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Beschreibung

Etwa 70% der psychischen Auffälligkeiten und Erkrankungen entwickeln sich im Kindes- und Jugendalter, und eine frühzeitige Diagnostik und Intervention sind entscheidend für den langfristigen Verlauf und die Prognose. Dabei kommt dem Lebensumfeld Schule eine bedeutsame Rolle beim frühzeitigen Erkennen, bei der Zuweisung zu adäquaten Hilfsangeboten und beim kompetenten Umgang mit den Auffälligkeiten und Erkrankungen im Alltag zu. Dieses Buch gibt einen Überblick über häufige psychische Auffälligkeiten bei Schüler:innen, die Möglichkeiten, diese zu diagnostizieren, und über inner- und außerschulische Interventionsmöglichkeiten. Neben einer Einführung in die Thematik und einem Ausblick auf schulische Präventionsmöglichkeiten werden Störungen des Sozialverhaltens, ADHS, Angststörungen, Autismusspektrumstörungen, selbstverletzendes Verhalten, Selektiver Mutismus, Computerspiel- und Internetsucht und Lernschwierigkeiten von Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis behandelt, die einen Einblick in die Symptomatik, aktuelle diagnostische Ansätze und schulische Interventionsmöglichkeiten geben.

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Christina Schwenck

Claudia Mähler

Marcus Hasselhorn

(Hrsg.)

Diagnostik und schulische Interventionsmaßnahmen bei psychischen Auffälligkeiten

Tests und Trends der pädagogisch-psychologischen Diagnostik

Band 19

Diagnostik und schulische Interventionsmaßnahmen bei psychischen Auffälligkeiten

Prof. Dr. Christina Schwenck, Prof. Dr. Claudia Mähler, Prof. Dr. Marcus Hasselhorn

Die Reihe wird herausgegeben von:

Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, Prof. Dr. Ulrich Trautwein, Prof. Dr. Tobias Richter, Prof. Dr. Claudia Mähler

Prof. Dr. Christina Schwenck, geb. 1975. 1997 – 2003 Studium der Psychologie in Würzburg und Madrid. 2003 – 2014 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie Würzburg und in den Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitäten Würzburg, München und Frankfurt. 2005 Promotion, 2013 Habilitation. Professuren in Gießen (2015 – 2016) und Kiel (2016 – 2017). Seit 2017 Professorin für Förderpädagogische und Klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der der Justus-Liebig-Universität Gießen. Arbeitsschwerpunkt: Klinische Kinder- und Jugendpsychologie.

Prof. Dr. Claudia Mähler, geb. 1961. 1981 – 1987 Studium der Psychologie in Göttingen. 1988 – 2008 Wissenschaftliche Mitarbeiterin/Akademische Rätin in der Abteilung Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie der Georg-August Universität Göttingen. 1994 Promotion. 2006 Habilitation. 2006 – 2007 Vertretungsprofessur für Entwicklungspsychologie an der Universität Marburg und 2007 – 2008 an der Universität Göttingen. Seit 2008 Professorin für Pädagogische Psychologie und Diagnostik an der Universität Hildesheim. Leitung der Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche KiM – Kind im Mittelpunkt. Arbeitsschwerpunkte: Frühe Bildung, pädagogisch-psychologische Diagnostik, Lernstörungen.

Prof. Dr. Marcus Hasselhorn, geb. 1957. 1977 – 1983 Studium der Psychologie in Göttingen und Heidelberg. 1986 Promotion. 1985 – 1992 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Universität Göttingen. 1992 – 1993 Vertretungsprofessur für Entwicklungspsychologie an der Universität Koblenz-Landau. 1993 Habilitation. 1993 – 1997 Professor für Entwicklungspsychologie an der TU Dresden. 1997 – 2007 Professor für Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Universität Göttingen. Seit 2007 Professor für Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Direktor der Abteilung Bildung und Entwicklung am DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation in Frankfurt am Main. Arbeitsschwerpunkte: Frühe Bildung, pädagogisch-psychologische Diagnostik, Lernstörungen.

