Der unbekannte Passagier - Manfred K. Richter - E-Book

Der unbekannte Passagier E-Book

Manfred K. Richter

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Beschreibung

Spannende Unterhaltung mit Diebstählen und Mordanschlägen bei einer Kreuzfahrt im Mittelmeer. Dabei stehen die Menschen des Schiffes im Mittelpunkt des Geschehens. Dabei gibt es auch heitere Erlebnisse und Begegnungen. Nicht nur Erholung auf dieser Reise mit interessanten Ausflügen und Besichtigungen stehen auf dem Programm, sondern auch eine Reihe beunruhigende Erlebnisse. Auch an Land, bei der Reederei und der Versicherung ist höchste Anspannung angesagt.

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Der unbekannte Passagier

TitelblattInhalt

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Inhalt

Das Wetter war wunderschön. Herrlich blauer Himmel, nur ab und zu ein paar helle Wolken, welche sanft, aber stetig dahinzogen und dabei immer wieder ihre Form veränderten. Mal sah es aus wie eine Katze, dann wieder wie ein Rind oder ein Auto. Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt.

  Ulrike lag im Liegestuhl am Pool auf dem Oberdeck, träumte vor sich hin, sah zu den Wolken und versuchte, sich ein Bild zu machen von dem, was sie sah.

  Das Kreuzfahrtschiff ANTARES pflügte ruhig und zügig durch das nur leicht bewegte Wasser. Es war eine schöne und gemächliche Fahrt und Ulrike genoss die Stille um sie. Sie befand sich auf der Hochzeitreise mit ihrem geliebten Peter, den sie jetzt hier ganz für sich hatte, fern von allem Trubel der letzten Tage. Es war eine sehr schöne Hochzeit im Kreis ihrer Familie. Sogar ihre achtundsiebzigjährige Oma war extra angereist und war neben ihr der Star der Gesellschaft. Ulrike genoss diese Feier.

  Peter kam von der Bar, in der Hand ein Eis.

 „Ich habe Dir etwas mitgebracht. Ich dachte, Du könntest ein Eis vertragen“

  „Oh, das ist eine gute Idee. Daran habe ich gerade gedacht. Schau mal die Wolke dort, sieht sie nicht aus wie ein Eisbecher mit drei Kugeln Eis? Die eine fällt sicher bald runter.“

  „Na, dann komme ich ja richtig. Hier nimm, sonst fällt die Kugel wirklich runter.“

„Du bist ein Schatz.“  

  Ulrike gab ihm einen Kuss, nahm das Eis und ließ es sich schmecken, während Peter auf dem anderen Liegestuhl Platz nahm.

 Ulrike reckte und dehnte sich. Sie war eine schöne Frau. Sie war, wenn man es genau nahm, eine klassische Schönheit. Über der geraden Nase wölbten sich leicht geschwungene dunkle Augenbrauen. Die dunklen Augen sprühten vor Leben und die roten Lippen hatten die Strenge der Klassik, jedoch ohne eine Spur von Sinnlichkeit zu verleugnen. Das dunkle, halblange Haar passte gut zu der leicht gebräunten Haut.

  „Ach, ist es nicht herrlich, so schön faul und ohne Sorgen? Das Leben kann doch so schön sein.“

  „Ja, Du hast recht, ich genieße es auch.“

  Peter war der typische Sportler, mit kräftigen Armen und Beinen, durchtrainierten Schultern und einem richtigen Bretterbauch. Tatsächlich war er auch in seinem heimischen Sportverein sehr aktiv Er hatte an vielen Wettbewerben teilgenommen und als Zehnkämpfer auch schon mal einen Preis gewonnen. Das kurzgeschnittene blonde Haar passte hervorragend zu seinem markanten, glattrasierten Gesicht. Kein Wunder, dass sich immer wieder Frauen nach ihm umsahen, allerdings sehr zum Missfallen von Ulrike. Sie hatte jedoch keinen Grund, eifersüchtig zu sein, denn er war ihr blind ergeben.

