Des Teufels General - Carl Zuckmayer - E-Book

Des Teufels General E-Book

Carl Zuckmayer

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Was soll man tun inmitten einer unmenschlichen Gesellschaft? Soll man so tun, als wäre nichts? Es sich gut gehen lassen, Karriere machen? Oder Widerstand leisten, auch wenn man dadurch mitschuldig am Tod eines Freundes wird? – Widerstand, daran lässt Zuckmayers Stück keinen Zweifel, ist unverzichtbar. Zum Engel oder Helden aber wird man dadurch nicht, solange in der Gesellschaft die Hölle auf Erden herrscht.

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Carl Zuckmayer

Des Teufels General

Drama in drei Akten

FISCHER E-Books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Inhalt

Den ersten Entwurf zu [...]PersonenErster Akt HöllenmaschineFortsetzung des ersten AktesZweiter Akt Galgenfrist oder Die HandDritter Akt VerdammnisAnhangDaten zu Leben und WerkCarl Zuckmayer, ›Des Teufels General‹Carl Zuckmayer

Den ersten Entwurf zu diesem Stück widmete ich im Jahre 1942DEM UNBEKANNTEN KÄMPFER

Jetzt widme ich es dem Andenken meiner von Deutschlands Henkern aufgehängten Freunde

THEODOR HAUBACH

WILHELM LEUSCHNER

GRAF HELLMUTH VON MOLTKE

 

Barnard Vermont, Juli 1945 Carl Zuckmayer

Personen

HARRAS, General der Flieger

LÜTTJOHANN, sein Adjutant

KORRIANKE, sein Chauffeur

FRIEDRICH EILERS, Oberst und Führer einer Kampfstaffel

HARTMANN, WRITZKY, HASTENTEUFFEL, PFUNDTMAYER: Fliegeroffiziere

SIGBERT VON MOHRUNGEN, Präsident des Beschaffungsamtes für Rohmetalle

BARON PFLUNGK, Attaché im Außenministerium

DR. SCHMIDT-LAUSITZ, Kulturleiter

DER MALER SCHLICK

ODERBRUCH, Ingenieur im Luftfahrtministerium

ANNE EILERS

WALTRAUT VON MOHRUNGEN, genannt Pützchen, ihre Schwester

OLIVIA GEISS, Diva

DIDDO GEISS, ihre Nichte

LYRA SCHOEPPKE, genannt die Tankstelle

OTTO, Restaurateur

FRANÇOIS, HERR DETLEV: Kellner

BUDDY LAWRENCE, ein amerikanischer Journalist

ZWEI ARBEITER

EIN POLIZEIKOMMISSAR

Ort: Berlin

Zeit: Spätjahr 1941, kurz vor dem Eintritt Amerikas in den Krieg

Erster Akt: Höllenmaschine

Zweiter Akt: Galgenfrist oder Die Hand

Dritter Akt: Verdammnis

Die Handlung ist erfunden und, wie ihre Träger, nur zum Teil durch tatsächliche Ereignisse und lebende – oder tote – Personen angeregt.

Erster AktHöllenmaschine

Reserviertes Zimmer in Ottos Restaurant. Solide ›altdeutsche‹ Einrichtung. In der Mitte ein festlich gedeckter Büfettisch, zur Selbstbedienung für etwa fünfzehn Personen. Im Hintergrund, durch geraffte Portieren halb verdeckt, eine ›gemütliche‹ Ecke, mit Rauchtischchen, Klubsesseln, Likör- und Zigarrenservice. Wenn der Vorhang aufgeht, brennt noch die volle elektrische Deckenbeleuchtung, aber François und Herr Detlev, die an die Tischdekoration letzte Hand anlegen, Flaschen entkorken und Aperitifgläser füllen, beginnen eine Menge großer Kerzen in silbernen Tisch- und Wandleuchtern anzuzünden und drehen später das grelle Hauptlicht ab. Alle Fenster sind mit dicken schwarzen Vorhängen verhüllt. Ein Ventilator summt leise.

DETLEV

Wie spät?

FRANÇOIS

Minuit moins le quart.

DETLEV

Wird ne lange Nacht geben.

FRANÇOIS

Ça y est. Dicke Marie, pour nous.

DETLEV

Wenn Harras mal wieder richtig auffahren läßt – Mensch – das ist noch alte Schule. Da bleibt kein Auge trocken.

FRANÇOIS

Que fais-tu donc? Pas de Porto, pour Harras. Il va commencer avec un Armagnac. Double. Donne-moi le grand verre.

DETLEV

Woher weißt du, Sibylle?

FRANÇOIS

Je le connais. Il vient de la Reichskanzlei – d’une réception officielle d’Etat. Alors – il lui faut plus fort que du Porto. C’est logique. N’est-ce pas?

DETLEV

Stimmt wie ne Baßgeige. Wenn er seinem Führer ins Auge geschaut hat, dann braucht er ne innere Spülung.

