Der Trakt / Das Wesen / Das Skript - Drei Strobel-Thriller in einem Band - Arno Strobel - E-Book

Der Trakt / Das Wesen / Das Skript - Drei Strobel-Thriller in einem Band E-Book

Arno Strobel

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Beschreibung

Drei Thriller von SPIEGEL-Bestsellerautor Arno Strobel in einem Band Der Trakt: Stell Dir vor, dein Mann sagt, er hat dich noch nie gesehen, und die Leute sagen, du hast nie ein Kind gehabt. Wem kannst du trauen, wenn niemand dir glaubt? Das Wesen: Ein kleines Mädchen stirbt, und der Hauptverdächtige wandert in den Knast - unschuldig? 15 Jahre später: Wieder verschwindet ein Kind, und der Albtraum beginnt von vorn - für die Ermittler und den Täter von damals. Das Skript: Eine junge Frau wird entführt, und der Täter schneidet Stücke aus ihrer Haut, um darauf eine Geschichte zu schreiben. Brutal raffiniert erzählt Arno Strobel eine furchterregende Geschichte mit doppeltem Boden.

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Seitenzahl: 1209

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Arno Strobel

Das Böse unter uns

Die Bestseller »Der Trakt«, »Das Wesen« und »Das Skript« in einem E-Book

 

 

Über dieses Buch

 

 

Nur für kurze Zeit: Dreimal Top-Spannung von SPIEGEL-Bestsellerautor Arno Strobel in einem Band

 

Der Trakt:

Stell Dir vor, dein Mann sagt, er hat dich noch nie gesehen, und die Leute sagen, du hast nie ein Kind gehabt. Wem kannst du trauen, wenn niemand dir glaubt?

 

Das Wesen:

Ein kleines Mädchen stirbt, und der Hauptverdächtige wandert in den Knast – unschuldig? 15 Jahre später: Wieder verschwindet ein Kind, und der Albtraum beginnt von vorn – für die Ermittler und den Täter von damals.

 

Das Skript:

Eine junge Frau wird entführt, und der Täter schneidet Stücke aus ihrer Haut, um darauf eine Geschichte zu schreiben. Brutal raffiniert erzählt Arno Strobel eine furchterregende Geschichte mit doppeltem Boden.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Arno Strobel, 1962 in Saarlouis geboren, gehört zu den erfolgreichsten deutschen Thrillerautoren. Alle seine Romane sind Bestseller. Bevor er sich ganz auf das Schreiben konzentrierte, arbeitete er lange bei einer großen deutschen Bank in Luxemburg. Arno Strobel lebt mit seiner Familie in der Nähe von Trier.

 

Arno Strobel bei FISCHER:

»Der Trakt«, »Das Wesen«, »Das Skript«, »Der Sarg«, »Das Rachespiel«,» Das Dorf«, »Die Flut«, »Im Kopf des Mörders – Tiefe Narbe«

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de und www.arnostrobel.de

Inhalt

Buch 1 - Der Trakt

[Widmung]

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

Danksagung

Buch 2 - Das Wesen

[Widmung]

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

37. Kapitel

38. Kapitel

39. Kapitel

40. Kapitel

41. Kapitel

42. Kapitel

43. Kapitel

44. Kapitel

45. Kapitel

46. Kapitel

47. Kapitel

48. Kapitel

49. Kapitel

50. Kapitel

51. Kapitel

52. Kapitel

53. Kapitel

54. Kapitel

55. Kapitel

56. Kapitel

57. Kapitel

58. Kapitel

59. Kapitel

60. Kapitel

61. Kapitel

62. Kapitel

63. Kapitel

64. Kapitel

65. Kapitel

Danksagung

Buch 3 - Das Skript

[Widmung]

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

I

4. Kapitel

II

5. Kapitel

6. Kapitel

III

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

IV

10. Kapitel

11. Kapitel

V

12. Kapitel

13. Kapitel

VI

14. Kapitel

VII

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

VIII

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

IX

23. Kapitel

24. Kapitel

X

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

XI

28. Kapitel

XII

29. Kapitel

XIII

30. Kapitel

31. Kapitel

XIV

32. Kapitel

33. Kapitel

XV

34. Kapitel

35. Kapitel

36. Kapitel

XVI

37. Kapitel

XVII

38/XVIII

39. Kapitel

Danksagung

Für Heike

1

Als Sibylle sah, wie ihr Junge auf den Beifahrersitz des fremden Autos gezogen wurde, erstarrte sie. Einen Moment lang dachte sie, ihr Herz würde aufhören zu schlagen. Sie hörte noch den erstickten Schrei, den Lukas ausstieß, bevor ein tätowierter Arm aus dem Inneren des Wagens auftauchte und die Tür mit einem Ruck zuzog. Sibylle registrierte, dass die blaue Tätowierung über den gesamten Unterarm bis auf den Handrücken reichte. Als der Wagen Sekunden später mit quietschenden Reifen davonschoss, fiel die Starre endlich von ihr ab, und schreiend rannte sie los.

Das Heck des Wagens wurde schnell kleiner. Ihre Lunge brannte, sie sog japsend die Luft ein und hatte doch das Gefühl, den Sauerstoff nicht schnell genug in den Brustraum pumpen zu können. Das Bild der Straße vor ihr bekam unscharfe Schlieren und verschwamm schließlich zu einem konturlosen Durcheinander. Mit einer schnellen Bewegung wischte sie sich mit dem Unterarm über die Augen und konzentrierte sich ganz auf den stampfenden Rhythmus ihrer Beine. Sekunden später war das Fahrzeug hinter einer Straßenbiegung verschwunden, und mit ihm ihr Kind.

»Lukas …« Sibylle blieb stehen. Sie spürte ein unangenehmes Ziehen an verschiedenen Stellen des Kopfes und der Brust. Das Brennen in ihren Lungen hatte aufgehört, und auch der Schmerz in den Beinen war verschwunden.

Alles war mit einem Mal seltsam irreal. Ihre Wahrnehmung wurde wie an einem langen, bis zum Äußersten gedehnten Gummiband weggerissen von der fürchterlichen Szene und trudelte für einen kurzen Moment durch die Halbwelt zwischen Traum und Wirklichkeit.

Irritiert öffnete Sibylle die Augen und schüttelte den Kopf, um ihre erstarrten Gedanken wieder in Gang zu setzen. Sie lag in einem abgedunkelten Raum, der von einem grünen Lichtschimmer durchzogen wurde.

Ein Traum. Sie hatte nur geträumt, aber die Erleichterung darüber stellte sich nur zögernd ein, denn das dumpfe Gefühl der Angst hatte sie noch immer nicht ganz aus seinem brutalen Griff entlassen. Und sie wusste nicht, wo sie sich befand.

Sie drehte den Kopf zur Seite, ihr Blick fiel auf zwei Monitore, die neben dem Krankenhausbett, in dem sie lag, auf einem Gestell aufgebaut waren. Helle Punkte wanderten auf grünem Hintergrund nervös von links nach rechts und zogen dabei Schweife hinter sich her wie kleine Kometen. Aus jedem der Geräte wuchs seitlich ein Strang, der sich nach wenigen Zentimetern in unzählige dünne Kabel zerfaserte, die direkt neben ihrem Oberkörper unter der Bettdecke verschwanden. Sie hob den Kopf an und spürte wieder dieses Ziehen, von dem sie aufgewacht war. Vorsichtig tastete sie ihre Kopfhaut ab und stellte fest, dass einige der Kabel dort angebracht waren. Eine unsichtbare Hand legte sich um ihre Kehle und drückte zu. Das Atmen fiel ihr schwer. Sie spürte, wie eine dumpfe Panik unter der Oberfläche ihres Bewusstseins zu brodeln begann, schloss die Augen und konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen, den Strom durch ihre Lungen gedanklich zu verfolgen, zu spüren, wie der Sauerstoff ihrem Körper Ruhe und Kraft gab.

Der Druck um ihren Hals lockerte sich ein wenig. Warum bin ich im Krankenhaus? Überwachungsgeräte … Wieso … wie bin ich hierher … –? Und warum? Und … Lukas, was ist mit Lukas? Geht es ihm gut? Sie hoffte inständig, dass er zu Hause bei seinem Vater war, was immer mit ihr auch geschehen sein mochte.

Ein Unfall. Sie musste einen Unfall gehabt haben, das war die einzige Erklärung.

Vorsichtig richtete Sibylle sich auf, wobei eines der Kabel wie eine dünne, kalte Schlange unangenehm über die nackte Haut ihres Rückens huschte, dort, wo das Krankenhaushemd auseinanderklaffte. Mit einem Gefühl des Schauderns schlug sie das weiße Laken zurück. Ihre Beine waren nackt, Verletzungen waren keine zu erkennen. Sie bewegte die Zehen und die Füße, zog die Beine an und streckte sie wieder aus. Dann hob sie das Leinenhemd an und betrachtete ihre kleinen, nackten Brüste und die Saugnäpfe darunter, an denen vier der Kabel endeten. Auch hier – keine Verletzung. Der Slip, den sie trug, war blütenweiß. Nachdem sie schließlich mit den Fingerspitzen beider Hände vorsichtig ihr Gesicht abgetastet und auch dort nichts Ungewöhnliches festgestellt hatte, ließ sie sich langsam wieder auf das Kissen sinken.

