen zur Terrasse zu nehmen. Als sie vor dem großen Fenster stand und ins Zimmer hineinblickte, beugte sie sich wie ihr Vater vor Kurzem ein wenig vor. Zwar nieselte es nicht mehr, und sie musste sich nicht über die Augen wischen, doch was sie sah, erstaunte sie in hohem Maße. Ihr Vater und Vlassi waren ihr hinterhergegangen, jetzt fragte Wolfgang Hillberger: „Siehst du auch, was ich gesehen habe?“
Julia nickte, und der neugierige Vlassi kam näher und schaute ebenfalls durch die Fensterscheibe.
„Wer hängt denn da?“, fragte er verwundert und wandte sich zu Hillberger: „Ist das etwa Ihr Bekannter?“
„Sicher, ich erkenne ihn auch im Flug, außerdem wohnt er hier.“
Tatsächlich sah man einen Mann in der Luft hängen, aber nicht mit den Füßen nach unten. Er war an einem Kronleuchter befestigt, um seinen Bauch war ein Seil gespannt, auch um seine Arme und Beine, sodass es aussah, als wolle er fliegen.
Prompt sagte Vlassi: „Der will davonfliegen.“
„Ist er mit Sicherheit auch“, brummte Julias Vater, „davongesegelt in den Tod.“
Julia hatte bereits ihr Smartphone gezückt, sie telefonierte die Spurensicherung herbei.
Vlassi schaute durch die Scheibe und murmelte: „Schade, dass er keine Flügel besitzt, man könnte ihn dann für einen Engel halten.“
„Das hab’ ich gleich gesehen!“, sagte Wolfgang Hillberger.
„Dass er tot ist?“, fragte Vlassi.
„Aber natürlich, mein Blick trügt mich nicht. Außerdem bin ich der Vater einer Kriminalhauptkommissarin.“
„Sie meinen, Sie haben Ihr kriminalistisches Gespür von Ihrer Tochter geerbt?“, wollte Vlassi verhörmäßig wissen.
„Lieber Herr Spyridakis, Sie wissen doch, dass es genau umgekehrt ist.“
Jetzt mischte sich Julia ein und wandte sich an ihren Vater: „Stör’ dich nicht an den seltsamen Fragen von Herrn Spyridakis. So ist er nun mal.“
„Hoffentlich kann er auch anders sein“, murrte Hillberger.
Die drei saßen im Café Schwab und wärmten sich bei einer Tasse Kaffee auf. Längst war die Spurensicherung gekommen und hatte den Toten mitgenommen. Hauptkommissarin Wunder hatte angeordnet, dass er zur Rechtsmedizinerin Dr. Hauswaldt gebracht wurde. Jetzt wollte sie die Gelegenheit nutzen, mehr über den Kaffeebruder ihres Vaters zu erfahren.
„Also Konrad Neumann heißt er, und ihr habt euch hier im Café kennengelernt?“, fragte sie ihren Vater.
„Ja, ja, angenehmer Bursche. Wir haben im Café die Zeitung gelesen und uns über politische Fragen ausgetauscht.“
„Was hat er denn beruflich gemacht?“
„Der Beruf ist ganz wichtig“, schaltete sich Vlassi ein, „da finden wir allerlei Motive für Gewalttaten.“
Wolfgang Hillberger legte den Kopf nach hinten, dann erwiderte er: „Beruflich hat er gar nichts gemacht. Er war in Rente, so wie ich.“
„Und vorher?“, fragte Julia, und Vlassi setzte hinzu: „Oder war er schon immer in Rente und hat nie was gearbeitet? Ererbter Reichtum gewissermaßen.“
„Nein, nein“, sagte Julias Vater, „er war soviel ich weiß … Kellermeister bei einem Winzer … ich glaube, in Rüdesheim.“
„Bei wem weißt du nicht?“, fragte Julia Wunder.
„So was ist nämlich nicht ganz unwichtig“, ergänzte Vlassi.
„Es fällt mir wieder ein“, überlegte Hillberger.
„Vielleicht bei einem guten Moringa-Tee“, erläuterte Kommissar Spyridakis.
Wolfgang Hillberger warf ihm einen grimmigen Blick zu und griff nach seiner Tasse Kaffee.
„Was weißt du sonst noch über diesen Konrad?“, fragte Julia.