FRANÇOIS

mit einem Blick über die kalten Platten Dieu merci, que nous avons des pays occupés. C’est le confort du patron. On ne mange que des fruits … les fruits de la victoire. Voilà: Les hors-d’œuvres – de Norvège. Le homard – d’Ostende. Le gibier – de Pologne. Le fromage – de Hollande. Le beurre – du Danemark. Et les légumes – d’Italie. Pas de caviar – de Moscou …

DETLEV

Aber französischer Sekt. Läßt einen Pfropfen knallen, kostet einen Schluck Prostata. Das schmeckt besser als Ribbentrops Hausmarke.

STIMME OTTOS

von draußen François! Le Pâté de foie gras pour Exzellenz! Die Terrine ist nicht geöffnet.

FRANÇOIS

vor sich hin, gelangweilt Ouvrez-la vous même. J’m’en fiche. Kostet einen Schluck Champagner Vive la collaboration.

OTTO

erscheint aufgeregt in der Tür Herr Detlev!! François! Wo steckt ihr denn, hier ist doch noch gar nichts los. Was soll ich denn drüben machen mit den drei Ungelernten, wo heute Reichstag war. Die ganze Bude voll großer Tiere – vier Exzellenzen, zwo Minister, ein Feldmarschall, ne Hucke Gauleiter und die bessere Creme von der Krolloper –

DETLEV

Verzeihung, Herr Otto, wir sind im Dienst. General Harras hat uns ausdrücklich für seine Gesellschaft abkommandiert. François und mich. Von wegen zuverlässig. Sie wissen.

OTTO

Das hat Zeit, er ist ja noch nicht mal vorgefahren, aber wo bleiben die Waldschnepfen für Herrn Jannings. Herr Jannings schreit schon!

DETLEV

Laß ihn schrein. Herr Jannings kann mich, bei Mondenschein.

OTTO

Unerhört. So wird man im Stich gelassen. Verraten und verkauft, und kein Ersatz zu kriegen. Was hab ich nicht alles für euch getan, die Unabkömmlichkeit, die Schwerarbeiterrationen, und alles das, wenn ihr mir jetzt in den Rücken fallt –

FRANÇOIS

Doucement, Otto, doucement. Si vous avez marché pour nous – nous avons fait quelqu’chose pour vous, n’est-ce pas? Rappelez les wagons de Bruxelles – et nos affaires à Paris – et –

OTTO

Taisez-vous! – Sprich doch deutsch hier. Kannst du genausogut. Also – wollt ihr jetzt drüben helfen – oder nicht?

FRANÇOIS

Exaltiere dir nicht, Otto. Sei ein guter Bubi.

DETLEV

Gib Tantchen ’n Küßchen, François!

OTTO

Herr Detlev – in anderen Zeiten – würde ich Sie auf der Stelle hinauswerfen. Schreiend, krebsrot Auf der Stelle!

DETLEV

amüsiert Auf der Stelle. In anderen Zeiten. François lacht.

OTTO

Still – die Herrschaften! Man hört Stimmen von draußen – er spricht nach rückwärts durch die Tür Willkommen zu Hause – Herr General! Herr Präsident – Herr Oberst – Herr Baron – Herr Doktor – Kompliment, meine Damen – Garderobiere! – Wollen bitte ablegen – alles vorbereitet, Herr General. Der Hummer ist schon errötet.

STIMME HARRAS’

draußen François! ’n doppelten Armagnac.

FRANÇOIS

Voilà. Eilt mit dem vollen Glas hinaus.

DETLEV

Wir drehen besser rasch die Glühbirnen raus.

OTTO

Glühbirnen raus? Wozu denn?

DETLEV

Sie wissen doch – wenn Harry geladen hat, schießt er sie gerne runter.

OTTO

Lassen Sie zwei oder drei drin, damit er nicht wütend wird; sonst schießt er nach den Kerzen und trifft die Spiegel. Läuft auf den Gang hinaus Ganz große Ehre, Herr General, dito Vergnügen.

DETLEV

einen Augenblick allein im Raum – öffnet blitzschnell eine unsichtbare Klapptüre in der Wandverschalung – schaltet einen vorbereiteten Kontakt ein – schließt die Verschalung wieder.

HARRAS

tritt ein, von Otto gefolgt. Er ist in großer Galauniform, aber in Haltung und Benehmen leger, eher etwas salopp. Das geleerte Glas hält er noch in der Hand, eine Zigarette hängt im Mundwinkel. Sein kluges, trotz gelichteter Haare noch jugendliches, ja jungenhaftes Gesicht – er mag nicht älter als fünfundvierzig sein –, das von Natur aus heiter ist, freimütig, liebenswürdig und ein wenig verschmitzt – scheint von einer kaum bemerkbaren nervösen Spannung erfüllt. Er sieht sich prüfend um Na – das sieht ja ganz ordentlich aus. Fast wie in der guten alten Zeit, falls Sie sich noch erinnern, Otto.

OTTO

Bei uns – immer gute Zeit, Herr General. Alt oder neu. Wir sind unverändert. Man tut, was man kann. Nur mit der Mayonnaise – die vielen Eier und das Öl, wissen Sie – man darf ja nicht ganz, wie man möchte. Aber ich habe für Herrn General eine Art Sauce tatare zum Hummer angerichtet – die Herrn werden kaum einen Unterschied schmecken.

