Detour of Love - Ella Nikolei - E-Book

Detour of Love E-Book

Ella Nikolei

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dem alten Leben entfliehen und noch einmal ganz von vorn anfangen. Das ist alles, was Maribelle Bonheur will. Und sie macht Ernst. Sie schmeißt ihr verhasstes Studium, packt ihre Koffer und zieht von Paris aufs Land, um auf dem Chevalier-Gestüt zu arbeiten. Doch als sie dort ankommt, erwartet sie nicht eitler Sonnenschein, sondern Jean Durand. Ein junger Mann, der genauso attraktiv wie abweisend ist. Ausgerechnet er soll Maribelle in ihre neue Arbeit einweisen. Dabei lässt er keine Gelegenheit ungenutzt, um ihr zu zeigen, wie ungeeignet er sie für diesen Job hält. Zwischen Jean und Maribelle fliegen ordentlich die Fetzen, bis sich die Chemie zwischen ihnen verändert... In sich abgeschlossener Liebesroman mit heißen Szenen und Happy End.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 340

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Detour of Love

Ella Nikolei

Buchbeschreibung:

Dem alten Leben entfliehen und noch einmal ganz von vorn anfangen. Das ist alles, was Maribelle Bonheur will. Und sie macht Ernst. Sie schmeißt ihr verhasstes Studium, packt ihre Koffer und zieht von Paris aufs Land, um auf dem Chevalier-Gestüt zu arbeiten. Doch als sie dort ankommt, erwartet sie nicht eitler Sonnenschein, sondern Jean Durand. Ein junger Mann, der genauso attraktiv wie abweisend ist. Ausgerechnet er soll Maribelle in ihre neue Arbeit einweisen. Dabei lässt er keine Gelegenheit ungenutzt, um ihr zu zeigen, wie ungeeignet er sie für diesen Job hält. Zwischen Jean und Maribelle fliegen ordentlich die Fetzen, bis sich die Chemie zwischen ihnen verändert ...

Über die Autorin:

Ella Nikolei hat es schon immer geliebt, in Geschichten einzutauchen. Bereits in der Grundschule hat sie kleine Geschichten, Gedichte und Liedtexte für sich selbst verfasst. Heute lebt sie mit ihrem Mann in einem idyllischen Dorf in Sachsen und verbringt einen Großteil ihrer Zeit mit ihrem Laptop, um sich dem Schreiben zu widmen.

Wenn sie nicht gerade schreibt, liest sie ein gutes Buch oder greift zu Stift und Papier und drückt ihre Kreativität in Bildern aus.

Ella Nikolei

Detour of Love

2. Auflage,

© Ella Nikolei

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Lektorat: Lara Habegger

Umschlaggestaltung : Giusy Ame / Magical Cover

Bildquelle: Despositphotos

Kapitelschmuck von Despositphotos

Impressum:

Ella Nikolei

c/o COCENTER

Koppoldstr. 1

86551 Aichach

ella-schreibt.com

La chance

sourit aux

audacieux

Das Glück ist mit

den Unerschrockenen.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 17

Kapitel 219

Kapitel 338

Kapitel 445

Kapitel 563

Kapitel 677

Kapitel 790

Kapitel 897

Kapitel 9108

Kapitel 10123

Kapitel 11137

Kapitel 12149

Kapitel 13160

Kapitel 14177

Kapitel 15191

Kapitel 16205

Kapitel 17216

Kapitel 18225

Kapitel 19236

Kapitel 20243

Kapitel 21250

Kapitel 22258

Kapitel 23270

Kapitel 24280

Kapitel 25293

Kapitel 26301

Epilog312

Maribelle

Kapitel 1

Seufzend ließ ich mich auf die Matratze meines Bettes fallen und streckte meine müden Glieder aus. Meine Füße brannten von der langen Schicht im Café, meine Schultern waren verspannt und meine Augen fielen mir von allein zu. Lange blieben sie jedoch nicht geschlossen. Eine kalte, feuchte Berührung an meiner rechten Wange sorgte dafür, dass ich sie wenigstens einen Spalt breit öffnete. Zwei große, schokobraune Augen sahen mich erwartungsvoll an.

»Ich bin so müde«, murmelte ich und drehte mich auf die Seite.

Sehr ungalant stieg meine Beagle-Hündin über mich drüber. Ihr war es egal, dass sich ihre Krallen durch mein dünnes Top bohrten, wenn sie mich dadurch zum Aufstehen bewegen konnte. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, stand sie wieder vor mir und sah mich erwartungsvoll an.

»Das spielt keine Rolle, nicht wahr?«

Choco bellte kurz auf. Ich strich über ihr weiches Fell, während mich ein langes Gähnen überkam. Zwei Jahre lang war Choco bereits an meiner Seite und sorgte dafür, dass ich nach einem anstrengenden Tag nicht im Bett oder auf dem Sofa kleben blieb. Ich war viel zu faul für Sport, aber mit meiner Hündin musste ich mich bewegen. Jeden Morgen und jeden Abend ging ich mit ihr eine große Runde Gassi.

Ein kurzer Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es kurz nach neun war. Die Sommersonne schien noch immer durch das Fenster und eigentlich bot der Freitagabend noch viele Möglichkeiten für Aktivitäten. In Paris gab es mehr als genug Diskotheken, die zum Feiern einluden. Aber seit ich in diesem Café arbeitete, war ich immer so müde, wenn ich von der Spätschicht nach Hause kam. Den ganzen Tag mit schweren Tabletts hin- und herlaufen war ich einfach nicht gewohnt. Doch der Job brachte mir genügend Geld ein, um mich selbst zu versorgen und ein Auto zu kaufen. Außerdem machte mir die Arbeit wesentlich mehr Spaß als das Studium, welches ich vor drei Monaten geschmissen hatte.

Obwohl mein Körper protestierte, erhob ich mich aus dem Bett. Choco sprang geschwind herunter und eilte zur Tür. Ihr Schwanz wedelte vor Freude unruhig hin und her. Sie war eine liebe Hündin, aber kaum zu bremsen, wenn sie wusste, dass es nach draußen ging.

Ich griff nach meiner Tasche aus braunem Leder, die ich neben der Nachtkommode abgelegt hatte und hängte sie mir über eine Schulter. In den kleinen Taschen meiner kurzen Jeans war kein Platz für Smartphone und Kotbeutel. Sowie ich meine Zimmertür öffnete, stürmte Choco hinaus in den Flur und rannte dabei beinahe meine Mitbewohnerin um.

