Desinformation? Frag doch einfach! - Maik Philipp - E-Book

Desinformation? Frag doch einfach! E-Book

Maik Philipp

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Beschreibung

Wer (digital) liest, wird nahezu unvermeidlich auf Desinformationen stoßen. Gerade bei kontroversen oder komplexen Themen braucht es inzwischen ausgeprägte kognitive Fähigkeiten, um dafür gewappnet zu sein. Denn die Gefahren durch Desinformationen sind hoch, für einzelne Personen und für die Gesellschaft. Das Buch behandelt darum zentrale Fragekomplexe: Was sind Desinformationen und wie werden sie kognitiv verarbeitet? Welche Mechanismen in den sich derzeit stark wandelnden Medien- und Wissensgesellschaften begünstigen Desinformationen und wem nutzen sie? Warum ereignen sich Fehlleistungen aus kognitionspsychologischer Warte? Was lässt Personen anfällig oder resistenter gegenüber Desinformationen werden? Wie sehen geeignete Gegenmaßnahmen aus und was sind deren Grenzen?

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Maik Philipp

Desinformation? Frag doch einfach!

Klare Antworten aus erster Hand

#fragdocheinfach

Alle Bände der Reihe finden Sie am Ende des Buches.

 

Prof. Dr. Maik Philipp ist Professor für Lese- und Schreibdidaktik an der PH Zürich.

 

Umschlagabbildung: © bgblue – istock

 

DOI: https://doi.org/10.36198/9783838565439

 

© 2025 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Alle Informationen in diesem Buch wurden mit großer Sorgfalt erstellt. Fehler können dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen übernehmen deshalb eine Gewährleistung für die Korrektheit des Inhaltes und haften nicht für fehlerhafte Angaben und deren Folgen. Diese Publikation enthält gegebenenfalls Links zu externen Inhalten Dritter, auf die weder Verlag noch Autor:innen oder Herausgeber:innen Einfluss haben. Für die Inhalte der verlinkten Seiten sind stets die jeweiligen Anbieter oder Betreibenden der Seiten verantwortlich.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

Einbandgestaltung: siegel konzeption | gestaltung

 

utb-Nr. 6543

ISBN 978-3-8252-6543-4 (Print)

ISBN 978-3-8463-6543-4 (ePub)