HARRAS

Keine Sorge, Otto. Uns schmeckt alles. Wir kommen von einem Bierabend des Führers. Außerdem haben wir jetzt bei der Luftwaffe synthetische Gummizungen mit Kondensspucke eingeführt.

OTTO

Köstlich, Herr General. Lacht Immer der alte treffsichere Humor.

HARRAS

Humorersatz, mein Lieber. Brennessel, Zichorie und Eichenlaub. – Alsdann – Hauptsache, daß der Stoff noch echt ist. Hält sein leeres Glas hin – François füllt es wieder Sagen Sie mal – da tickt doch was.

OTTO

Wie beliebt – wo tickt was, Herr General?

HARRAS

Hoffentlich nicht in Ihrem Hirnkasten, Otto. Seien Sie mal still. Da tickt was.

OTTO

Ich kann nichts hören – oder doch – irgend so was – bißchen Surren –

DETLEV

Muß der Ventilator sein, Herr General. Oder die Heizung.

OTTO

Natürlich, der Ventilator. Wir müssen ja, wegen der Verdunklung, wo man kein Fenster aufmachen kann, und dann der Zigarrenrauch –

HARRAS

Klingt anders.

OTTO

Herr General müssen Ohren haben –!

HARRAS

Manche Leute werden vom Fliegen taub. Bei mir das Gegenteil. Ich kann Ihnen zwanzig verschiedene Typen beim Namen nennen, wenn ich nur von ferne den Motor laufen höre – stellen Sie das mal ab.

DETLEV

stellt den Ventilator ab.

HARRAS

Tickt immer noch.

DETLEV

Dann ist es die Heizung. Da wird mit Kohle gespart und denn trippelt’s in den Röhren –

OTTO

Also, bei uns hat noch nie etwas in den Röhren getrippelt, da muß ich doch bitten, Herr Detlev –

HARRAS

ist in der Nähe der Wandverschalung stehengeblieben Scheint wirklich irgendwoher aus der Wand zu kommen. Vielleicht doch von den Röhren. Na, meinetwegen. Wird ja keine Höllenmaschine sein. Leert sein Glas.

DETLEV

Sicher nicht, Herr General. Lacht, stellt den Ventilator wieder an. Während der letzten Sätze sind im Hintergrund, zwischen Tür und Angel, einige Herren erschienen, die – erst halb zu sehen – eine große Pantomime wegen des Vortritts aufführen, den jeder dem anderen überlassen möchte. Es sind Präsident Sigbert von Mohrungen, Oberst Eilers, Baron Pflungk, Dr.Schmidt-Lausitz und Lüttjohann. Sie drücken und drängeln sich um die Schwelle herum unter gemurmelten Höflichkeiten, wie Nach Ihnen, Herr Präsident. – Aber, mein lieber Eilers – Sie als Ehrengast. – Bitte recht sehr, Herr Doktor. – Ausgeschlossen, Militär geht vor. – Kommen Sie, Baron. – Neenee, ich bin hier zu Hause – und so weiter.

HARRAS

hat die Szene grinsend beobachtet Da soll nun einer sagen, es gibt in Deutschland keine Manieren mehr. Lüttjohann! Helm ab zum Gebet! Hier sind Hummern.

LÜTTJOHANN

kleiner, jovialer, pudelartiger Gummiball in Hauptmannsuniform, durchbricht die Gruppe und stürmt im Laufschritt zum Büfett Denn man Schluß mit die Formalitäten. ’ran an Feind. Wo stehn die Roten? Er beginnt ohne Übergang zu essen. Die anderen Herren treten jetzt ohne weitere Verwicklungen ein. Präsident von Mohrungen und Baron Pflungk im Frack, Dr.Schmidt-Lausitz in Parteiuniform, Oberst Eilers in Gala mit hohen Orden. Mohrungen ist ein gut aussehender Fünfziger mit grauen Schläfen, Repräsentant der alten standesherrlichen Schwerindustrie. Der junkerlich-konservative Einschlag ist durch süddeutsche Natürlichkeit gemildert. Baron Pflungk – eleganter Windhund, mit glatten Manieren und vollkommener Charakterlosigkeit, Dr.Schmidt-Lausitz, schmalstirnig, mit blitzenden Brillengläsern und unsichtbaren, eng zusammenstehenden Augen dahinter, schütteren blonden Haaren in ›vorschriftsmäßigem‹ Schnitt, verkniffenen Lippen, krampfhafter strammer Haltung. Oberst Eilers, nicht älter als fünfunddreißig, dunkelhaarig, hoch gewachsen, wettergebräunte Züge, an sich durchschnittlich, doch von einem ungewöhnlichen Ernst geprägt, der ihm manchmal einen abwesenden, fast traurigen Ausdruck verleiht.

OTTO

etwas unsicher Heil Hi – Guten Abend, Herr Präsident. Guten A – Heil Hitler, Herr Doktor.