»Hey, Vorsicht«, sagte Sally lachend und beugte sich nach unten, um Choco zu streicheln. Aber der bevorstehende Spaziergang war ihr wichtiger und so sauste sie einfach an Sally vorbei. Mit aufgelegtem Schmollmund stemmte sie die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf, wodurch ihre langen Rastazöpfe leicht hin und her wippten. »Diese Dame ist einfach unverbesserlich.«

»Du weißt doch, wie sie ist, wenn sie Freiheit riecht«, sagte ich lachend.

Sally stimmte in mein Lachen ein. Sie war nicht nur meine Mitbewohnerin, sondern auch meine beste Freundin. Nachdem ich mein Studium geschmissen hatte und von Zuhause ausgezogen war, hatte mir Sally sofort ein Zimmer angeboten. Sie teilte sich die Wohnung mit ihrer Tante, die eine sehr erfolgreiche Fotografin von Beruf und so gut wie nie Zuhause war. Sie übernahm einen Großteil der Miete, wofür wir ihr beide überaus dankbar waren.

»Darf ich euch begleiten?«

»Natürlich. Bevor wir gehen muss ich aber noch eine Kleinigkeit essen.« Zielstrebig lief ich durch den schmalen Flur in die kleine Küche. Choco verfolgte mich auf Schritt und Tritt und bellte, als ich die Kühlschranktür öffnete. »Was?« Ich warf ihr einen gespielt strengen Blick zu. »Wenn ich nichts esse, können wir nur eine ganz kleine Runde spazieren.«

Choco stieß ein Geräusch aus, das ich irgendwo zwischen Knurren und Winseln einstufte und legte einen mitleidigen Blick auf, um mich vom Gegenteil zu überzeugen. Wer behauptet, Hunde könnten nicht mit Mimik spielen, der hat keine Ahnung.

»Du brauchst mich gar nicht so ansehen. Ich benötige dringend etwas Energie.« Ich öffnete die Verpackung des Schokoriegels und biss genüsslich hinein.

»Im Ernst, Maribelle?«, fragte Sally und lehnte sich gegen den Türrahmen. »Ich dachte, du wolltest etwas essen?«

»Das tue ich doch«, nuschelte ich kauend und hob den Schokoriegel hoch.

Schmunzelnd verdrehte Sally ihre Augen. »Ich meine etwas Richtiges. Etwas, dass mehr enthält als bloßen Zucker.«

»Schokolade ist etwas Richtiges und das menschliche Gehirn braucht Zucker.«

»Ja, neben diversen anderen Sachen.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Du weißt, wie sehr ich Schokolade liebe.« In jeglicher Form. Egal ob Tafelschokolade, Riegel oder Kakao. Ich war süchtig nach diesem Zeug.

Sie schüttelte den Kopf. »Tag für Tag stopfst du diese Dinger in dich rein und bist trotzdem noch gertenschlank. Das ist so gemein. Ich werde schon bei ihrem bloßen Anblick dick.«

»Das ist totaler Quatsch und das weißt du auch.« An Sallys Figur war rein gar nichts auszusetzen. In meinen Augen war sie eine exotische Schönheit. Wo ich mit Kellerbräune glänzte, erstrahlte Sallys Haut selbst im Winter karamellfarben. Ihr langes Haar war so dunkelbraun, dass es unter bestimmtem Lichteinfall schwarz wirkte, was ihren lateinamerikanischen Wurzeln zugrunde lag. Außerdem war ihr Haar weich, beinahe seidig und nicht so widerspenstig wie meine roten Locken. Sally trug gern, so wie heute, bodenlange und bunt gemusterte Kleider. Sie liebte diese weichfallenden Kleider, weil sie ihrer Meinung nach die kleinen Pölsterchen etwas kaschierten. Wobei sie keine wahren Pölsterchen hatte. Sally war nicht dick, nicht im Geringsten. Außerdem besaß sie ein hübsches Gesicht, das einen komplett für sich vereinnahmte. Ihre Lippen waren voll und ihre Augen groß und dunkelbraun. Mit ihren Rastazöpfen sah sie ein bisschen aus wie Alicia Keys, ihre Lieblingssängerin.

Choco fühlte sich nicht mehr beachtet und bellte auf.

»Ist ja gut«, beschwichtigte ich sie, stopfte den Rest des Schokoriegels in meinen Mund und lief zum Flur. »Wir gehen ja schon los.« Ich nahm die Leine und das Geschirr von der Garderobe und legte sie Choco an. Früher hatte ich ein Halsband für sie gehabt, aber mit dem Geschirr konnte ich sie wesentlich besser unter Kontrolle halten und hatte nicht das Gefühl, sie zu strangulieren, wenn ich sie von irgendetwas wegziehen musste.

»Wollen wir in den Park gehen?«, fragte Sally und griff nach ihrer bunt bemalten Handtasche.

Ich nickte und wurde von Choco regelrecht vor die Tür gezerrt. Im Sauseschritt eilten wir die Treppe vom zweiten Stock bis ins Erdgeschoss hinunter. Wenn ich noch lange bei meiner Freundin wohnen blieb, bekäme ich sicherlich irgendwann einen richtigen Knackarsch. Einen Fahrstuhl gab es hier nicht und so lief ich mindestens dreimal täglich die Treppen auf und ab. Und mit Choco dann auch noch im Eilschritt.

Meine Hündin schnupperte eifrig am Gehweg, den Laternen, an den Blumen und an allem, was ihr sonst noch über den Weg lief. Sally und ich wohnten nur sieben Gehminuten vom Louvre entfernt und gingen für einen Spaziergang am liebsten in dessen Garten. Hier traf man immer auf zahlreiche Touristen, die ein Foto nach dem anderen knipsten oder sich einfach nur von dem langen Besuch im Museum in den Schatten der vielen Fichten, Ulmen und Bergahorne flüchteten und entspannten.

Als wir den Park erreichten, ließ ich Choco frei. Sie konnte es kaum abwarten, über die Wiese zu stürmen.

»Und, hast du dir überlegt, wie es weitergeht?« Sallys Frage schmeckte mir gar nicht. In Momenten wie diesem musste ich mir eingestehen, wie verkorkst mein Leben war.