Also gut, Sibylle, nur keine Panik.Was auch immer passiert ist, du hast es offenbar ohne große Verletzungen überstanden.

Aber was … –? Dieser furchtbare Traum fiel ihr wieder ein und jagte ihr augenblicklich einen heißen Strom durch den Körper. War es am Ende gar kein Traum gewesen? War sie vor Erschöpfung zusammengebrochen, nachdem sie dem Wagen nachgerannt war, in dem dieser Kerl mit der Tätowierung ihr Kind entführt hatte?

Sie riss die Augen auf. Binnen Sekunden legte sich ein Schweißfilm auf ihre Stirn. Die Panik, die kurz zuvor schon einmal im Anmarsch gewesen war, kehrte mit Riesenschritten zurück.

Denk nach, Sibylle, du musst nachdenken. Kann das sein?

Sie musste sich zusammenreißen und sich an Einzelheiten erinnern. Aber die Bilder blieben bruchstückhaft, verwaschen. Und da war etwas anderes, das sich in ihrer Erinnerung einen Platz ganz vorne erkämpfen wollte.

Den Blick gegen die Decke gerichtet, auf die sich der grüne Schimmer der Monitore als phosphoreszierender Film gelegt hatte, versuchte sie sich darauf zu konzentrieren, was sie zuletzt getan hatte, bevor sie in diesem Zimmer aufgewacht war? Ich habe … –, sie spürte, dass die Erinnerung zum Greifen nah war, es hatte nichts mit Lukas zu tun.

Wieder schloss sie die Augen, und da endlich huschten erste Szenen an ihrem Inneren vorbei, schemenhaft noch und zu schnell, als dass sie sich an einer von ihnen festhalten konnte. Doch dann, ganz langsam, kristallisierten sich erkennbare Fragmente heraus und reihten sich zu einer Sequenz aneinander.

Es ist Abend. Ich hab mit Elke beim Griechen in Prüfening gegessen und bin zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Es ist fast Mitternacht und noch sehr warm, mindestens 20 Grad. Elke hat mir angeboten, mich mit dem Auto nach Hause zu bringen, aber ich wollte lieber zu Fuß. Sie blinzelte. Die Abkürzung … durch den kleinen Park … hohe Hecken. Das wenige Licht, vom Halbmond milchig durch die dünnen Wolken gedrückt, macht sie zu tiefschwarzen Wänden. Hinter mir knirschende Schuhe auf dem Schotterweg … ich drehe mich … –

Sibylles Atem ging schneller, während sie krampfhaft versuchte, sich weiter zu erinnern. Sie hörte sich selbst aufstöhnen und riss die Augen wieder auf.

Was war in dem Park geschehen? War sie überfallen worden? Hatte man sie vielleicht sogar … Mit einer hastigen Bewegung tauchte ihre Hand unter die Bettdecke, strich über ihren flachen Bauch nach unten, dorthin, wo sie vielleicht Schmerzen haben musste, falls …

Es fühlte sich alles unversehrt an.

Sie zog ihre Hand zurück, spürte dabei aber einen stechenden Schmerz dort, wo das Laken über den Handrücken rieb. Sie hob die Hand und betrachtete den fast kreisrunden Bluterguss mit dem kleinen, dunklen Punkt in der Mitte, wo offenbar eine Infusion nicht sauber angelegt worden war.

Sie lag also ohne erkennbare Verletzungen in einem Krankenhaus und hatte offensichtlich an einer Infusion gehangen. Kein Mensch war weit und breit, den sie hätte fragen können, nicht einmal Johannes. Überhaupt – wenn sie überfallen worden war oder einen Unfall gehabt hatte –, wieso stand Hannes nicht besorgt an ihrem Bett, für den Fall, dass sie aufwa… – Weil er sich um Lukas kümmern muss. Lukas.

Aber wo waren die Ärzte und Schwestern, die sich um sie kümmerten? Und wie spät mochte es eigentlich sein?

Die Klingel. An jedem Krankenhausbett gab es eine Klingel. Sie suchte über, hinter und neben sich nach einem Knopf oder etwas, das nach einer solchen Vorrichtung aussah. Sie fand nichts dergleichen und ließ sich in das Kissen zurücksinken.

Was war das für ein seltsames Krankenzimmer, in dem sie lag? Ohne Fenster und ohne eine Möglichkeit für den Patienten, sich bemerkbar zu machen?

Wie in einer Gruft, dachte sie und stöhnte ungewollt laut auf. Die imaginäre Hand an ihrem Hals drückte wieder zu, und dieses Mal meinte sie es ernst. Die Luft, die Sibylle in kurzen, schnellen Zügen einsog, konnte nicht mehr bis in die Lungen vordringen. Einem Impuls folgend wollte sie aufspringen und sich alles vom Körper reißen, sich von allem Ballast befreien in der Hoffnung, dann wieder durchatmen zu können. Ich muss … – Das Geräusch einer Tür, die geöffnet wurde, ließ sie erschrocken herumfahren. Auf der rechten Seite des Raumes zeichneten sich vor einer Lichtflut die dunklen Umrisse einer Gestalt ab. Es sah gespenstisch aus, wie ein Scherenschnitt, aber zumindest war sie nicht mehr alleine. Der Druck auf ihre Kehle wurde schwächer, das Gefühl des Erstickens ebbte ab.

»Sie sind wach, wie schön«, sagte eine dunkle, angenehme Männerstimme, während die schwarze Gestalt sich in Bewegung setzte. Zwei Sekunden später erkannte Sibylle mit klopfendem Herzen das schmale Gesicht eines etwa fünfzigjährigen Mannes unter einem vollen, schwarzen Haarschopf. Er lächelte sie an.

Die fast zierliche Gestalt, die nicht so recht zu der sonoren Stimme passen wollte, war in den weißen Kittel eines Arztes gehüllt, der mindestens zwei Nummern zu groß war. Die Schulternähte hingen bis über die Oberarme herab, die Enden der Ärmel waren mehrfach umgeschlagen. Aus der Tasche hing das Bruststück eines Stethoskops. Das Namensschild auf seiner Brusttasche wies ihn als Dr.E. Muhlhaus aus.

Der Mann blieb stehen und betrachtete sie interessiert, als warte er auf eine Reaktion von ihr.

»Wo … wo bin ich hier? Was ist passiert?« Sie empfand ihre eigene Stimme als dünn und brüchig.

Das Lächeln des Mannes wurde breiter. »Im Krankenhaus. Sie sind gerade aus einer tiefen Bewusstlosigkeit erwacht. Ich werde Ihnen gleich alles erklären, aber es ist wichtig, dass Sie mir zuerst ein paar Fragen beantworten.«

Sibylle schüttelte den Kopf, soweit es die Kabel zuließen. »Nein, bitte, sagen Sie mir doch, was mit mir los ist. Was ist passiert?«

Eine zartgliedrige Hand legte sich vorsichtig auf ihren Handrücken mit dem Bluterguss. »Gleich. Erst müssen Sie mir bitte meine Fragen beantworten.«

Sibylle ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken und starrte gegen die Decke.

»Also gut. Fragen Sie.«

»Können Sie mir bitte Ihren Namen sagen?«

»Sibylle Aurich.«

»Wo wohnen Sie?«

»In Prüfening.«

Muhlhaus nickte, noch immer lächelnd. »Sehen Sie mich doch bitte einmal genau an. Kennen Sie mich?«

Sie musterte ihn genau. »Nein, nicht dass ich wüsste. Was soll die Frage? Sollte ich Sie denn kennen?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, Frau Aurich, es ist sehr unwahrscheinlich, dass Sie mich kennen. Ich bin Chefarzt dieses Krankenhauses und versuche mit meinen Fragen lediglich herauszufinden, ob mit Ihnen alles in Ordnung ist. Was offensichtlich der Fall zu sein scheint.«

»Nichts ist in Ordnung«, fuhr Sibylle auf und merkte selbst, dass ihre Stimme schrill klang. »Ich bin in diesem dunklen Raum ohne Fenster aufgewacht und weiß immer noch nicht, wieso. Ich … ich bin verkabelt wie ein Messgerät, und es gibt hier nicht mal eine Klingel und … Herrgott, jetzt sagen Sie mir doch endlich, was mit mir passiert ist!« Sie konnte nichts dagegen tun, dass ihr Tränen über die Wangen liefen.

Dr.Muhlhaus nickte verständnisvoll und hob die Hand. »Frau Aurich, was ist denn das Letzte, an das Sie sich erinnern können?«

Schluchzend erzählte sie ihm von dem Abend beim Griechen und ihrem Heimweg durch den Park. Als sie am Ende ihrer Schilderung angekommen war, zeigte Muhlhaus sich zufrieden. Er zog einen Stuhl herbei, der oberhalb ihres Kopfendes gestanden hatte, und setzte sich.

