Der zerbrochne Krug (Textausgabe) - Heinrich von Kleist - E-Book

Der zerbrochne Krug (Textausgabe) E-Book

Heinrich Von Kleist

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Beschreibung

Die bewährten Hamburger Lesehefte + Königs Materialien in einem Band.

Das zeichnet die neue Reihe aus:

  • Die preisgünstigste Reihe im deutschsprachigen Raum!
  • Großes Format (DIN A5)
  • Lesefreundlicher Originaltext
  • Breite Randspalte mit kurzen Worterklärungen
  • Platz für eigene Notizen
  • Navigationsleiste zur besseren Orientierung
  • Biografie des Autors
  • Ausführlicher Wort- und Sacherklärungsteil
  • Umfangreiche Materialien, nach Themenbereichen gebündelt

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Seitenzahl: 169

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Text und Materialien

HEINRICH VON KLEIST

DER ZERBROCHNE KRUG

Ein Lustspiel

HAMBURGER LESEHEFTE PLUSKÖNIGS MATERIALIEN531. HEFT

Zur Textgestaltung Unsere Ausgabe des „Zerbrochnen Kruges“ ist hergestellt nach dem im 4. Band der zweiten Auflage der kritische Kleistausgabe des Bibliographischen Instituts, die Erich Schmidt im Verein mit Georg Minde-Pouet und Reinhold Steig herausgegeben hat, enthaltenen Text unter Benutzung der Erläuterungen im 4. Band der ersten Auflage, der außer den Erläuterungen die Lesarten und alle nötigen Angaben über die Textherstellung enthält. Der Text unserer Ausgabe wurde noch einmal anhand der von Helmut Sembdner im Carl Hanser Verlag, München, herausgegebenen Gesamtausgabe von Kleists Werken und Briefen, die einen aufgrund der Erstdrucke und Handschriften völlig revidierten Text enthält, überprüft und die Rechtschreibung behutsam den amtlichen Regeln angeglichen.

 

Analysiert und interpretiert (in anderer Szenenfolge) wird Der zerbrochne Krug in Königs Erläuterungen, Band 30, C. Bange Verlag.

 

1. Auflage 2023

 

Alle Drucke dieser Ausgabe und die der Hamburger Lesehefte sind untereinander unverändert und können im Unterricht nebeneinander genutzt werden.

 

Heftbearbeitung Text: F. Bruckner und K. Sternelle Heftbearbeitung Materialien: Carina Orf Umschlaggestaltung und Layout: Petra Michel Umschlagzeichnung: Ingeborg Strange-Friis

 

ISBN: 978-3-8044-2569-9PDF: 978-3-8044-6569-5EPUB: 978-3-8044-7569-4 © 2023 by C. Bange Verlag GmbH, Hollfeldwww.bange-verlag.de

 

ISBN: 978-3-87291-530-6PDF: 978-3-87291-707-2EPUB: 978-3-87291-807-9 © 2023 by Hamburger Lesehefte Verlag, Husumwww.hamburger-lesehefte.de

Hinweise zur Bedienung

Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.

 

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Die E-Books der Reihe Hamburger Lesehefte Plus verwenden entsprechend der jeweiligen Buchausgabe gegebenenfalls Sperrungen. Diese Textauszeichnung wird nicht von allen Readern unterstützt.

Das E-Book enthält in eckigen Klammern beigefügte Seitenzählungen, diese verweisen auf die Printausgabe des Werkes.

Versdramen weisen zusätzlich zur Seitenzählung eine Versnummerierung in entsprechender Höhe auf dem Rand aus.

Inhaltsverzeichnis

Text

Kleists Vorrede zum Zerbrochnen Krug

PERSONEN

ERSTER AUFTRITT

ZWEITER AUFTRITT

DRITTER AUFTRITT

VIERTER AUFTRITT

FÜNFTER AUFTRITT

SECHSTER AUFTRITT

SIEBENTER AUFTRITT

ACHTER AUFTRITT

NEUNTER AUFTRITT

ZEHNTER AUFTRITT

EILFTER AUFTRITT

ZWÖLFTER AUFTRITT

LETZTER AUFTRITT

VARIANT ZWÖLFTER AUFTRITT

Biografie

Wort- und Sacherklärungen

Materialien

Zugänge

Reform des deutschen Strafprozesses

Der zerbrochne Krug und Sophokles' Ödipus

Literatur- und zeitgeschichtlicher Hintergrund

Literatur um 1800: Klassik oder Romantik?