Alle Fragen im Überblick

VorwortWas die verwendeten Symbole bedeutenZahlen und Fakten zu Falsch- und DesinformationenGegenstandsklärungen: was Desinformationen sindWas sind Informationen und was ist Wissen?Was versteht man unter Desinformationen?Sind Fake News auch Desinformationen?Zählen Verschwörungstheorien zu den Desinformationen?Welche Dimensionen machen die Desinformationen im Allgemeinen und die Fake News im Besonderen aus?Sind Desinformationen ein neues Phänomen?Postfaktismus und Desinformation – wie lassen sich diese beiden Phänomene zusammendenken?Negative Effekte: welche Schäden Des- und Falschinformationen anrichtenViel Lärm um nichts oder nur die Spitze des Eisbergs: Wie wird die Desinformationsproblematik in der Wissenschaft gesehen?Welche persönlichen Nachteile bringen Falsch- und Desinformationen mit sich?Welche negativen Wirkungen haben wissenschaftliche Falschinformationen?Was macht die Wissenschaft als gesellschaftliches Teilsystem so anfällig für Desinformationskampagnen?Was ist der politische Schaden von Desinformationen (in sozialen Medien)?Leistungen: wie (kompetentes) Leseverstehen funktioniertWas ist Leseverstehen?Was beeinflusst das Leseverstehen?Was ist epistemisch wachsames Lesen?Wie gehen Personen mit widersprüchlichen Aussagen um?Warum ist Sourcing so bedeutend für das (digitale) Lesen?Was für eine Rolle spielen Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit beim (Lese-)Verstehen?Wie lässt sich Vertrauen als Prozess verstehen?Was sind „epistemische Überzeugungen“ und welchen Einfluss haben sie auf das Leseverstehen?Welche Rolle spielt das inhaltliche Vorwissen für das Leseverstehen?Fehlleistungen: wie falsches bzw. misslingendes Leseverstehen funktioniertWelche Herausforderungen digitalen Lesens begünstigen potenziell die Nebenwirkungen von Falschinformationen?Was ist der Bildschirmunterlegenheitseffekt und warum könnte er Falsch- und Desinformationseffekte begünstigen?Wie gut sind Personen darin, Desinformationen in Nachrichten(schlagzeilen) zu erkennen?Sind Personen dazu in der Lage, Deepfakes als solche zu identifizieren?Was sind kognitive Illusionen und welche Bereiche der Informationsverarbeitung sind von ihnen betroffen?Warum sind individuelle Wahrheitsurteile anfällig für Desinformationen?Was ist der Wahrheitsillusionseffekt und wie funktioniert er?Die Hauptaussage oder die Details – was gibt den Ausschlag bei der Verarbeitung von Falschinformationen?Können durch Fake News Personen gezielt falsche Erinnerungen eingepflanzt bekommen?Führt schon der einmalige Kontakt mit Falschinformationen zu problematischen Veränderungen in den Überzeugungen?Was ist der „Effekt des anhaltenden Einflusses“?Beeinflusst die Vertrauenswürdigkeit der Quelle von falschen Informationen deren Wirkung?Risiko- und Schutzfaktoren: warum Falsch- und Desinformationen bei den Empfänger:innen (nicht) verfangenWie stellt man sich allgemein die Effekte von Desinformationen vor – und welche Rolle spielen dabei Risikofaktoren?Welche Risikofaktoren werden aktuell für besonders wichtig gehalten?Was ist „zielgerichtetes Denken“ und warum wird es als Risikofaktor erachtet?Was verbirgt sich hinter dem Bestätigungsfehler und warum gilt er als ungünstig?Warum gilt politischer Konservatismus (im Sinne der Parteilichkeit) als Risikofaktor?Weshalb lässt sich die Empfänglichkeit für „Bullshit“ als Risikofaktor modellieren?Was sind thematische Überzeugungen und wie wirken sie sich nachteilig auf das Leseverstehen aus?Ist Lesekompetenz ein ausreichender Schutz vor Falschinformationen?Was ist intellektuelle Demut und warum gilt sie als Schutzfaktor?(Warum) Ist analytisches Denken ein Schutzfaktor?Gegenmaßnahmen: (k)ein Kraut gegen DesinformationAuf welchen Ebenen lassen sich Gegenmaßnahmen verorten?Wie lassen sich die Ansätze auf der Individualebene systematisieren?Wie misst man die Fähigkeiten zum Erkennen von Fake News?Reicht es aus, was gegenwärtig gemessen wird und was wir über die Wirksamkeit wissen?Was verbirgt sich hinter dem Konzept des „kritischen Ignorierens“?Wie wirken sich Warnhinweise zu geprüften Falschaussagen aus?Sorgen Akkuratheitshinweise dafür, weniger falsche Informationen teilen zu wollen?Kann man gegen Desinformationen immun werden – oder: Was ist mit „Inoculation“-Ansätzen gemeint?Ist Gamification ein sinnvoller Ansatz, gegen Fake News vorzugehen?Sind Vermittlungsansätze zur Erhöhung des kritischen Lesens wie das „laterale Lesen“ die Antwort?Was lässt sich von der Logik der Widerlegungstexte für erfolgreiche Falschinformationskorrekturen lernen?Was bringen Korrekturen von Falschinformationen (Debunking)?Sind Faktenchecks als nachträgliche Korrekturen wirksam?Gibt es so etwas wie eine Grundstruktur günstiger Korrekturen von Falschaussagen?Existiert ein Bumerang-Effekt bei der Korrektur von Falschinformationen?Welche rhetorischen Strategien flankieren Falschaussagen?Kann der Effekt des anhaltenden Einflusses minimiert werden und wenn ja wodurch?Lassen sich die Fähigkeiten zum Erkennen von Deepfakes durch Maßnahmen verbessern?GlossarVerwendete LiteraturWo sich welches Stichwort befindet

Vorwort

Es ist eine paradox wirkende Situation: Wir leben in einem Zeitalter, in dem das Internet zum neuen Leitmedium unseres Kommunikations- und Lesealltags avanciert ist, welches uns potenziell unendlich viele Optionen gibt, uns zu informieren und Wissen zu erwerben und mit Menschen und Ideen in Kontakt zu treten. Dieses emanzipatorische Potenzial ist auf der Positivseite zu verbuchen. Zugleich ist es auch das Internet, in dem Hass und Hetze, Radikalisierung und Destruktion stattfinden. Es sind erodierende Mechanismen in Gang geraten, die unsere Sicht auf die Welt, unser In-​der-​Welt-​Sein und die Art, wie wir auf Gesellschaften blicken und welche Werte wir haben, zu verändern begonnen haben. Das ist die Schattenseite.