„Ja … also … äh, politisch gesehen war er konservativ“, brummte ihr Vater, „die Merkel hielt er für eine Fehlentwicklung in der CDU.“
Vlassi schob ein: „Vielleicht hat das die Angela in Berlin gehört und hat ihn fliegen lassen. Ins Jenseits, meine ich.“
Julia kräuselte die Lippen und kehrte die Augen zur Decke des Cafés, während Hillberger seltsamerweise bedächtig nickte: „Gar kein schlechter Gedanke. Die Merkel hat ja nicht nur die CDU runtergewirtschaftet, sondern auch gleich die SPD ruiniert. Wenn das so weitergeht, rutscht die demnächst unter die fünf Prozent …“
„Das sehe ich auch so“, erklärte Vlassi. „Und warum ist es so gekommen? Weil die Merkel eine Hamsterfrau ist. Die hat alle Themen der SPD und der Grünen eingehamstert und als ihre ausgegeben. Das hat sie bei der SED-Einheitspartei in der alten DDR gelernt, und jetzt gibt es die CDU-Einheitspartei für ganz Deutschland.“
Wolfgang Hillberger sah ihn erstaunt an: „Sie sind ja politisch ganz auf der Höhe, junger Mann. Ihre Analyse ist vollkommen richtig, die Merkel kann grüner als die Grünen und sozialer als die Sozialdemokraten sein. Sie ist schuld daran, dass es jetzt die AfD gibt, die Leute wollen schließlich eine Alternative.“ Er machte eine kleine Pause: „Sie wären mir bei unseren Caféhaus-Diskussionen willkommen gewesen.“
„Meinst du?“, fragte Julia, „eine Diskussion ist doch nur dann eine, wenn auch gegensätzliche Standpunkte zur Sprache kommen. Du, der tote Konrad und Kommissar Spyridakis – ihr wäret wohl immer einer Meinung gewesen und hättet euch gegenseitig auf die Schulter geklopft.“
„Oh, sag das nicht, Töchterlein. Was Moringa-Tee angeht, bin ich ganz anderer Meinung als Herr Spyridakis. Und Konrad habe ich des Öfteren widersprochen.“
„Tatsächlich?“, fragte Julia, „sag mal ein Beispiel.“
Wolfgang Hillberger nahm einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse, atmete leicht durch und antwortete schließlich: „Konrad sagte mir einmal, dass er etwas fürchte, dass er davor Angst habe …“
„Umgebracht zu werden?“, wollte Vlassi wissen.
„Nein, nein, etwas ganz anderes! Er fürchtete, sein Gedächtnis zu verlieren. Ich habe ihm natürlich widersprochen.“
„Wie kam er denn darauf?“, fragte Julia.
Ihr Vater hob die Schultern: „Keine Ahnung, ich habe keinerlei Verschleißerscheinungen bei ihm festgestellt. Aber er fragte mich einmal: Wer bin ich?“
Und Sie haben ihm geantwortet: Ein großer Philosoph, wollte Vlassi antworten, denn er dachte daran, dass, wer so etwas wissen wolle, ein großer Philosoph sein müsse. Doch er unterdrückte noch rechtzeitig seine Frage, da er einen mahnenden Blick seiner Chefin sah.
„Warum wollte er das denn wissen, wusste er nicht, wer er war?“, fragte sie.
„Natürlich wusste er, wer er war, er war eigentlich ganz hell im Kopf“, antwortete Hillberger.
„Umso erstaunlicher“, bemerkte Julia nachdenklich, „gibt es denn sonst noch etwas, das dir einfällt?“
Wolfgang Hillberger nahm einen Schluck Kaffee und legte den Kopf sinnend nach hinten, sagte jedoch nichts, offenbar dachte er scharf nach.
„Vielleicht hatte er doch Angst, umgebracht zu werden?“, merkte Vlassi an, „Feinde lauern überall.“
„Ich kann mich nicht erinnern, dass er je von Feinden oder Widersachern gesprochen hätte“, teilte Julias Vater zögernd mit. Er machte eine Pause, um dann zu sagen: „Aber Angst vorm Tod hatte er schon. Mir fällt ein, dass er einmal davon sprach, dass es ein unangenehmer Gedanke für ihn sei, dereinst Nahrung für die Würmer zu sein.“
„Die Würmer brauchen halt auch etwas Speise“, teilte Vlassi bestimmt mit, „warum nicht uns, wir kriegen es ja nicht mehr mit.“
„Ja, ja, aber ihm machte dieser Gedanke offenbar zu schaffen“, erwiderte Hillberger.
„Und jetzt ist er tot, und die Würmer werden sich demnächst an ihm laben, ob er will oder nicht“, konnte sich Vlassi nicht verkneifen anzumerken.
„Herr Spyridakis, bitte!“, sagte Julia.
Auch Hillberger sah Vlassi mit Ingrimm an: „Müssen Sie denn alles so direkt aussprechen, es genügt doch, dass Konrad nicht mehr unter den Lebenden weilt.“
„Da muss ich Ihnen widersprechen, Herr Hillberger! Das genügt eben nicht. Wir müssen Ihren Kaffeebruder bis ins kühle Grab verfolgen, bis zu den Würmern. Eventuell finden sich da Indizien, die zu seinem Mörder führen.“
„Haben Sie die Absicht, die Würmer als Täter zu überführen?“, fragte Julias Vater spitz.