  Auch sie erregte immer wieder Aufsehen und war ein steter Blickfang für die Männer, was auch Peter nicht so gerne sah; wenn er auch stolz war, eine solch attraktive Frau gewonnen zu haben.

  Sie saßen auf dem Sonnendeck, einander gegenüber. Ulrike las in einem Reiseführer. Peter sah hinaus aufs Meer, in tiefe Gedanken versunken. Sein Blick wanderte zu Ulrike, betrachtete ihr klassisches Profil, die leicht geschwungenen Augenbrauen über den strahlenden Augen, die gerade, fast römische Nase, die allerdings am Ende ganz leicht nach oben gebogen war und damit doch nicht römisch zu nennen war. Die Lippen, welche sowohl einen energischen, als auch sinnlichen Eindruck vermittelten, waren von einem natürlichen Rot, das nicht durch künstliche Röte verstärkt werden musste. Dieses Rot verzichtete auf jede Nachhilfe. Das war Ulrike, seine Ulrike. Ulrike sah auf und sah ihn an.

  „Wieso schaust Du mich an? Was stört Dich an mir?

 „Aber meine Liebe, es stört mich überhaupt nichts an Dir, im Gegenteil, ich bin glücklich, Dich als meine Frau zu haben. Warum sollte ich Dich dann nicht anschauen?  Es gibt hier sowieso nichts Schöneres, das Wert wäre, angesehen zu wäre.“

 „Du bist ein Schmeichler. Ich liebe Dich und ich möchte immer so von Dir angesehen werden.“

 „Es ist natürlich falsch, wenn ich sage, dass ich Dich besitze. Du bist ein Geschenk.“

 Ulrike lachte laut auf.

 „Du bist ein Schmeichler, aber Du hast recht, ich fühle mich zwar als Deine Frau, in gewissem Sinne als Dir gehörig. Aber trotzdem bin ich nicht wirklich Dein Eigentum. Mit einem Eigentum kann man machen, was man will, man kann es schlagen, wegwerfen, in die Ecke stellen. Aber versuche das einmal mit mir, dann kannst Du Dein blaues Wunder erleben.“

  Peter lachte herzlich, stand auf und schloss Ulrike in die Arme.

  „Du bist unwiderstehlich, ich liebe Dich.“

  So verging die Zeit auf See mit Faulenzen, gutem Essen und Trinken. Dazwischen Aktivitäten im Fitnessraum und Schwimmen im Pool, nette Gespräche mit Mitreisenden und dann natürlich die Ausflüge in die Geschichte und die herrliche Landschaft rund um das Mittelmeer. Genauso hatte Ulrike sich ihre Hochzeitsreise vorgestellt, mit Peter an ihrer Seite. Mit einem Wort: sie war rundum glücklich.

Die beiden Herren saßen in der Bibliothek der ANTARES und spielten Schach. Sie hatten sich erst hier auf dem Schiff kennengelernt. Der größere der Beiden war etwa über fünfzig Jahre alt und kräftig gebaut. Die Stirnglatze sprang dominant aus einem schütteren grauen Haarkranz. Die etwas altmodische Hornbrille verdeckte zwei listig blickende grüne Augen. Die kleinen Falten an den Mundwinkeln verrieten, dass er sowohl über eine Portion Humor verfügte, als auch energisch sein konnte. Der andere der beiden Männer war deutlich jünger und sein Körperumfang deutete allerdings darauf hin, dass er kein Kostverächter war. Der ältere, Maximilian Faulhaber, war ein leidenschaftlicher Schachspieler, der immer ein kleines Reiseschach bei sich hatte. Als er eines Tages vor seinem Spiel in der Bibliothek saß und an einem Problem knobelte, kam Alfred Meinhard in den Salon und sprach ihn an. Er fragte ihn, ob er ihm vielleicht bei seinem Problem helfen könne.