Drei Monate waren vergangen, seitdem ich mein BWL-Studium geschmissen hatte und Hals über Kopf zu Sally gezogen war. Ich hörte meine Mutter noch immer toben und schreien. Was hatte sie mir doch für eine Szene gemacht, als ich aus unserem sündhaft teuren Appartement ausgezogen war, von dem man einen herrlichen Ausblick auf die Stadt hatte. Meine Eltern drehten mir sofort den Geldhahn zu. Ganz sicher hofften sie, mich dadurch wieder nach Hause locken zu können. Zum Glück suchte Sallys Bruder, Will, immer neue Mitarbeiter für sein Café. So fand ich schnell eine Anstellung und musste niemandem auf der Tasche liegen. Auch mein erstes eigenes Auto hatte ich mir kaufen können. Obgleich es schon von mehreren Leuten als ein Haufen Schrott betitelt worden war. Aber ich brauchte keinen Luxuswagen. Um mich von A nach B zu bringen, reichte es alle Male.

»Ich habe keine Ahnung.« Seufzend sah ich mich nach Choco um, die gerade zwei andere Hunde in Augenschein nahm. Nur interessierten sie sie nicht sonderlich, sodass sie weiter unbedarft über die Wiese sprang. Der Park war noch gut besucht. Einige Pärchen und kleine Gruppen picknickten, spielten Frisbee oder chillten in der Abendsonne. Neben einem besonders dicken Ahornbaum hockten ein paar Jugendliche und hörten fürchterliche Musik, die mehr einem Grölen glich.

»Nun ja, in dem Café von Will willst du sicher nicht ewig arbeiten. Du könntest dich zum nächsten Semesterbeginn wieder an einer Uni bewerben.«

Ich warf Sally einen strengen Blick zu. »Du weißt ganz genau, dass ich nicht vorhabe, wieder BWL zu studieren.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich meine auch nicht BWL, sondern Veterinärmedizin.«

Abrupt blieb ich stehen und sah in Sallys dunkle Augen.

»Das ist doch noch immer dein Traum, nicht wahr?«

In diesem Moment wusste ich überhaupt nicht mehr, was ich wollte. Tiermedizin, das war es, was ich früher immer hatte studieren wollen. Ich liebte Tiere, seit ich denken konnte und als kleines Mädchen hatte ich immer davon geträumt, eines Tages eine eigene Praxis zu besitzen. Doch diesen Traum hatte ich mir von meinen Eltern zerschlagen lassen. Sie hatten ganz genau gewusst, wofür ich brannte und dennoch keine Gelegenheit ungenutzt gelassen, um auf mich einzureden, ein BWL-Studium wäre das Richtige für mich. Dabei hatten sie auch klar zum Ausdruck gebracht, wie maßlos enttäuscht sie wären, wenn ich das Studium nicht antreten und erfolgreich beenden würde. Erfolg war schon immer das Einzige gewesen, was die beiden interessierte. Wenn ich mal mit einer Drei nach Hause gekommen war, war jedes Mal der Teufel los gewesen. Aber Mathe hatte mich nicht interessiert und ein BWL-Studium schon gar nicht. Das Studium zu beginnen, war ein vergeblicher Versuch gewesen, meine Eltern stolz zu machen. Ein einziges ›Das hast du gut gemacht‹ hätte mir die Welt bedeutet. Aber selbst das war für sie zu viel verlangt. Sie konnten nur fordern und tadeln. Ihre Pläne für mich waren sehr konkret. Nach einem erfolgreichen Abschluss sollte ich in ihrer Immobilienfirma arbeiten, die schon seit Generationen von unserer Familie geführt wurde. Sowohl meine Eltern als auch sämtliche meiner Onkels, Tanten und Cousins arbeiteten in dem großen Konzern oder einer seiner Tochtergesellschaften.

Ich hasste mich dafür, dass ich mich hatte überreden lassen. Ich hasste mich für den inneren Drang, ihnen unbedingt gefallen zu wollen. Erst heute, mit zweiundzwanzig Jahren, war es mir endlich gelungen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

»Ich weiß nicht«, murmelte ich unwirsch. Ich hatte mich für verschiedene Jobs beworben, denn im Café wollte ich wirklich nicht lange arbeiten. Es war gut als Übergang, aber Will hatte mir versprochen, mich jederzeit gehen zu lassen.

»Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst. Aber du wärst ganz bestimmt eine tolle Tierärztin. Ganz abgesehen davon, dass es 1.000 mal besser zu dir passt, als eine langweilige Bürotussi zu werden.« Sally lachte herzlich auf und ich stimmte in ihr Lachen ein.

Was war ich froh, sie als Freundin zu haben. Sally war ganz anders, als meine Kommilitoninnen. Die meisten von ihnen waren verwöhnte Zicken, die sich nur für Geld und Ruhm interessierten. Ihre Eltern waren allesamt wohlhabende Geschäftsleute und hatten ihnen die Arroganz vererbt. Ging es um edlen Schmuck oder teure Kleidung, waren sie die besten Gesprächspartnerinnen. Aber mit keiner von ihnen konnte ich über Dinge sprechen, die mich wirklich im Herzen bewegten. Ich hatte nicht in ihre Welt gepasst und das hatten sie mir deutlich gezeigt. Andeutungen zur früheren Hexenverfolgung, aufgrund meiner roten Haare und den grünen Augen, waren noch eine der harmloseren Dinge gewesen.

Bei den Männern sah es nicht viel besser aus. Irgendwie geriet ich immer an Möchtegernmillionäre, die glaubten, sie könnten mich wie ein dummes Huhn behandeln, nur weil sie mich zum Essen in ein Nobelrestaurant einluden. War dies nicht der Fall, dann erwischte ich einen glattgeleckten Schnösel, der mich zu Tode langweilte, sobald er zu sprechen anfing.

Ich schnaubte auf. »Stell dir mich in einem Hosenanzug vor, wie ich vor einem Dutzend Geschäftsleuten irgendeine langweilige Präsentation halte.«

Sallys Lachen wurde lauter und herzlicher. »Ja, mit einer aalglatten Hochsteckfrisur.«

Mein Bauch begann bereits wehzutun, so sehr musste ich lachen. Zum Glück konnte ich mittlerweile darüber lachen. Bei großen Feiern hatte meine Mutter darauf bestanden, dass ich mir meine Haare glätte. Sie mochte meine wilde Lockenmähne nicht, im Gegensatz zu mir. Und dann immer dieses lästige Schminken. Als ich bei meinen Eltern ausgezogen war, war der ganze unnötige Plunder im Müll gelandet. Ich hatte keine Hautunreinheiten, die ich verbergen musste, und ich sah nicht ein, meine Sommersprossen auf der Nase und den Wangen abzudecken. Lediglich etwas roten Lippenstift und Mascara hatte ich behalten.