»Man hat Sie in dem Park mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen und Sie ausgeraubt«, erklärte er. Als er sah, wie Sibylle zusammenzuckte, fügte er schnell hinzu: »Sie sind nicht vergewaltigt worden. Aber der Schlag auf den Kopf war so stark, dass Sie lange Zeit nicht bei Besinnung waren, Sie ha… –«

»Wie lange?«, unterbrach sie ihn.

Er betrachtete seine manikürten Fingernägel, bevor er sie wieder ansah. »Sehr lange, Frau Aurich. Knappe zwei Monate.«

Sein Blick hatte sich verändert, während er das sagte, er schaute jetzt kritisch, taxierend wie ein Forscher, der die Reaktion eines Versuchstieres auf eine Injektion beobachtet.

Sibylle hatte das Gefühl, als ob das Krankenhausbett mit ihr darin zu schaukeln beginne. Sie legte sich die Hand auf den Mund und flüsterte gegen die Handfläche: »Zwei Monate? Oh mein Gott.«

Dr.Muhlhaus saß stumm und nahezu bewegungslos neben ihr, während Sibylle versuchte zu verstehen. Acht Wochen lang sollte sie nicht bei Bewusstsein gewesen sein? Was konnte in acht Wochen alles geschehen? Was ist mit … – »Wo ist mein Sohn? Ist er bei meinem Mann? Geht es ihm gut? Und Johannes auch?«

Der Gesichtsausdruck des Arztes veränderte sich schlagartig, und eine Faust bohrte sich in Sibylles Magen.

»Was ist mit Ihnen? Warum sehen Sie mich so seltsam an? Ist was mit Lukas?«

Dr.Muhlhaus steckte die Hände in die Taschen des geöffneten Arztkittels, der zu beiden Seiten des Stuhls bis fast auf den Boden herabhing, und legte den Kopf ein wenig schräg. »Erzählen Sie mir von dem Jungen«, forderte er sie in einem Tonfall auf, der Sibylle überhaupt nicht gefallen wollte.

So sprach ein Vater mit einem kleinen Kind, das er trösten wollte. Oder ein Psychiater mit seiner Patientin.

Mit einem Ruck setzte sie sich auf. Dabei zog sie sich einige der Kabel ab, die an ihrem Kopf mit einem Zeug befestigt gewesen waren, das sich nun in Krümeln auf der Bettdecke verteilte. Einige Haare hatte sie sich wohl auch ausgerissen, aber sie ignorierte den kurzen Schmerz ebenso wie den überraschten Blick des Arztes.

»Warum beantworten Sie meine Frage nicht? Was ist mit meinem Jungen?«

Muhlhaus schien abzuwägen, wie viel er ihr sagen konnte, während ihr Herz das Blut wie verrückt durch ihren Körper jagte. Endlich sagte er mit der gleichen Psychiaterstimme: »Frau Aurich, Sie müssen Geduld haben. Der Schlag auf den Kopf und die lange Zeit, die Sie im Koma gelegen haben … Es kann möglicherweise noch öfter passieren, dass Sie durcheinander sind. Aber mit der Zeit … –«

»Was reden Sie da, verdammt, und warum beantworten Sie keine einzige meiner Fragen?«, unterbrach sie ihn und befürchtete im gleichen Moment, er würde ihr gar nichts mehr sagen, wenn sie noch wütender wurde. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und legte die Hände zusammen, als wolle sie beten. Leise sagte sie: »Bitte. Bitte, sagen Sie mir jetzt, ob es meinem Sohn gutgeht.«

Muhlhaus beugte sich nach vorne und legte seine Hand auf ihre. »Frau Aurich, ich kann nicht sagen, warum … ich meine, wo diese Gedanken herkommen. Vielleicht hat der Schlag auf den Kopf sie ausgelöst, aber … Frau Aurich, Sie irren sich. Sie haben keinen Sohn.«

Sie starrte ihn an, während ihr Verstand gleichzeitig versuchte zu begreifen, was sie gerade gehört hatte, und sich dagegen zu wehren. Sekunden vergingen und verloren ihre Wertigkeit. Sie wusste nicht, wie lange sie sich stumm gegenübergesessen hatten, bis ihr Verstand ihr endlich eine akzeptable Lösung für die unbegreifliche Situation anbot.

»Herr Doktor, ich weiß nicht, woher Sie Ihre Informationen über mich haben, aber offensichtlich sind sie unvollständig. Mein Sohn heißt Lukas und ist sechs Jahre alt. Das heißt, wenn ich tatsächlich so lange im Koma gelegen habe, wie Sie sagen, ist er mittlerweile sogar schon sieben. Er wurde am 19. August 2001 in …« – sie stockte einen Moment, bevor sie weitersprach, alles fühlte sich so seltsam an, »… in München geboren, Klinikum rechts der Isar. Dr.Blesius hieß der Gynäkologe. Wir haben damals in Bogenhausen zur Miete gewohnt.« Als sie ihre ehemalige Wohnung erwähnte, beschlich sie ein sonderbares Gefühl. Fast so, als hätte sie etwas gesagt, das sie gar nicht hatte sagen wollen. Sie schüttelte den Kopf, als könne sie diesen seltsamen Gedanken damit vertreiben, und sah zu dem Arzt auf, der noch immer stumm neben dem Bett saß. Was hab ich … –? WO haben wir gewohnt? Sie konnte sich nicht erinnern. Der Schlag auf den Kopf … Aber es war auch egal.

»Reicht das, Dr.Muhlhaus, oder möchten Sie noch mehr hören? Denken Sie, ich hätte mir das alles in diesem Moment aus den Fingern gesogen?«

Muhlhaus wiegte den Kopf hin und her und zeigte mit einem missglückten Lächeln eine Reihe gepflegter Zähne. »Nein, nein, Frau Aurich, ich bin sicher, dass Sie das, was Sie mir gerade erzählt haben, für real halten. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass es das Resultat des Schlages ist, durch den Ihr Gehirn in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Wissen Sie«, er räusperte sich, »das menschliche Gehirn ist zu ganz unfassbaren Leistungen fähig. Aber ebenso unfassbar sind die Streiche, die es uns spielen kann, wenn es durcheinandergerät. Und je eher Sie das akzeptieren, umso größer sind die Chancen, dass Sie schnell wieder ganz gesund werden. Sie sollten auf keinen Fall … –«

Wortlos schlug Sibylle das Laken zurück und hob das dünne Hemdchen hoch. Dass sie dabei ihre Brüste vor dem Arzt entblößte, kümmerte sie nicht. Mit schnellen Griffen riss sie sich sämtliche Kabel vom Körper. Die Saugnäpfe hinterließen rote Flecken auf ihrer Haut. Dr.Muhlhaus reagierte nicht, doch die hellen Punkte auf den Monitoren quittierten die Aktion mit einem wilden Tanz, der von einem eindringlichen, hohen Piepton untermalt wurde. Als Sibylle die Beine aus dem Bett schwang, ging Muhlhaus ohne jede Hast um das Bett herum und schaltete mit geübten Griffen die Geräte aus. Sofort verschwand der grünliche Schimmer, und der Raum wurde nur noch durch das Licht aus dem Korridor und von einer kleinen Wandlampe hinter dem Kopfteil des Bettes erhellt.

»Ich werde mich jetzt anziehen und dieses seltsame Krankenhaus verlassen«, erklärte Sibylle und war bemüht, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen und Entschlossenheit in ihre Stimme zu legen. »Haben Sie meinen Mann schon darüber informiert, dass ich aufgewacht bin? Oder wollen Sie mir auch einreden, dass ich nicht verheiratet bin? Und was ist mit der Polizei? Wäre es nicht normal, dass die Polizei hierherkommt, um mir Fragen zu stellen?«

»Wir … wir werden natürlich Ihren Mann darüber informieren, dass Sie wieder bei Bewusstsein sind, Frau Aurich. Und die Polizei auch – sobald ich Sie für vernehmungsfähig halte.«

»Ich fühle mich gut und möchte meinen Sohn sehen.«

Die fast provokante Ruhe, die Muhlhaus die ganze Zeit an den Tag gelegt hatte, fiel langsam von ihm ab.

»Sie brauchen vor allem eines, und das ist absolute Ruhe«, erklärte er in nun deutlich schärferem Ton. Und bevor Sibylle irgendetwas darauf entgegnen konnte, wandte er sich ab und verließ den Raum.

Ihre Augen brauchten einige Zeit, bis sie sich an das schwache Licht der kleinen Lampe gewöhnt hatten. Sie konnte kaum etwas an den Wänden erkennen, aber neben der Tür musste ein Lichtschalter sein. Entschlossen setzte sie sich in Bewegung, blieb aber nach zwei Schritten abrupt stehen. Acht Wochen Koma … Wie war es möglich, dass sie ohne Probleme aufstehen konnte, wieso konnte sie ganz normal gehen, als hätte sie sich vor wenigen Stunden erst hingelegt? Ich muss hier raus. Womöglich würden die Johannes gar nicht anrufen, und er erfuhr überhaupt nicht, dass sie aufgewacht war und es ihr gutging. Wenn er überhaupt weiß, wo ich bin.

