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David Hume

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Beschreibung

Dieses eBook: "Dialoge über natürliche Religion" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Dialoge über natürliche Religion (Dialogues Concerning Natural Religion) ist eine religionsphilosophische Schrift des schottischen Philosophen David Hume. In ihr streiten die drei Charaktere Cleanthes, Demea und Philo über die Natur von Gottes Existenz. Hume begann mit der Bearbeitung der Dialoge spätestens 1750, ließ sie aber erst 1779 posthum veröffentlichen. David Hume (1711 - 1776) war ein schottischer Philosoph, Ökonom und Historiker. Er war einer der bedeutendsten Vertreter der schottischen Aufklärung und wird der philosophischen Strömung des Empirismus bzw. des Sensualismus zugerechnet. Sein skeptisches und metaphysikfreies Philosophieren regte Immanuel Kant zu seiner Kritik der reinen Vernunft an. Mittelbar wirkte dieser Vordenker der Aufklärung auf die modernen Richtungen des Positivismus und der analytischen Philosophie. In Bezug auf seine wirtschaftswissenschaftliche Bedeutung kann er zur vorklassischen Ökonomie gezählt werden. Hume war ein enger Freund von Adam Smith und stand mit ihm in regem intellektuellem Austausch.

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David Hume

Dialoge über natürliche Religion

Über Selbstmord und Unsterblichkeit der Seele

Übersetzer: Friedrich Paulsen
e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-0607-3
Textgrundlage: 
David Hume: Dialoge über natürliche Religion. 
Über Selbstmord und Unsterblichkeit der Seele
Ins Deutsche übersetzt und mit einer Einleitung versehen 
von Friedrich Paulsen, 3. Auflage, Leipzig: 

Inhaltsverzeichnis

Pamphilus an Hermippus
Erster Teil
Zweiter Teil
Dritter Teil
Vierter Teil
Fünfter Teil
Sechster Teil
Siebenter Teil
Achter Teil
Neunter Teil
Zehnter Teil
Elfter Teil
Zwölfter Teil

Pamphilus an Hermippus

Inhaltsverzeichnis

Es ist die Bemerkung gemacht worden, mein Hermippus, daß die Form des Dialogs, in welcher die alten Philosophen ihre Lehre meist darstellen, seitdem wenig in Anwendung gebracht ist, und wenn es versucht wurde, selten mit glücklichem Erfolg. Genaue und regelrechte Beweisführung, wie man sie jetzt von einer philosophischen Untersuchung erwartet, führt natürlicherweise auf die methodische und didaktische Form, in welcher man unmittelbar ohne Vorbereitung den Punkt, auf welchen man abzielt, darlegen und dann ohne Unterbrechungen dazu fortgehen kann die Beweise, worauf er ruht, beizubringen. Ein System in Form einer Unterredung zu überliefern, scheint wenig natürlich; wer in Dialogform schreibt, verfällt leicht, während er seiner Darstellung durch Abweichung von der direkten Schreibweise ein freieres Ansehen zu geben und den Schein des Verhältnisses von Verfasser und Leser zu vermeiden wünscht, dem noch größeren Übelstand, das Bild von Schulmeister und Schüler zu bieten. Oder wenn es ihm gelingt, das Gespräch durch Einführung einer Mannigfaltigkeit von Gesichtspunkten und durch Erhaltung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen den Unterrednern in dem natürlichen Tone der guten Gesellschaft durchzuführen, so verliert er oft so viel Zeit in den Vorbereitungen und Übergängen, daß der Leser durch alle Feinheiten des Dialogs für das Opfer an Ordnung, Kürze und Bestimmtheit sich kaum entschädigt glaubt.

Doch gibt es einige Gegenstände, für welche die dialogische Form besonders angemessen und der direkten und einfachen Darstellung vorzuziehen ist.

Ein Lehrstück, welches so auf der Hand liegt, daß Verschiedenheit der Meinung darüber kaum möglich ist, das jedoch zugleich so wichtig ist, daß es nicht zu oft eingeprägt werden kann, scheint eine solche Form der Behandlung zu erfordern, wo Neuheit in der Form über die Alltäglichkeit des Gegenstandes hinweghilft, wo die Lebhaftigkeit des Gesprächs die Lehre einprägt, und wo die Verschiedenheit der Beleuchtung seitens verschiedener Personen und Charaktere weder langweilig noch überflüssig erscheint.