  „Aber nein, ich vertreibe mir einfach ein wenig die Zeit. Leider habe ich hier an Bord keinen Menschen gefunden, mit dem ich eine richtige Partie spielen könnte. Spielen Sie Schach?“

  „Ja, ab und zu, bin aber kein guter Spieler. An mir dürften Sie keinen richtigen Gegner haben.“

  „Ach was, so schlecht werden Sie nicht spielen. Darf ich Sie zu einer Partie einladen?“

  „Ja gerne, aber ich warne Sie, es wird kein Spaß für Sie werden. Schon mein Vater sagte immer, er würde lieber mit dem Hund spielen, der verstünde etwas von Logik.“

  So kam es, dass die Beiden jetzt hier saßen und beim Spielen die Welt um sich vergaßen. Die Bibliothek war einer von vier nebeneinander liegenden Räumen an der rechten Seite des Schiffes. Die beiden äußeren Räume waren etwas größer als die beiden anderen. Die größeren hatten je einen Ausgang auf einen kleinen Platz an der Reling. Alle Räume gingen auf der anderen Seite auf einen Gang in der Mitte des Schiffes und waren halboffen. Die Beiden saßen in einem der mittleren Räume, so hatten sie mehr Ruhe und wurden nicht ständig von anderen Passagieren gestört, welche auf Deck wollten. Alfred Meinhard hatte im Nebenraum in einem Schrank ein größeres Schachspiel entdeckt, welches er geholt hatte. So ging das Spielen doch bedeutend besser. Nach einer Weile brach Alfred Meinhard das Schweigen:

   „Verzeihen Sie, wenn ich das sage: Sie sind ein toller Schachspieler. Mein Kompliment. Ich kann Ihnen nicht das Wasser reichen.

  „Reden Sie keinen Unsinn. Sie spielen auch ganz gut. Wenn dem nicht so wäre, säßen wir nicht so lange vor dem Brett.“

  „Danke für die Blumen. Wenn ich ehrlich sein darf: ich bekomme jetzt aber langsam Durst, Ich werde mir ein Bier holen. Soll ich Ihnen auch eines mitbringen?“

   „Ich habe keinen Durst, danke.“

  Maximilian Faulhaber holte, nachdem Alfred gegangen war und er sich kurz umgesehen hatte, ein kleines Notizbuch aus der Tasche, machte schnell eine kurze Notiz und steckte das Heft rasch wieder weg.

  Alfred Meinhard kam kurz darauf mit zwei gefüllten Gläsern Bier zurück.

  „Ich habe Ihnen jetzt doch ein Bier mitgebracht, denn die Luft hier ist leider ein wenig trocken und trotz der Klimaanlage ist es ziemlich warm.“

  „Jetzt, wo Sie das sagen und ich das Bier sehe, merke ich, dass ich doch Lust darauf habe. Danke, dass Sie an mich gedacht haben. Wissen Sie, das Schachspielen ist eine kräftige Arbeit für das Gehirn und damit werden ordentlich Kalorien verbraucht. Es klingt komisch, aber man kann damit wirklich abnehmen.“

  „Dann sollte ich öfter mit Ihnen spielen. Denn Abnehmen könnte ich wohl vertragen.“

  Nach einem herzlichen „Prost“ und einem kräftigen Schluck wandten sie sich wieder ihrem Spiel zu.

In Athen nutzten Ulrike und Peter die Gelegenheit und machten einen Landgang mit einem Ausflug in die Stadt und Besichtigung der Akropolis. Sie hatten diesen Ausflug schon vorher gebucht und waren sehr gespannt auf diese Tour. Mit dem Ausflugsbus mussten sie sich durch die Innenstadt quälen. Der Chauffeur war für seine Geduld zu bewundern. Der Verkehr in Athen war wirklich ein Graus und die Akropolis zeigte sich auch nur unvollständig wegen der vielen Gerüste. Es war ja immer etwas zu restaurieren. Aber es war beeindruckend, dass man vor so langer Zeit schon so Schönes bauen konnte. Die Architekten des Altertums waren hervorragende Künstler.

