Der Umhang des Monarchen - Verena K. Bauer - E-Book

Der Umhang des Monarchen E-Book

Verena K. Bauer

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Beschreibung

Livia Matter lebt ein durchschittlich interessantes Leben in der Altersresidenz, als ein schmächtiger Junge in ihr Leben tritt, der ihr Herz im Sturm erobert. Doch mit Severin und der Geschichte, die er ihr vertrauensvoll erzählt, beginnt für die alte Dame eine aufregende Zeit, in der sie bald nicht mehr weiss, ob sie träumt oder wacht. Und dann überschlagen sich die Ereignisse… "Der Umhang des Monarchen" ist eine liebevoll erzählte Geschichte für Leser, die sehr junge und auch etwas ältere Menschen mögen. Mit Bangen hofft man, dass der kleine Junge seine Mama bald findet, um mit ihr in die Welt seines Volkes zurück kehren zu können und so manches Mal würde man am liebsten selbst eingreifen, um diesen entzückenden kleinen Burschen auf seinem Weg zu beschützen.

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Seitenzahl: 112

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Verena K. Bauer

Der Umhang des Monarchen

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Begegnung

Lana Lafaye

Livias Traum

Die zerbrochene Tasse

Hoffnung

Gerettet

Erinnerungen

Zu Besuch

Der alte Pfarrer

Der Umhang des Monarchen

Impressum neobooks

Die Begegnung

Neugierig hob die alte Dame den Kopf etwas höher, um die Vorgänge bei den Rosenbeeten besser sehen zu können. Die Altersresidenz Excelsior war für ihre Rosensammlung bekannt.

Nun stand dort draussen ein schmächtiges, etwas zerlumptes Bürschchen. Die blonden Haare waren nicht richtig gekämmt und die kurzen Hosen gaben den Blick auf den Schorf an den Knien frei.

Andächtig betrachtete das Jüngelchen die gelben Rosen. Vorsichtig streckte es die Hand aus und berührte mit dem dünnen Zeigefinger ganz leicht ein zartes Blütenblatt. Dann zog der junge Botaniker einen kleinen Notizblock und einen kurzen Bleistift aus der hinteren Hosentasche. Mit einem undefinierbaren Lächeln begann er, die Rose abzuzeichnen.

Livia lächelte. Von wegen böse Jugendliche. Das da war ein ganz besonderes Kind. Ihre eigenen Kinder wussten die Schönheit der Natur nicht zu schätzen, obschon Herbert und sie sich alle Mühe gegeben hatten, ihnen Werte zu vermitteln. Als sie gerade ins Sinnieren verfallen wollte, schoss Gruber um die Ecke auf das Bürschchen zu. Gärtner Gruber ragte bedrohlich gross über dem Fremdling auf und bezichtigte ihn lautstark der Sachbeschädigung und des Landfriedensbruchs. Das Bübchen starrte ihn zu Tode erschrocken an und wagte nicht, sich zu rühren.

Innert Kürze quoll eine Masse von betagten Residenzbewohnern mehr oder minder geschmeidig auf die Rosenanlage zu. Livia erhob sich, so schnell sie konnte und rannte krückenfuchtelnd auf den Gärtner zu. Sie verzichtete schweren Herzens darauf, dem Gruber die Krücke über seinen dummen Schädel zu ziehen und entsann sich, dass sie eine angesehene Dame war.

Mit wohl gewählten Worten machte sie Gruber und den Veteranen-Mob darauf aufmerksam, dass der Kleine nichts kaputt gemacht, sondern gezeichnet hatte. Triumphierend nahm sie dem Jungen den Notizblock aus der Hand und zeigte ihn ihrem überraschten Publikum.

„So.“ sagte sie bloss, legte dem Bürschchen den Arm um die dünnen Schultern und zog ihn mit sich. Severin schaute sie lange von der Seite an und fragte dann, nach dreimaligem Durchatmen: „Madame, sind Sie eine Königin?“

Erstaunt hielt sie inne und blickte den Buben freundlich an. Alles lag ihr ferner, als ihn für diese Frage auszulachen. Mit kindlich grossen Augen sah er zu ihr hoch. ‚Was für ein hübsches Kind er ist!’ dachte sie und es war nicht nur die offenbare Schönheit des Kindes, welche sie einen Moment lang zutiefst berührte. Ein Gefühl grosser Ehrfurcht ergriff sie. Aber so dringend sie diesem überraschenden Eindruck auch nachgehen wollte, er war so schnell erloschen, wie er aufgeblitzt war.