Anderseits scheint eine philosophische Frage, welche so dunkel und ungewiß ist, daß menschliche Vernunft betreffs ihrer zu keiner bestimmten Entscheidung zu gelangen vermag, wenn anders überhaupt von ihr gehandelt werden muß, natürlicherweise auf die Form des Dialogs und der Unterhaltung hinzuführen. Vernünftige Menschen mögen die Freiheit abweichender Ansichten haben, wo niemand vernünftigerweise einseitig entschieden sein kann. Entgegengesetzte Meinungen gewähren auch ohne Entscheidung eine allgemeine Unterhaltung, und wenn der Gegenstand interessiert und bedeutend ist, führt uns das Buch gewissermaßen in Gesellschaft und vereinigt so die beiden größten und reinsten Freuden des menschlichen Lebens, Nachdenken und Geselligkeit.

Glücklicherweise finden sich alle diese Umstände vereinigt in der natürlichen Religion. Welche Wahrheit ist so offenbar, so gewiß, als das Dasein Gottes, das die unwissendsten Zeiten anerkannt, für welches die gebildetsten Geister gewetteifert haben, neue Zeugnisse und Beweise beizubringen? Welche Wahrheit ist so wichtig als diese, die die Unterlage aller unserer Hoffnungen, sie sicherste Grundlage der Moralität, die stärkste Stütze der Gesellschaft und das einzige Prinzip ist, das niemals einen Augenblick außer unsern Gedanken und Überlegungen sein sollte? Handelt man aber von dieser offenbaren und wichtigen Wahrheit, was für dunkle Fragen erheben sich mit Bezug auf die Natur dieses göttlichen Wesens, seine Eigenschaften, seine Entschließungen, den Plan seiner Vorsehung? Dieselben sind stets Gegenstand der Erörterungen der Menschen gewesen; die menschliche Vernunft ist mit Bezug auf sie zu keiner bestimmten Entscheidung gelangt. Aber so bedeutsam sind diese Fragen, daß wir der rastlosen Untersuchung derselben nicht Einhalt tun können, obgleich bisher nichts als Zweifel, Ungewißheit und Widerspruch das Ergebnis der sorgfältigsten Forschungen waren.

Diese Bemerkung zu machen hatte ich kürzlich Gelegenheit, als ich wie gewöhnlich einen Teil des Sommers bei Cleanthes zubrachte und seinen Unterhaltungen mit Philo und Demea beiwohnte, von denen ich Euch kürzlich eine unvollkommene Nachricht gab. Wie Ihr mir damals sagtet, war Eure Wißbegierde so erregt, daß ich nun mich genötigt sehe, in eine genauere Einzeldarstellung ihrer Erörterung einzutreten und die verschiedenen Systeme zu entwickeln, welche sie mit Bezug auf einen so delikaten Gegenstand, als natürliche Religion ist, vorbrachten. Der bemerkenswerte Gegensatz ihrer Charaktere steigerte Eure Erwartungen, indem Ihr die besonnene philosophische Denkweise des Cleanthes zusammenhieltet mit dem rücksichtslosen Skeptizismus Philos und der starren unbeugsamen Rechtgläubigkeit Demeas. Meine Jugend schrieb mir bei diesen Unterredungen die Rolle des schweigsamen Zuhörers vor, und die Lernbegierde, welche dem frühen Lebensalter natürlich ist, hat die ganze Folge und Verbindung ihrer Beweisführungen so tief in mein Gedächtnis eingeprägt, daß ich hoffen darf, in meinem Bericht keinen irgend erheblichen Teil derselben zu übergehen oder zu verwirren.

Erster Teil

Inhaltsverzeichnis

Als ich zu der Gesellschaft kam, welche ich in Cleanthes’ Bibliothek sitzend fand, sagte Demea dem Cleanthes einige Artigkeiten über die große Sorge, mit welcher er sich meiner Erziehung annähme und über die unermüdliche Ausdauer und Beständigkeit in seinen Freundschaften.