Julia griff ein: „Wir wollen nicht pietätlos sein, Papa. Und um die Würmer geht es überhaupt nicht. Aber seine Mitteilung, dass er sich vor dem Tod fürchtete, ist vielleicht nicht ganz uninteressant.“
„Die meisten fürchten sich vor dem Tod“, widersprach ihr Vater, „das ist nichts Ungewöhnliches.“
„Könnte es nicht sein“, ließ sich Vlassi hören, „dass seine Angst vorm Tod ihn auf den Gedanken gebracht hat, einen Killer zu engagieren? Sich umbringen lassen ist doch angenehmer als siech und malad im Bett auf Gevatter Tod zu warten. Wer weiß, wann der reinschaut.“
Wolfgang Hillberger richtete sich auf: „Sie haben wirklich eine blühende Fantasie, Herr Spyridakis! Ich hab’ ja sehr viel für Fantasie übrig – aber Konrad war weder siech noch hat er sich im Bett hier ins Café rollen lassen.“
Julia nickte: „Selbst wenn an dem Gedanken von Herrn Spyridakis was dran wäre – wie passt das zur Aufhängung des Toten?“
Vlassi wusste die Antwort: „Er hat dem Killer vorher gesagt, dass er ihn an allen vieren an der Decke aufhängen soll …“
„Warum, warum?“, stöhnte Hillberger.
„Damit wir vor einem Rätsel stehen“, vollendete Vlassi seine Ausführung, und da Julias Vater ihn perplex anschaute, fuhr Kommissar Spyridakis fort: „Wir haben schließlich genug primitive Fälle, auf die man uns loslassen will, Raubmorde und Ähnliches, doch wir sehnen uns nach dem Ungewöhnlichen, ich möchte sogar die Vokabel schleierhaft hier einführen, denn das Schleierhafte fordert uns heraus.“
Jetzt hellte sich Wolfgang Hillbergers Miene auf, der kleine Vortrag von Vlassi hatte ihm offensichtlich gefallen: „Wohl gesprochen, Herr Kommissar, Sie könnten ja geradezu in einem Shakespeare-Stück auftreten.“
Vlassi wusste von seiner Liebe zu Shakespeare, seine Chefin hatte ihm bisweilen von Theaterbesuchen mit ihrem Vater erzählt, und ihm war klar, dass Hillberger ihm gerade ein großes Kompliment gemacht hatte. Er senkte bescheiden den Kopf und murmelte „Danke, danke.“
„Tja“, sagte Julia Wunder, „ich sehe schon, ihr zwei werdet euch demnächst an einem Shakespeare-Stück im Wiesbadener Staatstheater delektieren, Herr Spyridakis auf der Bühne, Herr Hillberger auf dem Regiestuhl. Während ich diesen rätselhaften Fall alleine lösen muss.“
„Dieser Gedanke hat etwas Bestechendes“, nickte Hillberger, warf einen Blick zu Vlassi und fuhr fort: „Kommt aber doch nicht infrage, denn unser junger Freund ist noch nicht so weit.“
„Für die Bühne?“, fragte Vlassi.
„Eine Amsel macht noch keinen Sommer“, brummte Julias Vater.
„Ich muss mich steigern, meinen Sie?“
„Aber unbedingt. Den Schleier vom Schleierhaften, wie Sie sagten, fortreißen. Den Fall gewissermaßen entschleiern. Dann sind wir wieder im Geschäft.“
Julia nickte zu seinen Worten: „Ja, das meine ich auch, Herr Spyridakis. Vor allem müssen Sie eine Antwort darauf finden, warum der Mörder uns ein Rätsel aufgeben will …“
Sie wollte weitersprechen, doch Vlassi fiel ihr in die Rede: „Das muss ein Mann sein, der auch an die Kripo denkt. Der will uns keinen simplen und primitiven Mord zumuten. Der ist spielerisch veranlagt und …“
„Papperlapapp“, mischte sich Hillberger ins Gespräch, „das ist ja grauenhaft um die Ecke gedacht. Kein Mörder denkt an die Kripo!“
„Sagen Sie das nicht“, erwiderte Vlassi, „ich würd’ es tun.“
„Haben wir da Glück oder Pech gehabt, dass Sie bisher nicht als Mörder in Erscheinung getreten sind, Herr Spyridakis?“, fragte Julia verschmitzt und wandte sich an ihren Vater: „Du musst ebenfalls entschleiern. Lass dir einfallen, wo dein Kaffeebruder in Rüdesheim arbeitete und geh’ die Gespräche mit ihm durch. Irgendetwas wird dir einfallen. Du weißt: alles ist wichtig.“
*
Als Julia und Vlassi das Wiesbadener Polizeipräsidium erreichten und zu ihrem Büro strebten, eilte ihnen Kriminalrat Feuer auf dem Gang entgegen.
„Wo waren Sie denn? Ich habe schon nach Ihnen gesucht. Da gibt es einen Fall in Eltville …“
„Wir kommen von dort, Herr Feuer“, teilte Hauptkommissarin Wunder im Gehen mit.
„Wir sind nämlich von der superschnellen Truppe“, ergänzte Vlassi.
„Wie haben Sie das denn erfahren?“, fragte Feuer erstaunt.
