Der Vagabund und die Fee - Jack  London - E-Book

Der Vagabund und die Fee E-Book

Jack London

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Beschreibung

Der Vagabund und die Fee: Als der Vagabund Ross Shanklin auf einer Lichtung erwacht, sieht er ein kleines Mädchen vor sich, das ihn mit seinem Sonnenschirm vor der Hitze schützt. Die kleine Joan begegnet ihm voller Vertrauen und Respekt, aber mit unverblümter Ehrlichkeit. Ein selten übersetztes romantisch-realistisches Märchen des amerikanischen Meistererzählers. --- Fleisch: Die beiden Ganoven Matt und Jim gelangen bei einem Raubzug an Diamanten im Wert von mehreren hunderttausend Dollar. Eigentlich haben sie ausgesorgt, doch die Gier hat sie von nun an fest im Griff und macht aus jedem von ihnen eine Gefahr für den anderen.

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Jack London

Der Vagabund und die Fee

Zwei Erzählungen Jack Londons. In einer Übersetzung von Walter Brunhuber.

Wem es gellingt, die Welt mit einem kleinen Funken Liebe zu bereichern, der hat nicht umsonst gelebt.Jack London

Inhaltsverzeichnis

Fleisch

Der Vagabund und die Fee

Wie ich Sozialist wurde

Impressum

Fleisch

Er bummelte hinüber zur Straßenecke und spähte in beide Richtungen in die Seitenstraße. Außer den Lichtoasen, die die Straßenlaternen auf die Kreuzungen zeichneten, war nichts zu sehen. Schließlich schlenderte er den Weg zurück, den er gekommen war, ein Schatten, der lautlos durch das Halbdunkel glitt, ohne auch nur eine unnötige Bewegung zu machen. Er war wachsam wie ein Raubtier im Dschungel, scharfsinnig, immer bereit zu reagieren. Ein Fremder in der Dunkelheit hätte sich noch vollkommener in einen Schatten verwandeln müssen, um seiner Aufmerksamkeit zu entgehen.

Seine Sinne versorgten ihn sekündlich mit Informationen über die Situation, in der er sich befand. Zusätzlich erfasste sein Unterbewusstsein die Umgebung. Das Wissen, dass Kinder in dem Haus waren, vor dem er nun stehen geblieben war, entsprang ausschließlich der Aufmerksamkeit seiner Sinne. Es war nichts als ein verschwommener Eindruck, etwas, womit sich sein Bewusstsein noch gar nicht beschäftigt hatte. Wäre etwas Unerwartetes geschehen, etwas, bei dem das Haus eine wichtige Rolle gespielt hätte, dann hätte er allerdings sein Handeln danach ausgerichtet, dass Kinder in dem Haus waren. Auch wenn er sich dessen, was er über dieses Haus wusste, bisher noch nicht bewusst war.

Genauso instiktiv ahnte er, dass von den Schritten, die nun in einer Querstraße zu hören waren, keine Gefahr ausging. Noch ehe er den Mann sah, wusste er, dass es sich um einen verspäteten Fußgänger handelte, der sich auf dem Weg nach Hause befand. Schließlich tauchte der Mann an der Straßenkreuzung auf und bog in eine andere Straße. Für einen Moment flammte im Fenster eines Eckhauses Licht auf. Als es wieder verschwand, wusste er, dass ein Streichholz angebrannt worden und wieder erloschen war. Er nahm dieses Phänomen in aller Klarheit auf und ihm schoss der Gedanke durch den Kopf, dass jemand nach der Uhrzeit gesehen haben musste.