HARRAS

Sagen Sie ruhig: Guten Adolf, das trifft jeden Geschmack Zu den andern Die Herrn haben sich wohl schon miteinander bekannt gemacht – soweit sie nicht verwandt sind? Das ist Kulturleiter Dr.Schmidt-Lausitz vom Propapopogandamysterium, ich kann das Wort nie richtig aussprechen, mein alter Afrikakomplex. Schmidt-Lausitz, zum Unterschied von Schmidt-Lützelsdorff, Schmidt-Pforzheim, Schmidt-Sodbrennen und anderen Herren ohne besondere Kennzeichen.

DR. SCHMIDT-LAUSITZ

Ich möchte nicht stören, Herr General. Ich sehe – dies ist eine Privatgesellschaft. Ich bin nur mitgekommen, weil ich mit Baron Pflungk und Oberst Eilers noch ein paar Einzelheiten zu besprechen hätte, wegen des morgigen Empfangs für die neutrale Auslandspresse und der Kurzwellensendung nach Amerika –

HARRAS

Dazu werden Sie im Laufe der Nacht reichlich Gelegenheit haben. Bleiben Sie ruhig, Doktor, uns stört keiner. Von meinen schlechten Witzen haben Sie sowieso schon gehört. Die sind alle beim Chef in meinen Personalakten eingetragen. Könnense nachlesen.

DR. SCHMIDT-LAUSITZ

mit saurem Lächeln Man versteht einen Scherz, Herr General, wenn er nicht zu weit geht.

HARRAS

Des walte Himmler. Stärken Sie sich, meine Herren, Sie haben es nötig, nachdem Sie in der Reichskanzlei am Heiligen Gral genippt haben.

MOHRUNGEN

Hier sieht’s ja aus – wie in Friedenszeiten. Da wird einem direkt warm ums Herz.

LÜTTJOHANN

essend Und in der Magengrube. Sehr zum Wohl, Herr Präsident.

HARRAS

Wir haben auch nicht alle Tage Schabbes. Aber wenn Friedrich Eilers seinen großen Abend hat, da muß es Manna in der Wüste regnen – verzeihen den nichtarischen Vergleich, Dr.Lausitz. Greifen Sie zu, Eilers. Es ist kein Raub an der Volksgemeinschaft, nur ein kleiner Ausgleich. Was wir hier übriglassen, das fressen da drüben die Bonzen.

EILERS

lächelnd, ein wenig verlegen Zuviel Ehre, Herr General. Man kann das gar nicht verlangen, hier im Hinterland. An der Front sind wir ja immer erstklassig verpflegt.

OTTO

Lauter markenfreie Ware, meine Herren, reserviert für junge Helden und alte Kämpfer. Nur für die Butter muß ich Ihnen leider ’n kleines Löchlein knipsen.

MOHRUNGEN

mit einem Glas Champagner Da merkt man erst, wie provinziell man geworden ist. Büfett, Champagner, Mitternachtspartie – ich bin so was gar nicht mehr gewohnt. Bei uns in Mannheim ist um elf alles dunkel, kein Lokal mehr auf. Und wenn ich sonst mal zu Sitzungen nach Berlin komme, muß ich immer gleich im Nachtflugzeug wieder in den Betrieb zurück.

OTTO

Offiziell schließen wir auch um elfe, Herr Präsident. Haben wir alles nur Vatern zu verdanken. Seit Vater uns die Spezialerlaubnis für Privatgesellschaften verschafft hat, hat die Sache erst wieder ’n bißchen Zug bekommen. Kraft durch Freude, heißt es so richtig auch in unsrem Geschäft! Zieht sich zurück.

MOHRUNGEN

Ich dachte, sein Vater lebt nicht mehr –

HARRAS

lachend Wenn in Berlin von Vatern die Rede ist, lieber Präsident, so ist immer der dicke Hermann gemeint, unser Reichsmarschall mit’m Ersatzreifen um die Taille.

BARON PFLUNGK

Ein schönes Zeichen seiner Popularität.

HARRAS

ironisch Bravo, Baron. Schenk mal ein, François. Da kommen die Damen. Frau Anne Eilers und ihre Schwester, Fräulein von Mohrungen, genannt Pützchen, kommen frisch hergerichtet von der Garderobe. Beide in Abendkleidern, Anne Eilers elegant, doch betont einfach, Pützchen betont elegant, doch ziemlich schrill. Anne ist eine schöne, hochgewachsene Frau, Mitte der Zwanzig, mit ruhigem, etwas teilnahmslosem Blick, der nur Leben und Wärme annimmt, wenn er dem ihres Mannes begegnet. Pützchen, ein paar Jahre jünger, hat eine aufreizend gute Figur und ein fast zu hübsches, puppenhaftes Gesicht mit einem Stich ins Gewöhnliche und ruhelosen, unersättlichen Augen.

HARRAS

vorstellend Kulturleiter Dr.Schmidt-Lausitz – Frau Oberst Eilers – Fräulein von Mohrungen. Den Baron Pflungk kennen die Damen wohl schon – vom offiziellen Teil.