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[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Sabine Rosenfeldt, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3237-3; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3237-4)

ISBN 978-3-8017-3237-0

https://doi.org/10.1026/03237-000

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1  Psychische Auffälligkeiten als schulrelevante Belastungen: Eine Einführung

Kapitel 2  Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten für Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS)

Kapitel 3  Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten bei Oppositionellen Verhaltensstörungen und Störungen des Sozialverhaltens

Kapitel 4  Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten bei Sozialen Ängsten

Kapitel 5  Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten bei Autismus-Spektrum-Störungen

Kapitel 6  Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten bei selbstverletzendem Verhalten

Kapitel 7  Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten bei Trennungsangst und generalisierter Angststörung

Kapitel 8  Selektiver Mutismus: Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten

Kapitel 9  Diagnostik und schulische Interventionsmöglichkeiten bei Computerspiel- und Internetsucht

Kapitel 10  Diagnostik komorbider psychischer Auffälligkeiten bei Lernschwierigkeiten: SEAL – Elternversion des Fragebogens zur Erfassung von sozial-emotionalen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten

Kapitel 11  Möglichkeiten der Schule zur Prävention psychischer Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

|1|Kapitel 1Psychische Auffälligkeiten als schulrelevante Belastungen: Eine Einführung

Daniela Hartmann, Janin Brandenburg, Linda Visser, Claudia Mähler, Marcus Hasselhorn und Christina Schwenck

Zusammenfassung

Psychische Auffälligkeiten bei Schulkindern beeinträchtigen die psycho-soziale Funktionsfähigkeit der Kinder, was weitreichende Folgen für die Schulleistung, den Schulalltag und schulischen Werdegang der Betroffenen haben kann. So gibt es Hinweise darauf, dass psychische Auffälligkeiten vermehrt komorbid mit Lernstörungen auftreten, betroffene Kinder verminderte Schulleistungen aufweisen, öfter zu Bullying-Opfern oder -Tätern werden, mehr Konflikte mit Lehrkräften haben, öfter die Schule frühzeitig abbrechen oder suspendiert werden. Im vorliegenden Kapitel wird daher zunächst beleuchtet, wie viele Kinder im Schulalter eine psychische Auffälligkeit aufweisen, welche Auffälligkeiten besonders häufig auftreten und wie diese mit spezifischen Lernstörungen in Zusammenhang stehen. Weiterhin wird die Wechselwirkung zwischen psychischen Auffälligkeiten und Schulleistungen dargestellt, so wie die Auswirkungen von psychischen Auffälligkeiten im Schulalltag auf das betroffene Kind und dessen gesamte Klassengemeinschaft. Schließlich werden Befunde zu Auswirkungen psychischer Auffälligkeiten auf den schulischen Werdegang der Kinder skizziert und diskutiert, inwiefern die Schule als wichtiger Ort der Früherkennung und frühen Intervention fungieren kann.