„Mein Vater hat mich informiert.“
„Ihr Vater? Hat der was damit zu tun?“, wollte Feuer wissen.
„Gewissermaßen ja.“
„Tatsächlich. Was denn?“
Die drei Personen kamen vor dem Wunder’schen Büro an und traten ein. Julia hatte absichtlich ihren Vater ins Spiel gebracht. Sie wollte Feuer neugierig machen, was ihr auch gelungen war.
Vlassi legte noch eine Schippe drauf und teilte mit Stentorstimme mit: „Da handelt es sich um keinen armseligen Raubüberfall, sondern um etwas sehr Ungewöhnliches, ich möchte sagen Schleierhaftes.“
Julia Wunder zog ihren Mantel aus, hängte ihren Damiana Flower-Schlapphut, den sie zuvor abgenommen hatte, an den Garderobenhaken, Vlassi streifte seine Regenjacke bedächtig über die Stuhllehne.
„Nun reden Sie schon!“, knurrte Robert Feuer, „was hat Ihr Vater mit der Sache zu tun?“
„Er hat mit dem Ermordeten Kaffee getrunken“, teilte Julia mit und setzte sich.
„Weiter, weiter, was ist noch passiert?“
„Hätten Sie auch einen Vater in Eltville, der gern Kaffee trinkt, wüssten Sie mehr“, erklärte Vlassi gravitätisch.
Julia warf ihm einen schnellen Blick zu, den Vlassi mühelos entschlüsselte: Nicht übertreiben, Herr Spyridakis, sonst werden Sie doch noch zu einem Raubmord geschickt.
Danach klärte sie Kriminalrat Feuer auf, erzählte ihm das, was sie in Eltville vorgefunden hatten, und welche Rolle ihr Vater dabei spielte.
„Ist ja hochinteressant“, sagte Feuer und machte ein paar Schritte im Zimmer, „natürlich übernehmen Sie den Fall. Ein Mann hängt von der Decke herab, vielmehr vom Kronleuchter – wir haben es mit einer mysteriösen Angelegenheit zu tun. Einer Angelegenheit, die uns herausfordert.“
„Ganz meine Meinung“, warf Vlassi ein, der bekunden wollte, dass er mit dem Chef völlig übereinstimmte.
Robert Feuer sah ihn skeptisch an: „Wollen Sie etwa wieder undercover arbeiten wie im letzten Fall? Das Schleierhafte dieses Falls als Schleiereule entschleiern?“
„Großartig gesagt, Herr Feuer“, erwiderte Vlassi, und er erinnerte sich an Wolfgang Hillbergers Worte an ihn und wiederholte sie: „Sie könnten ja geradezu in einem Shakespeare-Stück auftreten.“
Feuer begnügte sich nicht mit einem einfachen Danke, sondern musterte Vlassi wohlwollend: „Meinen Sie? In meinen jungen Jahren habe ich tatsächlich dem Gedanken nachgehangen, Schauspieler zu werden. Habe mich dann aber doch anders entschieden.“
„Oh, da ist der Bühne viel entgangen“, erwiderte Vlassi und bemühte sich, jeden Spott in seiner Stimme zu vertreiben.
„Nun ja“, ließ sich Julia hören, „Ihre Bühne, lieber Herr Feuer, ist dieser Ort hier, dieses Zimmer.“
„Das ganze Haus, das ganze Präsidium“, schob Vlassi nach.
Robert Feuer warf einen skeptischen Blick auf ihn: „Genug der Komplimente! Was gedenken Sie zu tun? Wie kommen wir weiter im aktuellen Fall?“ Er machte eine kleine Pause: „Wie heißt der Tote noch mal?“
„Konrad Neumann“, sagte Vlassi.
Feuer richtete sich auf: „Wie kommen wir weiter im Neumann-Fall? Wo setzen wir an?“
Vlassi nahm Platz und teilte mit: „Ich setze mich erst mal auf meinen Stuhl – des besseren Nachdenkens wegen.“
„Ganz falsch!“, korrigierte ihn Robert Feuer, „das bessere Nachdenken kommt im Gehen. Machen Sie’s so wie ich, ich bin in ständiger Bewegung.“
„Ich nehme Ihren Rat an“, erwiderte Vlassi und blieb sitzen.
Julia dagegen erhob sich, ging zur Garderobe, um ihren heruntergefallenen Hut aufzuheben und sagte: „Wir werden erst mal das berufliche Umfeld des toten Herrn Neumann …“
„Oh, ich sehe erst jetzt, dass Sie einen neuen Hut haben“, stellte Feuer fest, „ich muss schon sagen, dafür haben Sie ein Händchen, vielmehr Köpfchen – wenn Sie mir diese Bemerkung gestatten. Sie brauchen ihn nicht aufzusetzen. Ich erkenne auch so, dass er Ihnen hervorragend steht.“
Vlassi fühlte sich bemüßigt, seinen Senf dazuzugeben: „Wir lösen die Fälle gewissermaßen mit Köpfchen und Hütchen.“
„Ausgezeichnet“, nickte Feuer, „bitte mit Kopf und Hut weitermachen.“
Soll ich mir auch einen Hut anschaffen, vielleicht einen breitkrempigen Cowboy-Hut?, wollte Vlassi fragen, unterließ es aber noch rechtzeitig.