  Wie Ulrike und Peter bei dieser Führung erfuhren, sind die Säulen dieses Bauwerks keineswegs alle gleich, wie man bei flüchtigem Hinsehen meinen könnte, sondern die vier Ecksäulen stehen deutlich näher bei den anderen. Außerdem haben alle Säulen eine leichte Neigung nach innen. Dem Betrachter fallen diese Dinge selten auf, da er ja immer von unten sieht – ob von Weitem oder von Nahem – er ist immer auf gleicher Höhe mit dem unteren Teil des Bauwerkes. Durch die Perspektive scheinen die Säulen stets etwas höher zu sein, als in Wirklichkeit und sie wirken parallel. Wenn diese leichte Neigung nicht wäre, würden sie optisch auseinanderstreben und erzeugten nicht diesen kompakten Eindruck. Um einen geraden Eindruck zu vermitteln, ist auch das Fundament, auf welchem die Säulen stehen, nicht wirklich horizontal, sondern es beschreibt eine leichte Neigung in der Mitte des Bauwerkes nach oben. Einem flüchtigen Beobachter fallen diese gewollten Anomalitäten nicht auf. Sie machten den Eindruck einer absoluten Harmonie. Und das war auch so gewollt.

  Für Ulrike und Peter waren diese Informationen absolut neu und völlig überraschend. Ihre Hochachtung vor der Antike stieg bedeutend und in Zukunft würden sie alle antiken Bauwerke mit anderen Augen betrachten. War schon die klassische Literatur für sie bewundernswert und faszinierend und sie die Bildhauerei nur als ein Wunder betrachten konnten, so nötigten ihnen jetzt auch die Baumeister höchste Bewunderung ab. In Zukunft wollten sie der Antike mit mehr Achtung begegnen.

  „Phantastisch, was diese alten Griechen geschaffen haben.“

  Ulrike konnte kaum die Augen von dieser grandiosen Kulisse abwenden.

  „Na ja, ein paar junge Griechen werden wohl auch dabei geholfen haben,“ meinte Peter.

  „Witzbold! Ha, ha! Du immer mit Deinen Sprüchen.“

  Dabei gab sie ihm einen kleinen Klaps auf die Wange und gleich darauf einen Kuss.

  „Schade eigentlich, dass es hier immer irgendwo ein Arbeitsgerüst gibt, das stört ein wenig das Bild.“

  „Ganz ohne Gerüst wirst Du es wohl nie erleben, denn es gibt immer etwas zu reparieren und zu restaurieren.“

  Am Abend, bevor sie wieder an Bord gehen mussten, saßen sie in einem lauschigen Restaurant in der Nähe des Hafens unter einem wunderbaren klaren Sternen-himmel, ließen sich den herrlichen griechischen Wein schmecken und naschten dazu die frischen Oliven. Peter lehnte sich entspannt zurück und auch Ulrike ließ so richtig die Seele baumeln.

  „Sieh Dir doch einmal diesen Himmel an,“ sagte Ulrike, „wo sieht man sonst so viele Sterne auf einmal?“

  „Du hast recht, das ist schon einmalig. Ist das dort oben nicht das <Kreuz des Südens>?“

  Peter machte ein ernstes Gesicht, als er nach oben sah. Er war gespannt, auf die Reaktion von Ulrike. Fiel sie auf seinen Spaß herein?

   „Nein, natürlich nicht, das <Kreuz des Südens> ist viel weiter südlich zu sehen. Hier sind wir doch noch mitten in Europa.“

  „Ach ja, Du hast natürlich wieder einmal recht,“ meinte darauf Peter mit einem listigen Ausdruck auf den Lippen, „Ich vergesse immer, welch eine gebildete junge Dame Du bist.“

  „Nun mach keinen Quatsch, Du willst mich nur wieder aufziehen, du bist doch von uns Beiden der Gebildetste.“

  So verging unter Scherzen die Zeit und langsam mussten sie daran denken, wieder an Bord zu gehen, denn über Nacht ging die Fahrt weiter Richtung Santorin