1.1  Prävalenz psychischer Auffälligkeiten im Schulalter

Etwa die Hälfte aller psychischen Erkrankungen beginnt bereits vor dem 14ten Lebensjahr (Kessler et al., 2005). Weltweit wird die Prävalenz psychischer Störungen bei Kindern im Schulalter (6 – 18 Jahre) auf etwa 13 % geschätzt (Polanczyk, Salum, Sugaya, Caye & Rohde, 2015). Basierend auf den Zahlen der Weltpopulation des Jahres 2020 (Urmersbach, 2021) bedeutet dies, dass weltweit über 217 Millionen Kinder im Schulalter an einer oder mehreren psychischen Erkrankungen leiden. Dabei kommen Angststörungen mit einer Prävalenz von etwa 7 % am häufigsten |2|vor, gefolgt von Störungen im Sozialverhalten (ca. 6 %), Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) (ca. 3 %) und depressiven Störungen (ca. 3 %) (Polanczyk et al., 2015). Schaut man sich die deutschlandweite Prävalenz psychischer Auffälligkeiten an, so wird diese von einer der größten nationalen Studien zu mentaler Gesundheit von Kindern (BELLA) auf 17 – 23 % geschätzt (Klasen et al., 2016; Klasen, Meyrose, Otto, Reiss & Ravens-Sieberer, 2017). Es ist jedoch zu beachten, dass hier zur Feststellung einer psychischen Auffälligkeit nicht die Diagnosekriterien der Diagnostiksysteme DSM (American Psychiatric Association, 2013) oder ICD (Weltgesundheitsorganisation, 2004) herangezogen wurden, wie es bei der Studie zur Ermittlung der weltweiten Prävalenzen der Fall war (Polanczyk et al., 2015). Stattdessen wurden Kinder anhand normierter Cut-off-Werte eines Breitbandverfahrens (Strength and Difficulty Questionnaire, SDQ; Goodman, 1997) als psychisch auffällig oder unauffällig kategorisiert. Auf Grund dieser methodischen Unterschiede können die nationalen und internationalen Prävalenzen nicht direkt verglichen werden. Weiterhin wissen wir, dass die Häufigkeiten von psychischen Auffälligkeiten sowohl vom Alter als auch vom Geschlecht der Kinder abhängig sind. So scheint externalisierendes Verhalten (Störungen des Sozialverhaltens, ADHS, usw.) über Kindheit und Jugend hinweg abzunehmen, während internalisierende Auffälligkeiten (Ängste, Depressionen, usw.) zunehmen (Klasen et al., 2016). Außerdem scheinen Symptome internalisierender Störungen bei Mädchen häufiger aufzutreten als bei Jungen, wohingegen Jungen häufiger Symptome externalisierender Störungen aufweisen (Klasen et al., 2016). Jedoch scheint sich das Geschlechterverhältnis zumindest bezüglich der Prävalenzen externalisierender Symptomatik mit dem Alter anzugleichen. Besorgniserregend sind Studien, die darauf hindeuten, dass es seit Beginn der COVID-19-Pandemie 2019 zu einem Anstieg der psychischen Auffälligkeiten bei Kindern gekommen ist (Hu et al., 2021; Ravens-Sieberer et al., 2021). Die damit verbundenen Einschränkungen im Schulbetrieb aber auch in der Freizeitgestaltung stellten eine erhöhte Belastung für Kinder und Jugendliche dar, was sich vermutlich negativ auf deren psychische Gesundheit auswirkte.

In etwa die Hälfte aller Kinder mit einer psychischen Störung leiden zusätzlich an mindestens einer weiteren psychischen Störung (Ihle & Esser, 2002; Merikangas et al., 2010). Im Kontext der Schule ist vor allem das gleichzeitige Auftreten von spezifischen Lernstörungen und anderen psychischen Auffälligkeiten relevant. So konnten zum Beispiel Visser, Kalmar et al. (2020) zeigen, dass Kinder mit einer spezifischen Lernstörung im Vergleich zu Kindern ohne eine solche Störung vermehrt Angststörungen, Depressionen, ADHS und Störungen des Sozialverhaltens aufweisen. Liegen die Lernschwierigkeiten in mehreren Lernbereichen vor, dann ist die höchste Komorbiditätsrate mit psychischen Auffälligkeiten zu beobachten. Ob Kinder mit einer psychischen Auffälligkeit vermehrt eine spezifische Lernstörung aufweisen, ist dahingegen weniger eindeutig. Zumindest im Falle von ADHS scheinen die geschätzten Prävalenzen jedoch dar|3|auf hinzudeuten, dass spezifische Lernstörungen hier öfter vorkommen als in der Allgemeinbevölkerung (Kerner auch Koerner, Visser, Rothe, Schulte-Körne & Hasselhorn, 2021). Die Erklärung der Komorbidität zwischen spezifischen Lernstörungen und ADHS ist komplex, denn hier spielen genetische, psychosoziale und neuropsychologische Faktoren eine Rolle. Beispielsweise scheint eine ADHS des vorwiegend unaufmerksamen Typs auf Grund gemeinsamer genetischer Faktoren besonders häufig mit einer Lesestörung einherzugehen (Wadsworth, DeFries, Willcutt, Pennington & Olson, 2015). Hinsichtlich neuropsychologischer Faktoren hängen sowohl ADHS als auch spezifische Lernstörungen mit Defiziten in exekutiven Funktionen zusammen (Crisci, Caviola, Cardillo & Mammarella, 2021). ADHS-Symptome können außerdem den Zusammenhang zwischen spezifischen Lernstörungen und Symptomen von Angst, Depressionen sowie anderen externalisierenden Verhaltensstörungen teilweise erklären (Visser, Linkersdörfer et al., 2020).