Genau in diesem Moment klingelte mein Telefon. Immer noch lachend, zog ich es aus meiner Hosentasche und schaute auf das Display – unbekannte Nummer. Ich bemühte mich darum, mich wieder zu beruhigen, während ich mich fragte, wer das wohl sein konnte.

Sally machte einen koketten Augenaufschlag. »Vielleicht ist das einer deiner Kommilitonen, der dir sagen möchte, wie sehr er dich vermisst.« Ihr Lachen half mir in keiner Weise dabei, mein eigenes zu unterdrücken.

Ich stieß ihr mit dem Ellenbogen leicht in die Seite. »Du bist albern.« Dann wischte ich über den Bildschirm und hielt mein Smartphone ans Ohr. »Hallo?«

»Guten Abend, hier ist Mathéo Chevalier. Spreche ich mit Maribelle Bonheur?«

Mein Herz begann wild zu pochen. Monsieur Chevalier war der Besitzer eines Gestüts, bei dem ich mich vor zwei Wochen beworben hatte. Da es in Marseille lag, hatten wir das Vorstellungsgespräch via Skype geführt. Bestimmt rief er an, um mir eine Absage zu erteilen. Er war bei unserem Gespräch zwar wirklich nett gewesen, aber ich hatte keine Vorkenntnisse in diesem Beruf. Sicher hatte er noch zahlreiche andere Bewerber, die mehr Erfahrungen aufweisen konnten. Meinetwegen hätte er mir die Absage per E-Mail schicken können. Nervös spielte ich mit den Fingern an meiner Halskette. Ein goldenes Herz wurde von filigranen Ornamenten umrahmt. Dieses Schmuckstück legte ich lediglich zum Schlafen und Duschen ab. »Ja, hier ist Maribelle Bonheur.«

Sally sah, wie ernst ich wurde, und verhielt sich plötzlich ganz still.

»Bitte entschuldigen Sie die späte Störung. Sind Sie noch immer an der Stelle auf meinem Gestüt interessiert?«

Und wie ich das war. Gleich nach Hunden waren Pferde meine absoluten Lieblingstiere. Edle und anmutige Geschöpfe, die dem Menschen so überlegen sind und ihnen dennoch gefallen möchten. Mein Blut rauschte immer schneller durch meinen Körper. »Ja, das bin ich.«

»Ich weiß, es ist kurzfristig, aber könnten Sie am Montag anfangen?«

Ich schluckte. Das war schon in drei Tagen. Zeitgleich hätte ich vor Freude in die Luft springen können. Das alles kam so überraschend und ich war nicht darauf vorbereitet. Aber ich wollte es unbedingt. »Ja, das kann ich.«

»Wunderbar, Sie müssen sich auch keine Unterkunft besorgen. Ich stelle Ihnen ein Zimmer.«

»Das ist fantastisch, Monsieur Chevalier. Ich freue mich.« Ich musste aufpassen, dass meine Euphorie nicht meine Stimme überschlagen ließ.

»Ich schicke Ihnen noch eine Mail mit allen Daten. Ich nehme an, dass Sie schon am Sonntag anreisen werden?«

Bei einer Fahrt, die ungefähr sieben Stunden dauerte, gab es auch kaum eine andere Möglichkeit. »Ja, genau.«

»Gut, dann sehen wir uns am Sonntag. Auf Wiederhören.«

»Au revoir.« Ich steckte mein Handy zurück in die Tasche und konnte nicht glauben, dass das soeben wirklich passiert war.

Sally sah mich ungeduldig an. »Wer ist Monsieur Chevalier und was wollte er?«

»Ab Montag habe ich einen Job in der Nähe von Marseille.«

»In Marseille?« Sally klang total entsetzt.

»Ja, auf dem Chevalier-Gestüt. Ich kann es kaum glauben.«

»Ich auch nicht. Dann wohnt meine beste Freundin über siebenhundert Kilometer von mir entfernt.« Sie verzog ihre Lippen und sah mich traurig an.

»Es ist doch besser, mit mir zu telefonieren, als dabei zuzusehen, wie ich hier versauere, oder?«

Sally ließ die Schultern hängen, nickte mir jedoch zu. »Natürlich und ich freue mich doch auch für dich. Ich bin nur ein wenig überrumpelt.«

»Das bin ich auch. Aber ich freue mich so wahnsinnig doll.«

»Wenn es das ist, was du willst, dann werde ich dich nicht abhalten.« In ihre Augen legte sich ein warmer Glanz. Kurz darauf streckte sie einen Arm aus und tätschelte mir die Schulter. Richtige Umarmungen waren nicht ihr Ding, aber selbst diese Geste ließ mich wissen, dass hier jemand stolz auf mich war. »Ich freue mich wirklich für dich.«

»Danke.« Als sie ihren Arm wieder zurückzog, sah ich über die Wiese und hielt Ausschau nach Choco. Sie wälzte sich gerade durch das Gras und wirkte dabei völlig unbeschwert.

»Lass uns auf dem Rückweg noch in den Spätshop gehen und eine Flasche Sekt kaufen. Heute Abend gibt es etwas zu feiern.«

Kapitel 2

Tief atmete ich durch, als ich die geteerte Straße am Rande des Dorfes verließ und auf den Weg zum Gestüt einbog. Aus meinem Autoradio trällerte leise Musik. Egal, wie sehr man an dem Rädchen drehte, die Lautstärke wurde nicht höher. Ein weiteres Manko meines roten Kleinwagens.

Es war bereits nach 20 Uhr. Mein Rücken und mein Gesäß schmerzten von der langen Fahrt. Choco lag auf dem Beifahrersitz und strafte mich mit purer Ignoranz. Sie konnte nicht verstehen, warum ich sie stundenlang bei dieser Hitze in ein Auto ohne Klimaanlage verfrachtet hatte. Ihretwegen hatten wir extra mehrere Pausen gemacht, damit sich Madame die Beine vertreten konnte. Offensichtlich war ihr das nicht genug.

»Wenn wir im Gestüt ankommen, wirst du sehen, dass sich die weite Fahrt gelohnt hat.«

Chocos braune Augen zeigten keine Spur von Vorfreude. Sie gähnte und legte ihren Kopf auf den Vorderbeinen ab. Ich strich mit der rechten Hand kurz über ihr Fell.