Kleist als „literarischer Klassiker“

Gefühl und Vertrauen

Kleist und das Theater seiner Zeit

Zum Autor und zur Entstehung des Zerbrochnen Krugs

Der unverstandene Autor Kleist

Kleists Rechtsgefühl

Die Überlieferung des Zerbrochnen Krugs

Entstehung des Zerbrochnen Krugs

Kleist und die Komödie seiner Zeit

Kleists Briefe

Kleists Abschiedsbrief an Ulrike

Interpretationsansätze

Kleists Rechtsdenken

Vor dem Gesetz

Dorfrichter Adam als beherrschende Figur

Der Schreiber Licht

Das Lustspiel als Lust-Spiel

Marthes Krug

Wirkungsgeschichte

Goethes Brief an Adam Müller

Henriette von Knebel an ihren Bruder

1808: Uraufführung in Weimar

Der zerbrochne Krug als Bühnenstück

Kleist im Nationalsozialismus

Kleists Nachruhm

Text

Kleists Vorrede zum Zerbrochnen Krug Kleist berichtet in der Handschrift des Stücks in einer Vorrede über die „Veranlassung“ zum Zerbrochnen Krug. Die Vorrede fehlte zu Kleists Lebzeiten in den gedruckten Ausgaben des Werkes, wird jedoch in späteren Ausgaben häufig nach der Handschrift abgedruckt:

„Diesem Lustspiel liegt wahrscheinlich ein historisches Faktum, worüber ich jedoch keine nähere Auskunft habe auffinden können, zum Grunde. Ich nahm die Veranlassung dazu aus einem Kupferstich, den ich vor mehreren Jahren in der Schweiz sah. Man bemerkte darauf – zuerst einen Richter, der gravitätisch auf dem Richterstuhl saß: vor ihm stand eine alte Frau, die einen zerbrochenen Krug hielt, sie schien das Unrecht, das ihm widerfahren war, zu demonstrieren. Beklagter, ein junger Bauernkerl, den der Richter, als überwiesen, andonnerte, verteidigte sich noch, aber schwach: ein Mädchen, das wahrscheinlich in dieser Sache gezeugt hatte (denn wer weiß, bei welcher Gelegenheit das Deliktum geschehen war) spielte sich, in der Mitte zwischen Mutter und Bräutigam, an der Schürze; wer ein falsches Zeugnis abgelegt hätte, könnte nicht zerknirschter dastehn: und der Gerichtsschreiber sah (er hatte vielleicht kurz vorher das Mädchen angesehen) jetzt den Richter misstrauisch zur Seite an, wie Kreon, bei einer ähnlichen Gelegenheit, den Oedip (als die Frage war, wer den Lajus erschlagen?). Darunter stand: der zerbrochne Krug. – Das Original war, wenn ich nicht irre, von einem niederländischen Meister.“

PERSONEN

WALTER, Gerichtsrat

ADAM, Dorfrichter

LICHT, Schreiber

FRAU MARTHE RULL

EVE, ihre Tochter

VEIT TÜMPEL, ein Bauer

RUPRECHT, sein Sohn

FRAU BRIGITTE

EIN BEDIENTER, BÜTTEL, MÄGDE usw.

 

Die Handlung spielt in einem niederländischen Dorfebei Utrecht.

[5]Szene: Die Gerichtsstube.

ERSTER AUFTRITT

Adam sitzt und verbindet sich ein Bein. Licht tritt auf.

LICHT.

Ei, was zum Henker, sagt, Gevatter Adam!

Was ist mit Euch geschehn? Wie seht Ihr aus?

ADAM.

Ja, seht. Zum Straucheln braucht’s doch nichts als Füße.

Auf diesem glatten Boden, ist ein Strauch hier?

5Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt

Den leid’gen Stein zum Anstoß in sich selbst.

LICHT.

Nein, sagt mir, Freund! Den Stein trüg jeglicher –?

ADAM.