Feuer machte sich auf in Richtung Tür: „Ich muss mich jetzt um andere Dinge kümmern. Der Polizeipräsident erwartet mich. Sie informieren mich über Ihre Fortschritte in diesem mysteriösen Fall.“
Nachdem Feuer gegangen war, sagte Vlassi: „Der hat’s gut. Kann mit dem Präsidenten bei einem Glas Wein plauschen, während wir an einem schleierhaften Fall arbeiten müssen.“
Julia ging zu ihrem Schreibtisch und erwiderte: „Das bessere Nachdenken kommt beim Gehen, sagte Feuer. Da hat er nicht unrecht. Aber wir lassen außerdem unsere kleinen grauen Zellen spazieren gehen. Wissen Sie warum?“
„Um den Fall zu lösen?“
„Auch, auch, das ist gewissermaßen ein Nebeneffekt. Aber vor allem, weil es ein Jungbrunnen ist.“
„Ich fühl’ mich aber manchmal ganz alt.“
Julia sah ihn lächelnd an: „Da sehen Sie mal, wie richtig ich liege, Herr Spyridakis. Sie geben Ihren kleinen grauen Zellen nicht genug Auslauf. Das macht furchtbar alt.“
In dem Moment klingelte das Telefon, Vlassi überlegte einen Moment, doch eine passende Entgegnung auf Julias unschöne Kritik wollte ihm nicht einfallen, so griff er nach dem Hörer, und wer sich da meldete – das brachte seine kleinen grauen Zellen auf Trab. Was seine Chefin allerdings nicht mitbekam, denn ihr Smartphone piepte ebenfalls, sie hielt es ans Ohr, sagte nach einem kurzen Moment „Danke“, dann griff sie nach ihrem Mantel und dem Damiana Flower-Schlapphut und eilte aus dem Zimmer.
Hauptkommissarin Wunder saß im Auto und war auf dem Weg nach Rüdesheim. Der Anruf auf dem Smartphone kam von ihrem Vater, ihm war der ehemalige Arbeitgeber von Konrad Neumann eingefallen, und er wollte es ihr sofort mitteilen. Es handelte sich um das Weingut Kirchrath in Rüdesheim.
Als sie in der Breslauer Straße ankam, wohin sie ihr Navi geführt hatte, lenkte sie ihren Passat auf einen freien Parkplatz vor einem mittelgroßen Gebäude, auf dem in verwitterten Buchstaben das Wort Kirchrath stand. Sie stieg aus, betrat das Haus und steuerte eine Art Empfangsraum an. Dort saß hinter einer Glasscheibe eine ältliche Dame, die neugierig von ihren Papieren aufsah und die Scheibe jetzt zur Seite schob. Julia nannte ihren Namen, wies sich aus und fragte nach dem Chef des Unternehmens.
„Da haben Sie Glück“, sagte die Angesprochene, „er ist gerade zurückgekommen. Ich informiere ihn gleich.“
Sie griff zum Telefon und gab dem Chef der Firma Bescheid. Nur wenige Minuten vergingen, und ein mittelgroßer wohlbeleibter Mann um die sechzig mit einer Halbglatze öffnete die Tür zum Empfangsraum.
„Guten Tag, ich bin Frank Kirchrath. Sie wollten mich sprechen.“
Julia nannte ihm ebenfalls ihren vollständigen Namen und ihre Funktion, doch gleich unterbrach er sie: „Hauptkommissarin sind Sie. Ist denn ein Verbrechen geschehen?“
Julia nickte, Frank Kirchrath sah den klebrig-wissbegierigen Blick der Sekretärin hinter der offenen Glasscheibe und sagte zu der Kripo-Frau: „Kommen Sie mit, wir gehen in mein Büro.“
Dort angekommen, in einem recht kleinen Raum mit einem noch kleineren Schreibtisch, wies er auf eine Sitzgruppe, die schon bessere Tage gesehen haben musste, und fragte sofort: „Was ist geschehen? Hat es etwas mit meinem Wein zu tun?“
Julia verneinte und teilte ihm mit, dass sie einen Mann gefunden hatten, der bei ihm gearbeitet hatte.
Frank Kirchrath fiel hörbar ein Stein vom Herzen, was Julia natürlich registrierte. War sie etwa einem Weinpanscher auf der Spur?
„Um wen handelt es sich?“, wollte er wissen.
„Konrad Neumann.“
„Ah, Konrad“, murmelte der Weingut-Chef, „was ist mit ihm?“
„Er ist tot“, antwortete Julia.
„Tot?“
Julia wusste, dass sie auf feinste stimmliche Nuancen achten musste. Täter wussten sich oft und geschickt zu verstellen, doch mitunter verriet sie ihre Stimme. Doch das „Tot“ von Herrn Kirchrath klang lediglich verdutzt und etwas neugierig.