»Du wirst sehen, von nun an wird alles besser. Du hast hier viel mehr Platz zum Toben. Monsieur Chevalier hat gesagt, dass du dich auf dem Gelände frei bewegen kannst, solange du nichts anstellst.« Ich hatte gestern noch einmal mit meinem neuen Chef telefoniert, um die Einzelheiten meiner Ankunft zu besprechen. Auf seinem Gestüt befand sich ein Bungalow, in dem einige seiner Angestellten wohnten. Ein Zimmer war noch frei und würde nun meines werden.

Ich ließ meinen Blick nach rechts und links schweifen. Der Anblick, der sich mir bot, entschuldigte die lange Fahrt. Die hohen Birken und Pappeln am Wegesrand der lehmigen Straße trugen saftig-grüne Blätter. Die Äpfel der einzelnen kleinen Bäume waren schon reif und knackig. Gut zwei Dutzend Pferde grasten genüsslich auf der Weide zu meiner Rechten. Auf der anderen Seite fuhr ein Traktor über das Feld. Umgeben von dieser Idylle überkam mich ein wohliges Gefühl. Ich kam mir hier ganz und gar nicht fremd vor, was sehr eigenartig war. Schließlich kannte ich hier niemanden und doch war es, als würde mich ein magisches Band anziehen.

Nach einigen weiteren Metern kamen die ersten Gebäude des Hofes zum Vorschein. Die vielen Bäume davor ließen mich nur einen kleinen Blick darauf erhaschen, doch im Vorbeifahren las ich das große Holzschild: Gestüt Chevalier.

Mein neuer Arbeitsplatz.

Mein neues Zuhause.

Als ich den Hof erreichte, geriet ich ins Staunen. Mehrere große Gebäude erstreckten sich vor und neben mir. Der weiße Putz war teilweise mit einer Holzverkleidung versehen und an den äußeren Fensterbänken hingen bunte Blumenkästen. Die roten Ziegel auf den Dächern wirkten nagelneu. Alles sah so freundlich und noch viel schöner aus als auf den Bildern.

Ich parkte meinen Wagen neben dem Springbrunnen, der sich in der Mitte des Hofes befand, und atmete tief durch. Die Einbahnstraße meines Lebens nach nirgendwo sollte endlich ein Ende finden.

Bevor ich aus dem Auto stieg, brauchte ich dringend einen Schluck Wasser. Meine Kehle fühlte sich völlig ausgetrocknet an. Kein Wunder, bei einer Außentemperatur von 31 Grad und einer Klimaanlage, die nicht funktionierte. Ich hätte sie schon längst reparieren lassen, nur fehlte mir das Geld dazu.

Viel wichtiger als mein eigener Durst war jedoch der von Choco. Ich griff nach meinem Rucksack auf der Rückbank und holte den Hundenapf für unterwegs heraus. Meine Hündin horchte sofort gespannt auf.

Per Knopfdruck ließ ich das Wasser von dem durchsichtigen Behälter in die grüne Schale laufen und reichte Choco das Wasser. Gierig schlabberte sie daraus, bis sie leer war. Ich kramte im Rucksack nach meiner Wasserflasche und nahm einige große Schlucke, während Choco sich mit den Vorderpfoten gegen die Tür stemmte und aus dem Fenster schaute.

»Ich bin ganz schön aufgeregt.«

Ich legte den Rucksack wieder nach hinten und stieg aus dem Auto, von dem ich nicht wusste, ob es überhaupt durch die nächste technische Kontrolle kommen würde. Wohl kaum, wenn ich nicht vorher noch mehr als nur die Klimaanlage reparieren lassen würde.

Der Duft von Pferden und Heu erreichte meine Nase. Ein Duft, den ich so lange nicht mehr wahrgenommen hatte und der mich an meine einzige Rebellion gegen meine Eltern erinnerte.

Choco sprang aus dem Wagen, als ich ihr die Tür öffnete, und schüttelte sich. Während sie ihre Glieder streckte, sah ich mich um. Direkt vor mir erstreckte sich ein großes Haus. Hier mussten Monsieur Chevalier und seine Familie leben. Zu meiner Linken rangte ein langgezogener Stall und rechts befand sich eine Reithalle. Auf einem so großen Hof hatte ich bei meiner Ankunft reges Treiben erwartet, aber nirgendwo war auch nur eine Menschenseele zu sehen.

Ich beugte mich nach unten und strich der Beagle-Dame über den Kopf. »Na dann machen wir uns mal auf die Suche.«

Choco folgte mir auf Schritt und Tritt. In unbekannten Gegenden wich sie mir nicht mehr als einen Meter von der Seite. Gemeinsam liefen wir über den Hof und als wir schon fast den langen Stall erreichten, entdeckte ich in der Ferne einen jungen Mann, der in leicht geduckter Haltung den Zaun einer Koppel reparierte. Er würde mir sicherlich sagen können, wo der Chef zu finden war.

Zielsicher lief ich auf ihn zu. Je näher ich ihm kam, desto deutlicher wurde seine muskulöse Statur. Er war nicht übertrieben damit bepackt, sondern wirkte eher athletisch. Das dunkle Shirt lag eng an seinem Rücken und die graue Hose betonte seine wohlgeformten Beine. Womöglich war er ein Reiter. Da der Mann mit dem Rücken zu mir stand, konnte er nicht sehen, wie sich mein Blick auf seinem Hintern verfing. Musste er ihn mir auch förmlich entgegenstrecken?

»Entschuldigung«, machte ich auf mich aufmerksam, als mein Hirn endlich zuließ, den Blick von seinem Po zu lösen.

Der Mann richtete sich auf und irgendwie sah diese simple Bewegung eigenartig und angestrengt aus. Vielleicht hatte er zu lange in der vorherigen Position verharrt, dass seine Glieder schon steif geworden waren. Er drehte sich zu mir um. Nun überragte er mich um mehr als eine Kopflänge. Einzelne Schweißperlen liefen von seiner Stirn hinunter, benetzten seine braungebrannte Haut und das kurze Haar, das genau so dunkel wie das Fell des Rappen war, der wenige Meter von uns entfernt graste. Seine Augen waren klar und blau und schienen die Spitze des Eisbergs seines attraktiven Äußeren zu sein. Ich schätzte ihn ungefähr in meinem Alter ein.

»Was ist?« Seine Frage klang mürrisch und auch sein Gesichtsausdruck war streng verzogen.

Seine pampige Art verpasste meiner guten Laune einen Dämpfer. Ich hätte auch nicht gern in der sengenden Hitze einen Zaun repariert, aber deswegen musste man nicht gleich unfreundlich werden.