PÜTZCHEN

Fräulein von Mohrungen – das klingt so wahnsinnig förmlich – direkt reaktionär. Nennen Sie mich doch Pützchen, wie alle.

HARRAS

Trau ich mich nicht, Pützchen. Kommt mir ’n bißchen hastig vor. Wir kennen uns doch kaum ein paar Stunden.

PÜTZCHEN

Das macht der Liebe kein Kind, hätte ich beinah gesagt. Prost, Harry.

MOHRUNGEN

Aber Pützchen.

HARRAS

Halt, junge Dame! Noch nicht trinken! Man reiße ihr den Kelch von den Lippen. François, nachfüllen. Tritt in die Mitte, es bildet sich ein lockerer Kreis um ihn Also – ohne weitere Schmonzes, aber von Herzen. Ich trinke auf Friedrich Eilers, auf seinen fünfzigsten Luftsieg, den wir heute feiern, auf den hundertsten, und auf seine gesunde Heimkehr. Zum Wohl, Friedrich!

ALLE

Zum Wohl, Friedrich!

EILERS

heiter abwehrend Dank – Dank – Ich komme mir vor wie’n Kriegerdenkmal.

HARRAS

Biste auch. Sag du zu mir, Fritze. Sie trinken und schütteln einander die Hand.

DIE ANDERN

einstimmend Auf General Harras! Man trinkt rasch.

EILERS

Bravo! Auf unseren besten Fliegerkommandeur, General Harras.

DR. SCHMIDT-LAUSITZ

allein nachklappend Auf den Führer!

HARRAS

Prost mit’m leeren Glas. Der Führer ist Abstinenzler.

LÜTTJOHANN

schon ein wenig betrunken François! Ein Glas Milch der frommen Denkungsart.

HARRAS

Halt die Klappe, Kleener. Wenn ich mir’s Maul verbrenne, brauchst du’s noch lange nicht nachzumachen.

EILERS

Bravo! Auf unseren besten Fliegerkommandeur, General Harras.

LÜTTJOHANN

Verzeihung, Herr General.

MOHRUNGEN

hat den Arm um Eilers’ Schulter gelegt Ich kann ja auf meinen Schwiegersohn wirklich stolz sein.

ANNE

Das können wir alle, Papa. Unser ganzes Volk.

HARRAS

Habt Grund dazu. Einen besseren Mann als Eilers haben wir nicht in der Luftwaffe – möchte sagen: in der Armee.

EILERS

Leicht übertrieben. Ich möchte sagen: jeder unserer Jungens gibt sein Bestes her. Wenn ich selbst auf etwas stolz bin – dann auf meine Staffel. Vier Herren haben heute das Großkreuz vom EK bekommen, und jeder hat es verdient.

BARON PFLUNGK

leicht anzüglich, zu Pützchen Ist nicht auch Leutnant Hartmann bei den Ausgezeichneten? Da haben wir ja heute abend doppelten Grund zum Feiern.

PÜTZCHEN

beiläufig Kennen Sie Hartmännchen? Netter Junge.

ANNE

Warum willst du nicht zugeben, daß du mit ihm verlobt bist? Es weiß es doch jeder, du hast ja bisher nicht soviel Geheimnis draus gemacht.

PÜTZCHEN

Verlobt. So ’n ekliges Wort. Ich mag das nicht, es klingt so bürgerlich, ich meine – direkt reaktionär.

HARRAS

Nämlich bei der Hitlerjugend verlobt man sich nicht mehr, das hält zu lange auf. Da könnte ja einer großjährig werden, inzwischen.

LÜTTJOHANN

Da heiratet man auch erst gar nicht, da hebt man gleich die Geburtenzahl. Verzeihung, Herr General.

PÜTZCHEN,

auch schon ein wenig beschwipst, mit einer gewissen Anlässigkeit, die sich zwischen Harras und Baron Pflungk noch nicht entscheiden kann Immer nur ’n armes Hühnchen veräppeln, was? Aber so arme Hühnchen sind wir Mädels von heute längst nicht mehr. Heiraten – ganz nett, wenn’s der Richtige ist. Aber denken Sie doch mal, all die Scherereien, die man damit hat, die ganzen Nachweise, Arierblut bis in die große Fußzehe der Urgroßmutter, Gesundheitszeugnis, Gebärtüchtigkeit, Bolleproduktion, und so weiter, is ja alles nötig von Rasse wegen – aber wenn man darauf warten will, mit seinem normalen Triebleben, da kann man alt und ranzig werden dabei.

MOHRUNGEN

Also wie du redest, Pützchen. Findest du nicht selbst, daß es zu weit geht?

PÜTZCHEN

Ach wo, so reden wir alle im BDM. Das ist das Recht der Jugend.

EILERS

Und was denkst du über die Pflicht der Jugend? Ich hoffe, du weißt, was ich meine.

PÜTZCHEN

Mein lieber Herr Schwager, nur keinen tierischen Ernst heute abend. Der kleene Hartmann hat mich schon genug angeödet. Hat er das alles von dir?