Mit zwei großen Schritten war sie an der Tür und suchte die Wände links und rechts mit den Händen nach einem Lichtschalter ab, aber sie konnte keinen finden. Also tastete sie nach dem Türgriff, doch dort, wo sie einen Griff vermutet hatte, glitten ihre Finger nur über die schmale, längliche Vertiefung eines Zylinderschlosses. Sie ließ die Arme sinken und lehnte sich mit der Stirn gegen das kühle, glatte Material der Tür.

Eingesperrt. Seit sie in diesem Raum aufgewacht war, schien ihr Leben nur noch aus Seltsamkeiten zu bestehen. Dieser Arzt, das angeblich wochenlange Koma, dieses abgedunkelte Krankenzimmer, in dem sie eingeschlossen war …

Hatte man sie vielleicht entführt und mit Drogen außer Gefecht gesetzt, bis man sie in diesem Raum sicher untergebracht hatte? Das konnte auch eine Erklärung für den Bluterguss auf ihrem Handrücken sein. Was aber sollten dann diese Monitore, an die sie angeschlossen gewesen war? Und was sollte dieser makabre Scherz mit Lukas, den es angeblich nicht gab? Sibylle zog den Kopf zurück und starrte gegen die dunkle Fläche der grifflosen Tür.

Lukas! Sie musste sofort zu ihrem Sohn. Mit einem Mal war alle Resignation verflogen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und hämmerte gegen die Tür, so fest sie konnte, aber das dicke Holz schluckte die Schläge fast komplett. Außer einem dumpfen Dröhnen war nichts zu hören. Sie machte trotzdem weiter und schrie dazu aus Leibeskräften. Unzählige Schläge später ließ sie die schmerzenden Hände sinken, drehte sich um und lehnte sich schwer atmend mit dem Rücken gegen die Tür. Langsam ließ sie sich daran entlang nach unten gleiten, bis sie auf dem Boden saß.

»Lukas«, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. »Lukas.«

2

Sie wusste nicht, wie lange sie an die Tür gelehnt auf dem Boden gesessen hatte, als sie einen Stoß in den Rücken bekam.

Mit einem Satz war Sibylle auf, ging einige schnelle Schritte von der Tür weg und drehte sich wieder um. Dr.Muhlhaus sah erst durch einen schmalen Spalt herein, bevor er den Raum betrat und die Tür hinter sich wieder schloss.

Ein Schlüssel, dachte Sibylle. Er muss einen Schlüssel bei sich tragen.

Er konnte wohl an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass sie gereizt war, denn er hob beschwichtigend eine Hand und sagte sanft: »Frau Aurich, bitte, bleiben Sie ruhig. Ich möchte Ihnen helfen, das müssen Sie mir glauben.«

»Helfen? Sie haben mich hier eingeschlossen und lügen mich an. Soll das Ihre Hilfe sein? Geben Sie mir meine Sachen und lassen Sie mich sofort hier raus. Das ist die einzige Hilfe, die ich von Ihnen möchte.«

Er schüttelte mit ernster Miene den Kopf. »Das erlaubt Ihr Zustand leider nicht.« Als sich Sibylles Körper spannte, fügte er schnell hinzu: »Wenn Sie vernünftig sind und mit mir zusammenarbeiten, sind Sie schnell wieder hier raus, das verspreche ich Ihnen.«

»Wo ist mein Sohn? Und wo ist mein Mann?«, fragte Sibylle eindringlich, woraufhin Muhlhaus den Kopf schüttelte und in einer theatralischen Geste schnaubend ausatmete.

»Sie haben keinen Sohn, Frau Aurich. Und solange Sie das nicht einsehen, kann ich Sie wirklich unmöglich gehen lassen. Sie wären eine Gefahr für sich und Ihre Mitmenschen. Also ruhen Sie sich aus, bitte.« Mit diesen Worten wandte er sich langsam um.

Wenn er jetzt geht, ist alles aus. Denk an dein Kind!

Drei Schritte nur trennten Muhlhaus von der Tür. Sibylle sah sich verzweifelt in dem Halbdunkel um, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, nach was sie suchte.

Zwei Schritte.

Lukas …!

Noch ein Schritt. Mit dem Mut der Verzweiflung warf sie sich nach vorne und prallte mit voller Wucht gegen den Rücken des Arztes. Der schmächtige Körper wurde gegen die Tür geschleudert und fiel zu Boden. Sibylle nutzte seine Überraschung aus, wollte sich auf ihn stürzen, doch Muhlhaus lag still. Er schien bewusstlos zu sein.

Breitbeinig blieb Sibylle über ihm stehen und atmete hastig. Der rührt sich nicht mehr, ich hab – Zitternd streckte sie die andere Hand nach unten aus und legte ihm zwei Finger auf die Halsschlagader. Sein Puls war deutlich zu spüren. Erleichtert machte sie einen Schritt zur Seite, wischte sich die Tränen aus den Augen und betrachtete die grauen Konturen des reglosen Körpers. Der Schlüssel! Sie musste sich beeilen, eine solche Chance würde sie nicht wieder bekommen.

Sie musste nicht lange suchen. In der gleichen Kitteltasche, in der auch das Stethoskop steckte, das sie achtlos auf den Boden warf, fand sie einen Bund mit vier Schlüsseln. Ein kurzes Gefühl des Triumphes durchströmte sie, als sie ihn in der Hand hielt.

Sie ging um Muhlhaus herum, der so vor der Tür lag, dass sie sich nur ein kleines Stück würde öffnen lassen, weit genug, um hindurchzuschlüpfen. Auf keinen Fall wollte sie den Kerl noch einmal anfassen.

Hastig probierte sie die Schlüssel aus. Schon der zweite passte. Als die Tür nach innen aufschwang, hätte Sibylle beinahe einen Jubelschrei ausgestoßen. Vorsichtig machte sie einen Schritt nach vorne und streckte den Kopf aus der Tür. Das grelle, kalte Licht, das eine Reihe Neonröhren an der niedrigen Decke ausstrahlte, zwang sie dazu, die Augen zusammenzukneifen. Nachdem sie sie vorsichtig wieder geöffnet hatte, blickte sie in einen kahlen, etwa fünf Meter langen Flur. Das Zimmer, in dem sie eingeschlossen gewesen war, lag an der Stirnseite. An der gegenüberliegenden Seite gab es eine weitere Tür. Die grau getünchten, schmucklosen Wände dazwischen waren fenster- und türlos.

Nicht gerade der typische Krankenhausflur, dachte sie und machte einen weiteren Schritt in den Gang.

Sie fröstelte, und sie wurde sich bewusst, dass sie nichts trug als ein dünnes Hemdchen. Einen Moment lang dachte sie darüber nach, in den Raum zurückzukehren und nach ihrer Kleidung zu suchen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Wenn der Kerl aufwachte, während sie nach ihren Sachen suchte, war alles umsonst gewesen. Ein weiteres Mal würde er sich bestimmt nicht überrumpeln lassen. Sie musste schnellstmöglich verschwinden, alles andere war erst mal nebensächlich. So leise wie nur möglich zog sie die Tür hinter sich zu, damit Muhlhaus sie nicht verfolgen konnte, wenn er zu sich kam.

Das Geräusch, das ihre nackten Füße auf dem kalten Betonboden erzeugten, kam ihr so unnatürlich laut vor, dass sie die letzten Schritte auf Zehenspitzen zurücklegte.

Die Tür am Ende des Ganges hatte ebenfalls keinen Griff. Dieses Mal passte erst der letzte Schlüssel, den sie probierte.

Mit pochenden Schläfen betete sie, dass sie keinem Kollegen von diesem Dr.Muhlhaus in die Arme lief, und zog die Tür auf.

Der Raum dahinter war etwa zehn Meter lang und fast ebenso breit, wie ein großer Kellerraum. Blanke Neonröhren, ungemütliches Licht, kein Fenster. Scheinbar wahllos verteilt standen verschieden große Kisten auf dem Boden herum. Ansonsten war der Raum leer.

Sibylle atmete auf und durchquerte ihn mit schnellen Schritten. Als sie durch den Durchgang auf der gegenüberliegenden Seite trat, fand sie sich in einem düsteren, engen Treppenhaus mit unverputzten Betonwänden wieder.

Mit klopfendem Herzen setzte sie ohne Zögern ihren nackten Fuß auf die unterste Stufe.

Nach vier kurzen Treppen mit jeweils etwa zehn Stufen endete ihr Weg vor einer grauen Stahltür. Etwa zwanzig Sekunden und zwei Schlüssel später wurde sie vom Sonnenlicht geblendet, das durch die geöffnete Tür in das Treppenhaus strömte.

Die Wärme, die sich schmeichelnd um ihren Körper legte, erzeugte ein Wohlgefühl auf ihrer Haut, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht vor Glück aufzuschreien.

Vor ihr erstreckte sich ein verwilderter Garten, dessen Seiten von Bäumen und Hecken gesäumt waren. Ein Weg aus verwitterten und teils zerbrochenen Waschbetonplatten, zwischen denen Unkraut wucherte, führte bis zu einer etwa einen Meter breiten Lücke in der Hecke auf der gegenüberliegenden Seite. Sibylle drehte sich um. Die Rückseite des dreistöckigen Gebäudes bestand zum Großteil aus Fensterreihen und sah tatsächlich aus wie ein Krankenhaus. Ein Krankenhaus, in dessen Keller sie eingesperrt gewesen war.

