Der Yoga-Effekt - Svenja Borchers - E-Book
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Der Yoga-Effekt E-Book

Svenja Borchers

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  • Herausgeber: Irisiana
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Yoga neu gedacht

Körper und Geist sind eng miteinander verbunden. Die moderne Neurowissenschaft stützt diese Auffassung mit ihren neuesten Erkenntnissen aufs Eindrücklichste. Studien belegen, dass insbesondere Bewegung einen enormen Einfluss auf die Vernetzung der verschiedenen Hirnareale hat. Svenja Borchers, Neurowissenschaftlerin und Yogalehrerin, geht sogar noch weiter: In ihrem Buch stellt sie nicht nur die wissenschaftlichen Grundlagen, sondern auch praktische Übungen aus dem Yoga vor, die unser Gehirn buchstäblich klüger, resilienter und flexibler machen. Denn die erstaunlichen Wechselwirkungen von Körper und Gehirn können wir laut Svenja Borchers nutzen, um unsere Yogapraxis, unseren Alltag und unser Körperbewusstsein positiv zu beeinflussen.

  • Einzigartiges Konzept mit ausführlich bebildertem Neuro-Übungsprogramm
  • Gelassener und klüger durch die gezielt genutzte Wechselwirkung zwischen Gehirn und Körper
  • Die Autorin Dr. Svenja Borchers ist Neurowissenschaftlerin, Yogalehrerin und Instagram-Influencerin

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 250

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DR. SVENJA BORCHERS

Für die achtsame Vernetzung von Körper, Gehirn und Geist

Inhalt

Let’s talk Business – hier und jetzt

Was ist die Aufgabe unseres Gehirns?

Über das Herantasten und die ersten Schritte

Das Input-Output-Modell

Unser CEO

Das zentrale Nervensystem

Vom Gehirn in den Körper

In Balance: Sympathikus und Parasympathikus

Wie der CEO kommuniziert

Wie Signale übertragen werden

Wie aus elektrischer Aktivität Bewegung wird

Was den CEO glücklich macht und was ihn stresst

Verbindungen machen den Unterschied

Eindeutigkeit und Zuverlässigkeit sind gute Eigenschaften

Über Flow und Balance

Wahrnehmung und Bewegung

Neuronale Regelkreise und ihre Bedeutung

Über unsere Sinne

Die Welt im Innen und Außen

Multisensorische Wahrnehmung

Der bewegte Mensch

Der kleine Mensch in unserem Gehirn

Das Gehirn in Bewegung

Das Rückenmark in Bewegung

Was im Gehirn beim Lernen geschieht

Die Bedeutung von Fehlern und Kontext

Veränderungen im Gehirn durch Lernen

Leichter lernen durch multisensorische Informationen

Embodiment: Sitzen Emotionen im Körper?

Unsere Körperhaltung

Unser Körperbild

Embodiment und Emotionen

Yoga und unsere Anpassungsfähigkeit

Der Weg des Yoga

Bewegungsmuster und ihre Bedeutung für unseren Alltag

Die Körperhaltung verbessern

Wie du dein Gehirn mit Yoga fit hältst

Individuelles (Um-)Lernen

Wie Yoga das Gehirn verändert

Anpassungsfähigkeit kann man üben

Achtsamkeit, Atmung und Meditation

Achtsamkeit

Atembewusstsein und -training

Meditation

Bleib aktiv

Yoga hält dich gesund

Das eigene Körperbild verfeinern

Achtsame Instruktionen

Du hast es in der Hand

Du bist dein eigener CEO

Glossar

Leseliste und Links

Referenzen

Impressum

Let’s talk Business – hier und jetzt

Die meisten von uns haben eine Idee davon, wie ein Unternehmen funktioniert: Es gibt einen Geschäftsführer, den sogenannten CEO, der sicherstellt, dass die Mitarbeiter optimal ihrer Arbeit nachgehen können. Der CEO kümmert sich darum, dass das Unternehmen nicht zu viel Energie verschenkt. Er schützt das Unternehmen vor äußeren Einflüssen und passt die strategische Richtung an, wenn es darum geht, das Überleben des Unternehmens zu sichern.

Nun fragst du dich sicher, warum wir hier über ein Wirtschaftsunternehmen sprechen, obwohl es in diesem Buch um Yoga und das Gehirn geht? Der CEO ist eine Analogie zu unserem Gehirn. Wie meist bei Analogien, so ist auch hier das Bild stark vereinfacht. Es soll verdeutlichen, warum es Sinn macht, über den »Kopf« des Unternehmens nachzudenken. Schließlich bestimmt der CEO, wie das buchstäbliche »Ganze« funktioniert. Wenn wir ein Bewusstsein dafür entwickeln, wie der CEO wahrnimmt, bewertet und Entscheidungen trifft, können wir mit ihm zusammen am gemeinsamen Erfolg arbeiten. Schauen wir uns ausschließlich die Mitarbeiter an, um im Bild zu bleiben, also unseren restlichen Körper, machen wir es uns selbst schwer, zu verstehen, was das Unternehmen wirklich antreibt.