EILERS

mehr zu Mohrungen und Anne Der junge Hartmann, das ist wirklich ein ganz besonderer Fall. Unermüdlich im Dienst – und geradezu tollkühn. Fast zuviel, für meinen Geschmack. Sobald es irgendwo eine dicke Suppe gibt – schon meldet er sich. Dreimal am Tag, wenn’s die Maschine schafft. Manchmal könnte man glauben, er – Er vollendet den Satz nicht.

PÜTZCHEN

mit Pflungk plaudernd Er sieht gut aus, Hartmännchen, das muß man ihm lassen, und überhaupt, er ist ein schneidiger Junge, drei Sportpreise, zwölf Abschüsse, Tipptopp-Gesinnung. Aber es fehlt ihm was – der richtige Zißlaweck oder so. Er tanzt nicht, denken Sie.

BARON PFLUNGK

Das ist ein großer Fehler. Sie tanzen wohl sehr gern, Fräulein von Mohrungen?

PÜTZCHEN

Rasend gern, wenn’s keine volkhaften Reigentänze sind. Pützchen, gefälligst. Plappernd Als Kind hab ich Trüdchen nicht aussprechen können, und Waltraut erst recht nicht, da hab ich mich selber Pützchen genannt, das ist mir hängengeblieben – Sie lacht selbstberauscht.

BARON PFLUNGK

Süß. – Darf ich Sie vielleicht mal ausführen, Pützchen – zu einem unserer diplomatischen Tanzabende, solang Sie in Berlin sind? Geschlossene Gesellschaft, natürlich –

PÜTZCHEN

Ob Sie dürfen! Ich bleibe ja in Berlin, wissen Sie das nicht? Ich hab mich als Anwärterin gemeldet für den Führerinnenkurs der Reichsfrauenschaft – wo haben Sie Ihre Tanzabende? Im ›Eden‹, oder in der ›Ollen Königin‹? Sie ziehen sich angeregt in eine der Nischen zurück.

MOHRUNGEN

hat Harras einen Augenblick beiseite gezogen Sagen Sie, General – haben Sie was Neues in Erfahrung gebracht – in der bewußten Sache? Es wird morgen früh in der Sitzung zur Sprache kommen. Ich fürchte, man wird sich einmischen wollen – von seiten – Sie wissen schon – wenn wir nicht rasch eine Erklärung finden. Ich möchte nicht Stellung nehmen – bevor ich Ihre Meinung weiß.

HARRAS

Meine Meinung. Hm. Offiziell – oder persönlich?

MOHRUNGEN

Ich denke, wir können Vertrauen zueinander haben, Herr General.

HARRAS

Offen gesagt – ich hab noch gar keine Meinung. Oder nur – Vermutungen. Es ist eine verfluchte Geschichte. Heute nachmittag sind wieder frische Meldungen eingelaufen – unter uns, Präsident – Tragflächenbruch bei einem Dutzend fabrikneuer Maschinen. Das Material ist zur Untersuchung unterwegs. Aber ich kann mir nicht erklären vom technischen Standpunkt aus, wieso – Leise – Achtung. Wir sprechen uns später.

DR. SCHMIDT-LAUSITZ

hat sich den beiden genähert Störe ich? Oder besprechen Sie keine Berufsgeheimnisse, an einem heiteren Abend? Ich verstehe ja nichts von Technik – aber mich interessiert das kolossal – die ganze Flugzeugindustrie, und so weiter –

HARRAS

Bei uns gibt’s keine Berufsgeheimnisse, Dr.Lausitz. Da ist alles klar wie die Sonne. Der Präsident kontrolliert die Materialbeschaffung – ich kontrolliere die Herstellung unsrer Kisten – der Oberst und seine Jungens setzen sich rein und furzen damit in der Luft herum, und wenn sie fünfzig Gegner abgeschossen haben, dann hängt ihnen was zum Hals heraus, ’n Orden nämlich. Das ist der ganze Trick.

DR. SCHMIDT-LAUSITZ

Geteilte Verantwortung. Hochinteressant. Wie gesagt, ich verstehe nichts davon. Mein Ressort ist die Kultur. Totale Mobilmachung der deutschen Seele. Sie wissen. Und Aufklärung des neutralen Auslands. Auch das ist Kampf. – Wenn auch nicht mit der Waffe.

HARRAS

Ich weiß. Mehr mit’m Mundwerk. Da muß manchmal eine Art von Mut dazu gehören – den ich nicht aufbringen würde.

DR. SCHMIDT-LAUSITZ

Sie schmeicheln, Herr General. Wendet sich ab.

LÜTTJOHANN,

der dazugetreten war, leise Scheißkerl.

HARRAS

zwischen den Zähnen Paß auf, Kleener. Besauf dich nicht.

LÜTTJOHANN

Keine Sorge. Ich tu nur so. Bin scharf auf’m Kasten.

HARRAS

nickt ihm zu, trinkt hastig.

FRIEDRICH EILERS UND ANNE

sind zu ihm getreten.