In einem der anderen Häuser war ein Zimmer dauerhaft erleuchtet. Es war ein ruhiges, schwaches Licht, das dort brannte und er hatte das Gefühl, dass es sich um ein Krankenzimmer handeln musste. Was ihn vor allem interessierte, war allerdings ein Wohnhaus auf der anderen Seite der Straße. Es befand sich etwa in der Mitte des dortigen Häuserblocks. Diesem Haus gehörte seine ganze Aufmerksamkeit. Gleichgültig, in welche Richtung er gerade spähte, wohin er für kurze Zeit schlenderte - immer wieder führten ihn seine Blicke und seine Wege dorthin zurück. Abgesehen von einem offenen Fenster direkt über dem Eingang gab es nichts Ungewöhnliches an dem Haus. Niemand ging hinein oder heraus. Nichts geschah. In keinem der Fenster war bisher Licht angemacht worden, auch nicht für kurze Zeit. Und doch stand es im Mittelpunkt seiner Beobachtungen. Dieser Fokus wurde auch von seinen Gedanken über das, was in der näheren Umgebung vor sich ging, nicht geschmälert.

Trotz seines enormen Gespürs fühlte er sich nicht sicher. Zu sehr ahnte er, wie gefährlich die Situation im Augenblick war. Die Begegnung mit dem Fußgänger hatte ihn zwar kaum beeindruckt, dennoch war er nun auf dem Sprung, aufgeschreckt wie ein scheues Reh. Er war sich bewusst, dass die Gefahr bestand, dass sich noch andere intelligente menschliche Wesen in der Dunkelheit herumtrieben, die es in Punkto Unauffällligkeit, Gespür und Weitsicht mit ihm aufnehmen konnten. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er ein Stück die Straße hinab etwas, das sich bewegte. Er wusste sofort, dass er es mit keinem verspäteten Nachtschwärmer zu tun hatte, der sich auf dem Weg nach Hause befand. Es handelte sich um eine Bedrohung, eine Gefahr. Er pfiff zweimal in Richtung des Hauses auf der anderen Straßenseite, das er überwachte, dann zog sich sein Schatten zur Straßenecke zurück und verschwand hinter dem Eckhaus. Er blieb stehen und sah sich um. Von dieser sicheren Position aus spähte er zurück und musterte die Gestalt, die nun näher kam. Er hatte den richtigen Riecher gehabt. Ein Streifenpolizist.

Sicherheitshalber ging er die Querstraße hinab bis zur nächsten Straßenecke. Von dieser Deckung aus beobachtete er die Stelle, von der er sich eben noch weiter zurückgezogen hatte. Der Polizeibeamte ging in einiger Entfernung vorbei, die Straße hinauf. Der Mann folgte ihm, bis er sicher war, dass der Polizist nichts bemerkt hatte und kehrte dann auf seinen Posten zurück. Er pfiff erneut und wiederholte den Pfiff nach kurzer Zeit. Damit gab er das Signal 'Entwarnung', so, wie er zuvor ein Alarmzeichen gegeben hatte.

Ein dunkler Umriss tauchte auf dem Dach über dem Eingang des Hauses auf, das er die ganze Zeit über beobachtet hatte, und glitt an einer der Säulen herab. Schließlich kam der Schatten die Treppe herunter, hastete durch das schmale eiserne Törchen und ging den Bürgersteig entlang. Langsam nahm der Schatten die Form eines Mannes an. Der Mann, der die ganze Zeit über Wache gehalten hatte, blieb auf seiner Straßenseite, folgte dem anderen jedoch. An der nächsten Hausecke überquerte er die Straße und sprach seinen Komplizen an, der deutlich größer war als er selbst.

„Wie liefs, Matt?“, fragte er.

Als Antwort gab Matt ein unbestimmtes Grunzen von sich, wobei er einfach weiterging.

„Ich denke, es hat sich gelohnt“, sagte er schließlich.

Jim kicherte in der Dunkelheit und wartete gespannt darauf, mehr zu erfahren. Sie überquerten eine Straßenkreuzung nach der anderen und Jim wurde ungeduldig.

„Was schätzt du?“, fragte er. „Du kannst doch sagen, was ungefähr rausspringt.“

„Ich hatte mich um anderes zu kümmern, als genau nachzusehen, aber wir haben fette Beute gemacht, Jim. Soviel kann ich dir sagen. Wart ab, bis wir zu Hause sind.“

Im Licht der Laterne, die an der nächsten Kreuzung stand, musterte Jim seinen Komplizen. Matts Gesichtsausdruck war verkniffener als üblich. Den linken Arm hielt er auf eigenartige Weise an sich gepresst.