»Ich suche den Besitzer des Hofes, Monsieur Chevalier.«

»Was willst du von ihm?«

»Mich vorstellen.« Mein Tonfall war inzwischen genauso genervt wie seiner. »Ich bin Maribelle Bonheur und fange morgen an, hier zu arbeiten.«

Brummend runzelte er die Stirn. »Du willst hier arbeiten?« Er verschränkte seine Arme vor dem Körper und musterte mich skeptisch. »Hast du denn überhaupt Erfahrung im Umgang mit Pferden und den Arbeiten, die auf einem Gestüt anfallen?«

Was hatte dieser Kerl eigentlich für ein Problem? Ich mochte mit meinen 1,65 Meter im Gegensatz zu ihm recht klein und wenig muskulös wirken, aber ich wusste sehr gut, dass die Arbeit auf einem Pferdehof kein Zuckerschlecken war. »Das habe ich. Ich habe ein Jahr lang in Australien auf einer Pferderanch gearbeitet.«

Nach meinem Abitur hatte ich mehr von der Welt sehen wollen. Da ich genau wusste, dass meine Eltern ausgeflippt wären, wenn ich ihnen die Wahrheit erzählt hätte, gab ich damals vor, ein Praktikum in einer Immobilienfirma zu machen. Am Anfang klappte das ganz gut, aber meine Eltern konnten es einfach nicht lassen und recherchierten. Ich erinnerte mich noch sehr gut an das Donnerwetter, welches ich bei einem Telefonat mit ihnen erleben musste, als sie die Wahrheit erfahren hatten.

Seine blauen Augen zeigten keinerlei Begeisterung. Stattdessen kräuselte er die Stirn und wirkte noch ablehnender. »Toll, dann bist du also auf dem Rücken eines Pferdes durch das Outback geritten. Das sind aber keine einschlägigen Erfahrungen.«

Mir reichte es. Ich war müde, durchgeschwitzt und völlig erledigt. Mir stand nicht der Sinn nach Diskussionen. Ich wollte auf meiner neuen Arbeitsstelle allen freundlich begegnen, aber dieser dreiste Kerl ließ die Endorphine in meinem Blut wie Seifenblasen platzen. Wenn er glaubte, mich so einfach vertreiben so können, hatte er sich gewaltig geschnitten. »Hast du ein Problem damit, dass ich hier anfange?«

»Dich einzuarbeiten wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Ich will einfach keine Zeit verschwenden, weil du nach ein paar Wochen genug von der schweren Arbeit hast.«

Schnaufend verschränkte ich die Arme. »Tja, dann hast du wohl ziemliches Pech. Monsieur Chevalier hat mir den Job zugesichert und sobald ich ihn sehe, werde ich den Arbeitsvertrag unterschreiben. Du wirst mich also einarbeiten müssen, ob es dir passt oder nicht. Also, kannst du mir jetzt sagen, wo ich ihn finde?«

Der Mann verzog seine Lippen zu einem schmalen Strich und bedachte mich mit einem finsteren Blick. »Er ist in die Stadt gefahren, um ein paar Dinge zu erledigen.« Nun besaß er die Dreistigkeit, sich einfach umzudrehen und weiter am Zaun zu arbeiten.

Was war dieser Kerl nur für ein Arsch? Erst zeigte er mir seine ausbleibende Begeisterung mir gegenüber und dann ließ er mich einfach stehen?

Ich sah kurz zu Choco, die unsere Diskussion langweilig fand und sich ins Gras legte. »Und jetzt?« Mein Ton war fordernd. Ich war über sieben Stunden mit dem Auto unterwegs gewesen und wahrlich nicht mehr bei bester Laune. Garantiert ließ ich mich nicht einfach wie Luft behandeln.

Keine Antwort.

Choco bellte auf, aber auch das führte zu keiner Regung.

Augenrollend lief ich um den Mann herum und stellte mich seitlich neben ihn. »Ich werde mich nicht in Luft auflösen, ganz egal, wie sehr du dir das wünscht.«

Choco bellte noch einmal zu meiner Unterstützung. Braves Mädchen.

Ächzend hob er den Blick. »Weiß Mathéo, dass du deinen Kläffer mitgebracht hast?«

Genervt blies ich die Wangen auf. »Das ist kein Kläffer, sondern meine Hündin Choco.«

Nun lachte der Kerl. Er war kein freundliches Lachen, sondern ein hämisches. Eines voller imaginären, abfälligen Bemerkungen. »Du hast deinen Hund allen Ernstes Choco genannt?«

Schulterzuckend nickte ich ihm zu. »Ja, sieh doch nur, was sie für schöne schokobraune Augen hat.«

Abschätzig zog er seine dunklen Brauen nach oben. »Ja, so wie fast alle anderen Hunde auch.«

Auf diese Diskussion wollte ich mich auf keinen Fall einlassen. Ich wollte einfach nur unter eine Dusche und mich anschließend irgendwo ausstrecken. »Da du ja meintest, für meine Einarbeitung zuständig zu sein, gehe ich davon aus, dass es deine Aufgabe ist, mir mein Zimmer zu zeigen?«

Er neigte den Kopf leicht zur Seite und sah mich herausfordernd an. Ich musste ehrlich zugeben, dass dieser Mann wahnsinnig attraktiv war. Zu schade, dass er auch genauso ungehobelt war. »Nein, das ist es nicht.«

»Und wenn ich dir sage, dass ich so lange hier stehen bleibe und weiterrede, bis du es machst?«

Der Mann schwieg für einen kurzen Moment, dann klopfte er sich murrend den Staub von den Händen. »Schön. Du gibst ja eh keine Ruhe.«

»Ganz genau.«

Auch wenn er nur widerwillig einen Fuß vor den anderen setzte, war ich erleichtert, ihn überhaupt zum Bewegen gebracht zu haben. Mit ihm zu arbeiten konnte noch richtig lustig werden.

»Willst du mir nicht auch deinen Namen sagen?« Schließlich konnte ich ihn schlecht mit Arschloch rufen.

»Jean«, brummte er über die Schulter und blieb abrupt stehen, als er mein Auto sah. »Ist das etwa deine Karre?«

Genervt stützte ich die Hände in die Hüften. »Tut mir leid, für einen schicken Mercedes reicht mein Geld leider nicht.«

Unbeeindruckt hob er die Schultern. »Du musst ja mit dem Ding durch die Gegend fahren.«

Ich kannte diesen Kerl keine zehn Minuten und er kotzte mich schon an. Ich wollte gar nicht daran denken, ihn von nun an jeden Tag sehen zu müssen.