Wir sind das Netzwerk

Wenn alle Mitarbeiter des Unternehmens durcheinanderreden, findet man keine sinnvolle Lösung. Ähnlich sieht es in unserem Kopf aus: Ein ganzer Chor an Stimmen – Erfahrungen, Pläne, Ängste und Sorgen – verwirrt unseren Geist. Zumeist praktizieren wir Yoga, um mit uns selbst in Kontakt zu kommen, die Verbindung mit unserem Körper zu spüren – vielleicht auch, um das Gedankenkreisen zur Ruhe zu bringen. Einer der bekanntesten Grundlagentexte des Yoga ist das Yoga-Sutra von Patanjali. Trotz seines Alters von rund 2000 Jahren ist es in seinen Aussagen zeitlos: Nach Patanjali wird Yoga als »das Zur-Ruhe-Bringen der Aktivitäten im Geist« definiert – »yogas citta vritti nirodhah«. Obwohl es demnach also um unser mentales Wohl geht, finden die meisten Menschen in unserer heutigen Zeit den Zugang zum Yoga eher durch die körperliche Praxis.

Genau darum geht es in diesem Buch: Körper und Geist sind nicht voneinander unabhängig denkbar. In den Neurowissenschaften beschreiben wir den Geist als Summe aller Wahrnehmungen und Denkprozesse oder als »Kognition« (von lateinisch cognoscere: erkennen, erfahren). Dieser Begriff bezieht sich auf Fähigkeiten wie das Wahrnehmen, Lernen, Sprechen, Denken, Planen und Problemlösen.

Dass Körper und Geist sich zu jeder Zeit gegenseitig beeinflussen, können wir durch Yoga erfahren und zum Positiven nutzen. Stellen wir uns verdeutlichend einen Menschen vor, der in Traurigkeit und Niedergeschlagenheit verharrt: Sein gesenkter Kopf, seine gebeugte Haltung und seine hängenden Schultern verursachen in uns selbst einen Eindruck der gleichen Traurigkeit. Zugleich verändert sich unser Atem, indem er flacher wird. Dieses Prinzip der Verknüpfung von Geist, Körper und Atem nennt sich Embodiment. Es wirkt in beide Richtungen: Eine aufrechte Körperhaltung hat positive Effekte auf unsere Kognition und unsere Emotionen.

Da Körper und Geist so eng vernetzt sind, wird klarer, warum es uns gelingen kann, durch Fokussierung auf unseren Körper unsere Gedanken zur Ruhe zu bringen und den Zugang zu uns selbst zu finden in einer Welt, in der wir permanent einem hohen Druck äußerer Reize ausgesetzt sind. Um zu verstehen, wie wir uns das Wissen über unser Gehirn in unserer Yogapraxis und in unserem Alltag zunutze machen können, beginnen wir im ersten Kapitel, zu betrachten, wie unser Gehirn aufgebaut ist und wie es funktioniert.

Bewegung braucht Gehirn braucht Bewegung

Im zweiten Kapitel beschäftigen wir uns mit einer der zentralen Aufgaben unseres Gehirns: der Bewegung. Wann immer wir uns bewegen, ist unser Nervensystem involviert und wird aktiviert. Es steuert, wie wir uns bewegen und wohin. Diese Aussage erscheint trivial, übersteigt aber rasch den Horizont unserer Alltagserfahrungen, wenn wir einbeziehen, dass Bewegung auch unser Gehirn beeinflusst – und das durchaus auf einer biologischen beziehungsweise auch anatomischen Ebene.

Neurowissenschaftler haben mit vielfältigen Ansätzen zeigen können, dass unser Gehirn seine Struktur auf mikroskopischer und biochemischer Ebene verändert, wenn wir uns bewegen – insbesondere dann, wenn wir dies bewusst und regelmäßig tun. Indem wir uns bewegen, liefern wir unserem Gehirn neue Informationen von außen: Die Umgebung ändert sich, wir sehen neue Dinge, hören andere Geräusche. So entsteht ein anhaltender Fluss aus Wahrnehmung, Anpassung und Bewegung. Alle Signale, die das Gehirn erhält, werden integriert, um Entscheidungen zu treffen; manche davon sind wichtiger als andere. Die höchste Priorität unseres Gehirns ist es, uns vor echten und manchmal auch vermeintlichen Gefahren zu schützen, um unsere Integrität zu sichern. Wenn wir dies verstehen, dann schaffen wir eine neue Perspektive auf uns selbst. Es gibt ein einfaches, verständliches Modell, das diese Zusammenhänge veranschaulicht: Unser Nervensystem ist wie ein Mobile. Bringt man es an einem Ende zum Schwingen, so schwingt es als Ganzes und erzeugt an anderer Stelle Bewegung.

Durch Bewegung bieten wir unserem Gehirn positiven Anreiz. Fehlt dieser, so bleibt dies nicht ohne negative Folgen, denn es ist Teil unserer Natur, nicht Genutztes abzubauen. Es liegt an uns, unser Gehirn fit zu halten, indem wir seinen Hunger nach Informationen stillen. Die Bewegung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Die Yoga-Asana-Praxis, also die körperlichen Übungen, stillen diesen Hunger und verhindern zugleich Überreizung. Mehr noch: Yoga gleicht durch Fokussierung die negativen Folgen der Überreizung aus.

Körper und Geist – das unschlagbare Team

In den meisten Yoga- und Fitnesstrainings wird die funktionelle Anatomie des Körpers gelehrt. Vom Gehirn wird in der Regel selten gesprochen. Im Grunde »existiert« unser Körper allerdings nur durch unser Gehirn: Seine Wahrnehmung und das Bewusstsein, dass wir überhaupt einen Körper haben, die Möglichkeit, ihn zu bewegen und auch die Fähigkeit, zu lernen und unsere Bewegungs- und Denkmuster zu ändern – all das verdanken wir unserem Gehirn.