Allgemein sind die Ursachen für das komorbide Auftreten spezifischer Lernstörungen und psychischer Auffälligkeiten vielfältig. Es gibt drei verschiedene theoretische Ansätze (gemeinsame Risikofaktoren, adjustment-erosion Model, academic incompetence Model) die nicht nur Erklärungen für die Komorbidität zwischen psychischen Auffälligkeiten und spezifischen Lernstörungen liefern, sondern auch für die Verbindung zwischen psychischen Auffälligkeiten und Schulleistungen im Allgemeinen. Diese Ansätze und die dazu bestehende Evidenz werden in folgendem Unterkapitel genauer beleuchtet.

1.2  Psychische Auffälligkeiten: Belastungen für Kind und schulisches Umfeld

Psychische Störungen stellen eine nachhaltige Beeinträchtigung der betroffenen Kinder in verschiedenen Lebensbereichen dar. Das hat Auswirkung auf die Lebensqualität, soziale Beziehungen und den schulischen oder später auch den beruflichen Erfolg. Belastungen resultieren jedoch nicht nur für den einzelnen oder die einzelne Schüler:in, sondern auch für das schulische Umfeld bedeuten psychische Auffälligkeiten bei Schüler:innen eine große Herausforderung.

1.2.1  Schulische Leistungen

Während eine potenzielle Beeinträchtigung der Schulleistung bei manchen psychischen Auffälligkeiten offensichtlich ist (z. B. Prüfungsangst), gibt es auch subtiler wirkende Beeinträchtigungen. So haben zum Beispiel nicht nur Kinder mit ADHS Probleme sich zu konzentrieren. Konzentrationsprobleme gehören auch zur Symptomatik von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen. |4|Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung zeigen selbst bei durchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten Defizite im Planungs- und Organisationsverhalten, was sich neben dem Mangel an sozialen und kommunikativen Fähigkeiten ebenfalls negativ auf schulische Leistungen auswirken kann. Auch bei bestimmten Verhaltenssymptomen ist der Zusammenhang zwischen psychischen Auffälligkeiten und mangelnder Schulleistung evident. So zählt zum Beispiel Schulabsentismus sowohl zu der Symptomatik von Störungen des Sozialverhaltens als auch der Trennungsangst. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Mehrzahl psychischer Auffälligkeiten mit schwächeren Schulleistungen einhergehen (Deighton et al., 2018; Loe & Feldman, 2007; Riglin, Petrides, Frederickson & Rice, 2014). Eine Ausnahme sind hier etwa Essstörungen, die vermutlich infolge eines gesteigerten Perfektionismus eher mit guten Schulleistungen einher gehen (Schilder, Sternheim, Aarts, van Elburg & Danner, 2021).

Unklar ist jedoch noch, wodurch bzw. wie der generelle Zusammenhang zwischen psychischen Auffälligkeiten und schwächeren Schulleistungen zustande kommt. Ein Erklärungsansatz hierfür rekurriert auf gemeinsame Risikofaktoren. Neben den bereits erwähnten gemeinsamen genetischen Risikofaktoren erhöht beispielsweise auch ein niedriger sozioökonomischer Status der Eltern (Sirin, 2005) oder ein niedriger IQ (Roth et al., 2015) nicht nur das Risiko für das Entstehen psychischer Auffälligkeiten, sondern auch das Risiko für Leistungsversagen in der Schule. Das adjustment-erosion Model (Moilanen, Shaw & Maxwell, 2010) postuliert etwa, dass vorausgehende externalisierende oder internalisierende Probleme Leistungsprobleme nach sich ziehen. So konnten z. B. López-López et al. (2021) zeigen, dass depressive Symptome in der Kindheit mit schwächeren Schulleistungen in der Jugend zusammenhängen und Galéra et al. (2009), dass die ADHS Symptomatik von Kindern schlechtere Schulleistungen im Jugendalter vorhersagt. Hierbei wird vermutet, dass sowohl bei internalisierenden als auch bei externalisierenden Auffälligkeiten die schwächeren Schulleistungen zum Teil darauf zurückzuführen sind, dass es in beiden Fällen zu einem erhöhten Schulabsentisums kommt, die psychische Belastung die Konzentration einschränkt, die Schüler:innen ein negativeres Selbstkonzept haben, das im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung wirkt, und/oder die psychischen Auffälligkeiten zu mehr Problemen im Umgang mit Gleichaltrigen und Lehrkräften führen.