„Er hat doch bei Ihnen hier gearbeitet?“, fragte sie.
„Ja, ja, bis vor einem halben Jahr, er war mein Kellermeister.“
„Wollen Sie denn nicht wissen, wie er ums Leben kam?“
„Das wollte ich Sie gerade fragen. Soviel ich weiß, war er bei bester Gesundheit. Aber es handelt sich wohl um ein Verbrechen.“
Drei Sätze sind ein bisschen viel, überlegte Julia, er hätte ja auch einfach fragen können: Wie ist Konrad ums Leben gekommen?
Sie sagte: „Ja, es handelt sich um ein Verbrechen. Ich kann Ihnen noch keine Einzelheiten …“
Kirchrath fiel ihr ins Wort: „Hat man ihn erschossen?“
„Wie kommen Sie darauf?“, fragte Julia, die durch ihre zögerliche Preisgabe der Informationen hoffte, dem Weingut-Chef etwas zu entlocken.
„Das ist doch das Einfachste“, antwortete Kirchrath.
„Würden Sie es so machen?“, wollte Julia wissen.
Kirchraths Mund verzog sich zu einem Grinsen: „Aber natürlich, eine Pistolenkugel kann äußerst wirksam sein.“
Das klang recht überzeugend, konnte allerdings auch gespielt sein, überlegte Julia. Wohlbeleibte Männer um die sechzig durfte man keinesfalls unterschätzen.
Jetzt fragte Frank Kirchrath: „Sie wollen mir nicht die Todesursache nennen?“
„Ich kann sie Ihnen nicht nennen, Ihr ehemaliger Mitarbeiter liegt bei unserer Rechtsmedizinerin.“
„Es scheint kompliziert zu sein“, brummte Kirchrath.
„Das vermuten wir auch. Der Tod ist keineswegs so einfach, wie der Laie glaubt. Aber was ich Sie fragen will, Herr Kirchrath: Was hat Herr Neumann bei Ihnen gemacht und wie war Ihr Verhältnis?“
Natürlich wusste Julia durch ihren Vater von der Tätigkeit des Toten im Weingut, aber sie wollte es vom Firmenchef selber hören.
„Unser Verhältnis war gut“, antwortete Kirchrath, „Konrad Neumann war unser Kellermeister.“
„Ah ja“, murmelte Julia.
„Sie wissen, was ein Kellermeister macht?“, fragte Kirchrath und fuhr gleich fort: „Er ist eine qualifizierte technische Führungskraft, Zulassungsvoraussetzung zur Kellermeisterprüfung ist eine erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung. Wir haben Ausbildungsberufe in der Kellerwirtschaft, Weinküferei und Weinbautechnik …“
„Das ist ja hochinteressant“, teilte Julia mit, „was waren denn die Aufgaben von Kellermeister Neumann?“
„Jeder Kellermeister stellt die fachgerechte Verarbeitung der Trauben sicher, überwacht den Gärprozess sowie die Maßnahmen zur Qualitätssteigerung des Weines. Und er führt Qualitätskontrollen durch.“
Julia lächelte Frank Kirchrath an: „Ich fühle mich bereichert durch Ihre Ausführungen. Sie könnten ja geradezu ein Seminar halten.“
„Das ist Alltagswissen“, teilte Kirchrath trocken mit. Doch offenbar gefiel ihm das Kompliment Julias, denn jetzt deutete er nochmals auf die kleine Sitzgruppe und sagte mit entspannter Stimme „Setzen wir uns doch.“
Kaum hatten Julia und er auf den kleinen Sesseln Platz genommen, sprach Kirchrath weiter: „Wissen Sie, was ein talentierter Kellermeister zustande bringt?“
„Sie werden mich gleich aufklären“, sagte Julia.
„Ein talentierter Kellermeister kann aus gewöhnlichen Reben ordentliche Weine gewinnen. Ein großartiger Kellermeister kann sogar fabelhafte Weine produzieren.“
„Aus gewöhnlichen Reben?“, wollte Julia wissen.
„Nun ja, seien wir ehrlich, er braucht schon gutes Material, sehr gutes eigentlich.“
„Dann ist es so wie auch sonst im Leben“, bemerkte die Hauptkommissarin.
„Nicht ganz, nicht ganz, die Qualitätsverbesserung ist Aufgabe des Kellermeisters, ich sagte es schon.“ Frank Kirchrath beugte sich etwas vor: „Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten?“
Julia nickte: „Ich bin sehr für Geheimnisse zu haben.“ Und sie dachte: Vor allem, wenn sie mir bei der Aufklärung eines Mordes helfen.
Kirchrath lehnte sich im Sesselchen zurück und lächelte sie gewinnend an: „Ihnen verrat’ ich’s. Obwohl von der Polizei, sind Sie mir nicht unsympathisch, ja geradezu sympathisch.“
Der wird mir doch nicht noch einen Heiratsantrag machen, ging es Julia durch den Kopf, ein Verdächtiger tritt die Flucht nach vorn durch Sympathiebekundung an. Doch nach außen hin lächelte sie selig, als wäre sie beglückt von seinem Bekenntnis.