Innerlich fluchend lief ich zum Kofferraum und holte meine Reisetasche heraus. Ich hätte Jeans Hilfe zwar nicht angenommen, aber anstatt wie ein Stein neben mir zu stehen, hätte er sie mir wenigstens anbieten können. Schließlich hatte ich auch noch eine kleine Kühltasche und meinen Rucksack.

Anstatt Hilfe auch nur in Erwägung zu ziehen, hastete Jean über den Hof und deutete mit der rechten Hand auf das große Haus. »Das ist das Wohnhaus der Chevaliers. Dort befinden sich auch das Büro von Monsieur Chevalier und der Festsaal. Mathéo veranstaltet oft Feste, zu denen viele Reiter, Pferdebesitzer, Sponsoren und alle, die irgendetwas mit Pferden zu tun haben, eingeladen werden.«

Er marschierte weiter und machte keine Anstalten, sein Tempo zu drosseln. Hoffentlich würde er mich jetzt auf direktem Weg in mein Zimmer führen. Der vollbepackte Rucksack drückte sich gegen meinen Rücken und die Gewichte in meinen Händen waren auch nicht gerade leicht. Die glühende Hitze dazu brachte mich mächtig ins Schwitzen.

Jean hechtete davon, als wäre er auf der Flucht, blieb dann immer wieder stehen und warf mir so schnell irgendwelche Erklärungen zu, dass ich sie mir gar nicht merken konnte, ehe er weiterspurtete.

Scheuchte Jean mich mit Absicht über den Hof, anstatt mir gleich meine neue Unterkunft zu zeigen? Wollte er mich damit testen?

Ich folgte ihm den Weg neben dem langen Stall entlang und staunte dabei über die vielen bunten Blumen, die diesen Weg und viele anderen säumten. Es hatte etwas Paradiesisches an sich. Vielleicht konnten mich die Blumen auch so sehr begeistern, weil ich in Paris immer in einen Park gehen musste, um mehr als halbverkümmerte Pflanzen in meiner Wohnung zu sehen. Einen grünen Daumen hatte ich wahrlich nicht.

Am Fuße des Stalls befand sich ein steinerner Torbogen, der das Gebäude mit einem weiteren, etwas kleineren Stall verband. Dahinter machte der Weg eine Gabelung und führte auf der rechten Seite zu einem Bungalow.

»Folgst du diesem Weg, kommst du zu dem Stall mit unseren tragenden Stuten«, sagte Jean und deutete auf den linken Abzweig. »Direkt daneben haben sie ihre eigene Weide.«

Jean erzählte und lief so rasch, dass ich keine Zeit hatte, mir irgendetwas näher anzusehen. Ich wollte mir im Moment auch gar nichts näher ansehen. Ich wollte einfach nur in mein Zimmer und danach duschen.

»Und hier wohnen wir.« Er deutete auf den Bungalow.

»Und wer zählt alles zu wir?«

»Meine Schwester Centaine, Pierre und ich. Na ja, und jetzt noch du.«

Die alte Holztür knarrte, als Jean sie öffnete. Wir traten in den Windfang, der nicht mehr als vier Quadratmeter messen konnte und nicht gerade angenehm roch. Wahrscheinlich lag das zum Teil an den vielen Stiefeln, die ordentlich in Reih und Glied aufgestellt waren, und der angestauten Hitze in diesem Raum.

Wir schlüpften aus unseren Schuhen und gelangten durch eine weitere Tür direkt ins Wohnzimmer, wo mich endlich ein gutes Gefühl durchströmte. Ein langes, dunkles Sofa stand vor einem breiten Flachbildfernseher. Der fluffige Sessel daneben sah bequem aus und schrie geradezu nach mir.

Eine junge Frau stand hinter der offenen Küchenzeile aus hellem Holz, die direkt an den Raum angrenzte, und schnitt etwas Obst. Ihre langen, dunklen Haare waren zu einem lockeren Dutt hochgesteckt.

»Hi«, sagte ich. Gern hätte ich auch noch eine Hand gehoben, aber ich hatte keine frei. »Ich bin Maribelle.« Ich deutete mit einem Nicken auf Choco. »Und das ist meine Hündin Choco.«

»Oh, wie süß«, quietschte die Frau erfreut und kam auf uns zugelaufen. Sie trug knappe, dunkle Shorts, die ihre trainierten Beine freigaben, und ein enges, lilafarbenes Top, welches einen tollen Body vermuten ließ. Diese Frau schien regelmäßig Sport zu treiben. Choco wedelte freudig mit ihrem Schwanz, als sie sich zu ihr beugte und über ihr Fell strich. »Herzlich willkommen ihr beide, ich bin Centaine.«

»Dann kann ich ja jetzt gehen«, brummte Jean und wandte sich bereits ab.

»Halt!«, rief ihm Centaine nach und sah auf mein Gepäck. »Willst du unserer neuen Kollegin nicht wenigstens ihre Tasche abnehmen?«

Jean hob uneinsichtig die Schultern. »Warum? Die Arbeit hier ist auch nicht leichter als ihre Tasche.«

»Jean!« Centaines Zischen brachte nichts, Jean stürmte bereits aus dem Haus. »Tut mir leid, Jean ist ... schwierig.« Sie hob entschuldigend ihre Hände und griff nach meiner Kühltasche. »Lass mich dir das abnehmen.«

»Danke, würdest du mir bitte mein Zimmer zeigen?«

»Na klar.« Lächelnd wechselte sie ihren Blick zwischen Choco und mir. »Folgt mir.« Schwungvoll drehte sie sich um, wobei ihr lockerer Dutt herumwackelte.

Centaine führte uns den schmalen Gang entlang, der rechts neben dem Wohn- und Essbereich angrenzte. Auf der rechten Seite gab es zwei Türen, auf der linken nur eine. Am Ende des Flurs machten wir halt. »Das hier ist von nun an dein Zimmer.«

Ich öffnete die dunkle Tür und stellte unter einem schweren Atmen die Tasche und den Rucksack neben dem schmalen Bett aus Holz ab. Der Nachttisch und die Kommode gegenüber waren aus dem gleichen dunklen Holz und mit goldfarbenen Griffen versehen. An der Wand neben der Tür stand ein großer, grauer Sessel, der sofort ausgiebig von Choco beschnuppert wurde. Alles wirkte recht urig, aber auch irgendwie gemütlich.