Sie lief los, über den unebenen Plattenweg, und zuckte zweimal zusammen, weil sie auf kleine Steine getreten war.

Die Straße, die hinter dem Grundstück verlief, kam ihr nicht bekannt vor, aber sie stellte mit großer Erleichterung fest, dass die Autos, die in ihrer unmittelbaren Nähe geparkt waren, Regensburger Kennzeichen hatten.

Ein älteres Paar kam auf dem Gehweg auf sie zu. Sibylle machte zwei schnelle Schritte zurück in den Garten und stellte sich hinter die Hecke. Während sie darauf wartete, dass die beiden vorbeigingen, überlegte sie, was sie nun tun sollte. Lukas … Johannes … ich muss einfach nur nach Hause, irgendwie. Sobald sie sicher sein konnte, dass es ihrem Sohn gutging, würde sie gemeinsam mit ihrem Mann zur Polizei gehen.

Sie stockte. Bei dem Gedanken an Lukas und Johannes hatte sie wieder dieses seltsame Gefühl, fast wie ein schlechtes Gewissen, so intensiv, dass es ihr ein Ziehen im Bauch verursachte. Was zum Teufel – Zumindest in diesem Punkt schien dieser Dr.Muhlhaus recht gehabt zu haben: Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Mein Kopf … Aber warum hatte er versucht ihr einzureden, sie hätte keinen Sohn? Wollte er Lukas am Ende vor seiner verrückten Mutter schützen? War sie gefährlich und zu Recht eingesperrt?

Blödsinn. Das konnte nicht sein.

Von einer unverständlich murmelnden Männerstimme wurde Sibylle aus ihren Gedanken gerissen, als das Paar auf der anderen Seite der Hecke an ihr vorbeiging. Sie wartete noch eine Minute, dann traute sie sich wieder auf die Straße. Schnell sah sie sich nach beiden Seiten um. Niemand war zu sehen, sie konnte sich auf den Weg machen.

Obwohl sie keine Ahnung hatte, wo sie eigentlich war, musste sie den Weg bis nach Hause schaffen, ohne in ihrem Krankenhaushemdchen allzu viel Aufsehen zu erregen. Vielleicht konnte sie jemanden um Hilfe bitten oder um ein Mobiltelefon für einen Anruf zu Hause? Während sie darauf achtete, mit ihren nackten Füßen nicht auf Steine oder Scherben zu treten, warf sie immer wieder einen Blick auf jedes der Häuser und die großzügig angelegten Vorgärten. Die meisten der Gebäudefronten zeigten steinerne Verzierungen um Fenster, Türen und unter den Dächern.

Nach zwei Minuten erreichte sie eine Kreuzung und stellte zu ihrer Erleichterung fest, dass sie die breite, viel befahrene Querstraße kannte. Es war die Adolf-Schmetzer-Straße, die nach links zum Ostentor führte.

Nun wusste sie auch, dass sie tatsächlich im Keller eines Krankenhauses gewesen war. Sie war bislang nur zwei- oder dreimal daran vorbeigefahren und noch nie im Inneren des Gebäudes gewesen, aber es war ein Krankenhaus, dessen war sie sich sicher, und sie glaubte auch zu wissen, dass es eine Privatklinik war.

Bis zu ihr nach Hause waren es etwa vier Kilometer.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung waren drei Jugendliche auf sie aufmerksam geworden und stehen geblieben. Sie zeigten auf Sibylle und grölten ihr über die Straße irgendetwas Obszönes zu. Das veranlasste weitere Passanten, die fast nackte Frau anzustarren. Manche von ihnen warfen ihr nur einen verwunderten Blick zu und gingen dann schnell weiter, andere blieben stehen und gafften ungeniert. Sibylle fühlte sich so schutzlos wie noch nie zuvor. Sie machte ein paar Schritte rückwärts, bis sie mit dem Rücken gegen eine Wand stieß. Fest drückte sie sich dagegen, presste die Oberschenkel zusammen und versuchte, das kurze Hemdchen zumindest so weit herunterzuziehen, dass der Slip bedeckt war. Die Jugendlichen nahmen dies zum Anlass für erneutes Gegröle.

Panik stieg in Sibylle auf. Sie würde es niemals bis nach Hause schaffen. Sie kam ja keine fünfhundert Meter weit, ohne einen Menschenauflauf zu verursachen.

Sibylle schrak heftig zusammen, als direkt vor ihr ein rotes Auto anhielt und hupte. Einem ersten Impuls folgend wollte sie weglaufen, aber was hätte das genützt? Als das Fenster auf der Beifahrerseite nach unten glitt, zögerte sie noch einen Moment, ging dann aber mit kleinen Schritten auf den Wagen zu, bückte sich und sah ins Innere.

Eine korpulente Frau um die sechzig mit kurzen Haaren in dem knalligsten Rot, das Sibylle je auf einem Kopf gesehen hatte, und einer unmöglichen, grün geränderten Brille im Stil der 60er saß hinter dem Steuer und sah sie besorgt an.

»Mein Gott, Kindchen, wie läufst du denn hier rum? Du bringst dich in Schwierigkeiten.«

Sibylle brauchte nur einen Moment um zu erkennen, dass das ihre Chance war, schnell und ohne großes Aufsehen nach Hause zu kommen. Ihre Gedanken rasten.

»Ja, ich weiß«, antwortete sie. »Ich hab … mich mit meinem Mann gestritten und bin so, wie ich war, einfach weggelaufen. Ich bin nur gerannt und gerannt, und jetzt –«

»Und jetzt bist du offensichtlich zu einer Attraktion geworden«, antwortete die Frau mit einem Seitenblick zu den grölenden Jugendlichen. »Los, steig ein!« Sie beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete die Tür von innen, wobei ihr gewaltiger Busen sich gegen den Schalthebel presste.

Sibylle zögerte nur einen Moment, ehe sie einstieg und die Tür zuschlug. Sekunden später fuhr der Wagen zügig an, und es kümmerte die Frau hinter dem Steuer offenbar wenig, dass der Fahrer eines von hinten ankommenden Wagens scharf bremsen musste und dafür wild auf seiner Hupe herumhämmerte.

Sibylle wischte sich den Schweiß von der Stirn und schloss die Augen. Sofort sah sie das Bild eines blonden Jungen vor sich. Er lächelte sie an und zeigte dabei die süßeste Zahnlücke, die man sich vorstellen konnte.

3

Er sah dem Auto nach, in das sie gerade eingestiegen war und das beim Losfahren fast einen Unfall verursacht hatte. Als er es zwischen den anderen Fahrzeugen nicht mehr erkennen konnte, zog er das Telefon aus der Tasche und drückte die Wahlwiederholung.

Sein Gesprächspartner musste mit dem Hörer in der Hand auf den Anruf gewartet haben, denn er meldete sich nach dem ersten Klingeln.

»Ich bin’s«, sagte er knapp und gab in wenigen Worten seinen Bericht durch.

Als er fertig war, sagte der andere: »Gut, Hans. Dann fahr jetzt zu dem Haus.« Damit war das Gespräch beendet.

Hans klappte das Telefon zu, steckte es wieder in die Tasche seiner Jeans und ging los.

Sein Wagen stand auf dem Parkplatz vor der Klinik. Auf dem Weg zurück wäre er fast auf eine Bananenschale getreten, die jemand achtlos auf den Bürgersteig geworfen hatte. Im letzten Moment sah er sie und setzte seinen Fuß daneben. Beim Weitergehen dachte er darüber nach, was es bedeutet hätte, wenn er ausgerutscht und hingefallen wäre und sich dabei etwas gebrochen hätte. Ein Ereignis mit vielleicht weitreichenden Folgen. Für den Doktor. Für sie …

Hans dachte oft über solche Dinge nach. Das ganze Leben bestand aus Ereignissen. Aus Menschen, Tieren und Dingen, die sich in jeder Sekunde milliardenfach strahlenförmig aufeinander zubewegten. Jedes Aufeinandertreffen war ein Ereignis, und jedes einzelne war es wert, darüber nachzudenken, denn wenn nur ein einziges der Elemente aus seiner Bahn gelenkt wurde, konnte das die Welt verändern.

Wenn der Hund, der eigentlich mit einem Papierfetzen, einem verwelkten Ahornblatt, vielen Staubkörnern und vielleicht einigen Dreckklumpen auf dem Bürgersteig zusammentreffen sollte, plötzlich von einem Fußtritt auf die Straße befördert wurde, dann kam es nicht zu diesem Ereignis, sondern zu einem ganz anderen Aufeinandertreffen – vielleicht zwischen dem Hund, vielen anderen kleinen Dingen und einem Auto, auf dessen Beifahrersitz ein Junge saß, der eigentlich vierzig Jahre später einmal ein guter Bundeskanzler werden sollte. Der das aber nicht mehr werden konnte, weil der Fahrer des Autos bei dem Versuch, dem Hund auszuweichen, frontal auf ein entgegenkommendes Auto prallte.