Mit diesem Hintergrundwissen können wir dann im dritten Kapitel die Zusammenhänge mit unserer Yogapraxis näher beleuchten. Wir verstehen, warum unsere Körperhaltung sich auf alle Ebenen unseres Seins auswirkt und wie wir lernen können, unseren »Monkey Mind« zu trainieren, die Gedanken zu fokussieren. Wenn wir unsere Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit trainieren, uns in unterschiedlicher Weise bewegen und kontinuierlich lernen, können wir unser Gehirn fit halten.

Dieses Buch ist kein klassischer Ratgeber. Es kann verlockend sein, sich auf der Suche nach einer gesünderen Lebensweise in Selbstoptimierung zu verlieren. Ständig stoßen wir auf Ratschläge, Werbung und Lebensweisheiten, die uns zu erklären versuchen, wie wir vieles noch besser machen und unser Leben optimieren können. Allerdings fehlt uns oft der Fokus nach innen und das Vertrauen auf den eigenen Weg, um mehr Zufriedenheit zu finden. Die Verbindung zum eigenen Körper hilft nicht nur, uns geerdet zu fühlen, sondern auch, uns als Gestalter des eigenen Lebens zu verstehen. In diesem Sinne möchte ich dir in diesem Buch ein Verständnis über die spannenden Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Körper vermitteln, sodass du weißt, wie du dir dieses Wissen in deinem Alltag zunutze machen kannst. Übungsanregungen sollen dir helfen, deine eigenen mentalen und körperlichen Muster besser zu verstehen. Die neurowissenschaftlichen Hintergründe werden anschaulich erklärt und du erfährst, warum Yoga, Bewegung und Meditation auf so unterschiedlichen Ebenen auf unseren Körper und Geist wirken.

Ein Hinweis zum Lesen des Buches: Es empfiehlt sich, das Buch von vorne nach hinten zu lesen, da die Erklärungen aufeinander aufbauen. Als Nachschlagewerk kannst du auch in einzelne Abschnitte springen; du findest immer wieder Querverweise im Text. Im »Glossar« kannst du viele der speziell neurowissenschaftlichen Begriffe nachschlagen, die hier noch einmal kurz erklärt werden. Diese Fachausdrücke sind im Buch kursiv gedruckt.

In einigen Kapiteln findest du spezielle Kästen, um bestimmte Sachverhalte aus der Sicht der Neurologie zu vertiefen oder aus anderer Sicht zu erklären. Diese Kästen wurden von meinem Ehemann, Dr. Christian Borchers, verfasst. Er ist Neurologe und überzeugt davon, dass Yoga für viele Symptome und Probleme auf neurologischem Gebiet und darüber hinaus hilfreich sein kann.

Abschließend ein Wort zum Gendern: Der Einfachheit halber und um den Lesefluss nicht zu stören, habe ich mich entschieden, die männliche Form der jeweiligen Bezeichnungen zu wählen. Die Frauen sind selbstverständlich von Herzen miteingeschlossen.

Was ist die Aufgabe unseres Gehirns?

Über das Herantasten und die ersten Schritte

Alles, was uns als Menschen ausmacht, nämlich die Fähigkeit, die Welt wahrzunehmen, uns individuell zu entwickeln, entsprechend unseren Intentionen zu handeln und emotionale Verbindungen aufzubauen und vieles mehr, ist auf Aktivitäten unseres Gehirns zurückzuführen. Dennoch kann das Gehirn nicht losgelöst von »seinem« Körper begriffen werden: Durch unseren Körper nehmen wir wahr und äußern uns. Unser Körper ermöglicht es, uns fortzubewegen und in der Form zu wirken, wie unser Gehirn es vorgibt. Gehirn und Körper bilden also eine sich gegenseitig beeinflussende Einheit.

Das Input-Output-Modell

Zum grundlegenden Verständnis der Funktionsweise des Gehirns kann uns ein einfaches Modell dienen (siehe Abbildung): Über unsere Sinnesorgane nehmen wir äußere Reize wahr. Aus unserem Körper bekommen wir zusätzlich innere Reize; das können zum Beispiel Meldungen über die Stellung der Gelenke oder über den Dehnungszustand der Blase sein. Beides zusammen, die inneren und äußeren Reize, bilden die Eingangssignale (Input) unseres Gehirns. Einige dieser Eingangssignale nehmen wir bewusst wahr, andere nicht. Sie werden im Gehirn interpretiert und bewertet. Auf dieser Basis werden Entscheidungen getroffen. Als Ergebnis bildet das Gehirn ein Ausgangssignal (Output). Diese Ausgangssignale resultieren häufig in Bewegung. Dabei kann es sich um Augen- oder Kopfbewegung, Fortbewegung des gesamten Körpers oder auch um Sprache oder Mimik handeln. Bewegung ist unsere Möglichkeit, uns mitzuteilen, mit der Welt zu interagieren und natürlich auch, uns in Sicherheit zu bringen. Aus diesem Schema wird offensichtlich, warum die Bewegung eine so große Rolle in unserem Leben spielt und warum unser Gehirn für die Bewegung gemacht ist.