„Was ist mit deinem Arm?“

„Der Scheißkerl hat mich gebissen. Hoffentlich krieg ich keine Tollwut. Menschen können doch auch Tollwut übertragen, wenn sie einen beißen. Ist doch so, oder?

„Hat er sich gewehrt?“, fragte Jim etwas aufgedreht.

Matt brummte vor sich hin.

„Es ist verdammt schwierig ein Wort aus dir herauszubekommen“, stieß Jim gereizt hervor. „Sag schon, was passiert ist. Es kostet dich doch keinen Cent, einem Kumpel zu erzählen, was los war.“

„Ich hab ihm eine verpasst“, kam die Antwort promt. Dann fügte Matt hinzu: „Er ist dummerweise wach geworden.“

„Hast du gut hingekriegt. Ich hab nichts gehört.“

„Jim“, sagte Matt ernst. „Dafür kann ich an den Galgen kommen. Ich hab ihn kalt gemacht. Es blieb mir nichts anderes übrig. Er ist plötzlich aufgewacht. Du und ich. Wir müssen uns für eine Weile verdammt still halten.“

Jim pfiff durch die Zähne, zum Zeichen, dass er verstanden hatte.

„Hast du meinen Pfiff vorhin gehört?“, fragte Jim unvermittelt.

„Klar. Hab ich. Ich war gerade fertig und wollte los.“

„Ein Bulle ist aufgetaucht. Hat aber nichts mitgekriegt. Er ist nur vorbeigegangen. Ich hab ihn eine Weile im Auge behalten. Dann bin ich zurück und hab gepfiffen. Warum hat es so lange gedauert?“

„Ich hab abgewartet, sicherheitshalber“, erläuterte Matt. „Als ich deinen Pfiff hörte, war ich erleichtert. Es war nicht einfach zu warten. Ich musste über alles nachdenken. Konnte gar nicht aufhören. An alle möglichen Dinge hab ich gedacht. Ist schon erstaunlich, über was ein Mensch alles nachdenken kann. Und dann lief da auch noch diese verdammte Katze herum und hat mich mit ihrem Krach genervt. “

„Du hast gesagt fette Beute?“, warf Jim aufgekratzt aber voller Freude ein.

„Das kann ich dir versichern. Richtig fett. Ich bin verdammt gespannt darauf, mir das alles genauer anzusehen.“

Unwillkürlich beschleunigten die beiden Männer ihre Schritte, blieben aber vorsichtig. Sie wechselten zweimal die Richtung, um nicht einem Polizeibeamten in die Arme zu laufen. Als sie schließlich in der Innenstadt in den dunklen Hausflur eines billigen Mietshauses eintauchten, stellten sie noch einmal sicher, dass sie nicht beobachtet wurden. Erst als sie ihr Zimmer in der obersten Etage erreicht hatten, ließen sie ein Streichholz aufflammen. Während Jim eine Lampe anzündete, verschloss Matt die Tür und schob die beiden Riegel vor. Als er sich umdrehte, bemerkte er, dass sein Kumpel ihn erwartungsvoll ansah. Die Erwartungshaltung seines Komplizen ließ Matt verschmitzt lächeln.

„Sie gibt ein ganz gutes Licht“, sagte er, während er eine kleine Taschenlampe hervorzog und sie näher betrachtete. „Aber wir brauchen eine neue Batterie. Sie ist schon ziemlich schwach. Ein paarmal dachte ich, sie würde mich im Stich lassen. Das Haus war verdammt ungewöhnlich eingerichtet. Ich konnte mich kaum orientieren. Sein Zimmer war auf der linken Seite, das hat mich irgendwie durcheinandergebracht.

„Ich hab dir gesagt, dass es auf der linken Seite ist“, unterbrach ihn Jim.

„Du hast gesagt, es wäre rechts“, entgegnete Matt. „Ich weiß, was du gesagt hast. Außerdem hab ich hier deine Skizze.“

Er langte in seine Westentasche und holte ein zusammengefaltetes Stück Papier heraus. Als er es aufklappte, beugte sich Jim darüber.