Ja, in sich selbst.

LICHT.

Verflucht das!

ADAM.

Was beliebt?

LICHT.

Ihr stammt von einem lockern Ältervater,

10Der so beim Anbeginn der Dinge fiel,

Und wegen seines Falls berühmt geworden;

Ihr seid doch nicht –?

ADAM.

Nun?

LICHT.

Gleichfalls –?

ADAM.

Ob ich? – Ich glaube –!

Hier bin ich hingefallen, sag ich Euch.

LICHT.

Unbildlich hingeschlagen?

ADAM.

Ja, unbildlich.

15Es mag ein schlechtes Bild gewesen sein.

LICHT.

Wann trug sich die Begebenheit denn zu?

ADAM.

Jetzt, in dem Augenblick, da ich dem Bett

Entsteig. Ich hatte noch das Morgenlied

Im Mund, da stolpr’ ich in den Morgen schon,

20Und eh ich noch den Lauf des Tags beginne,

Renkt unser Herrgott mir den Fuß schon aus.

LICHT.

Und wohl den linken obenein?

ADAM.

Den linken?

LICHT.

Hier, den gesetzten?

ADAM.

Freilich!

LICHT.

Allgerechter!

Der ohnhin schwer den Weg der Sünde wandelt?

ADAM.

25Der Fuß! Was? Schwer! Warum?

LICHT.

Der Klumpfuß?

ADAM.

Klumpfuß!

Ein Fuß ist, wie der andere, ein Klumpen.

[6]LICHT.

Erlaubt! Da tut Ihr Eurem rechten Unrecht.

Der rechte kann sich dieser – Wucht nicht rühmen,

Und wagt sich eh’r aufs Schlüpfrige.

ADAM.

Ach, was!

30Wo sich der eine hinwagt, folgt der andre.

LICHT.

Und was hat das Gesicht Euch so verrenkt?

ADAM.

Mir das Gesicht?

LICHT.

Wie? Davon wisst Ihr nichts?

ADAM.

Ich müsst ein Lügner sein – wie sieht’s denn aus?

LICHT.

Wie’s aussieht?

ADAM.

Ja, Gevatterchen.

LICHT.

Abscheulich!

ADAM.

35Erklärt Euch deutlicher.

LICHT.

Geschunden ist’s,

Ein Gräul zu sehn. Ein Stück fehlt von der Wange,

Wie groß? Nicht ohne Wage kann ich’s schätzen.

ADAM.

Den Teufel auch!

LICHT (bringt einen Spiegel).

Hier! Überzeugt Euch selbst!

Ein Schaf, das, eingehetzt von Hunden, sich

40Durch Dornen drängt, lässt nicht mehr Wolle sitzen,

Als Ihr, Gott weiß wo? Fleisch habt sitzen lassen.

ADAM.

Hm! Ja! ’s ist wahr. Unlieblich sieht es aus.

Die Nas hat auch gelitten.

LICHT.

Und das Auge.

ADAM.

Das Auge nicht, Gevatter.

LICHT.

Ei, hier liegt

45Querfeld ein Schlag, blutrünstig, straf mich Gott,

Als hätt ein Großknecht wütend ihn geführt.

ADAM.

Das ist der Augenknochen. – Ja, nun seht,

Das alles hatt’ ich nicht einmal gespürt.

LICHT.

Ja, Ja! So geht’s im Feuer des Gefechts.

ADAM.

50Gefecht! Was? – Mit dem verfluchten Ziegenbock,

Am Ofen focht ich, wenn Ihr wollt. Jetzt weiß ich’s.

Da ich das Gleichgewicht verlier und gleichsam

Ertrunken in den Lüften um mich greife,

Fass ich die Hosen, die ich gestern Abend

55Durchnässt an das Gestell des Ofens hing.

Nun fass ich sie, versteht Ihr, denke mich,

Ich Tor, daran zu halten, und nun reißt

Der Bund; Bund jetzt und Hos und ich, wir stürzen,

Und häuptlings mit dem Stirnblatt schmettr’ ich auf

60Den Ofen hin, just wo ein Ziegenbock

Die Nase an der Ecke vorgestreckt.

[7]LICHT (lacht).

Gut, gut.

ADAM.