Im Gegensatz zum adjustment-erosion Model wird im academic incompetence Model (Moilanen et al., 2010) die entgegengesetzte Kausalkette vermutet. Hier wird unter anderem angenommen, dass schlechte Schulleistungen zu Unzufriedenheit und einem mangelnden Selbstbewusstsein führen können, was wiederum zu psychischen Auffälligkeiten beitragen kann. Auch dieses Modell wird durch die Ergebnisse mehrerer Longitudinalstudien gestützt (z. B. López-López et al., 2021; Panayiotou & Humphrey, 2018). Interessanterweise findet sich Evidenz für diese Vorstellung insbesondere bei Mädchen im jüngeren Schulalter. So fanden Panayiotou et al. (2018) lediglich bei Mädchen, nicht aber bei Jungen, im Alter von 6 bis 12 |5|Jahren, dass die schulische Leistung internalisierende wie auch externalisierende Auffälligkeiten drei Jahre später vorhersagt. López-López et al. (2021) berichten hingegen, dass ab einem Alter von 16 Jahren schulische Leistungen sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen die spätere depressive Symptomatik vorhersagt. Eine Erklärung für diese Befunde lautet, dass Mädchen aufgrund ihrer durchschnittlich besseren Schulleistungen in ihrer gesamten Schullaufbahn erhöhten Druck erleben, den Leistungserwartungen gerecht zu werden. Diesen Druck empfinden Jungen erst mit nahendem Ende der Schulausbildung, da ihnen bewusst wird, dass die Schulleistung maßgeblich für ihren weiteren beruflichen Werdegang ist. Befunde von Deighton et al. (2018) sprechen eher für die Annahmen des adjustment-erosion Model. Die Autoren konnten zeigen, dass schwache Schulleistungen internalisierende Störungen nicht mehr vorhersagten, sobald für gemeinsame Risikofaktoren (z. B. sozioökonomischer Status) kontrolliert wurde. Dagegen erlaubten vorausgehende psychische Auffälligkeiten die Vorhersage des späteren Auftretens schwacher Schulleistungen auch nach Kontrolle gemeinsamer Risikofaktoren. Die unklare Studienlage deutet darauf hin, dass es sich vermutlich um eine bidirektionale Verbindung zwischen psychischen Auffälligkeiten und Schulleistungen handelt. In den weiteren Abschnitten wird dennoch der primäre Fokus auf die durch psychische Störungen resultierenden schulrelevanten Belastungen gelegt.

1.2.2  Zum Schulalltag

Besonders im Schulalltag stellen psychische Auffälligkeiten bei Kindern nicht nur eine Belastung für das Kind dar, sondern auch für die Lehrkräfte und die gesamte Klassengemeinschaft. Betrachtet man das Verhalten von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Auffälligkeiten während des Unterrichts, so lässt sich festhalten, dass internalisierende Auffälligkeiten primär dazu beitragen, dass sich die betroffenen Kinder nicht oder weniger am Unterrichtsgeschehen beteiligen, während Kinder mit externalisierenden Auffälligkeiten vermehrt disruptives Verhalten zeigen. So kann sich etwa eine mangelnde Impulskontrolle im Klassenzimmer dadurch äußern, dass Kinder unaufgefordert und ohne sich zu melden mit ihren Gedanken herausplatzen, oder sich vermehrt mit ihren Sitznachbarn unterhalten. Kindern mit ausgeprägtem hyperaktiven Verhalten fällt es häufig schwer still sitzen zu bleiben; stattdessen laufen sie im Klassenzimmer umher, oder spielen mit Gegenständen herum. Ein solches Verhalten stört nicht nur den eigenen Lernprozess, sondern bringt auch insgesamt Unruhe in die gesamte Klassengemeinschaft und kann zu Konflikten beitragen (Kos, Richdale & Hay, 2006). Vermehrte Konflikte zwischen Schüler:innen und Lehrkräften kommen vor allem auch bei Kindern mit Problemen im Sozialverhalten vor, da sich dieses Störungsbild unter anderem durch Konflikte mit Erwachsenen, aggressives Verhalten und Probleme, sich an Regeln und soziale Normen zu halten, auszeichnet (Weltgesundheitsorganisation, 2004). Etwa jedes zweite Kind mit Problemen im Sozialverhalten weist |6|außerdem Persönlichkeitszüge auf, die unter anderem durch Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Leistung geprägt sind, was zu einer unmotivierten Arbeitsweise beitragen kann (Chabrol, Valls, van Leeuwen & Bui, 2012).