Zwischen alldem befinden wir uns als Leser:innen des frühen 21. Jahrhunderts in einem komplexen medialen Ökosystem mit teils neuen und teils alten Medien, die nach unterschiedlichen Vorgehensweisen verlangen, damit wir kompetent agieren, auswählen und dadurch einerseits ignorieren, was uns gefährdet, verwirrt, ablenkt oder schlicht nicht dient, und andererseits vertieft zu verstehen versuchen, was sich vertiefend zu durchdringen und anzueignen lohnt. Bei alldem können wir prinzipiell auf Aussagen stoßen, die nicht nur inhaltlich falsch sind, sondern sogar gezielt als Falschinformation verbreitet werden, um eine negative Wirkung zu entfalten. Desinformationen sind damit Teil unseres Alltags geworden. Mehr noch: Wir sind alle nicht vor ihnen gefeit. Und wir alle sind vulnerabel.

Diesem wichtigen Thema ist das vorliegende Buch gewidmet. Ein so komplexer Gegenstand lässt sich aus verschiedenen Perspektiven beleuchten und betrachten. In diesem Buch steht eine Perspektive besonders im Fokus; sie betrifft kognitive Verstehensprozesse und deren Fehleranfälligkeit, die Einfallstore für Desinformationen darstellen. Die Reise, auf die Sie dieses Buch demnach einlädt, ist eine Erkundung der Weise, wie wir Menschen mit Informationen und Desinformationen umgehen.

 

Zürich, im Frühjahr 2025

Maik Philipp

Was die verwendeten Symbole bedeuten

 

Toni verrät spannende Literaturtipps, Videos und Blogs im World Wide Web.

 

Die Glühbirne zeigt eine Schlüsselfrage an, deren Antwort unbedingt lesenswert ist.

Gegenstandsklärungen: was Desinformationen sind

Wovon sprechen wir eigentlich, wenn von „Desinformationen“ die Rede ist? Aus Sicht der Forschung ist die Antwort einfach und komplex zugleich. Einfach ist sie insofern, als es einen Kernbestand gibt, nämlich objektiv falsche, mit einer schädigenden Absicht verbreitete Aussagen. Komplex ist sie, weil andere Begrifflichkeiten und Konzepte existieren, die in einem Zusammenhang zu Desinformationen stehen. Dieses Kapitel führt darum in wichtige Begrifflichkeiten ein.

Was sind Informationen und was ist Wissen?

Die Notwendigkeit, sich mit „Desinformationen“ zu befassen, ergibt sich schon aus dem Wort heraus, nämlich aus dem Präfix „des-“. Denn dieses Präfix zeigt das Gegenteil an: Wer desinformiert, informiert eben gerade nicht. Was bedeutet dann aber „informieren“ bzw. das Substantiv und das Konzept „Information“?

Der Begriff „Information“ hat eine lange Begriffsgeschichte. An dieser Stelle erfolgt, zumal in Abgrenzung zur Desinformation, eine kurze Definition:

Informationen

DesinformationenVerhältnis zu Informationenstellen einen Teil der Welt in einer bestimmten Weise dar – sie besitzen einen semantischen (oder dargestellten) Inhalt, sie beziehen sich also auf etwas, das existiert (Funktion der Repräsentation) – Desinformationen geben nur vor, dass etwas existiert;

haben einen Gültigkeitsanspruch auf Wahrheit – sie bezeichnen also, dass ein Sachverhalt in einer bestimmten Art vorliegt, existiert, besteht etc. und dass dies mit dem Inhalt der Information übereinstimmt (Funktion der Wahrhaftigkeit) – Desinformationen bedienen sich hingegen der Täuschung bzw. zielen auf eine Schädigung ab (Fallis, 2015).