Verdammt!

LICHT.

Der erste Adamsfall,

Den Ihr aus einem Bett hinaus getan.

ADAM.

Mein Seel! – Doch, was ich sagen wollte, was gibt’s Neues?

LICHT.

65Ja, was es Neues gibt! Der Henker hol’s,

Hätt ich’s doch bald vergessen.

ADAM.

Nun?

LICHT.

Macht Euch bereit auf unerwarteten

Besuch aus Utrecht.

ADAM.

So?

LICHT.

Der Herr Gerichtsrat kömmt.

ADAM.

Wer kömmt?

LICHT.

Der Herr Gerichtsrat Walter kömmt, aus Utrecht.

70Er ist in Revisionsbereisung auf den Ämtern,

Und heut noch trifft er bei uns ein.

ADAM.

Noch heut! Seid Ihr bei Trost?

LICHT.

So wahr ich lebe.

Er war in Holla, auf dem Grenzdorf, gestern,

Hat das Justizamt dort schon revidiert.

75Ein Bauer sah zur Fahrt nach Huisum schon

Die Vorspannpferde vor den Wagen schirren.

ADAM.

Heut noch, er, der Gerichtsrat, her, aus Utrecht!

Zur Revision, der wackre Mann, der selbst

Sein Schäfchen schiert, dergleichen Fratzen hasst.

80Nach Huisum kommen, und uns kujonieren!

LICHT.

Kam er bis Holla, kommt er auch bis Huisum.

Nehmt euch in Acht.

ADAM.

Ach geht!

LICHT.

Ich sag es euch.

ADAM.

Geht mir mit eurem Märchen, sag ich euch.

LICHT.

Der Bauer hat ihn selbst gesehn, zum Henker.

ADAM.

85Wer weiß, wen der triefäugige Schuft gesehn.

Die Kerle unterscheiden ein Gesicht

Von einem Hinterkopf nicht, wenn er kahl ist.

Setzt einen Hut dreieckig auf mein Rohr,

Hängt ihm den Mantel um, zwei Stiefeln drunter,

90So hält so’n Schubiack ihn für wen Ihr wollt.

LICHT.

Wohlan, so zweifelt fort, in’s Teufels Namen,

Bis er zur Tür hier eintritt.

ADAM.

Er, eintreten! –

Ohn uns ein Wort vorher gesteckt zu haben.

[8]LICHT.

Der Unverstand! Als ob’s der vorige

95Revisor noch, der Rat Wachholder, wäre!

Es ist Rat Walter jetzt, der revidiert.

ADAM.

Wenngleich Rat Walter! Geht, lasst mich zufrieden.

Der Mann hat seinen Amtseid ja geschworen,

Und praktisiert, wie wir, nach den

100Bestehenden Edikten und Gebräuchen.

LICHT.

Nun, ich versichr’ Euch, der Gerichtsrat Walter

Erschien in Holla unvermutet gestern,

Vis’tierte Kassen und Registraturen,

Und suspendierte Richter dort und Schreiber,

105Warum? ich weiß nicht, ab officio.

ADAM.

Den Teufel auch! Hat das der Bauer gesagt?

LICHT.

Dies und noch mehr –

ADAM.

So?

LICHT.

Wenn Ihr’s wissen wollt.

Denn in der Frühe heut sucht man den Richter,

Dem man in seinem Haus Arrest gegeben,

110Und findet hinten in der Scheuer ihn

Am Sparren hoch des Daches aufgehangen.

ADAM.

Was sagt Ihr?

LICHT.

Hülf inzwischen kommt herbei,

Man löst ihn ab, man reibt ihn und begießt ihn,

Ins nackte Leben bringt man ihn zurück.

ADAM.

115So? Bringt man ihn?

LICHT.

Doch jetzo wird versiegelt,

In seinem Haus, vereidet und verschlossen,

Es ist, als wär er eine Leiche schon,

Und auch sein Richteramt ist schon beerbt.

ADAM.

Ei, Henker, seht! – Ein liederlicher Hund war’s –

120Sonst eine ehrliche Haut, so wahr ich lebe,

Ein Kerl, mit dem sich’s gut zusammen war;

Doch grausam liederlich, das muss ich sagen.

