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Der Sammelband „Diálogos en el aula“ verknüpft Theorie und Praxis für den Spanischunterricht. Im Mittelpunkt der Publikation steht das digitale Lehren und Lernen als Schnittstelle für die Kompetenzentwicklung im Spanischunterricht. Digitale Medien spielen zum einen eine unterstützende Rolle bei der Erreichung sowohl des allgemeinen Ziels der Förderung der kommunikativen Kompetenzen der Lernenden als auch des übergreifenden Ziels der Entwicklung der digitalen Kompetenzen von Lehrenden und Lernenden. Die insgesamt zwölf Beiträge sind in drei Themenblöcke – pragmatische Dialoge, audiovisuelle Dialoge und digitale Dialoge – unterteilt und befassen sich mit grundlegenden Aufgaben beim Lehren und Lernen der spanischen Sprache. Sie stellen den Leser*innen auch innovative Unterrichtsmaterialien zur Verfügung, um den Transfer in den Unterricht zu erleichtern. Wir laden Sie ein, die Arbeitsblätter und Anhänge, die über einen QR-Code oder die angegebene Website heruntergeladen werden können, zu erkunden und in die Praxis umzusetzen. Das Herausgeberteam möchte mit dem vorliegenden Band einen Beitrag zur Entwicklung der Didaktik und des Spanischunterrichts sowohl in der Theorie als auch in der Praxis leisten und hierdurch wiederum die Förderung von diálogos en el aula unterstützen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 373
Veröffentlichungsjahr: 2023
ibidem-Verlag, Stuttgart
Inhaltsverzeichnis
Vorwort / Prólogo
Diálogos pragmáticos
Sprachmitteln ohne das Gesicht zu verlieren – Sprachmittlung und die Förderung der pragmatischen Kompetenz mit der Unterstützung audiovisueller Medien
El fenómeno de los YouTubers: Cambios del diálogo oral y alternativas didácticas en la clase de ELE
Inwiefern können mit Gesprächsleitfäden authentische(re) Dialoge im Fremdsprachenunterricht simuliert werden?
¿Tú o usted? ¿Pasantía o prácticas? – Wie der konstruktive Umgang mit digitalen Übersetzungstools interkulturelle Perspektiven eröffnet
Diálogos audiovisuales
Cuando los “muros” hablan: Diálogos poéticos en las redes sociales – Descubrir dimensiones poéticas en el espacio digital para incorporarlas en el aula de lengua extranjera
Latinoamérica der puertoricanischen Band Calle 13 – un diálogo entre culturas
“Mi obra maestra”: Escenas de película para el aula inclusiva
Diálogos digitales
„Also, wir haben gelacht – so als Freunde.“ Sprechen als sozialer Akt – Die Förderung der Sprechkompetenz in einem digitalen Begegnungsprojekt
Die zielgerichtete Verknüpfung ausgewählter mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze mit digitalen Medien im Spanischunterricht
Digital Storytelling: Potenziale für den Spanischunterricht
“El gran apagón”: un podcast de ficción distópica en el aula de ELE
Grammatikarbeit im Rahmen der aula invertida
Die Idee zum vorliegenden Sammelband entstand bereits kurz nach den XXV Jornadas Hispánicas, die Anfang März 2020 als für lange Zeit letzter große Kongress mit nahezu 400 Teilnehmer*innen in Präsenz an der Bergischen Universität Wuppertal stattgefunden hat. Niemand konnte zum damaligen Zeitpunkt erahnen oder voraussehen, mit welchen Irrungen und Wirrungen die Menschheit im Allgemeinen in den darauf folgenden Monaten und Jahren zu kämpfen haben würde und – bezogen auf unseren fachlichen Schwerpunkt – welche einschneidenden Veränderungen und Herausforderungen auf Lehrkräfte sowie Lernende hinsichtlich des Lehrens und Lernens von Sprachen in einem institutionellen Kontext zukommen würden. Sowohl im beruflichen als auch im privaten Alltag mussten Prioritäten verschoben und althergebrachte Grundsätze neu justiert bzw. an die Realität der pandemischen Lage angepasst werden. Hierunter litt leider auch die Erarbeitung sowie die Bearbeitung der für diesen Sammelband vorgesehenen Beiträge, sodass es zu teilweise erheblichen Verzögerungen kam und der Veröffentlichungszeitpunkt mehrfach verschoben werden musste.
Sin embargo, el equipo de editores se ha mantenido fiel a la idea original durante todo este tiempo, queriendo contribuir mediante el presente volumen con el desarrollo de la didáctica y la enseñanza del español tanto desde la teoría como, primordialmente, desde la práctica. Siguiendo el lema del congreso, los artículos aquí seleccionados se extienden como una renovada invitación a seguir entablando “diálogos en el aula”. Con el fin de lograr este cometido, las contribuciones en esta antología no solo capitalizan en temáticas de actualidad para el aula de español como lengua extranjera, sino que ponen a disposición de las lectoras y los lectores novedosos materiales didácticos para facilitar su transferencia al aula. Las y los invitamos a explorar y a poner en práctica las hojas de trabajo y los apéndices listados en la tabla “Material didáctico para descargar” que se incluyen al final de cada contribución. Estas propuestas pueden ser descargadas usando el código QR o visitando la página web señalada en la tabla de resumen.
En el centro del interés de esta publicación se encuentra la enseñanza y el aprendizaje digital como interfaz para el desarrollo de competencias en la clase de español. Bajo esta rúbrica, los medios digitales cumplen con una función de apoyo para la consecución tanto del objetivo general del fomento de la competencia comunicativa de las y los aprendientes, como del objetivo transversal del desarrollo de la competencia digital del profesorado y del alumnado.
La presente antología comprende un total de doce contribuciones, las que hemos dividido en tres bloques temáticos. Estas abordan, a nuestro parecer, tareas fundamentales de la enseñanza y del aprendizaje de español. La primera sección dirige su atención a los “diálogos pragmáticos”, enfocando la discusión en la concienciación lingüística del alumnado con la finalidad de facilitar una interacción culturalmente sensible y adecuada según las expectativas de las receptoras y los receptores en el contexto hispanohablante. En la sección “diálogos audiovisuales” se examinan diversas formas textuales auditivas y/o visuales en relación con su potencial para la enseñanza intercultural e inclusiva. Por último, el bloque temático “diálogos digitales” incluye contribuciones que presentan diferentes enfoques relativos al uso de medios digitales seleccionados para promover distintas competencias.