Letzteres trifft auch auf Kinder mit einer depressiven Symptomatik zu, was nicht nur die aktive Teilnahme am Unterrichtsgeschehen, sondern auch das Erledigen von Schulaufgaben beinträchtigen kann. Die aktive Teilnahme am Unterrichtsgeschehen kann auch dadurch beeinträchtigt sein, dass Kinder erst gar nicht in der Schule erscheinen. So kommt es sowohl bei externalisierenden als auch bei Angststörungen häufiger zu Schulabsentismus (Finning et al., 2019; Ingul, Klöckner, Silverman & Nordahl, 2012; Tramontina et al., 2001). Angststörungen können weiterhin dazu beitragen, dass Betroffene sich kaum mündlich am Unterrichtsgeschehen beteiligen. Kinder mit selektivem Mutismus sprechen oft überhaupt nicht in der Schule oder lediglich mit befreundeten Mitschüler:innen. Kindern mit sozialen Ängsten fällt es dahingegen oft schwer vor der gesamten Klasse zu sprechen, was nicht nur die mündliche Teilnahme erschwert, sondern auch das Halten von Referaten.

Während sich also sowohl internalisierende als auch externalisierende psychische Auffälligkeiten bei Kindern negativ auf die Teilnahme am Unterricht auswirken können und somit negative Konsequenzen für die betroffenen Kinder zur Folge haben, sind es vor allen Dingen die externalisierenden Auffälligkeiten, die auch Mitschüler:innen und Lehrkräfte betreffen. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass externalisierendes Verhalten im Klassenzimmer die mentale Gesundheit der Lehrkräfte beeinträchtigt. In Klassen mit vergleichsweise hohem Anteil an Schüler:innen mit unkonzentriertem oder disruptivem Verhalten steigt das Risiko für depressive Symptome bei Lehrkräften (McLean, Abry, Taylor & Gaias, 2020).

Doch nicht nur die Teilnahme am Unterricht kann durch psychische Auffälligkeiten beeinträchtigt sein, auch die Integration in die Klassengemeinschaft wird erschwert. Eine gute soziale Integration, ein gutes Verhältnis zu den Lehrkräften sowie Freundschaften mit Mitschüler:innen wirken sich wiederum positiv auf die schulische Leistung aus (Berger, Alcalay, Torretti & Milicic, 2011). Eine schlechte Integration in die Klassengemeinschaft entsteht etwa dadurch, dass sich Kinder mit psychischen Auffälligkeiten sozial zurückziehen, wenig oder gar nicht mit Lehrkräften oder Mitschüler:innen sprechen und/oder Verhalten zeigen, das von den Mitschüler:innen als störend empfunden wird. Sowohl Kinder im Autismus-Spektrum, als auch Kinder mit ADHS oder einer Angststörung haben tendenziell weniger Freunde in der Schule und sind bei ihren Mitschüler:innen oft weniger beliebt als Kinder ohne eine psychische Auffälligkeit (Hoza et al., 2005; Petrina, Carter & Stephenson, 2014; Scharfstein, Alfano, Beidel & Wong, 2011). Kinder mit Problemen im Sozialverhalten unterscheiden sich dagegen nicht merklich in der Anzahl ihrer Freundschaften und ihrem Beliebtheitsgrad von anderen Kin|7|dern, allerdings gehen sie eher Freundschaften mit Kindern ein, die auch externalisierendes Problemverhalten zeigen (Long et al., 2020).

Kinder mit internalisierenden Problemen sind häufiger Opfer von Bullying. So konnte eine Metaanalyse zeigen, dass Bullying nicht nur zu internalisierenden Problematiken führen kann, sondern auch, dass Kinder mit internalisierenden Auffälligkeiten eine höhere Vulnerabilität haben von Bullying betroffen zu sein (Christina, Magson, Kakar & Rapee, 2021). Die Wahrscheinlichkeit ein Bully zu sein ist bei Kindern mit externalisierenden Auffälligkeiten etwa dreimal so hoch wie bei Kindern ohne externalisierende Auffälligkeiten (Husky et al., 2020). Gleichzeitig sind Schüler:innen mit externalisierendem Problemverhalten auch häufiger Bullying-Opfer als Kinder ohne psychische Auffälligkeit.