ANNE

Das werd ich Ihnen nie vergessen, General Harras – daß Sie ihm einen solchen Abend geben – und was Sie über ihn gesagt haben – ich meine – nicht nur die Ehre. Aber soviel Wärme und Freundschaft. Ich weiß, was es für ihn heißt. Ich glaube, so froh war er seit seiner Kindheit nicht.

EILERS

Dank schön, Anne. Du hast das ganz richtig gesagt. Ich würde das gar nicht so über die Lippen bringen.

HARRAS

Ja, du bist ’n alter steifer Holzbock, Fritze. Aber ich kenn dich genau. Du warst mir immer der liebste von allen, obwohl du nicht säufst. Na, mach mal ne Ausnahme. Er schenkt ihm ein.

EILERS

lachend Kann ja nichts schaden – auf Urlaub.

ANNE

Wenn Sie gehört hätten, wie er mir immer von Ihnen erzählt hat. Eifersüchtig hätte man werden können. Harras ist der Erste – nach dem Führer natürlich – und dann kommt lange nichts.

HARRAS

Und jetzt haben Sie den ollen Harry in Fleisch und Blut kennengelernt. Kleene Enttäuschung, was? Gar keine Würde, für’n General. Und noch nicht mal Parteigenosse.

EILERS

Na ja, in der Beziehung – denken wir vielleicht ein bißchen verschieden. Aber wo’s drauf ankommt, da gibt’s keinen Unterschied. Soldat ist Soldat.

ANNE

Es ist wohl auch eine Generationsfrage. Wir sind schon halbwegs damit aufgewachsen. Uns ist das heilig. Es hat uns ja das bißchen Lebensinhalt gegeben.

HARRAS

Mein Lebensinhalt – das war immer die Fliegerei. Das hab ich gemacht von der Pike auf – schon als Freiwilliger im Jahre 14 – und nu kann ich’s nicht mehr bleiben lassen. Das ist fast wie mit’m Schnaps. Trinkt Prost Kinder! Ich bin ja so froh, daß wir heut abend beisammen sind. Schlägt Eilers auf die Schulter Seit die Rußlandzicke losgegangen ist, hab ich den Ollen doch nur ein einziges Mal gesehen, und das war bei ner offiziellen Stabsbesprechung. Nun setzt euch mal’n bißchen zu mir und klappt euer Innenleben auf. Wie geht’s denn überhaupt – ich meine – außerdienstlich? Daheim? Was machen die Kinder?

EILERS

Ich hab sie noch gar nicht gesehen, denk dir. Bin ja erst heute von der Front gekommen. Aber wie ich mich auf die nächsten acht Tage freu – das kannst du dir vorstellen.

ANNE

Na, und die Buben erst! Die können’s gar nicht abwarten. Der Kleine versteht’s ja noch nicht ganz. Aber er kann schon sagen: Papa fliegen! Und dazu macht er so: Ssss – –!

HARRAS

Schön muß das sein – wenn man heimkommt – und Kinder hat.

EILERS

etwas abwesend Ja – wenn man heimkommt – und – Er verstummt, starrt auf das Glas, das er in der Hand hält.

ANNE

Was hast du denn – Friedrich?

EILERS

wie erwachend Ach – nichts. Entschuldigt, bitte. Das war nur so komisch –

HARRAS

Was denn?

EILERS

Ich hab mich plötzlich – da in dem Glas gesehen. Bißchen verzerrt – aber ganz genau. Mein eigenes Gesicht. Komisch. Man weiß doch nie, wie man eigentlich aussieht. Er starrt fast erschrocken vor sich hin.

ANNE

mit etwas gezwungenem Lachen Du – du hast’n Schwips, Friedrich.

EILERS

einstimmend, verändert, unbefangen Ich kann nämlich wirklich nichts vertragen. Verzeihung, Harry.

HARRAS

Na – iß mal was. ’n tüchtiger Happen wird dir gut tun. Besser als ne Pervitintablette – was?

EILERS

kopfschüttelnd, lächelnd Ja, ich glaube, ich eß mal was. Er geht zum Büfett.

ANNE

Was hat er denn? Glauben Sie, es kommt wirklich nur von dem Gläschen Wein?

HARRAS

Er soll sich mal vierundzwanzig Stunden ausschlafen. Und wenn er aufwacht – dann soll er – mit’m ersten Blick – in Ihre Augen sehn, Anne.

ANNE

drückt ihm hastig die Hand Dank, Harry. Sie sind – Sie sind wundervoll. Geht rasch zu Eilers.

HARRAS

vor sich hin Verflucht nochmal. Verflucht nochmal. Er trinkt.

OTTO

kommt herein, strahlend Ganz großer Abend, Herr General. Soeben telephonische Meldung gekommen – der Herr Reichsmarschall wird persönlich erscheinen, mit ein paar Herrn von seinem Stab und den Damen von der Metropolpremiere. Wir räumen gerade die niederen Chargen weg. Zutritt nur noch vom Obergruppenführer aufwärts. Übrigens: vier jüngere Herren sind draußen, Hauptleute und Leutnants, von der Staffel Eilers, sagen, Herr General habe sie herbeordert. Soll ich sie reinlassen?