Im Einzelnen behandeln die Beiträge die folgenden Fragestellungen:
Melanie Arriagada plädiert in ihrem Beitrag für eine stärkere Berücksichtigung der pragmatischen Kompetenz im Kontext der Förderung von Sprachmittlungskompetenz, zumal eine Nicht-Beachtung oder Verletzung sozialer Konventionen bspw. zu critical incidents oder auch zu Verfälschungen der Aussagen führen kann und somit die Verständigung maßgeblich beeinflusst. Ihr Beitrag zielt darauf ab, die Förderung der pragmatischen Angemessenheit am Beispiel audiovisueller Texte zu untersuchen, wofür sie auf eine Sequenz aus der bekannten Netflix-Serie La casa de papel zurückgreift. Die Autorin konzipiert u.a. eine Lernaufgabe mit verschiedenen Arbeitsblättern, die verdeutlichen, welchen Beitrag die audiovisuelle Analyse von Höflichkeitsstrategien im Sprachenpaar Spanisch-Deutsch zur Förderung der Sprachmittlungskompetenz leisten kann.
Ana María Callejas Toro nos aproxima no solo a la relevancia sociocultural del fenómeno de los YouTubers como “microcelebridades” representativas de los intereses de las y los aprendientes, sino que pone en relieve el valor didáctico de sus “vlogs” como una muestra auténtica del estado sociolingüístico del español hablado. Precisamente los cambios en el diálogo oral, con especial énfasis en los conectores familiares y la prosodia, se perfilan como elementos particularmente sobresalientes en el comportamiento lingüístico de los YouTubers. Capitalizando en la forma verbal y no verbal en la que los YouTubers comunican su contenido, la autora propone primeramente actividades de comprensión y producción junto a retos o tags. Finalmente, la autora presenta una planificación con un vídeo del YouTuber LuisitoComunica. Tanto la propuesta para la clase como sus respectivas hojas de trabajo se extienden como una invitación a descubrir de forma práctica el potencial didáctico de los YouTubers para la clase de ELE.
Im Mittelpunkt des Beitrags von Katja Fredrichs und Anja Schreck stehen Authentizität und die Förderung der Sprechkompetenz im Spanischunterricht durch den Einsatz eines Gesprächsleitfadens. Vor dem Hintergrund der Herausforderung, diese Kompetenz aus psycholinguistischer Sicht zu fördern und Materialien zu entwickeln, die die Lernenden gezielt bei der Systematisierung solcher Prozesse unterstützen, schlagen die Autorinnen die Entwicklung und den Einsatz von Gesprächsleitfäden zur Förderung der Sprechkompetenz in zielsprachlichen Kommunikationssituationen vor. Die Autorinnen schreiben dem Gesprächsleitfaden das besondere Potenzial zu, den Lernenden den Weg zur spontanen Kommunikation zu ebnen, indem sie in authentischen Rollen üben und mit unerwarteten Situationen konfrontiert werden. Diese Eigenschaften spiegeln sich auch in den praktischen Vorschlägen der Autorinnen wider, die im Anhang zu finden sind und sich unter anderem mit einer Hotelreservierung oder dem Fundbüro eines Flughafens befassen.
Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung der Übersetzungstechnologien schlagen Tanja Hagenhoff und Sybille Leienbach vor, den Einsatz von Online-Übersetzern in den Spanischunterricht zu integrieren, um das interkulturelle Bewusstsein der Schüler*innen zu fördern. Mit konkreten Aktivitäten für den Spanischunterricht laden die Autorinnen zu einem reflektierten, kontrastiven und kommunikativen Umgang mit Online-Übersetzern ein. Die vorgestellten Unterrichtsvorschläge beziehen sich auf den Einsatz von maschinellen Übersetzungen in Bezug auf den Sprachgebrauch, wie z.B. Wortschatzarbeit und Morphosyntax, sowie auf kommunikative Aktivitäten, die den Fokus auf die Adressat*innen und das soziokulturelle Wissen legen, welches für eine kommunikative Situation im Rahmen eines Hotelpraktikums relevant ist.
La autora Victoria del Valle Luque nos adentra en las redes sociales como espacio digital que alberga una riqueza infinita de comunicación literaria, artística y poética para el profesorado y el alumnado. Se centra en dos fenómenos de la poesía popular: la poesía urbana y la poesía social. Invita a los y las profesores y profesoras a prestar más atención a los fenómenos poéticos que pueden encontrarse en las redes sociales para integrarlos en las clases de español. Una propuesta didáctica que está a disposición en el anexo ejemplifica el trabajo con los diálogos poéticos.
Der Beitrag von Benjamin Inal untersucht das Lied Latinoamérica der puerto-ricanischen Band Calle 13 und sein inter- und transkulturelles Potenzial für den Spanischunterricht. Das Lied thematisiert verschiedene Aspekte der lateinamerikanischen Kulturen und inszeniert eine supranationale Identität. Es fördert dadurch das Bewusstsein für Vielfalt, Solidarität und kritische Haltungen. Der Artikel stellt didaktische Hinweise vor, wie das Lied genutzt werden kann, um Wissen über Kulturen zu vermitteln und Bewusstseinsbildung bei den Lernenden zu fördern. Der Autor betont die Bedeutung eines ganzheitlichen Ansatzes, der sowohl den interkulturellen als auch den transkulturellen Blick berücksichtigt, um den spezifischen Bildungspotenzialen des Fremdsprachenunterrichts gerecht zu werden.
Lisi Barros-Sehringer nos invita a apreciar la película “mi obra maestra” a través de la lente del aula inclusiva. Centrándose en las necesidades educativas propias del o de la aprendiente en el espectro del Síndrome de Asperger, la autora discute a través de aplicaciones prácticas y un breve comentario didáctico cómo escenas seleccionadas de la película pueden emplearse de forma inclusiva en el marco del aprendizaje de español como lengua extranjera. El visionado de “Mi obra maestra” y el planteamiento de estrategias para un aula sensible a la o al aprendiente en el espectro de Síndrome de Asperger confluyen en materiales didácticos dirigidos a orientar la decodificación pragmática de saludos, despedidas, uso del lenguaje corporal y expresiones faciales, además del trabajo con la lengua enfocado en el empleo de ser y estar con adjetivos.
Der Artikel von Barbara Thomas behandelt die Förderung der Sprechkompetenz im Fremdsprachenunterricht und beleuchtet hierbei insbesondere die sozialen Faktoren. Um die Kommunikationsfähigkeit zu fördern, werden Schüler*innenaustausche und digitale Begegnungen als Möglichkeiten genannt. Um die Komplexität des Sprechens und die Bedeutung sozialer Faktoren zu verdeutlichen, baut die Autorin ihre Ausführungen in das Sprachproduktionsmodell nach Levelt und das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun ein. Dieser theoretische Rahmen findet in einem digitalen Begegnungsprojekt seine praktische Umsetzung. Es ermöglichte Schüler*innen den Kontakt mit Erstsprachler*innen, um die Fremdsprache in authentischen Kommunikationssituationen anzuwenden und das freie Sprechen zu fördern. Die Lernenden entwickelten freundschaftliche Beziehungen zu ihren Tandempartner*innen und überwanden ihre Sprechhemmungen. Dies unterstreicht die Bedeutung der sozialen Dimension des Sprechens im Fremdsprachenunterricht.