Der Vater des Pamphilus, sagte er, war Euer nahverbundener Freund; der Sohn ist Euer Zögling und kann in der Tat als Euer Adoptivsohn angesehen werden, wenn es erlaubt ist, nach der Mühe zu urteilen, welche Ihr darauf verwendet, ihm jeden nützlichen Zweig der Literatur und Wissenschaft nahe zu bringen. Ich bin überzeugt, daß es Euch ebensowenig an Einsicht als an Eifer gebricht. Deshalb möchte ich Euch einen Grundsatz mitteilen, welchen ich mit Bezug auf meine eigenen Kinder beobachtet habe, um zu sehen, wie weit er mit Eurer Verfahrungsweise im Einklang ist. Die Methode, welche ich in ihrer Erziehung befolgte, ist auf das Wort eines der Alten begründet: »die der Philosophie Beflissenen müssen zuerst Logik lernen, dann Ethik, darauf Physik, endlich zuletzt die Natur der Götter.«1 Die Wissenschaft der natürlichen Theologie erfordert nach ihm, da sie die tiefste und schwierigste von allen ist, das reifste Urteil von seiten derer, die sich mit ihr beschäftigen; nur ein Geist, der sich mit allen andern Wissenschaften ausgestattet hat, kann ohne Gefahr mit ihr betraut werden.

Wartet Ihr so lange, sagte Philo, Eure Kinder die Grundsätze der Religion zu lehren? Ist keine Gefahr, daß sie nicht Meinungen, von welchem sie während des ganzen Laufes ihrer Erziehung so wenig gehört haben, vernachlässigen oder gänzlich verwerfen? – Bloß als Wissenschaft, erwiderte Demea, welche menschlichen Schlüssen und Überlegungen unterliegt, stelle ich die Beschäftigung mit der natürlichen Theologie zurück. Dagegen ist es meine Hauptsorge, ihren Geist zu früher Frömmigkeit zu erziehen; durch beständige Lehre und Unterweisung, und, ich hoffe, durch mein Beispiel präge ich ihrem zarten Geist eine habituelle Achtung für alle Grundsätze der Religion tief ein. Während sie die andern Wissenschaften durchgehen, weise ich allemal hin auf die Ungewißheit jedes Teiles, auf die unaufhörlichen Streitigkeiten der Menschen, die Dunkelheit aller Philosophie und die wunderlichen und lächerlichen Folgerungen, welche einige der größten Geister aus den Grundsätzen der reinen menschlichen Vernunft abgeleitet haben. Nachdem ich so ihren Geist zu geziemender Unterwürfigkeit und zu Mißtrauen gegen das eigene Vermögen gezähmt habe, trage ich nicht länger Bedenken, ihnen die größten Geheimnisse der Religion zu eröffnen und besorge nicht irgendwelche Gefahr von jener hochmütigen Anmaßung der Philosophie, welche sie verleiten möchte, die am meisten befestigten Lehren und Meinungen zu verwerfen.