HARRAS,

der zuerst kaum hingehört hat, elektrisiert Aber klar! Rasch, damit sie nicht eingeschüchtert werden von all dem Brimborium. Bringen Sie sie her!

OTTO

Zu Befehl, Herr General. Alles nach Wunsch? Der Sekt gut gekühlt?

HARRAS

Nu mach schon, Otto.

OTTO

ab.

HARRAS

Pützchen! Nehmen Sie mal die Fingerspitzen von der diplomatischen Weste weg. Es gibt ne Überraschung.

PÜTZCHEN

Schon wieder ’n Toast?

HARRAS

So ähnlich. François! Frische Gläser. Herein treten, mit ihren neuen Auszeichnungen geschmückt, Hauptmann Pfundtmayer, Oberleutnant Hastenteuffel und die Leutnants Writzky und Hartmann. Pfundtmayer etwa so alt wie Harras, Typus bayrischer Kraftlackel, Hastenteuffel mehr westfälisch, scharfäugig, mit großen Händen und schwerer Zunge, Writzky ›kesser Junge‹ aus Berlin, bißchen effeminiert, aber schneidig und elegant, Hartmann sehr jung, schmal, blaß, mit hübschem, gescheitem Knabengesicht.

PFUNDTMAYER

militärisch vor Harras meldend Hauptmann Pfundtmayer und drei Herren von der Kampfstaffel Eilers.

HARRAS

offiziell – wobei er sich das Lachen kaum verbeißen kann Danke. Meine Herren, ich habe die Ehre, Ihnen zu Ihren Auszeichnungen zu gratulieren und Sie in unserm kleinen Kreis willkommen zu heißen.

PFUNDTMAYER

salutiert vorschriftsmäßig Die Ehre ist auf unsrer Seite, Herr General.

HARRAS

herausplatzend Pfundtl! Alte Rübensau! Jünger bist auch net geworden!

PFUNDTMAYER

Ja – Harry – alter Distelfink hätt i beinah gesagt, ja derf ma denn zu dir noch du sagen – so a Mordsviech, was d’ geworden bist.

HARRAS

zu den anderen Wir sind nämlich Frontkameraden, von 14 bis 18 –

PFUNDTMAYER

Bis 17 – Winter 17, wos’ mich am Steißbein derwischt ham – so a Freid!

MOHRUNGEN

Die Herren haben sich nie getroffen, seitdem?

HARRAS

Rein per Zufall, nein. Aber ich hab schon längst drauf gelauert. Gibt Pfundtmayer ein volles Glas Zehn Schritte zurück, Pfundtl. Kannst du’s noch?

PFUNDTMAYER

I? Klar! Er geht zehn Schritte rückwärts, Harras desgleichen, dann marschieren sie in komischer Travestie des Parademarsches mit den vollen Gläsern in der Hand aufeinander zu, immer rascher, so daß es aussieht, als müsse es zu einem Zusammenprall kommen, bei dem jeder sein Glas dem anderen ins Gesicht stoßen würde, aber im letzten Moment schwingen sie, Bauch an Bauch, die Gläser seitwärts aus und setzen sie einander an den Mund – jeder leert das Glas des andern mit einem Zug, dann machen sie kurz kehrt, so daß sie einen Augenblick Hintern an Hintern stehn, und marschieren wieder im gleichen Tempo an ihren Ausgangspunkt zurück, füllen die Gläser neu. Allgemeines Bravo und Händeklatschen.

HARRAS

So haben wir uns nämlich jeden Abend in der Fliegermesse begrüßt – damals, bei Cambrai und vor Verdun. Das war noch ’n Krieg.

PFUNDTMAYER

Gsoffen hammer mehr, dos geb i zu. Gfressen hammer schlechter. Tränen lachend So a Hetz! So a Hetz! Kannst mir noch ’s Glasl vom Kopf schießen, Harry? Oder traust di nimmer? Stellt sich das wieder gefüllte Glas auf den breiten Schädel.

HARRAS

Lüttjohann! Mein Revolver.

PFUNDTMAYER

nimmt das Glas rasch herunter, trinkt Naa, naa, den Kopf kann i net riskieren, der is noch Friedensware. Er schüttelt sich vor Lachen.

HASTENTEUFFEL

mit heiserer Baßstimme Wenn Herr General schießen wollen, bitte sehr. Stellt sich ein ganz kleines Schnapsglas auf den Kopf, nimmt stramme Haltung an.

HARRAS

Später, mein Freund. Nach der nächsten Flasche. Hab noch nicht die berühmte sichere Hand jetzt.

WRITZKY

Darf ich dann vielleicht mit einer Zigarette Ziel bilden? Ich hab ’ne lange Spitze. Er stellt sich Profil, mit einer überlangen Zigarettenspitze im Mund.

HARRAS

Ihr seid in Ordnung, Jungens. Kommt, ich mach euch bekannt. Zu Hartmann Sie brauche ich ja nicht vorzustellen, Leutnant Hartmann. Fühlen Sie sich hier nur – ganz wie zu Hause.

HARTMANN

etwas verlegen