Der Beitrag von Svenja Haberland geht von der Annahme aus, dass digitale Medien diverse Möglichkeiten eröffnen, um eine an Mehrsprachigkeit orientierte Gestaltung des Spanischunterrichts zu bieten. Die Autorin sieht hierbei sowohl Mehrsprachigkeit als auch digitale Medien als Ankerpunkte hinsichtlich der Förderung von multiliteracies. Im Beitrag wird konkret aufgezeigt, wie eine Verbindung ausgewählter mehrsprachigkeitsdidaktischer Ansätze und digitaler Medien erfolgen kann. Neben den didaktisch-methodischen Erläuterungen finden unsere Leser*innen drei Unterrichtsvorschläge im Downloadbereich.
Jennifer Wengler beschäftigt sich mit dem didaktischen Potenzial des digitalen Storytellings im Spanischunterricht und betont dessen Bedeutung als motivierendes und handlungsorientiertes Lernwerkzeug. Sie beschreibt die Ursprünge des digitalen Storytellings und diskutiert dessen Vorzüge für den Fremdsprachenunterricht, wie die Förderung von Schreib- und Sprechkompetenzen sowie die Entwicklung von Medienkompetenz und kritischem Denken. Zudem wird betont, dass digitale Geschichten den Lernenden ermöglichen, ihnen im Sinne der Individualisierung und Differenzierung eine Stimme zu geben. Im zweiten Teil ihres Artikels werden empfehlenswerte Apps für die Erstellung klassischer und moderner Digital Stories vorgestellt, die eine einfache Umsetzung und Bearbeitung ermöglichen.
En el artículo de Beatriz Moriano Moriano se presenta la propuesta de integrar el podcast de ficción distópica “El gran apagón” en el aula de ELE. Se describen las características del podcast y la metodología utilizada en su aplicación con dos grupos de estudiantes. Además, se ofrece una guía didáctica para explorar el podcast en el aula. Los resultados de la propuesta muestran que los estudiantes evaluaron la experiencia como innovadora y motivadora, estimulando el pensamiento crítico y la reflexión sobre temas contemporáneos. Sin embargo, también surgieron aspectos negativos, como momentos violentos en la narración que afectaron la experiencia de algunos estudiantes. En general, la propuesta demostró ser efectiva para desarrollar la competencia comunicativa y fomentar la cohesión del grupo.
Ausgehend von der Problematik einer oftmals fehlenden nachhaltigen Verankerung grammatischer Phänomene bei den Lernenden plädiert Henning Peppel in seinem Beitrag für einen reflektierten Umgang mit Grammatik im Unterricht, um dem Gesamtbild von Sprache als lexiko-grammatischem Konstrukt gerecht zu werden. Der Beitrag geht hierbei der Frage nach, welche Wege eine sowohl mehrkanalige als auch nachhaltige Grammatikarbeit gehen kann und welchen Raum dabei digitale Medien einnehmen können, um ausgewählte Phänomene zu erschließen und zu konsolidieren.
Como notará a lo largo de la lectura, tanto las contribuciones en alemán como en español acogen el lenguaje inclusivo. Mientras que en alemán nos hemos decantado por el uso del asterisco, hemos dejado a discreción de cada una de las autoras la elección del marcador de su preferencia en español, reflejando y respetando así la pluralidad de discursos presentes en el mundo hispanohablante.
Abschließend möchten wir uns zum einen bei den Autor*innen der einzelnen Beiträge für die Zusammenarbeit und ihre Geduld bedanken und zum anderen bei Isabel Tomás van Ewijk, die uns bei der Formatierung bzw. Layoutierung der Aufsätze unterstützt hat.
Agradecemos en especial también a la Asociación Alemana del Profesorado de Español (DSV), que ha hecho posible la edición de esta publicación mediante una subvención para su impresión.
Wuppertal, im Juli 2023 Marcus BärMelanie ArriagadaAlexander Gropper
Melanie Arriagada
Das besondere Potenzial der Sprachmittlungskompetenz, die interkulturelle Kompetenz fördern zu können, hat bereits häufig Beachtung in der fachdidaktischen Diskussion gefunden. So wird in Anbetracht der Komplexität der Sprachmittlung aus der Sicht der Sprachmittelnden im aktuellen fachdidaktischen Diskurs zurecht auf die kulturell bedingten und für die Kommunikation relevanten Inhalte und den hierfür spezifischen Wortschatz hingewiesen, welche zu antizipieren, zu identifizieren und mit Hilfe von Expansionsstrategien1 zu erklären sind (vgl. Caspari & Schinschke 2010; Grünewald 2013; Hallet 2008; Rössler 2009). Die Bewusstmachung bezüglich interkultureller Unterschiede auf sprachlicher Ebene im kulturell geladenen Wortschatz bietet zwar einen willkommenen Zugang für eine Reflexion, welche den Zusammenhang zwischen Sprache und Kultur veranschaulicht. Bedenkt man aber, dass die zugeschriebene Aufgabe der Sprachmittelnden darin liegt, eine Verständigung zwischen zwei Sprecher*innen zu ermöglichen, gewinnt ihre Rolle eine noch tiefgreifendere Komplexität. So haben Sprache und Kultur, dem Modell des Eisbergs der Kulturen folgend (vgl. Roche 2005, 364), eine sichtbare und eine unsichtbare Seite. Während „[o]berhalb der Wasserlinie“ u. a. Aspekte wie Musik, Kunst, Essen, und die sprachliche Oberfläche (Wortschatz, Grammatik, Aussprache) zu finden sind, liegen hingegen sowohl die grammatischen Funktionen, wie z. B. Höflichkeit, als auch die kommunikativen Verfahren und Konzepte „[u]nterhalb der Wasserlinie“ (ebd.). Obwohl letztere einen tragenden Einfluss auf die (De-)Kodierung von sprachlichen Oberflächenstrukturen aufweisen und emotional wichtige Bestandteile innerhalb der interkulturellen Kommunikation entsprechen, stellen sie sich zugleich als nicht unmittelbar erkennbar heraus (vgl. ebd.). Unabhängig davon, ob es sich um mangelnde Bekanntheit oder mangelndes Bewusstsein handelt, kann die Nichtbeachtung oder Verletzung sozialer Konventionen durch den*die ungeschulte*n Sprecher*in nicht nur zu critical incidents, sondern auch zur Verfälschung der Aussage führen (vgl. Erll & Gymnich 2018, 103 ff.).