Die Augen des Jungen waren von einem unergründlichen dunklen Blau. Oder war es ein dunkles Grün? Livia verlor sich für unvorstellbar lange Sekunden in diesen Augen, die die Farbe zu wechseln schienen. Ein Bild tauchte für einen winzigen Augenblick vor ihr auf, aber wieder, ehe sie es erhaschen konnte, war es weg.

Sie musste den Buben auf sehr unhöfliche Weise angestarrt haben, denn er senkte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches. Bestürzt sah die alte Dame, dass eine dicke Träne wie in Zeitlupe zu Boden fiel.

„Oh, du weinst ja, Junge! Was hast du denn?“ fragte sie mitfühlend. Diese einzelne Träne, die bereits zwischen Grashalmen im Erdboden versickert sein musste, rührte sie so stark, dass sie einen Kloss im Hals verspürte.

„Ich bin nicht böse. Ich bin kein Teufelskind.“ flüsterte Severin und sie konnte seine tiefe Traurigkeit spüren.

„Natürlich bist du das nicht, wie kommst du denn auf sowas?“

„Meine Augen. Alle sagen, in meinen Augen sieht man das Böse“, fuhr der Bub leise fort.

„Was für ein Unsinn!“ rief Livia aufgebracht. „Was sind das für Menschen, die einem kleinen, hübschen Jungen solche Dinge sagen! Du hast die schönsten Augen, die ich mir vorstellen kann!“

Severin hob schüchtern den Kopf und blickte sie unsicher an. Als sie erneut diese seltsamen Augen zu sehen bekam, tauchte wieder dieses Bild auf und diesmal blieb es lange genug, um es zu erkennen. „Ein Waldteich. Ich sehe einen Waldteich. Es hat Moos und Tannen, dunkelblaues Wasser. Deine Augen sind wie ein verzauberter Waldteich so schön, kleiner Mann.“

Severin war blass geworden. Fast schien es, als wolle er wegrennen. Aber diese alte Frau schien wirklich nett zu sein und nun, als sie seine plötzliche Blässe bemerkte, sagte sie: „Komm mit, du liebes Kind, du bist sicher durstig. Wie ist denn überhaupt dein Name?“

„Severin. Und wie heissen Sie, Madame?“

„Livia Matter, so heisse ich, kleiner Severin.“

Langsam gingen sie ins Haus. Livia besorgte im Restaurant der Altersresidenz eine Flasche Limonade für Severin und zwei Kuchenstücke. Damit zogen sie sich in Livias Alterswohnung zurück. Am runden Esstisch mit der gehäkelten Tischdecke liessen sie sich nieder. Livia schenkte ein grosses Glas Limonade ein und stellte es ihm zusammen mit einem Stück Kuchen hin. Der Junge ass langsam und sah sich währenddessen um, so gut das im Sitzen ging. Livia liess ihren Blick auf ihm ruhen. Er war sehr feingliedrig, aber ausgehungert schien er nicht zu sein, so bedächtig, wie er den Kuchen ass.

Sie schrak leicht zusammen, als er erneut fragte: „Sind Sie eine Königin?“

„Ach ja, das hatte ich ja vergessen, entschuldige. Wie kommst du denn darauf?“„Weil Sie in einem Schloss wohnen.“

Jetzt musste Livia doch lächeln. „Aber nein, das ist kein Schloss, das ist eine Altersresidenz. Früher war es ein Herrenhaus, aber das ist lange her.“

„Was ist eine Altersidens?“

„Ach, das ist nichts anderes als ein Altersheim. Nur ist das hier noch teurer als die normalen Altersheime und deshalb nennen sie es Altersresidenz. Das macht mehr her für die feinen Pinkel. Oh, entschuldige, Pinkel, darf man ja nicht sagen.“

Severins Augen wurden jetzt richtig gross. Erstaunt hob er die Augenbrauen und fragte: „Ein Heim?“

„Ja. Ein Heim. Das ist so, wenn man älter wird, will einen keiner mehr haben, dann kommt man ins Heim“, erklärte Livia nachdenklich.

„Wo ist man denn dazwischen?“ hakte Severin nach und die Frage schien ihn sehr zu beschäftigen.

„Was meinst du mit dazwischen?“ Livia verstand nicht ganz, worauf der Junge hinaus wollte.