Ein kleiner Exkurs über ein besonders spannendes Tier veranschaulicht diesen Aspekt in extremer Weise: Die Seescheide ist ein Manteltier, das auf dem Meeresboden lebt. Im Larvenstadium bildet sie ein Gehirn aus. Dieses benötigt sie, um sich zu bewegen und zu orientieren. Sie sucht sich einen Platz, an dem sie den Rest ihres Lebens bleiben wird. Sobald sie dort angekommen ist, bildet sich ihr Gehirn zurück, denn es wird praktisch nicht mehr benötigt und die Energie kann eingespart werden. Auch wenn dies sicherlich ein sehr extremes Beispiel ist, veranschaulicht es doch, dass unser Gehirn einen bestimmten Nutzen hat. Und dieser ist die Bewegung.

Nun ist klar, dass wir Menschen einen weitaus komplexeren Organismus haben als das Manteltier. Dennoch gibt es auch bei uns Menschen Beispiele, die zeigen, dass ein intakter Bewegungsapparat bis ins hohe Alter dazu beiträgt, auch das Gehirn fitter zu halten. Ältere Menschen, deren Mobilität weit eingeschränkt ist, verlieren schneller ihre Autonomie und kognitive Leistungsfähigkeit als Menschen, die sich bis ins hohe Lebensalter fit und beweglich halten. Natürlich gibt es dabei viele weitere Einflüsse. Im Allgemeinen bestätigen aber Studien den Effekt, dass ein aktiverer Lebensstil wie auch regelmäßige sportliche Betätigung positiv mit besserer kognitiver Leistung korrelieren. Diese Effekte wirken sich sowohl direkt als auch präventiv auf das höhere Lebensalter aus.

Wie und wo wir uns bewegen und wie wir mit der Umgebung interagieren, hat einen Einfluss darauf, was wir wahrnehmen und lernen. Das bedeutet, dass das Input-Output-Modell nicht nur eine Wirkrichtung kennt, sondern einen Kreislauf bildet. Unser Gehirn ist nicht losgelöst von der Umgebung und ihren Reizen vorstellbar. Was es uns jedoch als Realität widerspiegelt, ist das Ergebnis komplexer Verarbeitungsprozesse, die unsere Wahrnehmung der Umgebung durchaus verzerren kann. Das Gehirn selbst beeinflusst nämlich auch, was wir tatsächlich wahrnehmen und wessen wir uns dann bewusst werden.

Aufmerksamkeit lenkt unsere Wahrnehmung

Verständlich wird das anhand eines bekannten Beispiels. Sogenannte Kippbilder enthalten auf einem Bild zwei sich überlagernde Abbildungen, die geschickt miteinander verwoben sind. Unser Gehirn erlaubt uns allerdings, immer nur eine dieser Abbildungen wahrzunehmen, nicht beide gleichzeitig. Die Abbildung unten zeigt eine solche Überlagerung: Wir erkennen entweder zwei Gesichter oder eine Vase, aber niemals beide Objekte im gleichen Moment. Sofern wir die Abbildungen erstmals erkannt haben, können wir zwischen diesen Eindrücken bewusst wechseln. Das tatsächliche Bild oder Objekt bleibt dabei immer gleich. Alles, was sich ändert, ist unsere Wahrnehmung. Wie kann das sein?

Das Geheimnis dahinter ist unsere Aufmerksamkeit: Sie lenkt unsere Wahrnehmung auf das, was unser Gehirn im Moment als wichtig identifiziert. In ähnlicher Weise nutzen wir auch in der Yogapraxis bewusst die Lenkung unserer Aufmerksamkeit.

Top-down und Bottom-up

Unsere Wahrnehmung ist also ein Ergebnis der Verarbeitung der Reize durch unser Gehirn und damit kein exaktes Abbild der tatsächlichen Realität. Wenn die Aufmerksamkeit den Fokus der Wahrnehmung oder auch die Interpretation der Reize lenkt, nennen wir diese Verarbeitung Top-down. Das bedeutet, dass das Gehirn selbst beeinflusst, wie die Verarbeitung der Reize geschieht. In dem Kippbild-Beispiel oben ist die wechselnde Wahrnehmung zwischen Gesichtern und Vase auf die Top-down-Beeinflussung unserer Aufmerksamkeit zurückzuführen. Die umgekehrte Richtung der Wahrnehmung und Aufmerksamkeitslenkung nennt sich entsprechend Bottom-up. Hiermit ist die Verarbeitung von Reizen gemeint, die ohne Beeinflussung der Erwartung und Aufmerksamkeitslenkung geschieht. Intensive Farben oder Helligkeiten zum Beispiel können unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen und diese daher Bottom-up lenken. Im Alltag erleben wir das auch, wenn ein Licht flackert oder ein auffälliges, lautes Geräusch erklingt.

Je mehr Erfahrungen wir sammeln, desto wahrscheinlicher wird es, dass das Gehirn seine gelernten Informationen nutzt, um die Aufmerksamkeit entsprechend zu lenken. Die Top-down-Verarbeitung beeinflusst unsere Wahrnehmung zu einem großen Teil. Wir müssen daher stets davon ausgehen, dass das, was wir bewusst wahrnehmen, nur ein Ausschnitt der tatsächlichen Realität ist. Dies hat auch einen Sinn: Aus der Menge an Informationen, die um uns herum und auch in unserem Körper wahrgenommen werden können, muss selektiert werden. Täten wir dies in jeder Situation bewusst, wären wir nicht nur völlig überfordert, sondern wir würden uns auf nichts wirklich fokussieren können.