Die Metapher des Eisbergs verdeutlicht somit konkrete Anforderungen an das Lehren und Lernen der Sprachmittlungskompetenz, will man ihrem Potenzial zur Förderung interkultureller Handlungsfähigkeit dezidiert Rechnung tragen. Ausgehend davon, dass die Sprachmittelnden „vor der ganz konkreten Herausforderung [stehen], Unterschiede zwischen Ausgangs- und Zieltext in Bezug auf Inhalt, Sprache, Pragmatik, kulturelle Referenzen, Diskursorganisation, Textsorte und kommunikative Funktion zu erkennen und damit verbundene Probleme zu lösen“ (Kolb 2016, 179), erscheint eine Beschränkung auf hotwords und soziokulturelles Orientierungswissen zur Förderung dieser komplexen Kompetenz daher zu kurz gegriffen. Vielmehr sollte die Förderung der Sprachmittlungskompetenz in besonderer Weise die pragmatische Kompetenz umfassen, denn diese beinhaltet „die Fähigkeit zur angemessenen Sprachverwendung, aber auch das Erkennen von sprachlichem Verhalten, das von den Erwartungen des Interaktionspartners abweicht“ (Sarter 2010, 92).
Angesichts der Relevanz der Pragmatik in interkulturellen kommunikativen Begegnungssituationen zielt dieser Artikel darauf ab, den Beitrag audiovisueller Medien zur Förderung interlingualer und interkultureller pragmatischerAngemessenheit im Kontext der Sprachmittlungskompetenz zu untersuchen. Dieses Vorhaben wird auf der Grundlage einer kontrastiven Analyse zwischen dem spanischen Originalton und den deutschen Untertiteln der Streaming-Serie La casa de papel verfolgt. Diese a priori Entscheidung wird damit begründet, dass die Analyse des spanischen Originaltons und der deutschen Untertitelung eine Verkettung analoger Defizite hinsichtlich der Förderung der Sprachmittlungskompetenz im Fremdsprachenunterricht Spanisch verdeutlicht. Zum einen adressiert die Arbeit mit Untertiteln das Plädoyer für die Didaktisierung audiovisueller Materialien im Rahmen der Sprachmittlung als komplexe Kompetenz (vgl. De Florio-Hansen 2013; Sarter 2010). Zum anderen trägt dieses Vorhaben zur Konzeption von Lehr- und Lernmaterialien zur Förderung der pragmatischen Kompetenz von Sprachmittelnden bei (vgl. Reimann 2019; Siebold 2017). Demzufolge wird im vorliegenden Beitrag in Kapitel 2 theoretisch dargelegt, welche Rolle die pragmatische Kompetenz und das facework für die Sprachmittlung im Allgemeinen und für die Sprachmittelnden als intercultural speakers im Spezifischen spielen. Darauf aufbauend wird in Kapitel 3 erläutert, wie sich anhand des kontrastiven Vergleichs der interlingualen Untertitelung Spanisch-Deutsch von La casa de papel die interkulturell bedingte Realisierung von Sprechhandlungen besonders illustrieren lässt. Das abschließende praxisorientierte Kapitel 4 widmet sich der Didaktisierung der obigen Ausführungen zum facework im interkulturellen Vergleich anhand einer ausgewählten Sequenz aus La casa de papel. Die Lernaufgabe wird zeigen, wie die audiovisuelle Analyse der Höflichkeitsstrategien im Sprachenpaar Spanisch-Deutsch gewinnbringend zur Förderung der Sprachmittlungskompetenz eingesetzt werden kann.
Die Verständigung und das Verstehen bilden die Grundlage der interkulturellen Kommunikation und sind für den*die Sprecher*in sogar in der L1 schwer zu bewältigen (vgl. Erll & Gymnich 2018, 103 ff.), weshalb es umso verständlicher ist, dass angemessene Äußerungen in der Zielsprache eine zusätzliche Herausforderung für die Lernenden darstellen, insbesondere weil diese von kulturspezifischen Werten und Normen abhängen (vgl. Jansen 2008, 31 f.).
Die Höflichkeitstheorie von Brown & Levinson (1987) basiert auf der Annahme, dass „die Beteiligten einer Interaktion stets darauf bedacht sind, ihr öffentliches Selbstbild (face) zu wahren“ (Jansen 2008, 30). Die Autor*innen gehen in ihrem Modell von einem „Modellsprecher“ aus, der als kompetentes Mitglied der Gesellschaft nicht nur rational ist, d. h., „es capaz de sacar inferencias conversacionales con el fin de garantizar una comunicación eficiente durante la comunicación directa e indirecta“ (Félix-Brasdefer 2018, 160), sondern außerdem ein face besitztoder „una imagen pública con el fin de reclamar o defender su imagen social según dos tipos de deseos“ (ebd.). Diese Wünsche stehen für das positive face, welches ein öffentliches, nach Anerkennung strebendes Selbstbild ist, und das negative face, d. h. der Wunsch nach Handlungsfreiheit und Autonomie.
Brown & Levinson (1987, zit. nach Biały 2016, 134 ff.) argumentieren, dass die Wahrung des Gesichts das Hauptmotiv für menschliche Interaktion darstellt. Es gibt jedoch Gesprächssituationen, in denen das positive face oder das negative face eines*einer Sprechers*Sprecherin oder eines*einer Hörers*Hörerin potenziell gefährdet wird. Diese werden als face-threatening acts (FTA) bezeichnet. Eine Auswahl einiger Beispiele für FTAs sind in der folgenden Tabelle aufgelistet:
Face:
Öffentliches Selbstbild
Face-threatening acts (FTAs)
Sprecher*in
Hörer*in
Positive Face: Wunsch nach Anerkennung durch andere Mitglieder der Gesellschaft
Bedrohung des positive face
Bedrohung des positive face
Entschuldigungen, Bekenntnisse, Selbstkritik, Annahme von Komplimenten, Eingeständnisse von Schuld oder Verantwortung
Kritik üben, Zurückweisungen, Beleidigungen, Widersprechen
Negative Face: Wunsch nach Freiheit und Autonomie/Vermeidung von Zwängen
Bedrohung des negative face
Bedrohung des negative face
Ausreden, Danksagungen, Annahme von Entschuldigungen, Annahme von Angeboten
Befehle, Angebote, Komplimente, Versprechungen, Ausdruck des Neids oder der Bewunderung
Abb. 1: Face-threatening acts (FTAs), adaptiert nach Ionela (2011, 142)
Wie diese nicht exhaustive Abbildung zeigt, sind FTAs innerhalb der alltäglichen Interkation nahezu unvermeidlich. Das Risiko eines FTA wird nach Brown & Levinson (1987) unter Berücksichtigung folgender soziologischer Faktoren bewertet:
Abb. 2: Risiko eines FTAs in Anlehnung an Levinson & Brown (1987) und Félix-Brasdefer (2018)
Dem*Der Sprecher*in stehen unterschiedliche Strategien zur Verfügung, um die FTAs abzumildern und zur Gesichtswahrung beizutragen. Kompensatorische oder flankierende Maßnahmen in Form von positiver und negativer Höflichkeit tragen dazu bei, dass die Imagebedrohung reduziert wird (vgl. Biały 2016, 137).