Wenn der Gerichtsrat heut in Holla war,

So ging’s ihm schlecht, dem armen Kauz, das glaub ich.

LICHT.

125Und dieser Vorfall einzig, sprach der Bauer,

Sei schuld, dass der Gerichtsrat noch nicht hier;

Zu Mittag treff er doch ohnfehlbar ein.

ADAM.

Zu Mittag! Gut, Gevatter! Jetzt gilt’s Freundschaft.

Ihr wisst, wie sich zwei Hände waschen können.

130Ihr wollt auch gern, ich weiß, Dorfrichter werden,

Und Ihr verdient’s, bei Gott, so gut wie einer.

Doch heut ist noch nicht die Gelegenheit,

[9]Heut lasst Ihr noch den Kelch vorübergehn.

LICHT.

Dorfrichter, ich! Was denkt Ihr auch von mir?

ADAM.

135Ihr seid ein Freund von wohlgesetzter Rede,

Und Euren Cicero habt Ihr studiert

Trotz einem auf der Schul in Amsterdam.

Drückt Euren Ehrgeiz heut hinunter, hört Ihr?

Es werden wohl sich Fälle noch ergeben,

140Wo Ihr mit Eurer Kunst Euch zeigen könnt.

LICHT.

Wir zwei Gevatterleute! Geht mir fort.

ADAM.

Zu seiner Zeit, Ihr wisst’s, schwieg auch der große

Demosthenes. Folgt hierin seinem Muster.

Und bin ich König nicht von Mazedonien,

145Kann ich auf meine Art doch dankbar sein.

LICHT.

Geht mir mit Eurem Argwohn, sag ich Euch.

Hab ich jemals –?

ADAM.

Seht, ich, ich, für mein Teil,

Dem großen Griechen folg ich auch. Es ließe

Von Depositionen sich und Zinsen

150Zuletzt auch eine Rede ausarbeiten:

Wer wollte solche Perioden drehn?

LICHT.

Nun also!

ADAM.

Von solchem Vorwurf bin ich rein,

Der Henker hol’s! Und alles, was es gilt,

Ein Schwank ist’s etwa, der, zur Nacht geboren,

155Des Tags vorwitz’gen Lichtstrahl scheut.

LICHT.

Ich weiß.

ADAM.

Mein Seel! Es ist kein Grund, warum ein Richter,

Wenn er nicht auf dem Richtstuhl sitzt,

Soll gravitätisch, wie ein Eisbär, sein.

LICHT.

Das sag ich auch.

ADAM.

Nun denn, so kommt, Gevatter,

160Folgt mir ein wenig zur Registratur;

Die Aktenstöße setz ich auf, denn die,

Die liegen wie der Turm zu Babylon.

ZWEITER AUFTRITT

Ein Bedienter tritt auf. – Die Vorigen. –

Nachher: Zwei Mägde

DER BEDIENTE.

Gott helf, Herr Richter! Der Gerichtsrat Walter

[10]Lässt seinen Gruß vermelden, gleich wird er hier sein.

ADAM.

165Ei, du gerechter Himmel! Ist er mit Holla

Schon fertig?

DER BEDIENTE.

Ja, er ist in Huisum schon.

ADAM.

He! Liese! Grete!

LICHT.

Ruhig, ruhig jetzt.

ADAM.

Gevatterchen!

LICHT.

Lasst Euern Dank vermelden.

DER BEDIENTE.

Und morgen reisen wir nach Hussahe.

ADAM.

170Was tu ich jetzt? Was lass ich?

(Er greift nach seinen Kleidern.)

ERSTE MAGD

(tritt auf).Hier bin ich, Herr.

LICHT.

Wollt Ihr die Hosen anziehn? Seid Ihr toll?

ZWEITE MAGD

(tritt auf). Hier bin ich, Herr Dorfrichter.

LICHT.

Nehmt den Rock.

ADAM

(sieht sich um). Wer? Der Gerichtsrat?

LICHT.

Ach, die Magd ist es.

ADAM.

Die Bäffchen! Mantel! Kragen!

ERSTE MAGD.

Erst die Weste!

ADAM.

175Was? – Rock aus! Hurtig!