„Mein Fehler“, gab er schließlich zu.

„Und ob das dein Fehler war. Eine Weile war ich mir nicht sicher, was ich machen sollte.“

„Das spielt jetzt auch keine Rolle mehr“, rief Jim. „Zeig, was du gefunden hast.“

„'Es spielt keine Rolle'“, wiederholte Matt. „Für mich spielt es sehr wohl eine Rolle. Ich hab das ganze Risiko auf mich genommen. Ich hab meinen Kopf in die Schlinge gesteckt, während du auf der Straße gewartet hast. Du solltest dich zusammenreißen und in Zukunft vorsichtiger sein. Sieh her.“

Er griff in seine Hosentasche und holte eine Handvoll Diamanten hervor. Elegant warf er sie auf die schmierige Tischplatte, so dass sie sich als glitzernder Strom verteilten. Jim stieß einen kräftigen Fluch aus.

„Das ist noch gar nichts“, sagte Matt triumphierend. „Ich hab erst angefangen.“ Nach und nach holte er die ganze Beute aus seinen Taschen. Viele der Diamanten waren in Waschleder eingewickelt. Sie waren größer als die ersten, die er auf den Tisch gestreut hatte. Aus einer Tasche zog Matt eine Handvoll sehr kleiner, hübscher Edelsteine hervor.

„Sonnenstaub“, bemerkte er, während er sie, abseits der anderen Diamanten, auf den Tisch gleiten ließ.

Jim sah sich die Edelsteine genauer an.

„Die werden für ein paar Dollar das Stück gehandelt“, sagte er. „Ist das alles?“

„Reicht dir das nicht?“, fragte Matt in einem aggressiven Tonfall.

„Doch natürlich“, meinte Jim. „Besser als ich erwartet hatte. „Ich würde sie alle zusammen für keinen Cent weniger hergeben, als für zehntausend.“

„Zehntausend“, spottete Matt. „Die sind doppolt so viel wert. Da bin ich mir sicher und ich weiß überhaupt nichts über Diamanten. Sieh dir diesen fetten Kerl da an.“

Er holte einen Diamanten aus den glänzenden Haufen und hielt ihn dicht an die Lampe, wobei er ihn wie ein Experte wog und genauestens betrachtete.

„Der alleine ist schon tausend Dollar wert“, beurteilte Jim den Diamanten schnell, um seinem Kumpel zuvorzukommen.

„Eintausend? Bei deiner Großmutter vielleicht“, erwiderte Matt voller Hohn. „Selbst für dreitausend bekommst du den nirgends.“

„Weck mich. Ich träume.“ Der Glanz der Edelsteine funkelte in Jims Augen, und er bgann damit, die größeren Diamanten auszusortieren und sich genauer anzusehen. „Wir sind reich, Matt, wir werden richige Bonzen sein.“

„Ich werde Jahre brauchen, um sie an den Mann zu bringen“, war Matts eher pragmatische Sichtweise.

„Aber überleg doch mal. Unser Leben. Wir werden nichts zu tun haben als Geld auszugeben und die Dinger an den Mann zu bringen.“

Matts Augen begannen düster zu funkeln, als seine an sich phlegmatische Natur langsam zum Leben erwachte.

„Ich hab dir ja gesagt, dass ich nicht im Entferntesten daran gedacht hab, wie fett die Beute sein würde“, mumelte er.

„Was für ein Fang. Was für ein Fang“, stieß Jim ekstatisch hervor.

„Fast hätte ich die vergessen“, sagte Matt und griff mit der Hand in die Innentasche seines Mantels. Er holte einige große Perlen hervor, die in Seidenpapier und Waschleder eingewickelt waren. Jim sah sie sich nicht einmal genauer an.

„Die sind einiges wert“, sagte er und widmete sich wieder den Diamanten.

Die beiden Männer schwiegen. Jim spielte mit den Edelsteinen. Er ließ sie durch seine Finger rinnen, sortierte sie zu kleinen Haufen und verstreute sie dann wieder über dem Tisch.

---ENDE DER LESEPROBE---