Die Einfahrt in den Hafen in der riesigen Caldera von Santorin war überwältigend. Fünf Stunden Aufenthalt waren angesagt. Ulrike und Peter zogen es vor, auf eigene Faust die Gegend zu erkunden und wollten sich nicht einer der Gruppen anschließen. Auf den Transport mit einem Esel von der Anlegestelle nach oben, verzichteten sie, sondern bewegten sich zu Fuß die steile Straße nach oben. Dann wanderten sie durch die Straßen von Fira, dem Hauptort, und bewunderten von oben die Aussicht. Besonders angetan hatten es ihnen die schönen weißen Häuser mit den blauen Kuppeln, welche überall zu sehen waren. In den engen Gassen glänzte alles frisch geputzt wie auf Hochglanzpapier. Kleine verwinkelte Gässchen mit reizenden Geschäften wechselten mit romantischen Gaststuben, Wohnhäusern oder Kapellen.

  Nach einiger Zeit bekamen sie Durst und gingen in eines der einladenden Lokale, um etwas zu trinken. Der Wirt, froh ein paar Gäste zu haben, begrüßte sie überschwänglich, bot ihnen die besten Plätze und natürlich die Speisekarte an.

  „Danke, wir wollen nur etwas trinken. Essen haben wir auf dem Schiff mehr als genug.“

  „Aber nicht so gut wie bei mir. Von meinen Fischgerichten werden Sie lange träumen.“

  „Hoffentlich keine Albträume,“ meinte darauf Ulrike. „Aber nein, wir wollen wirklich nur etwas Erfrischendes trinken. Essen haben wir auf dem Schiff wirklich genügend – eigentlich zu viel, wenn ich an meine Linie denke.“

  „Dann habe ich aber doch etwas für Sie“, meinte der Wirt, „daran werden Sie lange denken und immer wieder nach Santorin kommen.“

  Der Wirt verschwand, um das Gewünschte zu bringen. Inzwischen schauten sich die Beiden die Gegend von ihrem Logenplatz aus an.

  „Dort drüben, diese kleine Insel in der Mitte dieser Bucht“, Peter zeigte auf die Erhebung, „das ist das Zentrum des Vulkans, welcher hier vor einigen Tausend Jahren ausbrach. Manche Forscher glauben, dies hier sei das versunkene Atlantis gewesen. Aber das ist nur Spekulation. Wer weiß, wo es wirklich lag.“

  „Kaum vorzustellen, wie das einmal war, wenn man hier diese Ruhe und den Frieden sieht“, fand Ulrike.

  „Schau mal, dort unten im Wasser liegt immer noch ein Kreuzfahrt-Schiff, welches auf ein Riff lief und dann an die Felsen stieß und sank. Man hat es immer noch nicht gehoben und wird es vielleicht auch nie tun. Zwei Personen wurden damals vermisst und sind wahrscheinlich umgekommen.“

  Wenn man genau hinsah, konnte man es tatsächlich unter der Wasseroberfläche in dem abgesperrten Bereich sehen.

  In ihrem Schauen und den Gedanken wurden sie unterbrochen durch eine laute Stimme:

  „Nein, das gibt es ja nicht – da kann doch nicht wahr sein! Ulrike, Du hier auf meiner Insel!“

  Erschrocken wandten sie sich um und sahen einen braungebrannten, nicht unattraktiven Mann, welcher sie anstrahlte. Ulrike meinte, der Boden unter ihren Füßen wanke. Das war Georgio, kein Zweifel, er war es wirklich. Sie wusste nicht, ob sie sich freuen oder die Flucht ergreifen sollte. Sie hatte Georgio seit Jahren nicht gesehen, seit sie sich getrennt hatten. Im besten Einvernehmen übrigens. Fast zwei Jahre hatten sie versucht, ein richtiges Paar zu werden, aber irgendwie klappte es nicht und sie beschlossen, das Experiment abzubrechen. Da sie keinen Kontakt mehr hatten – sie fanden es am besten so – hatte sie keine Ahnung, was aus ihm geworden war. Langsam fand sie sich wieder zurecht.