»Du willst sicher erst einmal auspacken.« Centaine stellte die Kühlbox neben meinem Gepäck ab. »Ich bin in der Küche. Wenn du etwas brauchst oder eine Frage hast, dann ruf mich einfach.«

Da gab es eine Frage, die mich brennend interessierte. »Bevor ich auspacke, würde ich gern duschen. Wo ist das Bad?«

Centaine deutete mit einer Hand in Richtung Flur. »Gleich hier schräg gegenüber.«

»Okay, ich danke dir.«

Sie schenkte mir ein kurzes, freundliches Lächeln, in das auch ihre blauen Augen mit einstimmten, bevor sie zurück in die Küche ging. Ich lief zum Fenster, schob die dünnen, weißen Vorhänge beiseite und genoss den Ausblick auf die beiden breiten Eichenbäume und die Pferde, die auf der Koppel grasten. Doch dann verzog ich schlagartig grimmig das Gesicht, denn niemand Geringeres als Jean schob sich in mein Sichtfeld. Na toll! Mein Zimmer befand sich in unmittelbarer Nähe des Zaunes, den er gerade reparierte.

Centaines Worte über ihren Bruder hallten in meinen Ohren wider. Jean ist schwierig.

Das war nicht mehr als eine schöne Umschreibung von er ist ein unhöflicher Arsch.

Aber wenigstens schien Centaine nett zu sein und ich war schon gespannt auf meinen anderen Kollegen. Hoffentlich war er das Gegenteil von Jean.

Murrend lief ich zur Kühlbox, holte eine Tafel Schokolade heraus und setzte mich auf den Bettrand. Ja, ich wollte dringend duschen, aber noch dringender benötigte ich Zucker. Choco war weiterhin mit dem Beschnuppern der Möbel beschäftigt. Ein Stück Schokolade nach dem anderen wanderte in meinen Mund. Der süße Geschmack hob meine Stimmung augenblicklich und ehe ich mich versah, war die Packung leer.

»Ups«, flüsterte ich und zerknüllte das Papier. Bei meiner Lieblingsnascherei konnte ich mich einfach nicht beherrschen.

Nachdem ich ein Handtuch aus der Tasche gezogen hatte, sah ich prüfend zu Choco. Sie machte es sich gerade auf dem Sessel bequem und erweckte nicht den Anschein, mir folgen zu wollen. Ich konnte sie also getrost für die Dauer einer Dusche allein lassen.

***

Zurück in meinem Zimmer, machte ich mich daran, meine Tasche auszupacken. Ganz oben auf meinen Sachen lag das hübsch verpackte Geschenk, welches Sally mir zum Abschied überreicht hatte. Ich durfte das flache Päckchen erst auspacken, sobald ich angekommen war.

Ich setzte mich damit auf den Bettrand und entfernte die übergroße grüne Schleife. Dann ging es dem bunt gemusterten Geschenkpapier an den Kragen, das mit einer Tonne Klebestreifen fixiert worden war. Sally war eine wahre Verpackungsmeisterin. Ein breites Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ein eingerahmtes Bild von meiner besten Freundin und mir zum Vorschein kam. Grinsend standen wir mit jeweils einem riesigen Eis vor dem Eiffelturm. Der Himmel war wolkenlos und blau und an dem Tag hatten gefühlte fünfzig Grad geherrscht.

Seufzend stellte ich es auf meiner Nachtkommode ab und strich noch einmal nachdenklich über den hellen Rahmen. Was würde ich meine beste Freundin vermissen. Mit dem Bild hatte ich wenigstens etwas von ihr immer hier.

Als ich genug in Erinnerungen geschwelgt hatte, machte ich mich daran, meine Kühltasche auszupacken. Choco hielt ein Nickerchen auf dem Sessel ab und ich lief mit ihren Näpfen, dem Hundefutter, einer Packung Kakao, mehreren Tafeln Schokolade und meinen Lieblingscornflakes in die Küche. Ich war mir sicher, dabei das perfekte Ebenbild eines Packesels abzugeben. Warum hatte ich nicht alles in die Kühltasche gestopft und einfach die Tasche in die Küche getragen? Ach ja, richtig, warum einfach, wenn auch umständlich geht?

Centaine saß mit einer Schüssel Obstsalat vor dem Fernseher und schaute irgendeine Soap.

Ich stellte Chocos Näpfe in eine Ecke, wo es niemanden stören sollte, und sah fragend in Centaines Richtung. »Wo kann ich meine Sachen verstauen?«

»Neben dem Kühlschrank gibt es einen Hängeschrank. Das Fach unten rechts ist deins.«

Ich öffnete den entsprechenden Schrank der ländlich angehauchten Küche und hob skeptisch die Brauen. »Bist du sicher? Das Fach ist komplett voll.«

Mit leicht irritiertem Blick stellte Centaine die Schüssel beiseite und erhob sich von der Couch. Als sie in das Fach sah und die vielen Müsliriegel entdeckte, schüttelte sie den Kopf. »Jean«, seufzte sie ärgerlich.

Etwas verwundert schaute ich zuerst auf die Riegel und dann auf Centaine. »Woher willst du wissen, dass er es war?«

»Weil nur er diese Dinger isst.« Sie öffnete das obere rechte Fach, das beinahe überquoll. Müsliriegel, Nüsse und Chips stapelten sich darin. »Unfassbar. Wie schafft er es nur, zwei Regale vollzustopfen?« Schnaufend griff sie nach dem süßen und salzigen Unrat in meinem Fach und versuchte ihn noch irgendwie bei Jean unterzubringen. »Ich sage ihm ständig, dass er nicht so viel ungesundes Zeug essen soll.«

Als mein Fach leer war, verstaute ich den Kakao und die Schokoflakes darin. Die Schokolade kam in den Kühlschrank. Ich hasste warme Schokolade.

Centaine beobachtete mich skeptisch und verzog dabei ihre schmale Nase. »Ich dachte, es gäbe niemanden, der noch mehr Süßkram in sich hineinstopft als mein Bruder.«

»Nervennahrung«, sagte ich schmunzelnd.

»Ja, das sagt Jean auch immer.«

Der Vergleich gefiel mir nicht. Allein der Gedanke an diesen unhöflichen Kerl brachte mein Blut zum Kochen. Ich musste schnell ein anderes Thema anschneiden. »Wie handhabt ihr das mit dem Einkauf?«

»Alltägliche Dinge, wie Butter oder Milch, die jeder von uns braucht, benutzen wir alle zusammen.«