Die Reflexion gesichtsbedrohender Sprechakte ist im Rahmen der Förderung der Sprachmittlungskompetenz dementsprechend relevant, da sich die Sprachmittlungssituationen einerseits stark auf diese ausrichten. So sind Bitten, Aufforderungen, Ausreden und Annahmen von Angeboten o. Ä. als typische Sprechakte innerhalb von Handlungssituationen wie Restaurantbesuche, Hotelreservierungen oder Einladungen intrinsische FTAs, welche in Aufgabenstellungen stets inszeniert werden. Andererseits sind die Strategien zur erfolgreichen Bewältigung gesichtsbedrohender Sprechakte interlingual in einigen Fällen abweichend. Diese interkulturellen Unterschiede bringen z. T. erhebliche Schwierigkeiten für die Fremdsprachenlernenden mit sich (vgl. Jansen 2008, 31 ff.). Erstens ist zu beachten, dass die Einschätzung, ob eine Äußerung höflich oder unhöflich ist, stark von den Bedingungen abhängt, in denen sie geäußert wird. Zweitens variiert der Einsatz von Höflichkeitsstrategien zwischen Sprachgemeinschaften, sodass „dieselbe Absicht sprachlich unterschiedlich realisiert [wird]: Nicht das „‘Was-sag-ich?‘ sondern ‚Wie-sag-ich´s‘“ ist oftmals auschlaggebend für interkulturelle Verständigung“ (Sarter 2010, 91).
Aufgrund des kulturellen Spezifikums der Realisierung von Sprechakten kann es zu fehlerhaften Dekodierungen oder Enkodierungen seitens der Sprachmittelnden innerhalb der Sprachmittlungssituation kommen, welche das Ziel der Sprachmittlung in seinem Kern verzerren könnte. So betonen Erll & Gymnich, dass z. B. die Sprechakte Bitten und Aufforderungen zu den möglichen critical incidents gehören, „in denen die pragmatisch-kommunikative Teilkompetenz im besonderen Maße auf die Probe gestellt wird“ (2018, 103). Während aufgrund fehlenden Wissens verursachte grammatische Fehler in einer in der Fremdsprache geführten Unterhaltung von dem*der Hörer*in in der Regel repariert werden, besteht jedoch die Gefahr, dass dem*der Sprecher*in aufgrund von Fehlern im pragmatischen Bereich negative Charakterzüge zugeschrieben werden, und zwar insbesondere dann, wenn die sprachlichen Kompetenzen des*der Sprechers*Sprecherin von dem*der Hörer*in insgesamt als hoch eingeschätzt werden (vgl. Jansen 2008; Sarter 2010). Somit werden pragmatische Fehler direkt mit der Persönlichkeit einer Person in einen Zusammenhang gebracht (vgl. Siebold 2008), indem sie als absichtliche Unhöflichkeit, Rücksichtslosigkeit oder sogar als Beleidigung interpretiert werden (vgl. Jansen 2008). Ein mangelndes sprachliches Repertoire auf der pragmalinguistischen Ebene, samt der Fehleinschätzung soziopragmatischer Erwartungen, wie z. B. die angemessene Nutzung vom Siezen und Duzen, haben das Potenzial, Missverständnisse und sogar einen Abbruch der interkulturellen Kommunikation zu verursachen. Dem pragmatischen Wissen darf somit keine untergeordnete, rein stilistische Funktion in der interkulturellen Kommunikation zugeschrieben werden. Vielmehr sollte es als eine zentrale Kompetenz für erfolgreiches kommunikatives Handeln hervorgehoben werden, insbesondere im Rahmen der Förderung der Sprachmittlungskompetenz.
In der interkulturellen und interlingualen Kommunikation, welche die Sprachmittlungen in besonderer Weise abbildet, fungieren die Sprachmittelnden als intercultural speakers. Somit sollten sie in der Lage sein, sich „flexibel mit wechselnden Situationen und Personen auseinanderzusetzen und die eigenen Positionen und Wissensbestände ggf. zu hinterfragen und zu modifizieren oder auch zu revidieren“ (Schmenk 2016, 144). Erkenntnisse aus der Theorie und der Praxis signalisieren, dass zwischen den mündlichen und den schriftlichen Sprachmittlungssituationen erstere diejenigen zu sein scheinen, in denen die Sprachmittelnden unter besonderen Druck geraten können. Dies liegt einerseits an der erforderlichen Spontaneität und der zeitlichen Begrenzung für die Durchführung der Aktivitäten der Sprachproduktion, welche die mentalen Prozesse vom Konzeptualisierungs- zum Formulierungssystem bis hin zur Artikulation umfassen.2 Andererseits muss eine sofortige Einschätzung auf der sozio-pragmatischen Ebene bezüglich der relevanten und kulturell bedingten Parameter wie z. B. Nähe und Distanz erfolgen, um bestimmte pragmalinguistische Elemente und lexikalisch-grammatische Einheiten wählen zu können, die eine angemessene sprachliche Realisierung (Pragmalinguistik) in dem gegebenen Kontext und der Gesprächskonstellation (Soziopragmatik) erst erlauben. Zwar gehört zum Spezifikum der Sprachmittlungssituation, dass sowohl die spanische als auch die deutsche Rolle Sprechakte durchzuführen haben. Erste Befunde im Bereich der Lerner*innenpragmatik in Sprachmittlungssituationen in einem von Reimann (2019) durchgeführten Pilotprojekt zeigen jedoch, „dass verbale Höflichkeit für die Lernenden in den einsprachigen Rollen, auch in der einsprachig spanischsprachigen Rolle, leichter zu realisieren scheint als in der besonders anspruchsvollen Dolmetscherrolle“ (ebd., 564). Weitere Befunde im Bereich der Lerner*innenpragmatik unterstützen diese Ansicht. Lernende verfügen in der Regel über eingeschränkte sprachliche Mittel (vgl. Jansen 2008, 32 ff.), welche die Realisierung von Sprechakten seitens des*der Sprechers*Sprecherin hemmen könnten. Wenn Sprecher*innen sich auch über ihr eigenes lückenhaftes sprachliches Repertoire bewusst sind, setzen sie potenziell Vermeidungsstrategien ein, welche sie sogar dazu veranlassen, auf die Versprachlichung von Schlüsselkomponenten in Entschuldigungen wie closing remarks zu verzichten (vgl. Warga 2007). Fehlendes oder lückenhaftes pragmalinguistisches Repertoire kann somit zur Konsequenz haben, dass das face des*der Hörers*Hörerin oder des*der Sprechers*Sprecherin ungewollt und/oder unbewusst aufgrund einer mangelhaften Performanz verletzt wird. Sind den Sprachmittelnden die Einzelelemente ritualisierter Routinen auf der Ebene des Konzeptualisierers wiederum bewusst, führt die Unsicherheit in der Versprachlichung solcher Sprechakte zum Verbositätseffekt, welcher in der interkulturellen Kommunikation zur Folge haben kann, dass der*die Hörer*in negativ auf die für den Sprechakt und für die Situation unnötigen Informationen reagieren kann (vgl. Warga 2007). Für die sprachmittelnde Rolle wird somit ersichtlich,
welch grundlegende und essentielle Funktion das Verfügen über sprachliche Mittel mit Blick auf das Sprachhandeln auch und gerade im Kontext der Sprachmittlung hat – schließlich soll der Mittler zwischen zwei Personen vermitteln, die einander nicht direkt verstehen können, und nicht für zusätzliche Verständnisschwierigkeiten oder Missverständnisse sorgen (Reimann 2019, 541).