„Wissen Sie“, sprach Kirchrath weiter, „der Laie glaubt, die Rebsorte wäre für die Güte des Weins wichtig. Der noch blutigere Laie denkt, die Region sei es. Beides sind katastrophale Irrtümer. Entscheidend für die Qualität des Weins ist einzig und allein der Erzeuger.“
„Also Sie“, fasste Julia zusammen.
Frank Kirchrath grinste geschmeichelt: „So könnte man sagen. Aber im Grunde ist der Kellermeister die entscheidende Person.“
„Aber“, relativierte Julia seine Worte, „man muss ein Händchen für den Kellermeister haben, man muss den richtigen finden.“
„Da will ich Ihnen nicht widersprechen.“ Kirchrath hob sinnend seinen Blick zur Decke und sprach dann wie zu sich selbst: „Wäre es nicht sinnvoll, einen Schluck Wein zu sich zu nehmen, die Weinprobe macht es besonders einleuchtend.“
Zu seiner Verwunderung antwortete Julia: „Warum nicht? Kredenzen Sie mir ein Glas Wein.“
„Sie dürfen im Dienst trinken?“, fragte Kirchrath verwundert.
„Bei Ihnen mache ich eine Ausnahme“, lächelte ihn Julia an.
Sofort erhob sich der Weingut-Chef und eilte mit den Worten „Komme sofort zurück“ aus seinem Büro. Julia hatte natürlich mit Bedacht nach einer Weinprobe gefragt. Sie wollte Frank Kirchrath noch lockerer machen und auch gesprächiger in Bezug auf den toten Neumann.
Es verging keine Minute und Kirchrath kam mit einer Flasche und zwei edlen Gläsern zurück. Er öffnete die Flasche an seinem Schreibtisch und teilte mit: „Es handelt sich um eine Spätlese, Kirchraths Krönung.“ Es war ein Weißwein, und mit den halb vollen Gläsern kam er zu Julia zurück und reichte ihr eines. Er setzte sich wieder, hob sein Glas: „Wir trinken auf Ihren Fall, ich meine auf Konrad Neumann, und dass Sie seinen Tod rasch aufklären.“
Julia nickte und noch in ihr Nicken hinein hörte sie ein schlurfendes und schmatzendes Geräusch, das natürlich von Kirchrath stammte. Der Mann labte sich regelrecht an seiner Krönung. Auch sie nahm einen Schluck, ließ ihn auf der Zunge zergehen und fand ihn nicht sonderlich aufregend, ja eigentlich sogar flach und unbedeutend.
Sie sagte jedoch: „Oh, das ist ja wirklich …“
Kirchrath war gerade im Begriff, sich einen weiteren langen Schluck zu gönnen, nahm das Glas aber jetzt von den Lippen: „Ich bin beglückt, der Wein scheint Ihnen zu munden. Ich sagte Ihnen ja, es ist die Krönung.“
„Wahrhaftig eine Krönung“, stimmte Julia zu.
Frank Kirchrath nickte: „Sie wissen bestimmt, dass Wein ein Gesundheitselixier ist. Weintrinker werden besonders alt bei guter Gesundheit.“
Julia sah ihn scharf an: „Aber genau das trifft auf Ihren Kellermeister Neumann nicht zu. Und er war doch bestimmt Weintrinker.“
Kirchrath furchte die Stirn: „Konrad ist eine Ausnahme. Aber man hat ihn ja offenbar ermordet, da konnte ihn nicht mal meine Krönung davor bewahren.“
„Hatte er denn Feinde hier in der Firma?“, wollte Julia wissen, „Leute, die ihm irgendetwas übel nahmen?“
„Nein, überhaupt nicht.“
„Und Sie hatten auch ein gutes Verhältnis zu ihm?“
„Natürlich, ich habe es sogar sehr bedauert, dass er in Rente ging.“
„Sie wollten ihn weiter beschäftigen?“
„Ich habe sogar darüber mit ihm gesprochen – leider lehnte er ab.“
„Warum? Er hat sich doch hier sicher wohlgefühlt.“
Kirchrath räusperte sich: „Ja, unbedingt – aber er wollte nicht. Er wollte einfach nicht weitermachen.“
„War er etwa krank?“
„Nicht dass ich wüsste. Er hat immer einen sehr fidelen Eindruck gemacht.“
Julia sah nachdenklich auf ihr Glas Wein, wollte aber keinen weiteren Schluck nehmen, stattdessen fragte sie: „Gibt es Mitarbeiter, mit denen er Umgang pflegte?“
„Eigentlich alle hier, er war wohlgelitten.“
Julia erhob sich: „Danke für Ihre Auskünfte. Das war’s für’s Erste. Ich melde mich eventuell wieder bei Ihnen.“
Auch Frank Kirchrath stand auf: „Unbedingt. Und teilen Sie mir mit, wie Konrad ums Leben gekommen ist, das interessiert mich.“
Julia nickte und dachte, dass ihn die Todesumstände seines ehemaligen Kellermeisters interessieren, ist verständlich. Aber vielleicht täuscht er auch nur Interesse vor. Besonders mitgenommen von dessen Tod scheint er nicht zu sein.