Eure Vorsicht, sagt Philo, den Geist Eurer Kinder früh mit Frömmigkeit zu erfüllen, ist sicherlich sehr vernünftig und nicht mehr als notwendig in diesem unheiligen und irreligiösen Zeitalter. Was ich aber an Eurem Erziehungsplan hauptsächlich bewundere, das ist Eure Methode, aus den Grundsätzen eben der Philosophie und Wissenschaft selbst, welche durch Erfüllung mit Stolz und Selbstzufriedenheit gemeiniglich in allen Zeitaltern so zerstörend für die Grundsätze der Religion erfunden worden sind, Vorteile zu ziehen. In der Tat, man kann die Bemerkung machen, daß die Menge, welche mit Wissenschaft und tiefer Forschung unbekannt ist, wenn sie die endlosen Streitigkeiten der Gelehrten wahrnimmt, gewöhnlich eine gänzliche Verachtung für Philosophie hegt und sich eben dadurch um so mehr in den großen Punkten der Theologie befestigt, welche sie gelernt hat. Diejenigen, welche sich ein wenig mit wissenschaftlicher Arbeit und Untersuchung einlassen, halten, wenn sie manchen Anschein von Evidenz in den neuesten und ungewöhnlichsten Lehren finden, nichts für zu schwierig für menschliche Vernunft, und zuversichtlich alle Mauern niederbrechend, entweihen sie das innerste Heiligtum des Tempels. Aber ich hoffe, Cleanthes wird mit mir übereinstimmen, daß es noch eine Auskunft gibt, diese gottlose Freiheit zu hemmen, nachdem wir Unwissenheit, die sicherste Zuflucht, verlassen haben. Man verbessere und vertiefe die Grundsätze Demeas; man bilde das Gefühl für die Schwäche, Blindheit und Eingeschränktheit der menschlichen Vernunft völlig aus; man gebe gebührendermaßen acht auf ihre Ungewißheit und endlosen Widersprüche selbst in den Angelegenheiten des gemeinen Lebens und Tuns; man halte sich vor die Irrtümer und Täuschungen unserer Sinne selbst, die unüberwindlichen Schwierigkeiten, welche die ersten Grundsätze in allen Systemen begleiten, die Widersprüche, welche den Begriffen selbst von Materie, Ursache und Wirkung, Ausdehnung, Raum, Zeit, Bewegung und mit einem Wort von Größen allerart anhangen, dem Gegenstand der einzigen Wissenschaft, welche mit einigem Grund auf Gewißheit und Evidenz Anspruch erheben kann. Wenn diese Erwägungen in volles Licht gestellt werden, wie von einigen Philosophen und fast allen Theologen geschehen ist, wer kann zu diesem schwachen Vermögen der Vernunft so viel Zutrauen behalten, daß er ihren Entscheidungen in so schwierigen, dunklen, von allem Gewöhnlichen in Leben und Erfahrung so entfernten Problemen einige Berücksichtigung schenken sollte? Wenn der Zusammenhang der Teile eines Steines, oder selbst die Zusammensetzung der Teile, welche ihn zu einem ausgedehnten macht, wenn, sage ich, diese alltäglichen Gegenstände so unerklärlich sind und so unverträgliche und widersprechende Umstände enthalten, mit welcher Sicherheit können wir über den Ursprung von Welten entscheiden oder die Spur ihrer Geschichte von Ewigkeit zu Ewigkeit verfolgen.

Während Philo diese Worte aussprach, bemerkte ich, ein Lächeln sowohl in Demeas als in Cleanthes’ Gesicht. Dasjenige Demeas schien eine unbegrenzte Genugtuung über die dargelegten Lehren auszudrücken. Dagegen konnte ich in der Miene des Cleanthes einen gewissen feinen Zug unterscheiden, als ob er in den Folgerungen Philos leisen Spott oder eine versteckte Bosheit wahrnehme.

Euer Vorschlag, Philo, sagte Cleanthes, ist also, den religiösen Glauben auf philosophischem Skeptizismus aufzurichten; und Ihr denkt, wenn Gewißheit und Evidenz aus jedem andern Untersuchungsgebiet ausgetrieben ist, wird sie sich ganz auf die theologischen Lehren zurückziehen und dort überlegene Stärke und Autorität gewinnen. Ob Euer Skeptizismus so unbedingt und aufrichtig ist, als Ihr vorgebt, werden wir nach und nach erfahren, wenn die Gesellschaft aufbricht: wir werden dann sehen, ob Ihr zur Tür oder zum Fenster hinausgeht, und ob Ihr in Wirklichkeit zweifelt, ob Euer Körper Schwere hat oder durch Fall Schaden nehmen kann, wie die gemeine Meinung, die aus unsern täuschenden Sinnen und der noch mehr täuschenden Erfahrung abgeleitet ist, annimmt. Und diese Betrachtung, Demea, mag, denke ich, wohl dazu dienen, uns die Erbitterung gegen diese launige Sekte der Skeptiker zu benehmen. Ist es ihr ganzer Ernst, dann werden sie die Welt mit ihren Zweifeln, Sophistereien und Streitereien nicht lange beunruhigen: ist es bloß Scherz, so ist es vielleicht schlechter Scherz, kann aber niemals dem Staat, der Philosophie, der Religion wirklich gefährlich werden.