Lernende sollten infolgedessen besonders in der Sprachmittlerrolle gezielt für pragmalinguistische und soziopragmatische Besonderheiten in interlingualen Handlungssituationen sensibilisiert werden. Dieses Unterfangen lässt die Relevanz der kontrastiven Pragmatik innerhalb der Förderung der Sprachmittlungskompetenz veranschaulicht.
Angesichts der oben skizzierten Schwierigkeiten und Unsicherheiten der Lernenden bezüglich der Durchführung ihrer Rolle als Sprachmittelnde eröffnet der kontrastive Vergleich von Sprechakten „auch mit Blick auf Interkulturalität und interkulturelles Lernen“ (Gnutzmann 2010, 147) eine sprachlich-inhaltliche Akzentverschiebung, welche nicht zuletzt die Schulung der Sprachenbewusstheit und Sprachlernkompetenz im Fremdsprachenunterricht umfasst (vgl. ebd.).
Die Angemessenheit, welche in den gängigen Definitionen von Sprachmittlung explizit und implizit abzulesen ist, verleiht der kontrastiven Pragmatik eine besondere Relevanz für den Spanischunterricht und rückt das tradierte und sowohl didaktische als auch bildungspolitische Verständnis von Grammatik in ihrer dienenden Funktion in ein neues Licht. Die vergleichende Analyse des Sprachenpaares Spanisch-Deutsch ermöglicht den Lernenden als intercultural speakers im Rahmen einer spezifischen kommunikativen Situation die Strategien der Sprecher*innen einer bestimmten sprachlichen und kulturellen Zugehörigkeit zu identifizieren und datengeleitet diejenigen Ausdrücke und Strategien in der Zielsprache herauszufiltern, die für die Bewältigung interkultureller Handlungssituationen relevant sind. In interkulturellen kommunikativen Tätigkeiten sind jedoch nicht nur die sozialen Rahmenbedingungen zu beachten und im Unterricht zu integrieren, die eine Äußerung kontextualisieren und durch die Soziopragmatik beleuchtet werden. Für die Schulung der Sprachmittlung spielt ebenfalls die Verfügbarkeit über sprachliche Mittel eine zentrale Rolle (vgl. Reimann 2019), damit überhaupt Aussagen versprachlicht werden können, die in der Zielsprache erwartet und von daher als angemessen empfunden werden.
Eine stärkere Berücksichtigung des Sprachvergleichs im Spanischunterricht sollte jedoch nicht als Wunsch missverstanden werden, die Grammatik-Übersetzungs-Methode im Fremdsprachenunterricht zu neuem Leben zu erwecken. Vielmehr geht es darum, dass die kontrastive pragmatische Analyse von Sprechakten die Sprachmittelnden zu befähigen, situationsangemessen und im Interesse des*der Adressat*in zu agieren. Der Mehrwert des Sprachvergleichs liegt somit in der Förderung der interkulturellen Handlungskompetenz. Die kontrastive Analyse, verbunden mit der Spracharbeit im Fremdsprachenunterricht, dient somit der Förderung der Perspektivübernahmekompetenz und der Perspektivenkoordination, welche das aktive und fließende Sich-Hineinversetzen im doppelten Fokus des deutsch- und spanischsprachigen Sprechens seitens der Sprachmittelnden abbildet und somit besonders fördern könnte. Das Potenzial des Sprachvergleichs liegt ferner darin begründet, dass z. B. Online-Übersetzungsmaschinen trotz ihrer avancierten grammatischen und lexikalischen Korrektheit, nicht in der Lage sind, zu überprüfen, ob die übersetzte Aussage angemessen ist oder nicht (siehe hierzu auch Arriagada 2019; Hagenhoff & Leienbach 2020 und in diesem Band). Dies betont erneut, welche Bedeutung die Bewusstmachung für kulturell abweichende Sprechakte in interkulturellen Begegnungssituationen in der Sprachmittlung innehat, und unterstreicht somit die Verantwortung der Sprachmittelnden als enabler interpersonaler und interlingualer Kommunikation.
Um dem in Reimann & Rössler (2013, 9) implizierten Plädoyer für eine Diversifizierung von Textsorten in Sprachmittlungsaufgaben Rechnung zu tragen, werden Filme auf ihre Zweckmäßigkeit hin analysiert, das Bewusstsein für interkulturelle Unterschiede bei der sprachlichen Kodierung von Sprechakten zu sensibilisieren (vgl. Martínez-Flor 2008). Im Gegensatz zu Schulbüchern ist der didaktische Wert von Filmen insofern von potenzieller Bedeutung, als dass Bücher
im Allgemeinen nicht in der Lage sind, den Lernenden einen realistischen Input zu liefern, [sodass] Lehrbücher nicht als verlässliche Quelle für pragmatischen Input für Sprachschüler im Klassenzimmer angesehen werden können (Bardovi-Harlig 2001, 25, zitiert nach Sarter 2010, 92).