„Ich finde schon den Weg nach draußen“, sagte sie, als Kirchrath sie begleiten wollte.
Sie erreichte den Empfangsraum, wo die Sekretärin hinter ihrer Glasscheibe nur kurz aufblickte. Als Julia zu ihrem Auto auf dem Parkplatz ging, näherte sich ihr von der Seite ein Mann um die fünfzig in einem grünen Overall.
Leise fragte er: „Sind Sie von der Kripo?“
Julia nickte verwundert.
„Kann ich ein Stück bei Ihnen mitfahren?“
„Wohin müssen Sie denn?“
„Nur ein kleines Stück.“
Der Mann schaute sich um und blickte zum Eingang des Hauses, während Julia mit der Fernbedienung die Autotüren öffnete: „Steigen Sie ein.“
Kaum war sie losgefahren und hatte sich ein wenig vom Kirchrath’schen Gebäude entfernt, sagte der Mann: „Sie haben vermutlich mit dem Chef gesprochen. Und da Sie von der Kripo sind, geht es um ein Delikt …“
Julia nickte: „Ja.“
„Glauben Sie Frank Kirchrath kein Wort. Er ist ein geborener Lügner.“
„Sprechen Sie aus Erfahrung?“
„Natürlich, sonst würde ich es nicht sagen.“
„Haben Sie Schwierigkeiten mit Herrn Kirchrath?“, fragte Julia.
„Immer mal wieder. Aber nicht nur ich.“
„Wie war denn sein Verhältnis zu seinem ehemaligen Kellermeister?“, ergriff Julia die Gelegenheit beim Schopf.
„Zu Konrad Neumann?“
„Eben zu dem.“
„Schlecht, Konrad wäre gern länger geblieben“, erwiderte der Mann, „er hätte gern weiter gearbeitet. Die Arbeit hält mich jung und gesund, sagte er mir einmal. Aber Kirchrath wollte das nicht.“
„Warum? Er war doch ein patenter Kellermeister.“
„Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Ist irgendetwas mit Konrad passiert?“
Julia warf von der Seite einen prüfenden Blick auf ihren Mitfahrer, dann sagte sie: „Herr Neumann ist tot.“
„Tot? Sie wollen doch nicht sagen, dass er umgebracht wurde?“
„Doch, das will ich sagen.“
Der Mann schien es auf einmal eilig zu haben: „Lassen Sie mich hier raus. Ich muss aussteigen.“
Julia hielt an: „Sagen Sie mir Ihren Namen. Ich komme möglicherweise auf Sie zurück.“
Bereits mit einem Bein im Freien teilte ihr der Unbekannte mit: „Hartung, Bernd Hartung.“
Und schon war er spurlos nach hinten verschwunden, es ging so schnell, dass sich Julia beim Weiterfahren fragte, ob dieser Hartung eben noch wirklich neben ihr im Auto gesessen hatte.
Julia konnte nicht wissen, dass Vlassis kleine grauen Zellen mittlerweile nicht nur in Trab gekommen waren, sondern gewissermaßen galoppierten. Den Anruf im Büro, den er entgegengenommen hatte, als Julia auf dem Handy ihrem Vater zuhörte, bevor sie aus dem Zimmer eilte, war elektrisierend für ihn. Denn da hatte sich eine weibliche Stimme gemeldet und nach dem Toten gefragt.
„Am Telefon kann ich Ihnen keinerlei Auskünfte geben“, teilte Vlassi mit dienstlichem Organ mit.
„Ich muss wissen, was mit ihm passiert ist!“, schallte es ihm entgegen.
„Zunächst einmal: Wer sind Sie, und was haben Sie mit Konrad Neumann zu schaffen?“
Vlassi vermutete, dass es die Ehefrau des Toten sei, aber er musste sich überzeugen.
„Mein Name ist Sabine Gärtner …“, hörte er.
„Gärtner? Sie sind also nicht mit Herrn Neumann verheiratet?“
„Nein, das nicht. Muss man denn immer verheiratet sein?“
„Das nicht gerade“, erwiderte Vlassi und dachte dabei an seine Freundin Carola, die schon lange auf seinen Heiratsantrag wartete.
„Das nicht gerade“, wiederholte er, „aber es macht die Sache übersichtlicher.“
„Ich versuche ja gerade, Übersicht zu gewinnen“, teilte ihm die Frau am anderen Ende mit.
„Sie brauchen Übersicht?“, fragte Vlassi, „es ist genau umgekehrt: Wir brauchen Übersicht!“
„Dann will ich für Ihre Übersicht was tun. Ich bin die Freundin von Konrad.“