Informationen sind aus der Sicht der psychologischen Lernforschung kleinere Bestandteile für ein größeres Konstrukt, nämlich das Wissen. In der Psychologie werden darunter ganz allgemein alle im Langzeitgedächtnis einer Person verfügbaren Informationen verstanden (McCarthy & McNamara, 2023), wobei sich dieses Wissen auf sehr unterschiedliche Bereiche beziehen kann. Von einer philosophischen Warte aus ist Wissen aber nicht nur die Gesamtheit von Informationen:

Wissen

WissenIm philosophischen Sinne ist Wissen eine gerechtfertigte, wahre Überzeugung. Demnach muss a) etwas wahr sein, b) jemand muss überzeugt sein, dass etwas wahr ist, und c) die Überzeugung, dass etwas wahr ist, muss plausibelPlausibilität begründet werden können. Entsprechend sind Aussagen nicht per se als Wissen oder Nicht-​Wissen zu werten, sondern müssen sich als wahr und begründbar herausstellen. Entscheidend ist neben dem Wahrheitsgehalt von Wissen auch dessen wie auch immer belastbare und nachvollziehbare Begründbarkeit (Alexander & Schoute, 2022).

Für Informationen gelten im Sinne der bisherigen kurzen Darstellung prinzipiell ähnlich Kriterien wie für das übergeordnete Wissen. Das kann deshalb nicht ausdrücklich genug betont werden, weil sich daraus die Schlussfolgerung ableitet, dass Desinformationen den Aufbau von Wissen gefährden (s. S. 31). Darum sind Wissen und Information beiderseits darauf angewiesen, dass Faktizität und Wahrhaftigkeit als Ansprüche an sie gelten.

Was versteht man unter Desinformationen?

Es gibt im Zusammenhang mit inhaltlich fehlerhaften Aussagen ganz unterschiedliche Begriffsverständnisse und wissenschaftlich gesehen noch keine Universaldefinition (Adams et al., 2023). Das hat einerseits damit zu tun, dass sehr viele unterschiedliche Phänomene unter solche falschen Aussagen fallen, und resultiert andererseits daraus, dass sich Wissenschaftler:innen teils uneins sind, welche Merkmale denn zwingend erfüllt sein müssen. Zugleich gibt es weitere Begrifflichkeiten, die eine zweifelsfreie Verständigung erschweren.

Sowohl eine Definition als auch eine Abgrenzung nehmen Wardle und Derakhshan (2017) vor, wie es der nachstehende Kasten zeigt:

Desinformationen: DesinformationenInformationen, die falsch sind und absichtlich erstellt werden, um einer Person, einer sozialen Gruppe, einer Organisation oder einem Land zu schaden.

Fehlinformationen: FehlinformationenInformationen, die zwar falsch sind, aber nicht in der Absicht erstellt wurden, Schaden anzurichten.

Mal-​Informationen: Informationen, die zwar auf der Realität beruhen, aber aus ihrem Kontext entfernt wurden und dazu dienen, einer Person, einer Organisation oder einem Land Schaden zuzufügen.

Damit sind bereits zwei Merkmale benannt, mittels derer sich Desinformationen konzeptuell schärfen lassen: ein Mangel an Wahrheit und eine schädigende Absicht. Dafür ein paar Beispiele:

Wenn gezielt Unwahrheiten über Folteranwendung in einem Militärgefängnis verbreitet werden, um dadurch das Ansehen eines Staates zu schädigen, der in einen Krieg involviert ist, fällt das unter Desinformationen.

Wenn Personen in sozialen MedienSoziale Medien ungeprüft das Gerücht weiterverbreiten, dass ein Unfall ein Terroranschlag gewesen sein soll, dann wäre dies eher eine Fehlinformation.

Wenn politische Gegner:innen gezielt vertrauliche Informationen aus zugespielten Dokumenten unter dem Deckmantel des Whistleblowings in Wahlkampfzeiten veröffentlichen, dann wären dies Mal-​Informationen.

Je nach Wahrheitsgehalt und schädigender Absicht können also negative Folgen gezielt herbeigeführt werden, auch wenn es sich nicht immer um Desinformation im Sinne der obigen Definition handeln muss. Desinformationen lassen sich also als unwahre und mit schädigender Absicht erstellte und verbreitete Aussagen verstehen. Es gibt aber auch noch weitere Merkmale, die gegenwärtig diskutiert werden, um Desinformationen besser definieren zu können (s. dazu s. S. 23).