LICHT

(zum Bedienten).Der Herr Gerichtsrat werden

Hier sehr willkommen sein. Wir sind sogleich

Bereit ihn zu empfangen. Sagt ihm das.

ADAM.

Den Teufel auch! Der Richter Adam lässt sich

Entschuldigen.

LICHT.

Entschuldigen!

ADAM.

Entschuld’gen.

180Ist er schon unterwegs etwa?

DER BEDIENTE.

Er ist

Im Wirtshaus noch. Er hat den Schmidt bestellt;

Der Wagen ging entzwei.

ADAM.

Gut. Mein Empfehl.

Der Schmidt ist faul. – Ich ließe mich entschuld’gen.

Ich hätte Hals und Beine fast gebrochen,

185Schaut selbst, ’s ist ein Spektakel, wie ich ausseh;

Und jeder Schreck purgiert mich von Natur.

Ich wäre krank.

LICHT.

Seid Ihr bei Sinnen? –

Der Herr Gerichtsrat wär sehr angenehm.

– Wollt Ihr?

ADAM.

Zum Henker!

LICHT.

Was?

ADAM.

Der Teufel soll mich holen,

[11]190Ist’s nicht so gut, als hätt ich schon ein Pulver!

LICHT.

Das fehlt noch, dass Ihr auf den Weg ihm leuchtet.

ADAM.

Margrete! he! Der Sack voll Knochen! Liese!

DIE BEIDEN MAGDE.

Hier sind wir ja. Was wollt Ihr?

ADAM.

Fort! sag ich.

Kuhkäse, Schinken, Butter, Würste, Flaschen

195Aus der Registratur geschafft! Und flink! –

Du nicht. Die andere. – Maulaffe! Du, ja!

– Gotts Blitz, Margrete! Liese soll, die Kuhmagd,

In die Registratur!

(Die erste Magd geht ab.)

DIE ZWEITE MAGD.

Sprecht, soll man Euch verstehn!

ADAM.

Halt’s Maul jetzt, sag ich –! Fort! schaff mir die Perücke!

200Marsch! Aus dem Bücherschrank! Geschwind! Pack dich!

(Die zweite Magd geht ab.)

LICHT

(zum Bedienten).

Es ist dem Herrn Gerichtsrat, will ich hoffen,

Nichts Böses auf der Reise zugestoßen?

DER BEDIENTE.

Je, nun! Wir sind im Hohlweg umgeworfen.

ADAM.

Pest! Mein geschundner Fuß! Ich krieg die Stiefeln –

LICHT.

205Ei, du mein Himmel! Umgeworfen, sagt Ihr?

Doch keinen Schaden weiter –?

DER BEDIENTE.

Nichts von Bedeutung.

Der Herr verstauchte sich die Hand ein wenig.

Die Deichsel brach.

ADAM.

Dass er den Hals gebrochen!

LICHT.

Die Hand verstaucht! Ei, Herr Gott! Kam der Schmidt schon?

DER BEDIENTE.

210Ja, für die Deichsel.

LICHT.

Was?

ADAM.

Ihr meint, der Doktor.

LICHT.

Was?

DER BEDIENTE.

Für die Deichsel?

ADAM.

Ach, was! Für die Hand.

DER BEDIENTE.

Adies, Ihr Herrn. – Ich glaub, die Kerls sind toll.

(Ab.)

LICHT.

Den Schmidt meint’ ich.

ADAM.

Ihr gebt Euch bloß, Gevatter.

LICHT.

Wieso?

ADAM.

Ihr seid verlegen.

LICHT.

Was!

[12](Die erste Magd tritt auf.)

ADAM.

He! Liese!

215Was hast du da?

ERSTE MAGD.

Braunschweiger Wurst, Herr Richter.

ADAM.

Das sind Pupillenakten.

LICHT.

Ich, verlegen!

ADAM.

Die kommen wieder zur Registratur.

ERSTE MAGD.

Die Würste?

ADAM.

Würste! Was! Der Einschlag hier.

LICHT.

Es war ein Missverständnis.

DIE ZWEITE MAGD

(tritt auf).Im Bücherschrank,

220Herr Richter, find ich die Perücke nicht.

ADAM.

Warum nicht?

ZWEITE MAGD.