In Wahrheit, Philo, fuhr er fort, es scheint sicher, daß es, wenngleich jemand nach angestrengter Erwägung der vielen Widersprüche und Unvollkommenheiten der menschlichen Vernunft in einer Anwandlung von Laune allem Glauben und aller Meinung gänzlich absagen mag, niemals möglich ist in diesem vollständigen Skeptizismus zu verharren oder ihn auch nur wenige Stunden in seinem praktischen Verhalten zu zeigen. Äußere Gegenstände machen Eindrücke, Gemütserregungen bewegen ihn, seine philosophischen Grübeleien verflüchtigen sich, und die größte Gewalt über das eigene Temperament wird nicht auch nur kurze Zeit imstande sein, den Skeptizismus kümmerlich aufrecht zu erhalten. Und wozu solche Gewalt sich antun? Dies ist der Punkt, worin es für ihn unmöglich ist, in Übereinstimmung mit seinen skeptischen Prinzipien sich selbst Genüge zu tun, so daß im ganzen nichts lächerlicher sein kann, als die Prinzipien der alten Pyrrhoneer, wenn sie in Wirklichkeit, wie vorgegeben wurde, darauf bestanden, denselben Skeptizismus überall durchzuführen, den sie in den Redeübungen ihrer Schulen gelernt hatten und welchen sie innerhalb derselben hätten lassen sollen.

Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint die Ähnlichkeit zwischen der Stoischen und Pyrrhonischen Schule trotz der beständigen Gegnerschaft groß: beide scheinen auf die irrtümliche Maxime gegründet, daß, was sich zuweilen und in gewissen Stimmungen durchführen läßt, stets und in jeder Stimmung sich durchführen lasse. Wenn sich der Geist durch Stoische Betrachtungen zu einer erhabenen Begeisterung für die Tugend emporgeschwungen hat und von irgendeiner Vorstellung der Ehre oder öffentlichen Wohlfahrt lebhaft ergriffen ist, so wird das Äußerste körperlichen Schmerzes und Leidens über solches Hochgefühl der Pflicht nicht das Übergewicht erlangen, und es ist durch dies Gefühl vielleicht möglich, auf der Folter selbst zu lächeln und zu frohlocken. Mag dies in Wirklichkeit hie und da der Fall sein, um wieviel mehr mag ein Philosoph in seiner Schule oder in seinem Studierzimmer sich zu solcher Begeisterung hinaufschwingen und dabei in der Einbildung den heftigsten Schmerz oder das widrigste Ereignis, das er sich erdenken kann, aushalten. Aber wie will dieser Enthusiasmus selbst aushalten? Die Spannung des Geistes läßt nach und kann nicht nach Belieben wieder erzeugt werden; allerlei Zufälle ziehen ihn ab; Unglück fällt ihn unversehens an: und der Philosoph sinkt allgemach zum gewöhnlichen Menschen herab.

Ich gebe Eure Vergleichung zwischen den Stoikern und Skeptikern zu, erwiderte Philo. Aber es ist dazu zu bemerken, daß der Geist, wenn er auch, im Stoizismus, den höchsten Flug der Philosophie nicht dauernd aushalten kann, dennoch, auch wenn er tiefer sinkt, einiges aus seiner früheren Stimmung festhält; die Wirkung der Schlüsse des Stoikers wird auch in seinem Verhalten im gewöhnlichen Leben und in der ganzen Haltung seiner Handlungen sichtbar sein. Die alten Schulen, besonders die Zenonische brachte Beispiele von Tugend und Standhaftigkeit hervor, welche unsere Zelt in Erstaunen setzen.

‘s war eitle Weisheit, falsche Philosophie.

Doch konnte sie mit süßer Zauberei

Schmerz stillen eine Weile oder Angst,

Betörte Hoffnung wecken, mit Geduld

Wappnen die Brust, wie mit dreifachem Erz.