Das Unterrichtsgespräch und die Interkationen im Klassenzimmer beschränken die Schüler*innen zudem in ihrer traditionellen Rollenzuschreibung auf den Status von Lernenden (vgl. Meißner 2010, 52 ff.) anstatt von Handelnden, welche das Repertoire an von ihnen durchzuführenden Sprechakten einschränkt. Im Gegensatz dazu sind die pragmatischen Sprachbeispiele in Filmen näher an der authentischen gesprochenen Sprache zu verorten (vgl. Rose 1997, zitiert nach Martinez-Flor 2008), welche den Lernenden, die noch keinen direkten Kontakt mit Erstsprachler*innen des Spanischen gehabt haben, einen Zugang zur Zielkultur und zum quasi-authentischen Sprachgebrauch erlauben. In der Diskussion, ob Untertitelung in ihrer Eigenschaft als Produkt „written-to-be-spoken-as-if-not-written“ (Gregory & Carroll 1978, 42, zitiert nach Bruti 2016, 190 ff.) authentische Sprachverwendung nachahmen, weist Bruti (2016, 191) darauf hin, dass korpusbasierte kontrastive Analysen zwischen Filmtranskriptionen und lebensechten Gesprächen gezeigt haben, dass „movies employ a wide range of conversational strategies and devices [so that these can] consequently […] be very useful for raising awareness of key conversational processes among language learners.“
Die Filmauswahl zur Sensibilisierung für interkulturelle Unterschiede in der sprachlichen Codierung von Sprechakten orientiert sich daher am mimetischen Potenzial des gesprochenen Diskurses des Filmdrehbuchs, die Wirklichkeit nachzuahmen (vgl. Mulder 1998, zitiert nach Monjour 2006) und an den Möglichkeiten, die die Untertitelung für eine vergleichende pragmatische Untersuchung bietet (vgl. Bruti 2016; Monjour 2006). Die Arbeit mit Filmen wird auch als geeignet für die Förderung von soziopragmatischem Wissen angesehen, welches die Auswahl von spezifischen pragmalinguistischen Äußerungen beeinflusst (vgl. Martínez-Flor 2008). Analog zu den für den lernaufgabenorientierten Ansatz charakteristischen Prinzipien der Authentizität und Handlungsorientierung ist die interlinguale Untertitelung in Filmen „für das Verständnis einer Fremdsprache in ihrem sozialen Kontext geeignet, da die zielsprachigen Redebeiträge im interlingualen Untertitel in ihrer jeweiligen Kommunikationssituation eingebettet sind und so ein natürliches Sprachverständnis unterstützt wird“ (Schröpf 2013, 237). So führt Schröpf (ebd., 237 f.) weiter aus:
Die Integration des kommunikativen Ansatzes in einen realen Kontext ist die Motivation der Lernenden, und sie sind besser in der Lage, aus ihrem eigenen kulturellen Hintergrund Nutzen zu ziehen und ihn in ihrem eigenen kulturellen Schema zu nutzen. Darüber hinaus geht das Lernen durch Untertitelung über das passive Lernen hinaus und fördert das aktive Zuhören, Zusehen und Lesen der Sprache in ihrem natürlichen Kontext.
Die Verwendung von Untertiteln als tertium comparationis wird im Hinblick auf ihr didaktisches Potenzial zur Förderung einer Sprachverwendungskompetenz der Sprachmittelnden als intercultural speakers in der Sprachmittlungssituation als durchaus zweckdienlich erachtet. Dies ist einerseits in dem multimodalen Charakter der Untertitelung begründet. Dieser ist „für didaktische Zwecke von besonderem Potential, da der Filmdialog gleichzeitig verbal – in authentischer Aussprache und Intonation in der Ausgangsprache – […] dargestellt wird“ (ebd., 235). Andererseits wird die vergleichende Analyse von interlingualen Untertiteln (d. h. von einer Sprache in die andere) als ein geeignetes Instrument „für das Erlernen oder Trainieren einer idiomatischen Sprachverwendung oder kommunikativer Praktiken, z. B. im Bereich Begrüßungs- und Abschiedsfloskeln“ (ebd., 249) angesehen. Ausgehend davon, dass durch die Untertitel „die Parallelität von Ausgangs- und Zieltext nutzbar gemacht werden kann“ (ebd.), könnte die kontrastive Arbeit mit Untertiteln dazu beitragen, die Lernenden für die Realisierung von Sprechakten im interkulturellen Vergleich zu sensibilisieren. Durch die kontrastive Analyse der Äußerung im spanischen Originalton und der deutschen Untertitelung können Sprechakte in ihren spanisch-deutschen Konvergenzen und Divergenzen innerhalb eines spezifischen, gleichen und für alle Zuschauer*innen transparenten kommunikativen Kontext untersucht und auf ihre kulturelle Relevanz hin geprüft werden. Insbesondere mit Blick auf die für die Unterrichtsrealität typische Heterogenität kommt Schröpf (ebd.) zu dem Schluss, dass „interlinguale Untertitel für Lerner mit geringen Fremdsprachenkenntnissen insbesondere [...] zur Diskussion kulturspezifischer Elemente geeignet sind“. Unter Berücksichtigung dieser Charakteristika wird das audiovisuelle Medium daher als eine nützliche Öffnung für die interkulturelle pragmatische kontrastive Arbeit im Rahmen der Sprachmittlung angesehen, indem pragmatische und soziopragmatische kulturelle Unterschiede in einem mimetischen, konkreten und exemplarischen Kontext durch das Medium Film transparent gemacht werden.
Auf der soziopragmatischen Ebene bietet das Medium Film durch z. B. die Handlung oder die Charaktere konkrete Informationen über den Kontext und die Bedingungen, in denen die Sprechakte realisiert werden und die für eine interkulturelle kontrastive Analyse auschlaggebend sind. Durch die Charakterkonstellation lassen sich exemplarisch die Variablen, die für die Einschätzung der Gewichtung des face-threatening acts bedeutend sind, analysieren und als Grundlage für den interkulturellen Vergleich herausarbeiten. Die Berücksichtigung der Handlungssituation und des Adressat*innenbezugs ist in Sprachmittlungsaufgaben von wesentlicher Bedeutung. Sind diese wie durch die dargelegte Filmsequenz bekannt, kann ein Gespräch, in dem ein Gesichtsverlust droht, vor dem Hintergrund der Rolle des jeweiligen Charakters und des Kontextes, in dem die Äußerung getätigt wird, exemplarisch analysiert werden. Auf diese Weise lassen sich die Schlüsselfaktoren zur Berechnung der Gewichtung des FTAs seitens des*der Sprechers*Sprecherin in der dargebotenen Gesprächskonstellation exemplarisch erarbeiten und für die interlinguale Analyse transparent aufbereiten. Die soziale Nähe oder Distanz zwischen Sprecher*in und Hörer*in, das Machtverhältnis zwischen Sprecher*in und Hörer*in als auch das Risiko, dass die Aussage des*der Sprechers*Sprecherin das face des*der Hörers*Hörerin bedroht, lassen sich somit beispielhaft identifizieren. Dieser kontextuelle und interaktionale Rahmen bildet die Grundlage für die kontrastive Analyse auf pragmalinguistischer Ebene. Die kontrastive Analyse interlingualer Untertitelung stößt Reflexionsprozesse an. Die Aufmerksamkeit der Lernenden soll auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des syntaktischen, lexikalischen und grammatikalischen Strategiegebrauchs gelenkt werden, um im Sinne eines bewusstmachenden Verfahrens das noticing transkultureller pragmatischer Unterschiede anzubahnen. Die erarbeiteten syntaktischen, grammatischen und lexikalischen Unterschiede bilden die Grundlage des sprachlichen Repertoires für eine sinn-, situations- und adressat*innengerechte Übermittlung von Inhalten, welche in der Sprachmittlungssituation von dem intercultural speaker aktiv zum Einsatz gebracht werden können.