„Na, dazwischen. Wenn man klein ist, ist man im Heim und wenn man alt ist, ist man wieder im Heim. Was ist, wenn man in der Mitte ist?“

„Nein, da muss dir jemand etwas Falsches gesagt haben, Severin.“ lächelte Livia. „Wenn man klein ist, ist man bei Mama und Papa. Wenn man grösser ist, hat man selber Kinder. Dann wird man alt und dann geht's ab ins Heim.“

„Nein.“ beharrte Severin höflich. „Ich bin klein und ich wohne auch in einem Heim. Das ist, weil ich böse bin. Sie sagen, meine Mutter ist auch böse, deshalb bin ich im Heim.“

Er sagte das auf eine Weise, dass sie ahnte, wie oft er das schon gehört haben musste. Tausend Gedanken stürzten auf Livia ein, Wut und Schmerz schienen sie zu überwältigen. Wer war in der Lage, einem Kind solch boshafte Dinge zu sagen! Automatisch starrte sie auf seine Hände und Arme, ob er blaue Flecken hatte, aber da war gottseidank nichts zu sehen.

„Also, was ist zwischen Kinderheim und Altersheim?“ hakte Severin erneut nach. Die alte Dame riss sich zusammen. „Normalerweise hat man selber eine Familie. Wenn man in der Mitte ist, ist man nur im Heim, wenn man krank ist.“ erklärte sie und fragte gleich weiter: „Wie alt bist du denn, Severin?“

Er machte ein recht komisches Gesicht, als er mit einem Seufzer sagte: „Man weiss es nicht genau. Ungefähr sechs Jahre alt.“

Nun war Livia an der Reihe, einen leicht blöden Gesichtsausdruck aufzusetzen. „Wie, man weiss es nicht genau? Das geht doch nicht. Wir leben ja nicht im Busch hier.“ Sie hatte instinktiv erfasst, dass er die Wahrheit sagte. Neugierig lehnte sie sich nach vorne und hörte gebannt zu, als der kleine Bursche mit den Waldteich-Augen erzählte, was ihm gesagt worden war.

„Sie haben mich gefunden. Vor der Kirche. Jemand hat aus grossen Steinen einen Ring gemacht, Moos hineingelegt und mich dazu. Ich war in ein Tuch gehüllt, das war bunt und gar nicht fest. Der alte Herr Pfarrer hat gesagt, es war ein Tuch wie aus Schmetterlingsflügeln. Darüber lagen ganz doll viele Rosenblätter. So haben sie mich gefunden. Es war der 1. Mai vor sechs Jahren. Der Herr Pfarrer hat gesagt, das muss meine Mama gemacht haben, mich so dahin gelegt. Er hat nie böse über Mama geredet. Nicht wie die im Kinderheim. Jetzt sagen sie, der 30. April ist mein Geburtstag. Und ich bin das Kind von einer Hexe und dem Teufel. Aber Mama ist keine Hexe, sie ist wunderschön. Und sie wird kommen und mich holen. Und dann gehen wir für immer weg.“

Livia rannen Tränen übers Gesicht. Sie hatte Geschichten gelesen von ausgesetzten Kindern und sie wusste, dass es eine Frau gab, die dieses Kind furchtbar vermisste. Sie wusste, dass der Junge nicht log. So unglaublich das mit den Steinen, dem Moos und den Rosenblättern klang, sie wusste, dass er die Wahrheit sprach. Und die Decke, die Decke, die aus Schmetterlingsflügeln gemacht schien...

„Severin, wo ist deine Schmetterlingsdecke jetzt?“ fragte die alte Dame, die begriff, dass diese Decke wichtig war.

„Ich weiss es nicht. Jemand hat sie weg genommen.“ „Und wer hat dir diesen schönen Namen gegeben?“ „Der Herr Pfarrer hat den Leuten gesagt, sie müssen mich Severin nennen.“

Der Bub starrte nun auf die gehäkelte Tischdecke und bohrte mit den Fingern in den regelmässig verteilten Löchern, als gäbe es da etwas zu finden. Nach einer Weile begann er herum zu drucksen und schliesslich platzte er heraus: „Ich kenne den Waldteich auch. In meinen Träumen sitze ich da mit Mama und mit den anderen.“

„Mit welchen anderen denn, Severin?“ fragte Livia vorsichtig.