Integrität hat oberste Priorität

Evolutionär betrachtet, ist die Schnelligkeit der Verarbeitung und daher auch die Fokussierung in Gefahrensituationen unverzichtbar. Unsere Integrität zu sichern, ist die primäre Aufgabe unseres Gehirns. Dabei spielen Emotionen wie Angst eine große Rolle. Das Gefühl der Angst funktioniert wie eine Vorwarnung, wenn Situationen vom Gehirn nicht als ungefährlich oder bekannt eingeschätzt werden können. Dies kann berechtigt sein oder auch nicht und beruht auf der Interpretation des Gehirns. Durch spezielle Botenstoffe signalisiert das Gehirn dem Körper diese Ungewissheit. Dort macht sich das beispielsweise durch einen schnellen Herzschlag, weiche Knie oder Schweiß auf der Stirn bemerkbar. Diese Reaktionen nehmen wir als innere Reize je nach Intensität bewusst wahr. Angst wiederum kann sich auch darauf auswirken, worauf wir unsere Aufmerksamkeit legen und damit das von der Angst geleitete Verhalten verstärken.

Aus diesem Beispiel der Aufmerksamkeitslenkung sollte deutlich werden, dass das Input-Output-Modell stark vereinfacht ist. Informationsverarbeitung in unserem Gehirn, deren Beeinflussung und wie sich diese wiederum auf unser Verhalten auswirkt, ist noch weitaus komplexer. Dennoch ist dieses Modell sehr nützlich und soll uns weiter zu Erklärungszwecken begleiten.

Unser CEO

Kommen wir zurück zum Modell des CEO, das uns in der Betrachtung des Gehirns weiter begleiten soll: Der Begriff »CEO« steht für »Chief Executive Officer« und wird in unserem Beispiel mit dem Geschäftsführer oder Vorstand eines größeren Unternehmens verglichen, denn die Komplexität unseres zentralen Nervensystems kann mindestens mit derjenigen eines großen Unternehmens mithalten. Der CEO ist nicht nur die Schaltstelle und die Funktion, an der alles im Unternehmen zusammenläuft, sondern er trifft auch die wichtigen Entscheidungen und setzt Prioritäten, um das Überleben des Unternehmens zu sichern und es für die Zukunft optimal auszurichten. Er trägt die Gesamtverantwortung, bewertet potenzielle Gefahren und entwickelt Strategien, um sich und das Unternehmen zu schützen. Seine Aufgabe ist es, die Leistung ständig zu verbessern und Standardaufgaben möglichst effizient zu gestalten. Der CEO kann allerdings ohne sein Team nicht viel unternehmen; er braucht seine Mitarbeiter, die weitere unterstützende Funktionen übernehmen und verantworten.

Effizienz und Sicherheit

Was heißt das nun übertragen auf das Gehirn? Die wohl wichtigste Aufgabe unseres Gehirns ist es, unser Überleben zu sichern. In Millisekunden wird unterbewusst analysiert, ob das, was wir wahrnehmen, uns in Gefahr bringen könnte. Reize aus dem Körper und von der Außenwelt werden bewertet, und es wird entschieden, wie und ob darauf reagiert wird. Ist etwas für die Zukunft wichtig, so wird es langfristig im Gedächtnis gespeichert. Kann etwas nicht eindeutig interpretiert werden, so wird es als potenzielle Bedrohung gesehen. So wie der CEO seine Mitarbeiter braucht, so braucht das Gehirn Funktionen »seines« Körpers, um handlungsfähig zu sein. Innerhalb des Körpers wiederum müssen gewisse Abläufe eingespielt sein: Wenn das Gehirn sich um alle Details kümmern müsste, so fehlte ihm die Kapazität, sich mit den wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen. Sich wiederholende Abläufe werden zu festen Mustern. Selten oder nicht mehr gebrauchte Abläufe werden gestrichen. Denn um zu überleben, muss Energie effizient genutzt werden. In einem Unternehmen würde man beispielsweise schauen, ob man seine Mitarbeiter richtig eingesetzt hat und sie gegebenenfalls eher in anderen, aktuell wichtigeren Bereichen benötigt. Sofern keine Gefahren lauern, ist es sinnvoll, Energie auch darauf zu verwenden, sich selbst zu optimieren und die Leistung zu verbessern. Wenn Fehler erkannt werden, bedeutet das, dass die Aufmerksamkeit auf diesen Bereich gerichtet wird und sich etwas ändern muss. Dies erlaubt dem Gehirn, Verbindungen anzupassen und zu lernen. Andere Wege auszutesten, bedeutet immer auch, mehr Energie einzusetzen und ein Risiko einzugehen; daher sollte dies immer gut überlegt sein.

Mit dieser Parallele zwischen CEO und Gehirn bekommt die Aussage »Der Fisch stinkt vom Kopf« eine ganz neue Bedeutung: Wenn wir etwas ändern wollen, sollten wir nicht vergessen, mit dem Chef zu sprechen – unserem Gehirn. Wenn wir in unserem Leben etwas verändern wollen – seien es Bewegungs- oder Verhaltensabläufe durch Yoga oder andere Wege –, macht es immer Sinn, zuerst zu verstehen, wie unser Gehirn eigentlich funktioniert. Natürlich können wir unseren Körper bewegen und trainieren, ohne dass dies vorher mit dem CEO abgestimmt ist. Wenn wir aber den CEO besser kennen und mit ihm an einem Strang ziehen, dann sind wir nicht nur effizienter, sondern es profitieren alle davon: Körper, Geist und Seele.