Vierzig Jahre später würde dadurch vielleicht jemand zum Bundeskanzler gewählt, bei dem der Wahnsinn knapp unter der dünnen Decke der Genialität nur darauf wartete, auszubrechen und großes Unheil in der ganzen Welt anzurichten. Alles nur, weil sich das Element Hund aus einem kleinen Ereignis verändert hatte.

Hans dachte über diese Dinge nach, weil es öfter vorkam, dass er die Ereignisse veränderte, indem er eines oder mehrere ihrer Elemente beeinflusste. Nicht etwa, dass er Hunde mit Fußtritten auf die Straße beförderte. Das würde ihm im Traum nicht einfallen, denn er war sehr tierlieb. Es waren eher menschliche Elemente, die er aus einer durchaus möglichen Abfolge von Ereignissen vorab entfernte.

Er hatte seinen Wagen erreicht. Als er hinter dem Steuer saß, hielt er einen Moment inne und fragte sich, wann er auf sie entscheidenden Einfluss würde nehmen müssen. Sie war das Element, das der Doktor ›Jane Doe‹ nannte.

»Jane«, murmelte Hans und dachte an den Trakt.

4

»Sag mir, wo du wohnst, Kindchen. Ich bringe dich nach Hause. Du wirst dich mit deinem Prinzen wieder vertragen.«

Sibylle öffnete die Augen und sah zu der Frau herüber.

Trotz der sehr gewöhnungsbedürftigen Haarfarbe und der unmöglichen Brille war sie ihr sympathisch.

Sibylle erklärte, wo sie wohnte, und die Frau nickte: »Kenn ich. Ich heiße übrigens Rosemarie Wengler«, sagte sie und sah dabei so lange grinsend zu ihr herüber, dass sie ihrem Vordermann aufgefahren wäre, hätte Sibylle nicht aus den Augenwinkeln den schnell näher kommenden Schatten bemerkt und »Vorsicht!« gerufen.

Mit einer Vollbremsung kamen sie nur wenige Zentimeter hinter dem blauen Golf zum Stehen, und Rosemarie redete weiter, als sei nichts geschehen.

»Meine Liebhaber dürfen aber Rosie zu mir sagen.« Sibylle sah zu ihr herüber. »Und du natürlich auch.«

Obwohl Sibylle sich schrecklich fühlte und die Sorge um ihren Jungen ihr fast den Verstand raubte, musste sie lächeln.

»Ich heiße Sibylle«, sagte sie. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir geholfen haben.«

Rosie winkte ab. »Ach, papperlapapp. Wir jungen Mädels müssen doch zusammenhalten, oder?« Nach einem kurzen Seitenblick lachte sie und sagte: »War ein Scherz.«

Während der restlichen Fahrt redete Rosie fast pausenlos, und obwohl Sibylle die meiste Zeit nur mit einem Ohr zuhörte, erfuhr sie Einzelheiten über Rosies Liebhaber, Hitzewallungen nach den Wechseljahren und eine Boutique in der Regensburger Altstadt, in der es tolle Kleider für kräftige Mädchen gab, wie sie es ausdrückte. Dabei stellte sie Sibylle keine einzige Frage zu ihrer Person, worüber sie sehr erleichtert war.

Schließlich hielten sie vor dem schmucken, weißen Einfamilienhaus, das Johannes und sie zwei Jahre zuvor von einem Paar gekauft hatten, das die Raten nicht mehr zahlen konnte, nachdem der junge Mann seinen Job verloren hatte.

Sibylle betrachtete die Fassade durch die Seitenscheibe und spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Johannes. Lukas. Sie hoffte, dass die beiden zu Hause waren. Das Geräusch von Papier, das zerrissen wurde, ließ sie herumfahren.

»Hier!« Rosie hielt ihr einen kleinen Zettel entgegen, den sie offenbar aus dem Notizblock gerissen hatte, der auf ihrem Schoß lag. »Meine Telefonnummer. Wenn er dich ärgert und du wieder einmal das Bedürfnis hast, halbnackt einen Ausflug zu machen, ruf mich an. Ich ziehe mich dann auch aus, und wir machen zusammen eine Sause.«

Sibylle nahm den Zettel. »Sie haben –«

»Du.«

»Ich danke dir, Rosie.«

Sie öffnete die Tür und wollte schon aussteigen, als Rosie sagte: »Warte!« Umständlich und unter lautem Ächzen griff sie hinter sich, zog einen dunklen Mantel in Fischgrätmuster vom Rücksitz und hielt ihn Sibylle hin. »Den habe ich immer im Auto liegen. Für alle Fälle. Ist zwar nicht ganz passend für die Jahreszeit, aber besser als das da.« Sie deutete auf das Krankenhaushemd. Als Sibylle ihr den Mantel abnahm, fragte Rosie: »Welche Schuhgröße hast du?«

»38, warum?«

Statt einer Antwort beugte sie sich nach vorne, kramte etwas im Fußraum herum und hielt ihr gleich danach ihre Schuhe hin. Es waren flache, türkisfarbene Mokassins, die bequem aussahen. »Hier, die sind zwar Größe 40, aber das sollte gehen. Besser zu groß als zu klein.« Sibylle zögerte. Rosie drückte die Schuhe auf den Mantel. »Nun nimm schon. Ich kann auch barfuß fahren. Und jetzt geh zu deinem Mann.«

Sibylle nahm Rosies Hand und hielt sie für einen Moment fest. Dann stieg sie aus, bückte sich und zog die Schuhe an die nackten Füße.

Den Mantel knöpfte sie trotz der sommerlichen Temperaturen zu. Er war ihr mindestens drei Nummern zu groß und hing schwer auf ihren Schultern.

Das Geräusch des wegfahrenden Wagens hinter ihr registrierte sie nur nebenbei, weil in dem Augenblick dieses seltsame Gefühl wieder seine Klauen nach ihr ausstreckte. Diese Ahnung, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Selbst ihr Haus kam ihr mit einem Mal nicht mehr vertraut vor. Es war, als betrachte sie nicht das gewohnte Heim, in dem Lukas, Johannes und sie schon so viele glückliche Stunden erlebt hatten, sondern eine Kopie, die zwar ähnlich aussah, aber voller kleiner Fehler war und mit ihr und ihrer Familie nichts zu tun hatte.

Was ist nur mit dir los, Sibylle Aurich? Die Angst, dass sie tatsächlich den Verstand verlor oder schon verloren hatte, war so real, dass sie hätte schreien können.

Von einer Sekunde zur nächsten hatte sie das Gefühl, nicht mehr stehen bleiben zu können. Sie gab sich einen Ruck und ging auf die Haustür zu.

Im Garten, den man durch einen schmalen Weg an der rechten Seite des Hauses vorbei erreichen konnte, lag unter einem Blumentopf ein Ersatzschlüssel, aber sie hielt es für besser, zu klingeln. Wenn sie auch sicher wusste, dass sie keine zwei Monate im Koma gelegen hatte, so hatte sie doch kein Gefühl dafür, wie lange sie nicht bei ihrer Familie gewesen war. Sie wollte Lukas oder Johannes nicht zu Tode erschrecken, wenn sie plötzlich im Wohnzimmer stand.

Zaghaft, als könne sie etwas damit zerstören, drückte Sibylle auf den Klingelknopf neben der Tür. Der gewohnte Gong ertönte, und ihr Herz schlug so heftig, dass sie glaubte, das Blut in den Ohren rauschen zu hören.

Bitte, Gott, bitte, lass sie zu Hause sein.

Als aus dem Haus Schritte zu hören waren, bekam sie vor Aufregung feuchte Augen. Die Tür öffnete sich, und Johannes stand vor ihr. Ohne eine Reaktion von ihm abzuwarten, rief sie »Hannes«, und fiel ihm um den Hals. Sie wollte ihn drücken, ihn küssen, seine Nähe in sich aufnehmen … – doch statt sich zu freuen, statt sie in den Arm zu nehmen und an sich zu drücken, stieß er sie mit solcher Wucht von sich weg, dass sie fast hingefallen wäre.

»Sind Sie verrückt?«, schrie er sie an. »Wer zum Teufel sind Sie und was wollen Sie von mir?«

Sibylle stand da wie gelähmt. Sie konnte nichts tun und nichts sagen. In ihrem Kopf war mit einem Schlag ein Vakuum entstanden, in dem die Wörter implodierten, bevor die Gedanken fertig gedacht waren. Schwindel ließ ihr Bild von Johannes hin und her schaukeln, der in einer überflüssigen Geste seinen Pullover glattzog. Es war der rote mit dem V-Ausschnitt, den sie ihm letztes Jahr zum 38. Geburtstag geschenkt hatte.

Er betrachtete sie wie eine Außerirdische, ließ dabei den Blick über den zu weiten Mantel zu den türkisfarbenen Schuhen und wieder zurück zu ihrem Gesicht wandern.

»Sind Sie von einer dieser Sekten oder so?«, fragte er. Sibylle starrte ihn an, noch immer nicht fähig, sich zu bewegen. »Sorry, aber da sind –«

»Hannes!«, stieß Sibylle hervor. Ihre Stimme klang so heiser, dass sie ihr selbst fremd vorkam. »Aber … Hannes, was … Ich bin es doch, Sibylle.«

Er zog die Brauen hoch, so dass sich auf seiner Stirn tiefe Falten zeigten. »Sibylle? Welche Sibylle? Und wieso nennen Sie mich Hannes?«

Mit einem Mal fielen die Lähmung und das Entsetzen von ihr ab. Dafür stieg mit der Wucht eines Vulkans die blanke Wut in ihr hoch.