In der Forschung werden trotz aller terminologisch sinnvollen Trennung von Fehl- und Desinformationen beide Gruppen oftmals als FalschinformationenFalschinformationenals Sammelbegriff für Des- und Fehlinformationengemeinsam deklariert. Auch in diesem Band wird, wenn nicht explizit und zweifelsfrei Desinformationen im Fokus stehen, die Rede von Falschinformationen sein.

Lesetipp

Eine gute lesbare Einführung in den Bereich des Verarbeitens und Verstehens falscher Informationen allgemein geben zwei ausgewiesene Experten aus der Psychologie. Das Buch behandelt neben den Grundlagen auch Grenzen und Erträge in der Bekämpfung von Desinformationen:

Roozenbeek, J. & van der Linden, S. (2024). The Psychology of Misinformation. Cambridge University Press.

Sind Fake News auch Desinformationen?

In der Öffentlichkeit ist der technische Ausdruck DesinformationenFake News „Desinformation“ sicher nicht so gebräuchlich wie „Fake News“. In der Forschung hat die Konjunktur des Ausdrucks „Fake News“ sogar dazu geführt, dass einige Forscher:innen den Begriff für zu unscharf halten, weil er zunächst für satirische Nachrichtenformate galt, seit Donald Trumps Verwendung zur Diskreditierung unliebsamer Berichterstattung und Medien degradierend gebraucht wurde und zudem ein ganzes Genre von (sozialen) Medien so bezeichnet wird (Zimmermann & Kohring, 2020). Anders formuliert: Der Begriff hat Abnutzungserscheinungen.

Dennoch gibt es Verfechter:innen, die mit Fake News eine ganz spezifische Form der Desinformation bezeichnen wollen:

Fake News

„Fake NewsFake News sind Nachrichten, denen es an Wahrheit und Wahrhaftigkeit fehlt. Es mangelt ihnen an Wahrheit in dem Sinne, dass sie entweder wörtlich falsch sind oder etwas Falsches vermitteln. Sie sind nicht wahrhaftig in dem Sinne, dass sie in der Absicht verbreitet werden, zu täuschen oder sich nicht um die Wahrheit zu kümmern.“ (Jaster & Lanius, 2021, S. 20)

Nach dieser Definition gibt nicht die objektive geringe Faktizität den Ausschlag, sondern vielmehr die schädigende Absicht, bei der durchaus Fakten verwendet werden können, diese aber so verdreht, verknappt, einseitig oder sonstig manipulativ genutzt werden, dass eine Desinformation die Folge ist. Fake News lassen sich damit durchaus als ein Ausschnitt aus den übergeordneten Desinformationen bezeichnen. Fake News sind zugleich eine wichtige Teilmenge, die sich über das Wort „Nachrichten“ in der obigen Definition bestimmen lässt. Denn Fake News sind Desinformationen, die im Gewand der objektiven Nachricht auftreten und sich gezielt die VertrauenswürdigkeitVertrauenswürdigkeit von Nachrichtenorganisationen und -institutionen zunutze machen, ohne deren Ethos zu folgen. Dementsprechend ist es legitim, Fake News im Sinne vorgeblicher journalistischer Produkte für solche Kommunikate zu reservieren, die gleichzeitig unwahr und nicht wahrhaftig sind, die aber in einer Aufmachung (Stilistik, Aussehen, Verwendung typischer Elemente) von journalistischen Produkten verbreitet werden (Fallis & Mathiesen, in Druck).

Lesetipp

„Fake News“ ist – wie auch „Desinformation“ – kein feststehender Ausdruck. Die Diskussion von sieben fremden und einer eigenen Definition anhand sieben verschiedener Dimensionen von Jaster und Lanius (2021) hilft dabei, die Nuancierungen in den Definitionen und die Kritik an ihnen besser zu verstehen:

Jaster, R. & Lanius, D. (2021). Speaking of Fake News: Definitions and Dimensions. In S. Bernecker, A. K. Flowerree & T. Grundmann (Hg.), The Epistemology of Fake News (S. 19–45). Oxford University Press.