1.2.3  Schulischer Werdegang

Laut Mikrozensus 2020 (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2021) haben in Deutschland ca. 10 % der 18- bis 24-Jährigen keinen abgeschlossenen weiterführenden Schulabschluss. Gründe für Schulabbrüche sind vielfältig und hängen zum Beispiel mit einem niedrigen sozioökonomischen Status der Familie zusammen (Henry, Cavanagh & Oetting, 2011). Auch psychische Auffälligkeiten erhöhen das Risiko für einen frühzeitigen Schulabbruch. Vorrangig Kinder mit externalisierenden Problematiken brechen häufiger die Schule frühzeitig ab als psychisch unauffällige Kinder (Erskine et al., 2016; Esch et al., 2014). Insgesamt haben Kinder mit einer psychischen Auffälligkeit ein mehr als doppelt so hohes Risiko, keinen weiterführenden Schulabschluss zu erreichen (Hale, Bevilacqua & Viner, 2015). Hier scheinen nicht nur externalisierende, sondern auch depressive Symptomatiken eine Rolle zu spielen. Doch nicht immer verlassen Kinder die Schule aus freiwilligen Stücken. Manche Kinder werden auch zeitweise oder dauerhaft aus der Schule ausgeschlossen. Daten einer großen britischen Geburtskohortenstudie (Paget et al., 2018) belegen, dass Kinder, die mit sieben Jahren eine psychische Störung attestiert bekommen, eine 11-fach höhere Wahrscheinlichkeit haben, bis zu ihrem 16. Lebensjahr zeitweise oder dauerhaft aus einer Schule ausgeschlossen zu werden. Auch wenn es dazu besonders bei externalisierenden Störungen kam, konnte auch für Kinder mit internalisierenden Störungen ein mehr als vierfach höheres Risiko festgestellt werden. Da ein Schulausschluss oftmals mit vermehrtem antisozialen Verhalten einhergeht und selbst kurze Suspendierungen zu Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens führen (Hemphill, Toumbourou, Herrenkohl, McMorris & Catalano, 2006), sind weitere Entwicklungsnachteile für die Betroffenen zu erwarten.

|8|1.3  Schule als Ort der Früherkennung und Intervention

Wie beschrieben hat ca. die Hälfte aller psychischen Störungen ihren Beginn in der Kindheit, was dazu beitragen kann, dass betroffene Kinder eine schlechtere Schulleistung aufweisen, weniger gut in ihre Klassengemeinschaft integriert sind und in manchen Fällen frühzeitig aus der Schule ausscheiden. Eine niedrigere Schulqualifikation kann sich wiederum negativ auf die weitere berufliche Karriere und die soziale Integration auswirken, und so weiterhin zu einer erhöhten psychischen Belastung beitragen. Da sich psychische Auffälligkeiten bei Schulkindern also negativ auf die psycho-soziale Funktionstüchtigkeit auswirken und weitreichende negative Folgen haben können, ist eine frühe Erkennung und Behandlung von psychischen Auffälligkeiten bei Kindern besonders wichtig.

Die Schule kann bei der Prävention (siehe Kapitel 11 in diesem Band), der Früherkennung und der frühen Intervention eine Schlüsselrolle spielen. Exemplarisch für zwei evidenzbasierte Schulinterventionsprogramme können das FAUSTLOS Programm (Petermann, Petermann & Nitkowski, 2016; primär auf die Prävention externalisierender Problematiken ausgerichtet) und das Emotionstraining in der Schule (Krannich, Sanders, Ratzke, Diepold & Cierpka, 1997; primär auf die Prävention internalisierender Problematiken ausgerichtet) genannt werden. Die Maßnahmen werden entweder mit der gesamten Klasse durchgeführt (universelle Prävention), was den Vorteil hat, dass die gesamte Schülerschaft unabhängig von der eigenen Risikolage die Programminhalte erwirbt. Da alle Schüler:innen gleichermaßen teilnehmen, wird der Stigmatisierung und sozialen Ausgrenzung einzelner entgegengewirkt. Es liegen aber auch Programme zur Durchführung in Kleingruppen vor, die sich speziell an Schüler:innen richten, die ein erhöhtes Risiko aufweisen (selektive Prävention) oder bereits erste Anzeichen von emotionalen und Verhaltensproblemen zeigen (indizierte Prävention).