Lass uns also einen genaueren Blick auf unser Gehirn werfen.

Das zentrale Nervensystem

Wie würde ein CEO sein Unternehmen vorstellen? Vielleicht würde er die Geschäftsfelder, die Anzahl der Mitarbeiter und das Organigramm erklären. Versuchen wir es im Folgenden so ähnlich: Das Gehirn ist 1,3 bis 1,5 Kilogramm schwer und hat etwa 100 Milliarden Nervenzellen. Zu den Nervenzellen kommt eine mindestens ebenso große Zahl von Zellen, die sehr vielfältige Aufgaben erfüllen. Man nennt sie Stütz- oder Gliazellen. Für einen groben Überblick teilen wir das zentrale Nervensystem in vier große Bereiche: Großhirn, Kleinhirn, Hirnstamm und Rückenmark. Schauen wir uns diese nun etwas genauer an.

Das Großhirn

Das Großhirn ist der evolutionär neuere Teil des Gehirns. Seine Windungen und Furchen verleihen der Hirnoberfläche ihr typisches Aussehen. Sie dienen dazu, die Oberfläche des Gehirns, die Hirnrinde, zu vergrößern. Die Zellkörper der Nervenzellen liegen in der Hirnrinde und werden als graue Substanz bezeichnet. Ihre Verbindungen, die Nervenfasern laufen über die tiefer liegenden Schichten, die sogenannte weiße Substanz (siehe Abbildung). In diese sind einzelne Haufen von Nervenzellen eingebettet. Einen solchen »Haufen« nennt man anatomisch Ganglion. Da sie an der Basis des Gehirns liegen, sprechen wir von »Basalganglien«.

Das Großhirn – und insbesondere seine Rinde – werden meist mit unseren höheren geistigen oder »kognitiven« Funktionen assoziiert. Es ist der Bereich des Gehirns, in dem Gedanken und Wahrnehmungen verarbeitet werden. Hier entstehen neben vielen anderen Funktionen unsere Sprache und auch unsere Bewegungen. Es werden Erinnerungen gespeichert und Entscheidungen getroffen. Das Großhirn beeinflusst, wohin die Aufmerksamkeit gerichtet wird, und somit auch, was bewusst wahrgenommen werden kann. Und natürlich wird hier auch reflektiert und aus Erfahrung gelernt.

Das Großhirn besteht aus zwei Hälften (Hemisphären genannt), die über den Balken miteinander verbunden sind. Die Hemisphären sind zwar weitgehend symmetrisch aufgebaut, bilden aber funktional unterschiedliche Schwerpunkte aus. Für die Wahrnehmung und Steuerung der linken Körperhälfte ist die rechte Hemisphäre zuständig und für die rechte Körperhälfte ist es die linke Hemisphäre. Das Großhirn wird oft in vier sogenannte Lappen eingeteilt (siehe nachfolgende Abbildung), die durch prominentere Furchen voneinander getrennt sind:

Direkt hinter der Stirn liegt der Stirn- oder Frontallappen: Er umfasst den motorischen Kortex und den sogenannten präfrontalen Kortex. Der präfrontale Kortex wird auch als der »menschlichste« Teil des Gehirns angesehen, da er im Vergleich zu anderen Spezies in der Relation zur Gesamtgröße des Gehirns maximal ausgedehnt ist (Anteil von 29 Prozent beim Menschen, 11,5 Prozent beim Primaten und 3,5 Prozent bei Katzen). Das Frontalhirn ist im Rahmen von neuronalen Netzwerken eng mit anderen Hirnstrukturen verbunden. Speziell ist es für Funktionen wie Aufmerksamkeitslenkung, Hemmung und Unterdrückung von Verhalten sowie Abruf von Gedächtnisinhalten bekannt. Weitere integrative Funktionen sind die Handlungsplanung und -durchführung unter Berücksichtigung von Motivation, Emotion sowie Situations- und Kontextinformationen. Mit hinreichender Genauigkeit kann man den Frontallappen als Hort unserer Persönlichkeit beschreiben.Parietallappen: Dieser Bereich des Gehirns wird auch Scheitellappen genannt, denn er befindet sich im hinteren oberen Teil des Großhirns. Der Parietallappen enthält den somatosensorischen Kortex und ist beteiligt an jeglichen räumlichen Funktionen. Er integriert dabei Informationen von den Augen, vom eigenen Körper und jeglicher Wahrnehmung des Raums. Die Koordination von Bewegungen wird hier verarbeitet sowie die Benutzung von Werkzeugen und Manipulation von Objekten. Dieser Bereich ist sowohl essenziell für die Beobachtung als auch für die Planung und Ausführung von zielgerichteten Bewegungen.Okzipitallappen: Dieser Bereich des Gehirns wird oft auch Sehrinde oder visueller Kortex genannt, denn er verarbeitet im Wesentlichen die visuellen Signale, die über die Sehbahn von den Augen kommen. Dieser Lappen sitzt am hinteren Teil des Gehirns, also am Hinterkopf. Im rechten Okzipitallappen werden die Signale des linken Gesichtsfeldes verarbeitet und im linken Okzipitallappen die Signale des rechten Gesichtsfeldes. Ja, wir sehen tatsächlich mit dem Hinterkopf! Von der Sehrinde aus werden die visuellen Signale weiterverarbeitet. Über den sogenannten Wo-Pfad (siehe Abbildung) gelangen sie in Richtung des parietalen Kortex. Hier werden sie räumlich verarbeitet. Über den Was-Pfad gelangen die visuellen Signale in Richtung des Temporallappens, wo ihnen Bedeutung zugeordnet wird, wie zum Beispiel die Erkennung von Gesichtern, Bildern oder auch Schrift.Temporallappen: Der sogenannte Schläfenlappen bildet den seitlichen unteren Teil des Gehirns. Er enthält den auditiven Kortex, der das Hören verarbeitet, sowie das Wernicke-Sprachzentrum, das für das Sprachverständnis eine große Rolle spielt. Allgemein gesprochen liegt hier vieles verborgen, das mit der Verbindung aus äußeren Reizen und deren gespeicherter Bedeutung zu tun hat, wie zum Beispiel auch die Objekt- und Gesichtserkennung. So wird die enge anatomische Beziehung zu neuronalen Strukturen erklärbar, die im weitesten Sinne dem Gedächtnis zuzuordnen sind. Man findet diese Strukturen in tiefer liegenden Anteilen des Schläfenlappens, die eher der Hirnbasis zur Mitte des Kopfes hin zugewandt sind. Diesen besonders faszinierenden Anteil der Hirnrinde nennen wir Hippocampus.Innere Strukturen des Großhirns (siehe Abbildung): In der Tiefe des Gehirns finden wir zum Teil von der äußeren Hirnrinde unabhängige Gruppen von Nervenzellen, die sich im Laufe der Evolution zu funktionellen Einheiten zusammengeschlossen haben:Thalamus: Der Thalamus bildet das sogenannte Zwischenhirn. Er sitzt wie ein großer Kern in der Mitte des Großhirns und hat starke Verbindungen zur gesamten Großhirnrinde. Der Thalamus wird oft als Tor zum Bewusstsein beschrieben, da viele der sensorischen Signale zunächst über den Thalamus und dann weiter in andere kortikale Gebiete (auf die Hirnrinde) projiziert werden. Seine ausgedehnten Verbindungen zur Hirnrinde und anderen, tiefer gelegenen neuronalen Strukturen machen ihn zu einer Art Relais mit vielfältigen Funktionen in der Motorik, aber auch im Emotionalen und im Zusammenhang mit der Bildung unseres Bewusstseins. Diese Funktionen sind bis heute nur oberflächlich verstanden.Das limbische System mit der Amygdala, dem Hippocampus und dem cingulären Kortex: Das limbische System fasst mehrere Strukturen des Gehirns zu einer funktionalen Einheit zusammen, die für die Verarbeitung von Emotionen stehen, unter anderem im Zusammenhang mit Gedächtnisfunktionen.Hypothalamus: Im Zusammenwirken mit der Hirnanhangsdrüse regelt der Hypothalamus über Hormone vegetative Funktionen des Körpers. Er ist sehr wichtig für die Aufrechterhaltung von Körpertemperatur, Blutdruck, Schlaf-wach-Rhythmus und weiteren lebenswichtigen Funktionen.Basalganglien: Diese umfassen mehrere Kerne, die an der Modulation motorischer sowie auch höher-kognitiver Handlungsmuster beteiligt sind (siehe Abbildung ). Sie sind vor allem für die Hemmung unerwünschter Aktivierung bedeutsam und stellen eine Art Regelkreislauf dar. Sie spielen eine Rolle für Spontaneität, Affekt (vorübergehende Gefühlsregung), Antrieb, planerisches Denken und Motorik.Inselrinde: Die Inselrinde wird auch Inselkortex genannt, ist Teil der Großhirnrinde, aber liegt verdeckt unter einem Teil des Frontal-, Parietal- und Temporallappens (siehe Abbildung). Die funktionellen Aufgaben dieses Bereichs sind noch nicht vollständig geklärt. Da sie aber Verknüpfungen zu vielen anderen Arealen aufweist, nimmt diese Region eine besondere Stellung ein und es wird vermutet, dass sie auch in der emotionalen Bewertung von Schmerz involviert ist. Hierauf gehen wir später noch einmal ein.

Das Kleinhirn

Das Kleinhirn (anatomisch: Cerebellum) liegt in der hinteren Schädelgrube und macht nur zehn Prozent der Gesamtgröße des Gehirns aus (siehe Abbildung oben). Dennoch sitzen hier etwa 80 Prozent der Nervenzellen. Dies sagt uns, dass hier einiges passiert. Das Kleinhirn integriert eine große Menge von Signalen aus dem Körper und aus der Hirnrinde, verarbeitet diese und sendet Ergebnisse aus dieser Integration wieder zurück oder gibt sie direkt an die ausführenden »Organe«.

Es ist wesentlich für unser Gleichgewicht und unabdingbar für die Feinabstimmung unserer Bewegungen. So trivial uns unsere Bewegungssteuerung im Alltag oft vorkommt, so komplex ist die Feinabstimmung der Bewegungen auf sich gegebenenfalls bewegende Objekte. Im Bereich der künstlichen Intelligenz gelingt es zum Beispiel viel eher, einen sprechenden Roboter zu bauen, als einen, der sich natürlich wie ein Mensch bewegen und mit der Umwelt präzise interagieren kann. Zudem scheint das Kleinhirn auch eine Rolle beim Lernen, speziell beim Erlernen von Bewegungsabläufen, -koordination und auch bei der Konditionierung zu spielen.