  „Oh, hallo Georgio, das ist eine Überraschung. Ich wusste nicht, dass Du hier bist. Das ist Peter, mein Mann.“

  „Was, Du bist verheiratet? Sehr schön, ich gratuliere herzlich. Das freut mich wirklich.“

  Sie begrüßten sich herzlich. Peter wusste nicht so recht, wie ihm geschah. Er hatte keine Ahnung, wer dieser Mann war und wie er zu Ulrike stand. Sie hatte nie von ihm gesprochen. Wozu auch? Was vorbei ist, ist vorbei.

  „Entschuldige Peter“, erklärte ihm Ulrike kurz, „wir waren einmal für eine Zeitlang zusammen, aber es ging nicht mit uns, wir waren zu unterschiedlich. Da bin ich froh, Dich gefunden zu haben.“

  Sie lachte und gab Peter einen innigen Kuss.

  „Aber Georgio, was machst Du denn hier auf Santorin?“

  Georgio holte tief Atem.

  „Deutschland war nicht mehr so richtig für mich, ich musste nach Hause und da meine Schwester Hilfe brauchte, kam ich hierher. So, wie das Leben so spielt.“ 

  Ulrike konnte es kaum fassen. Da fährt sie fast bis ans Ende der Welt und da wartet schon die Vergangenheit auf sie. So klein ist die Welt also doch nicht. Soweit man auch fährt, immer ist etwas da, das an Vergangenes erinnert. Seien es Menschen oder manchmal auch nur Dinge.

  „Ulrike, Peter, ihr müsst noch unbedingt in meinen Laden kommen und dann gehen wir richtig gut essen.“

 Peter musste den guten Georgio etwas bremsen.

  „Halt, halt, nicht so schnell, mit dem Essen müssen wir leider passen. Unser Schiff fährt ja bald wieder ab und Essen haben wir auf dem Schiff mehr als genug. Aber in den Laden kommen wir gerne.“

    Georgio ließ es sich nicht nehmen, die Getränke zu zahlen, den Wirt von seinem „besonderen Angebot“ abzubringen, und dann ging es in das Geschäft ganz in der Nähe. Es war ein kleiner Souvenir-Laden wie viele andere in der Gegend, nur dass hier wirkliche kleine Kunstgegenstände angeboten wurden. Die junge Verkäuferin blickte erstaunt, als Giorgio ihr die bei Beiden vorstellte.

  „Mein Schwager hat dieses Geschäft vor einigen Jahren aufgebaut, aber dann ist er vor zwei Jahren plötzlich gestorben und meine Schwester stand mit den beiden Kindern alleine da. Natürlich bin ich gekommen, um ihr zu helfen. Ein bisschen verstehe ich ja was von der Sache. Die kleine Schwester meines Schwagers versucht sich in den Ferien ein wenig in die Geheimnisse der Glaswaren einzuarbeiten. Wir sind sehr dankbar, dass sie uns hilft.“

  Georgio schien sich wirklich hier wohl zu fühlen. Ver-träumt und auch ein wenig stolz sah er sich in dem kleinen Laden um und strich sanft über eine Glas-Vase. Jetzt fiel es Ulrike auf: hier waren wirklich kleine Kostbarkeiten aus Glas ausgestellt. Kein gewöhnliches Glas, sondern Glas in schönen ineinander verschlungenen Farben: vorwiegend in Blau- und Brauntönen in ganz besonderen Formen.

  „Das macht unsere Schwester Elena in Saloniki, sie ist Künstlerin“, erklärte Georgio voller Begeisterung. Sucht euch etwas aus, ihr seid meine Gäste.“

  Ulrike war sehr angetan von diesen schönen Stücken.

  „Ja, ich suche mir etwas aus, aber ich bezahle es. Schenken darfst Du mir das nicht, es wäre nicht recht.“