Kinder sind sich oft selbst nicht bewusst, dass sie Hilfe benötigen. Sie wissen meist nicht, welche Möglichkeiten es für sie gibt, um Unterstützung zu erhalten. Daher benötigen sie Personen, die ihre Hilfebedürftigkeit erkennen. Im Vergleich zu Eltern haben Lehrkräfte es tagtäglich mit vielen Kindern unterschiedlichen Alters zu tun. Dadurch können sie relativ gut einschätzen, welche Verhaltensweisen noch innerhalb des normalen Bereichs liegen, und welche auffällig sind. Außerdem verbringen Kinder die meiste Zeit des Tages in der Schule und viele Auffälligkeiten zeigen sich nicht im familiären Umfeld, sondern nur unter bestimmten Leistungsanforderungen oder im Kontakt mit Gleichaltrigen. Daher kann es Lehrkräften im Vergleich zu Eltern leichter fallen, auffälliges Verhalten bei Schüler:innen frühzeitig zu erkennen. Dabei sind internalisierende Auffälligkeiten im Vergleich zu externalisierenden Auffälligkeiten generell schwieriger zu erkennen, da sie weniger störend und offensichtlich sind. Auch wenn Lehrkräfte bei Umfragen mehrheit|9|lich angaben, dass sie sich als nicht hinreichend ausgebildet wahrnehmen, um psychische Auffälligkeiten bei ihren Schüler:innen zu entdecken (Reinke, Stormont, Herman, Puri & Goel, 2011), stellt das Lehrerurteil hinsichtlich der psychischen Gesundheit der Kinder einen guten Prädiktor für später festgestellte psychische Probleme dar. So erwies sich zum Beispiel das Lehrerurteil bezüglich emotionaler Probleme bei 8-jährigen Schüler:innen als guter Prädiktor für psychische Störungen 10 Jahre später (Sourander et al., 2005).

Oft führen auch Vorurteile und Ängste von Eltern dazu, dass sie sich gegen professionelle Unterstützung für ihre Kinder entscheiden (Chavira et al., 2017). Auch hier können Lehrkräfte eine wichtige Rolle einnehmen, entweder als Vermittler oder auch durch schulinterne Unterstützungsangebote, die als niederschwellige Interventionsmöglichkeit genutzt werden können. Dazu zählt unter anderem die Beratung durch Schulpsycholog:innen oder Sonderpädagog:innen, aber auch die Ausarbeitung eines Förderplans. Im Förderplan kann etwa eine zeitweise Reduktion der Anforderungen festgelegt werden, um den Druck auf das Kind zu vermindern. Aber auch der Einsatz besonderer Hilfsmittel wie die Arbeitsplatzorganisation oder Verstärkerpläne sind denkbar. Sofern diese Maßnahmen nicht ausreichen, erfüllt die Schule im Rahmen der tertiären Prävention Aufgaben der schulischen Rehabilitation, sofern Kinder und Jugendliche aufgrund von sozio-emotionalen Auffälligkeiten in ihrer Lernentwicklung so erheblich beeinträchtigt sind, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung besteht. Ausgehend von den Bedarfen und Ressourcen des jeweiligen Schülers bzw. der Schülerin werden individuelle Förder- und Hilfsmaßnahmen sowie ggf. nachteilsausgleichende Maßnahmen und Abwandlungen der Leistungsbewertung in die Wege geleitet und gemeinsam mit den Eltern über den weiteren Lernort entschieden. Über die Wirksamkeit vieler der schulinternen Unterstützungsangebote ist bisher noch wenig bekannt. Erste Evidenzen belegen die potenzielle Wirksamkeit schulbasierter Präventionsprogramme (O’Connor, Dyson, Cowdell & Watson, 2018). Wie spezifische schulische Interventionsmöglichkeiten bei verschiedenen Störungsbildern aussehen können, kann den Kapiteln dieses Bandes entnommen werden.

Literatur

American Psychiatric Association. (2013). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.). Washington, DC: Author. Crossref

Berger, C., Alcalay, L., Torretti, A. & Milicic, N. (2011). Socio-emotional well-being and academic achievement: evidence from a multilevel approach. Psicologia: Reflexão E Crítica, 24(2), 344 – 351. Crossref

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