»Mensch, Hannes! Jetzt hab ich aber endgültig genug von diesem Blödsinn!«, schrie sie den Mann an, mit dem sie verheiratet war und der plötzlich so tat, als hätte er sie noch nie gesehen. »Sind denn plötzlich alle total übergeschnappt? Schau mich an, Johannes Aurich. Vor dir steht deine Frau, Sibylle Aurich, geborene Fries. Mit dir verheiratet seit dem 25. Juni 1999. Gerade in einem Keller aufgewacht, wo man sie einsperren wollte. Jetzt sag mir bitte, dass du verdammt nochmal weißt, wer ich bin, und dir bloß einen schlechten Scherz erlaubt hast. Und dann lass uns endlich ins Haus gehen, mir geht’s nicht gut, und ich hab viele Fragen. Außerdem möchte ich sofort Lukas sehen. Wo ist er? Geht es ihm gut?«

Johannes sah sie mit offenem Mund an.

»Sie … Sie sind wer?« Er legte sich die Hand auf die Stirn und schüttelte immer wieder den Kopf.

Sie fing an zu weinen. Langsam ging sie einen Schritt auf ihn zu, während die Tränen nasse, kitzelnde Striche auf ihre Wangen zeichneten.

»Hannes, ich weiß nicht … du … du machst mir Angst. Große Angst. Kannst du jetzt damit aufhören, bitte? Ich weiß nicht, was genau mit mir passiert ist. Ich weiß nur noch, dass ich nach dem Abend mit Elke durch den Park gegangen bin. Und da bin ich überfallen worden. Das Nächste, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich vor zwei Stunden in einem Keller im Krankenhaus aufgewacht bin. Bitte, Hannes, ich halte das nicht mehr länger aus. Lass mich wenigstens zu Lukas.«

Nun erst schien er zu registrieren, dass sie ihm immer näher gekommen war. Er machte einen großen Schritt zurück, beugte den Oberkörper ein wenig nach vorne und stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab, als sei er erschöpft von einem Lauf. Langsam hob er dann den Kopf und sagte leise: »Wer sind Sie, und was zum Teufel treiben Sie hier für ein abartiges Spiel? Meine Frau … Sibylle wurde tatsächlich überfallen. Niemand weiß … – sie ist seitdem verschwunden.« Seine Stimme wurde noch leiser. »Das ist jetzt fast zwei Monate her.«

5

Sibylles Beine gaben nach. Nicht mit einem Schlag, sondern so, als wären ihre Knochen aus Wachs, das zu warm geworden war. Ohne etwas dagegen tun zu können ging sie wie in Zeitlupe in die Hocke und saß dann auf den sandfarbenen Pflastersteinen des Weges.

Zwei Monate. Muhlhaus hatte also tatsächlich die Wahrheit gesagt. Zumindest in diesem Punkt. Aber wie kann das sein? Und warum behauptete Hannes, sie nicht zu kennen?

»Hannes, ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber … – vielleicht hatte ich einen Unfall und sehe jetzt anders aus. Warum auch immer du mich nicht erkennst – lass mich bitte irgendwie beweisen, dass ich es bin. Kannst du mir nicht irgendwelche Fragen stellen, bitte? Hannes? Frag mich was, das nur … nur deine Frau Sibylle wissen kann. Okay?«

Als er keine Reaktion zeigte, sagte sie noch einmal: »Bitte.«

Noch immer starrte er sie an, und die Sekunden dehnten sich zu einer Ewigkeit, bis er den Kopf senkte und ein humorloses Lachen ausstieß. »Das ist doch ein schlechter Scherz.«

Als er sie aber wieder ansah, war sein Gesicht wie versteinert. »Sagen Sie mir, wo Sibylle ihr Münzalbum aufbewahrt.«

Sie lächelte erleichtert. »Münzalbum? Ich hatte nie eins, es gibt nur eins im Haus, das gehört dir und liegt in der Kommode im Schlafzimmer in der untersten Schublade.«

»An welchem Fuß habe ich ein Muttermal?«

»Links, an der Ferse. Es ist etwas größer geworden, und du hast dir schon im letzten Jahr vorgenommen, es wegmachen zu lassen. Aber du hast immer neue Ausreden gefunden, damit du nicht zum Hautarzt musstest.«

Sein Gesichtsausdruck zeigte jetzt Überraschung.

»Weiter, Hannes«, forderte sie ihn auf und dachte dabei unentwegt an Lukas. Sie musste ins Haus.

»An dem Tag, an dem Sibylle verschwunden ist, habe ich ihr morgens einen Artikel aus der Zeitung vorgelesen. Ähm, worum ging –«

»Das war kein Artikel, sondern mein Horoskop, das du mir vorgelesen hast. Du fandest es lustig, weil mir für diesen Tag die Begegnung mit meiner großen Liebe vorausgesagt wurde.«

Sibylle sah die Verblüffung in seinem Gesicht und wartete einen Moment, bevor sie fragte: »Glaubst du mir jetzt? Hannes?«

Er schien einen inneren Kampf auszutragen. Unentwegt sah er sie an, bis er schließlich mit monotoner Stimme sagte: »Kommen Sie rein.«

»Danke.« Oh, Lukas. Endlich. Lukas!

Sie betrat das Haus, zog im Flur Rosies Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe. Dabei fiel ihr auf, dass sie noch immer den Zettel mit Rosies Telefonnummer in der Hand hielt. Sie wusste nicht, warum es ihr widerstrebte, ihn aus der Hand zu geben. Kurz entschlossen schob sie den Zettel seitlich unter ihren Slip.

Als sie sich umdrehte, stand Johannes vor ihr und starrte mit großen Augen auf das dünne Hemdchen.

»Das erkläre ich dir später«, sagte sie und ging ins Wohnzimmer. »Hannes – wo ist Lukas?«

Er zögerte. »Lukas?«

Himmel, Hannes, was ist mit dir?

»Ja, Lukas, unser Sohn.«

»Ah ja, ähm … Lukas, der ist nicht hier«, erwiderte er zögernd, »er ist bei einem Freund.«

»Geht es ihm gut? Bei wem ist er? Kannst du da bitte anrufen? Ich möchte ihn sprechen.«

»Er ist … bei einem Jungen, den er erst vor ein paar Tagen kennengelernt hat. Sehr nett. Gutes Elternhaus, sehr gut.«

Sibylle konnte ein leises Stöhnen nicht unterdrücken. Sie war fassungslos darüber, wie seltsam Hannes redete, wie er sich benahm. Sie schien durch eine fremde Welt zu wandeln, in der nicht die kleinste Kleinigkeit so war, wie sie sein sollte. Sie bemühte sich, mit möglichst fester Stimme zu sprechen: »Ich mache dir einen Vorschlag. Ich gehe kurz nach oben und ziehe mir was Anständiges an, und du rufst in der Zeit bei diesem Jungen an und sagst Lukas, dass seine Mama wieder da ist. Und dann möchte ich bitte mit ihm reden.«

Als er nickte, verließ sie das Wohnzimmer. Auf der Hälfte der Treppe, die im Flur nach oben führte, musste sie stehen bleiben und sich an der Wand anlehnen, weil ein starkes Schwindelgefühl sie beherrschte. Mein Kopf … Was ist das für ein Albtraum. Sie betrachtete die wenigen Treppenstufen, die sie noch vom oberen Stockwerk trennten, und spürte das dringende Bedürfnis, in das Zimmer ihres Sohnes zu gehen und dort irgendetwas in die Hand zu nehmen, das ihm gehörte, das nach ihm roch.

Entschlossen stieg sie nach oben, doch als sie in dem kleinen Flur der ersten Etage stand, zögerte sie. Was will ich – wo … Sie fühlte sich plötzlich, als hätte sie zu viel Alkohol getrunken, so viel, dass Dinge, die in einem Moment noch furchtbar wichtig erschienen waren, schon im nächsten Augenblick so nebensächlich wurden, dass man sie vergaß.

Sibylle vergaß, in das Zimmer ihres Sohnes zu gehen, sie wandte sich ab und ging in ihr Schlafzimmer.

Vor der verspiegelten Tür des breiten Schrankes sah sie sich zum ersten Mal, seit sie wieder im Leben angekommen war, und fand die Frau, die ihr von dort entgegensah, befremdlich. Nicht, dass sie sich nicht erkannt hätte, ihr Gesicht war vertraut, aber es wirkte wie das einer engen Freundin oder einer Schwester auf sie. Die schulterlangen, zart gelockten, blonden Haare gehörten zweifelsohne genauso zu ihr wie die Sommersprossen um die Nase. In dem Spiegel wirkte sie größer als 1,70 m, aber das lag wahrscheinlich daran, dass die Tür etwas geneigt war. Das dort im Spiegel war eindeutig sie, und für ihre 34 Jahre sah sie auch noch recht gut aus aber … irgendwie auch seltsam. So seltsam wie alles im Moment.