Ebenso wird jemand, der sich an skeptische Betrachtungen über die Ungewißheit und die engen Grenzen der Vernunft gewöhnt hat, diese nicht gänzlich vergessen, wenn er seine Überlegung andern Gegenständen zuwendet; vielmehr wird er in allen seinen philosophischen Grundsätzen und Schlüssen, ich wage nicht zu sagen in seinem gewöhnlichen Verhalten, sich unterscheiden von denen, die entweder überhaupt keine Meinungen in diesen Angelegenheiten sich gebildet haben, oder der menschlichen Vernunft günstigere Ansichten unterhielten.

Wie weit immer jemand in der Spekulation seine skeptischen Prinzipien verfolgen mag, handeln, leben, verkehren muß er, ich gestehe es, wie die andern Menschen; und für dies Verhalten ist er nicht genötigt, andere Gründe als die einfache, praktische Notwendigkeit anzuführen. Wenn er sein Nachdenken weiter ausdehnt, als ihn diese Notwendigkeit zwingt und über Gegenstände der natürlichen oder geistigen Welt philosophiert, so wird er hierzu veranlaßt durch eine gewisse Lust oder Befriedigung, welche er in dieser Betätigung findet. Er überlegt ferner, daß jeder selbst im gemeinen Leben mehr oder weniger von dieser Philosophie zu haben genötigt ist; daß wir von unserer ersten Kindheit an in der Bildung von allgemeinen Grundsätzen des Verhaltens und des Denkens beständig Fortschritte machen; daß wir, je größere Erfahrung wir erwerben, und je stärkere Verstandesausstattung wir haben, um so mehr unsere Grundsätze allgemein und umfassend machen; und daß, was wir Philosophie nennen, nur ein geordneteres und methodischeres Verfahren derselben Art ist. Philosophieren über solche Gegenstände ist nicht wesentlich verschieden vom Nachdenken über die Angelegenheiten des gemeinen Lebens; nur dürfen wir von unserer Philosophie, wenn nicht größere Wahrheit, doch größere Beständigkeit erwarten, in Anbetracht ihres genaueren und umsichtigeren Verfahrens.

Wenn wir jedoch über die menschlichen Angelegenheiten und die Eigenschaften der uns umgebenden Körperwelt hinausgehen, wenn wir unser Nachdenken auf die beiden Ewigkeiten richten, welche dem gegenwärtigen Stand der Dinge vorhergehen und folgen, auf die Schöpfung und Gestaltung der Welt, die Existenz und Beschaffenheit von Geistern, die Kräfte und Handlungen eines Allgeistes, der ohne Anfang und Ende, allmächtig, allwissend, unveränderlich, unendlich, unbegreiflich ist: dann müßten wir ohne die mindeste Neigung zum Skeptizismus sein, wenn wir uns der Einsicht verschließen wollten, daß wir hier über den Bereich unserer Fähigkeiten hinausgeraten sind. So lange wir unser Nachdenken auf Handel, Moral, Politik, Ästhetik einschränken, wenden wir uns jeden Augenblick an den gemeinen Menschenverstand und die Erfahrung, die unsere philosophischen Schlüsse stärken und zu einem Teile wenigstens das Mißtrauen, welches wir mit Recht gegen jedes sehr spitzfindige und feine Räsonnement unterhalten, beseitigen. Aber in theologischen Räsonnements haben wir diesen Vorteil nicht; und zugleich haben wir es hier mit Gegenständen zu tun, welche, wie wir uns sagen müssen, zu groß für unser Begreifen sind und am allermeisten Vertrautheit unseres Verstandes mit ihrer Behandlung erfordern. Wir gleichen Leuten, die im fremden Lande leben; jedes Ding erregt ihr Mißtrauen und jeden Augenblick sind sie in Gefahr gegen die Gesetze und Sitten der Leute, mit denen sie leben und verkehren, zu verstoßen. Wir wissen nicht, wie weit wir den gewöhnlichen Methoden des Erkennens in solchen Dingen trauen dürfen; können wir doch selbst von ihrer Anwendung im gemeinen Leben und in dem ihnen eigentümlich zugehörigen Gebiet nicht Rechenschaft geben, sondern lassen uns von einer Art Instinkt oder Notwendigkeit leiten.