Der Hirnstamm

Der Hirnstamm ist die Verbindung zwischen Großhirn, Kleinhirn und Rückenmark. Er reguliert alle lebenswichtigen Funktionen wie die Atmung, die Herzfrequenz und den Blutdruck. Überlebenswichtige Reflexe, wie der Schluck-, Husten-, und Lidschlussreflex, werden über den Hirnstamm gesteuert. Der Wachheitszustand sowie die Schlafphasen werden durch den Hirnstamm beeinflusst. Zusammen mit dem Hypothalamus steuert der Hirnstamm das vegetative Nervensystem und hat damit Einfluss auf zahlreiche Organe. Im mittleren Hirnstamm, im Bereich der sogenannten Brücke (Pons), überkreuzen aufsteigende Informationen aus dem Körper und absteigende Informationen aus dem Großhirn die Seiten, sodass die rechte Gehirnhälfte die linke Körperseite steuert und die linke Gehirnhälfte die rechte Körperseite.

Das Rückenmark

Das Rückenmark als Teil des zentralen Nervensystems ist die Verbindung zwischen Gehirn und peripherem Nervensystem (siehe Abbildung). Es liegt geschützt im Wirbelkanal innerhalb der Wirbelsäule. Beim erwachsenen Menschen endet das Rückenmark etwa in Höhe des zwölften Brustwirbel- bis zweiten Lendenwirbelkörpers. Es besteht ebenso wie das Gehirn aus grauer und weißer Substanz. Die graue Substanz besteht überwiegend aus Nervenzellkörpern und liegt im Inneren des Rückenmarks. Die weiße Substanz umschließt die graue Substanz – genau andersherum als im Gehirn.

Je Wirbelsäulensegment verlässt ein Spinalnervenpaar den Wirbelkanal und verbindet das periphere mit dem zentralen Nervensystem. Auch wenn das Rückenmark hauptsächlich als Übertragungsweg zwischen Peripherie und Gehirn dient, so hat es doch auch wichtige eigene Aufgaben, wenn es um die Steuerung der Muskelspannung (Muskeltonus) und um bestimmte Reflexe geht. Besonders bekannt ist der Kniesehnenreflex, der allein über das Rückenmark gesteuert wird. Bei diesem Reflex streckt sich das Knie, wenn die Kniescheibensehne durch Beklopfen, zum Beispiel mit einem Hämmerchen, gespannt wird. Dabei spannen sich die Muskeln an der Oberschenkelvorderseite an, während die Gegenspieler an der Rückseite entspannen.

Ebenfalls auf Ebene des Rückenmarks funktioniert die Hemmung sogenannter antagonistischer Muskeln. Um unsere Gelenke bewegen zu können, müssen Agonist und Antagonist aufeinander abgestimmt arbeiten: Wenn der Beugemuskel aktiv ist, zum Beispiel der Bizeps an der Vorderseite des Oberarms, um den Ellenbogen zu beugen, dann muss der Antagonist, also der Streckmuskel, der Trizeps an der Rückseite des Oberarms, entspannen. Wenn hingegen Streck- und Beugemuskel, oder Agonist und Antagonist, gleichzeitig aktiv sind, kann keine Bewegung entstehen. Genau diese feine, voneinander abhängige Aktivierung und Entspannung der Muskeln wird über das Rückenmark gesteuert.

Das zentrale und periphere Nervensystem (links) und der Aufbau des Rückenmarks (rechts)

Vom Gehirn in den Körper

Zum peripheren Nervensystem gehören alle Anteile des Nervensystems, die nicht im Gehirn oder Rückenmark liegen. Sie verbinden das zentrale Nervensystem mit der Körperperipherie. Es ist überwiegend kein selbstständiges System, wird aber durch die unterschiedliche Lage im Körper und seine Eigenschaften vom zentralen Nervensystem abgegrenzt. Abhängig davon, wo die peripheren Nerven das zentrale Nervensystem verlassen, ob im Gehirn oder Rückenmark, unterscheidet man zwischen den Hirnnerven und den Spinalnerven. Im menschlichen Körper gibt es zwölf Hirnnerven. Die meisten davon sind für den Hals- und Kopfbereich zuständig. Eine Ausnahme bildet der Vagusnerv, der bis in die Bauch- und Brustorgane reicht. Von den Spinalnerven, die das Rückenmark verlassen, haben wir 31 Nervenpaare, die jeweils die rechte und linke Körperseite versorgen.

Unser peripheres Nervensystem ist also essenziell für unsere Handlungsfähigkeit, denn es überträgt die Aktivität aus unserem zentralen Nervensystem zu unseren Muskeln und versorgt es mit Informationen.

Das periphere Nervensystem lässt sich vertiefend unterteilen in das somatische Nervensystem und das vegetative Nervensystem. Das somatische Nervensystem ist für die willentlich steuerbaren und unserem Bewusstsein zugänglichen Bewegungen von Körperteilen zuständig. Im Gegensatz dazu sind uns die Vorgänge des vegetativen Nervensystems zumeist nicht bewusst.

In Balance: Sympathikus und Parasympathikus