Sie öffnete die Schranktür, zog Jeans und ein weißes T-Shirt an und musste dabei feststellen, dass sie in den letzten beiden Monaten wohl einige Kilos verloren hatte. Die Hose war mindestens eine Nummer zu groß und hing ihr schlaff am Körper. Aber sie war auch ein Stück zu kurz. Johannes musste sie in der Zwischenzeit gewaschen und das falsche Waschprogramm gewählt haben. Egal. Endlich nicht mehr halbnackt durch die Gegend hetzen wie eine Psychiatriepatientin. Sie zog noch eine dünne Baumwolljacke über und schlüpfte wieder in Rosies Mokassins, die sehr bequem waren.

Beim Hinausgehen fiel ihr Blick auf ein Foto, das auf dem Nachttisch auf Hannes’ Bettseite stand, und sie stockte. Sie kannte die Aufnahme. Während unserer Hochzeitsreise, auf Kreta. Hannes hatte die Kamera einem jungen, sehr gutaussehenden Griechen in die Hand gedrückt und ihn gebeten, ein Foto von ihnen zu machen.

Mit einem zärtlichen Lächeln ging sie auf den Nachttisch zu, nahm den Holzrahmen in die Hand und betrachtete die Fotografie. Fast im gleichen Moment fiel sie ihr aus den mit einem Mal kraftlos gewordenen Fingern und blieb mit der Vorderseite nach oben auf dem Teppichboden liegen.

Sibylle stand da, starrte auf das Foto und horchte in sich hinein. Sie suchte nach Anzeichen dafür, dass ihre Psyche der Situation nicht mehr gewachsen war und sich ein Nervenzusammenbruch ankündigte.

Langsam ging sie in die Hocke und betrachtete die dargestellte Szene genau. Die Umgebung stimmte, und auch Hannes sah so aus wie jetzt, nur eben ein wenig jünger. Aber die Frau, die er im Arm hielt – das war nicht sie. Diese Frau war zwar ebenfalls blond, aber es war ganz eindeutig jemand anderes. Sibylle hatte das deutliche Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben, aber sie wusste weder ihren Namen noch konnte sie einordnen, wo oder wann sie ihr begegnet war. Wie kommt diese Frau auf ein Bild von unserer Hochzeitsreise? Mit Johannes, meinem Mann.

Sie richtete sich ein Stück auf und setzte sich auf die Bettkante.

Also gut, fassen wir zusammen: Mir fehlen die letzten beiden Monate meines Lebens. Ich war im Keller eines Krankenhauses eingeschlossen und habe dort einen Arzt niedergeschlagen. Ich bin halbnackt durch die Straßen von Regensburg gelaufen und habe mich von einer netten, aber verrückten älteren Dame nach Hause bringen lassen, um hier von meinem Mann zu erfahren, dass er nicht mein Mann ist und ich gar nicht ich bin. Ich kann ihn überzeugen, mich zumindest anzuhören, um dann in meinem Schlafzimmer ein Foto zu finden, das meinen Mann bei unserer Hochzeitsreise zeigt. Mit einer anderen Frau an der Stelle, an der ich gestanden habe.

Die Schlafzimmerwand, auf die sie den Blick gerichtet hatte, wurde undeutlich durch die Tränen, die ihr in die Augen stiegen. Sibylle erhob sich und verließ das Zimmer wie eine Schlafwandlerin. Das trocken knackende Geräusch, als sie mit einem Fuß auf den Fotorahmen trat, nahm sie kaum wahr.

Als sie das Wohnzimmer betrat, saß Johannes in ihrem Fernsehsessel. Sie bemerkte, dass er zusammenzuckte, was daran liegen mochte, dass sie mit der zu weiten und zu kurzen Hose ein wenig seltsam aussah.

»Hast du schon angerufen?«, wollte sie wissen. Ich frage ihn nicht nach dem Foto. Besser nicht.

»Ja«, antwortete er viel zu schnell. »Die Eltern des Jungen bringen ihn gleich. In ein paar Minuten wird er hier sein.« Er lächelte dabei völlig unpassend.

Sibylle setzte sich auf die Couch und sagte: »Gut. Ja, das ist gut«, obwohl es in diesem Moment rein gar nichts gab, was sie als gut hätte bezeichnen können.

Das Foto, dieses seltsame Verhalten … Das Gefühl, dass Hannes ihr etwas vorspielte, wurde immer mehr zur Gewissheit. Es würde vielleicht nötig sein, dass sie die erstbeste Gelegenheit nutzte, um mit ihrem Sohn zu verschwinden. Um alles andere konnte sie sich Gedanken machen, wenn sie und Lukas erst einmal in Sicherheit waren. Aber wohin soll ich –? Und wie? Ich hab überhaupt kein … – die alte Zuckerdose, oben im Küchenschrank! Seit über zwei Jahren schon zweigte sie jeden Monat etwas Geld ab, weil sie Johannes zu seinem 40. Geburtstag im nächsten Jahr seinen großen Traum hatte erfüllen wollen, die Fluglizenz für Ultralight-Flugzeuge. Darauf würde er nun wohl verzichten müssen.

So beiläufig wie möglich sagte sie: »Ich hol mir was zu trinken, soll ich dir was mitbringen?«

»Nein … nein, danke.«

In der Küche fiel ihr erster Blick auf die Uhr an der Wand: 12 Uhr 40. Bis gerade eben hatte sie nicht einmal gewusst, ob es Vormittag oder Nachmittag war. Sie ging zu dem Schrank neben der Spüle und öffnete ihn. Mit klopfendem Herzen schob sie einige Konserven zur Seite in der Hoffnung, dass Johannes das Versteck nicht zwischenzeitlich entdeckt hatte. Die Blechdose mit den bunten Blumen darauf stand noch an ihrem Platz ganz hinten im Regal. Sibylle zog sie heraus und öffnete sie mit nervös zuckenden Fingern. Erleichtert fiel ihr Blick auf die vielen Geldscheine. Sie griff hinein, stopfte sich das Geld in die Hosentaschen, verschloss die Dose und stellte sie wieder zurück. Sie wusste nicht genau, wie viel sie mittlerweile angespart hatte, aber es mussten etwa 1000 Euro sein. Das würde erst mal genügen.

Als sie den Kühlschrank öffnete, hörte sie Schritte im Flur und das Gemurmel gedämpfter Stimmen.

Ihr Herz machte einen Satz. Lukas, oh Gott, endlich! Sie lachte befreit auf und wollte aus der Küche stürmen, doch direkt vor der Tür prallte sie zurück. Im Flur standen zwei Männer und sahen sie mit ernsten Gesichtern an. Derjenige, der unmittelbar vor ihr stand, hatte kurzes, blondes Haar. Die deutlich hervortretenden Wangenknochen ließen sein schmales, leicht gebräuntes Gesicht sehr männlich wirken. Er mochte vielleicht Anfang dreißig sein. Den anderen schätzte sie auf Mitte vierzig. Ein dünner, von Silberfäden durchsetzter, dunkler Haarkranz verlief um seine schon recht fortgeschrittene Glatze.

»Das ist sie, das ist diese Frau«, sagte Johannes und zeigte auf sie. Seine Stimme klang hysterisch.

»Hannes!«, stieß sie aus. »Wo ist Lukas? Und wer sind –?«

»Guten Tag«, unterbrach sie der jüngere der beiden Männer. »Kriminalkommissar Martin Wittschorek. Mein Kollege hier ist Kriminaloberkommissar Oliver Grohe. Würden Sie uns bitte Ihren Namen sagen?«

»Ich heiße Sibylle Aurich, und ich wohne hier«, erklärte sie mit bemüht ruhiger Stimme. »Aber was tun Sie hier? Ist was mit meinem Jungen?«

»Wir wissen nichts von Ihrem Jungen«, erklärte Grohe. »Wir sind hier, weil Herr Aurich uns angerufen hat.«

Johannes? Warum? Aber natürlich! Ich war zwei Monate verschwunden, er musste die Polizei informieren, und natürlich wollen die mich jetzt befragen.

»Ich werde Ihnen alles sagen, was ich weiß, aber bitte, mein Sohn wird jeden Moment gebracht. Ich möchte zuerst sehen, dass es ihm gutgeht.«

Grohe zog die Stirn in Falten. »Alles, was Sie worüber wissen?«

»Na, über meine Entführung.«

Die Polizisten sahen sich erst gegenseitig an, um dann Johannes einen schwer zu deutenden Blick zuzuwerfen.

»Ich habe doch gesagt, diese Frau ist verrückt«, erklärte Johannes. »Sie weiß die unglaublichsten Dinge von uns. Sie muss mit der Sache zu tun haben. Sie hätte mich sogar fast dazu gebracht zu glauben, dass … dass meine Frau zurückgekehrt ist und aus irgendwelchen Gründen anders aussieht. Sie drückt sich auch genauso aus wie Sibylle. Die müssen sie die ganze Zeit über ausgequetscht haben, um das alles zu erfahren. Aber«, sein Gesichtsausdruck veränderte sich, »meine Frau hat sie in eine Falle tappen lassen.«