Severin hob die Augen und sah sie glücklich an. Endlich hörte ihm jemand zu und schimpfte ihn nicht aus wegen seinen Träumen. Munter fuhr er fort: „Da ist Mama und die anderen Frauen. Manchmal auch Männer. Und andere Kinder. Und Rehe hat es und Vögel. Und Eichhörnchen. Ich spiele am liebsten mit den Eichhörnchen, die sind so lustig. Und dann muss ich immer gehen und Mama auch. Wir reiten auf einem Einhorn zu dem Tor. Mama küsst mich auf die Stirn und sagt, sie liebt mich und sie kommt mich wieder abholen. Dann wache ich auf und bin in dem blöden Bett in dem blöden Kinderheim und die blöde Traude schimpft, ich soll vorwärts machen. Sie hat keine Zeit, auf Hexenbälger zu warten.“

Er wirkte jetzt resigniert. Livia hatte gebannt zugehört. Während seiner Erzählung hatte sie deutlich den Waldteich vor sich gesehen und auch Severin, wie er da spielte und seine Mama... Das Gesicht dieser Frau war nicht zu erkennen gewesen und je mehr sie darüber nachdachte, desto schummriger wurde die Erinnerung an das eben Gesehene. Hatte sie denn tatsächlich Severin gesehen und diesen geheimnisvollen Ort? Nachdenklich schaute sie den Buben an, doch bevor sie etwas sagen konnte, rief er: „Oh oh, es ist 4 Uhr, ich muss zurück, sonst gibt's wieder Schimpfe!“

Schon war er aufgesprungen, hatte sich artig bedankt, seinen Notizblock und den Bleistiftrest gepackt und war bereits bei der Tür. „Kommst du wieder, Severin?“ fragte die alte Dame hastig. „Ja, gewiss doch, ich zeichne hier doch immer Rosen für Mama!“

Ein letztes, verschmitztes Grinsen, dann war er aus der Tür.

Livia blieb sehr lange am Esstisch sitzen. Pickte nachdenklich mit dem angefeuchteten Zeigefinger Kuchenkrümel auf und starrte auf den Platz, wo vor wenigen Augenblicken noch dieser unglaublich hübsche, zarte und ganz besondere Junge gesessen hatte. Was für ein Nachmittag. Was für ein Kind! Nichts wollte sie lieber, als diesen kleinen Jungen beschützen.

Lana Lafaye

Lana hätte es wissen müssen. Das ging nicht mir ihr und den Männern. Wieder war sie bereit gewesen, mit einem Menschenmann ihr Leben zu teilen. Ihm ihre Liebe zu schenken und zu ihm zu halten. Aber wieder hatte sie sich getäuscht. Das war jetzt schon ungefähr die neunte gescheiterte Beziehung in den letzten paar Jahren. „Herzensguter Naturbursche mit viel Humor und noch viel mehr Zeit für seine grosse Liebe sucht genau dich“ - das war in seiner Annonce auf dem Dating-Portal gestanden. Und „Ich bin kein Materialist, ich suche das Glück im Genuss der Liebe und in den gemeinsamen, suchenden Gesprächen. Bin keiner, der Statussymbole braucht. Du, mein künftiger Goldschatz, sollst mein einziger Schmuck sein“. Für Lana hatte das sehr verheissungsvoll geklungen, also antwortete sie auf sein Inserat und so wurden sie und Gregor sehr schnell ein Paar. Nach und nach hatte sie auch verstanden, dass die Annonce codiert gewesen war und dass „noch viel mehr Zeit für seine grosse Liebe“ und „ich bin kein Materialist“ unverschlüsselt nichts anderes bedeuteten als: „Ich bin arbeitslos und habe vor es zu bleiben, denn du doofe Nuss hältst mich ja aus.“ Der „Naturbursche“ bezog sich auf seine höhlenbewohnerähnlichen Manieren, nicht etwa auf Liebe zur Natur.

Vor einer Stunde hatte sie eine SMS von ihm erhalten, die sie fast umgehauen hatte. „Gaby, meine Süsse, ich freu mich uuuunendlich auf heute Nacht mit dir im Talhof. Mach dich schon mal nackt für dein Bärchen :-*“

Schockiert hatte Lana auf ihr Handy gestarrt, da kam schon die nächste SMS von Gregor: „Hallo Lana-Schatz *knuddel* Glaube mein Handy wurde gehackt, es verschickt SMS die nicht von mir sind *hdl*“