Hm! Weil Ihr –

ADAM.

Nun?

ZWEITE MAGD.

Gestern Abend –

Glock eilf –

ADAM.

Nun? Werd ich’s hören?

ZWEITE MAGD.

Ei, Ihr kamt ja,

Besinnt Euch, ohne die Perück ins Haus.

ADAM.

Ich, ohne die Perücke?

ZWEITE MAGD.

In der Tat.

225Da ist die Liese, die’s bezeugen kann.

Und Eure andr’ ist beim Perückenmacher.

ADAM.

Ich wär –?

ERSTE MAGD.

Ja, meiner Treu, Herr Richter Adam!

Kahlköpfig wart Ihr, als Ihr wiederkamt;

Ihr spracht, Ihr wärt gefallen, wisst Ihr nicht?

Das Blut musst’ ich Euch noch vom Kopfe waschen!

ADAM.

Die Unverschämte.

ERSTE MAGD.

230Ich will nicht ehrlich sein.

ADAM.

Halt’s Maul, sag ich, es ist kein wahres Wort.

LICHT.

Habt Ihr die Wund seit gestern schon?

ADAM.

Nein, heut.

Die Wunde heut und gestern die Perücke.

235Ich trug sie weiß gepudert auf dem Kopfe,

Und nahm sie mit dem Hut, auf Ehre, bloß,

Als ich ins Haus trat, aus Versehen ab.

Was die gewaschen hat, das weiß ich nicht.

– Scher dich zum Satan, wo du hingehörst!

240In die Registratur!

(Erste Magd ab.)

Geh, Margarete!

[13]Gevatter Küster soll mir seine borgen;

In meine hätt die Katze heute Morgen

Gejungt, das Schwein! Sie läge eingesäuet

Mir unterm Bette da, ich weiß nun schon.

LICHT.

245Die Katze? Was? Seid Ihr –?

ADAM.

So wahr ich lebe.

Fünf Junge, gelb und schwarz, und eins ist weiß.

Die schwarzen will ich in der Vecht ersäufen.

Was soll man machen? Wollt Ihr eine haben?

LICHT.

In die Perücke?

ADAM.

Der Teufel soll mich holen!

250Ich hatte die Perücke aufgehängt,

Auf einen Stuhl, da ich zu Bette ging,

Den Stuhl berühr ich in der Nacht, sie fällt –

LICHT.

Drauf nimmt die Katze sie ins Maul –

ADAM.

Mein Seel –

LICHT.

Und trägt sie unters Bett und jungt darin.

ADAM.

255Ins Maul? Nein –

LICHT.

Nicht? Wie sonst?

ADAM.

Die Katz? Ach, was!

LICHT.

Nicht? Oder Ihr vielleicht?

ADAM.

Ins Maul! Ich glaube –!

Ich stieß sie mit dem Fuße heut hinunter,

Als ich es sah.

LICHT.

Gut, gut.

ADAM.

Canaillen die!

Die balzen sich und jungen, wo ein Platz ist.

ZWEITE MAGD

(kichernd). 260So soll ich hingehn?

ADAM.

Ja, und meinen Gruß

An Muhme Schwarzgewand, die Küsterin.

Ich schickt ihr die Perücke unversehrt

Noch heut zurück – ihm brauchst du nichts zu sagen.

Verstehst du mich?

ZWEITE MAGD.

Ich werd es schon bestellen.

(Ab.)

DRITTER AUFTRITT

Adam und Licht.

ADAM.

265Mir ahndet heut nichts Guts, Gevatter Licht.

LICHT.

Warum?

[14]ADAM.

Es geht bunt alles über Ecke mir.

Ist nicht auch heut Gerichtstag?

LICHT.

Allerdings.

Die Kläger stehen vor der Türe schon.

ADAM.

– Mir träumt’, es hätt ein Kläger mich ergriffen,

270Und schleppte vor den Richtstuhl mich; und ich,

Ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort,

Und schält und hunzt, und schlingelte mich herunter,

Und judiziert den Hals ins Eisen mir.

LICHT.

Wie? Ihr Euch selbst?

ADAM.

So wahr ich ehrlich bin.

275Drauf wurden beide wir zu eins, und flohn,