Die spanische Produktion La casa de papel wurde im ersten Halbjahr 2020 mit 65 Millionen Zuschauer*innen weltweit als eine der meistgesehenen Serien des Streaming-Dienstes Netflix gekrönt. Zwei weitere spanische Serien waren 2020 in den weltweiten Top 10 vertreten: Élite und Vis a Vis. Die rasant steigende Beliebtheit von spanischen Serien in Streamingdiensten wie Netflix prädestiniert diese für die Nutzung im Spanischunterricht. An der Schnittstelle zwischen der Förderung der pragmatischen Kompetenz und der Sprachmittlungskompetenz bieten Serien ertragreiche Möglichkeiten, um durch ein vergleichendes Verfahren die Sensibilisierung für interkulturelle Unterschiede bei der Realisierung von Sprechakten anzubahnen. In Anlehnung an Folge 8 der ersten Staffel der Serie La casa de papel wird im Folgenden erläutert, wie sich die kontrastive Realisierung des Sprechaktes „Auffordern“ (siehe hierzu auch Abb. 1) im Sprachenpaar Spanisch-Deutsch identifizieren und didaktisieren lässt.
Die ausgewählte Szene zeichnet sich durch eine klare Beziehungsstruktur zwischen den Sprecherinnen aus. Das Gespräch wird mit deutlicher Stimme, überlappungsfreiem turn-taking und ohne Satzabbrüche geführt. Kern der Handlungssituation ist ein Konflikt und die anschließende Aushandlung einer für alle akzeptablen Vereinbarung. Die Szene veranschaulicht somit, wie soziopragmatische Faktoren wie Macht, Distanz und Risiko die Realisierung von Höflichkeitsstrategien in unterschiedlichen Sprecher*innenkonstellationen beeinflussen können. Darüber hinaus zeigt der interlinguale pragmalinguistische Vergleich zwischen dem spanischen Originalton und der deutschen Untertitelung markante Unterschiede in der Realisierung des in der Sequenz durchgeführten Sprechaktes, die eine didaktische Sensibilisierung für facework im interkulturellen Vergleich initiieren können.
In Folge 8 findet ein ernstes Gespräch zwischen Mariví, Raquel und ihrer Tochter Paula statt. Das Thema des Gesprächs stellt für die Mutter und die Tochter eine große Belastung auf der Beziehungsebene dar, insbesondere weil die sich noch im Grundschulalter befindende Paula ihrer Mutter mitteilt, dass sie zusammen mit ihrer Tante und ihrem leiblichen Vater leben möchte. Die Situation ist für Raquel besonders schwierig, da ihr früherer Ehemann ihr gegenüber gewalttätig gewesen ist. Dies hat letztlich zur Scheidung und einer von ihm orchestrierten Demütigungskampagne gegen Raquel geführt. Paulas Wunsch lässt daher sowohl die Mutter Raquel als auch die Großmutter Mariví vermuten, dass Paula von ihrem Vater manipuliert wurde.
Die Szene beginnt, indem die Großmutter Mariví ihre Enkelin Paula auffordert, Raquel mitzuteilen, was sie vor Raquels Eintreffen im Raum gesagt hat. Diese Aufforderung steht im Fokus der im Folgenden exemplarisch dargestellten Analyse, um die interkulturellen Unterschiede hervorzuheben.
Die Aufforderung bildet den zentralen Sprechakt in der ausgewählten Szene aus La casa de papel (vgl. Staffel 1, Folge 8, Sequenz 3:31-3:34). Der Sprechakt „Aufforderung“ ist direktiv und entspricht somit einem FTA, der das negative face des*der Hörers*Hörerin gefährdet. Durch die Aufforderung möchte der*die Sprecher*in den*die Hörer*in dazu bewegen, etwas zu tun. Der*Die Hörer*in sieht sich durch die Aufforderung des*der Sprechers*Sprecherin somit in seiner Freiheit und Selbstbestimmung beschränkt. Das mit der Aufforderung einhergehende Risiko, ein FTA auszulösen, kann nach der Formel von Brown & Levinson (1987) wie folgt eingeschätzt werden:
FTA: Marivís Aufforderung an Paula
Social distance: verwandtschaftliche Nähe zwischen Mariví und Paula.
Relative power: asymmetrisch aufgrund der Rollenverteilung (Mariví als Großmutter und Paula als Enkelin). Die Macht geht aufgrund des Alters von Mariví aus.
Absolute ranking of impositions: groß aufgrund der Auswirkungen des Sachverhaltes im familiären Kontext.
Obwohl die durch den Plot dargelegten kontextuellen Rahmenbedingungen und Beziehungskonstellationen des Sprechaktes gleichbleiben, lassen sich im Spanischen (gesprochene Sprache) und Deutschen (Untertitelung) Unterschiede in Bezug auf die verwendeten Höflichkeitsstrategien erkennen. Exemplarisch wird nur eine Aufforderung detailliert analysiert (Staffel 1, Folge 8, 3:31-3:34), mit dem Ziel, die Vielfalt der pragmalinguistischen Unterschiede in der Realisierung einer Äußerung zu veranschaulichen, obwohl diese Sequenz lediglich nur ein paar Sekunden lang ist. Die anhand des Frameworks für Cross-Linguistic Analysis of Speech Act Patterns (Blum-Kulka & Olsthain 1984) durchgeführte kontrastive Analyse zeigt, dass die ausgewählte Aufforderung im spanisch-deutschen Vergleich Unterschiede auf der Ebene der Dimensionen, Kategorien und dazugehörigen Elemente aufweist:
Español
Alemán
Paula, cariño. ¿Por qué no le cuentas a mamá qué te ha dicho tu papi? Anda…3
Paula, sag deiner Mama doch, was dein Papa dir gesagt hat.4
Dimensión
Categoría
Elemento
Dimensión
Categoría
Elemento
Address Term
First Name
Paula
Address Term
First Name
Paula
Endearment term
cariño
-
-
Request
perspective
Hearer oriented
¿Por qué no le cuentas…?
Request perspective
Hearer oriented
Sag deiner Mama doch,
Request
strategy
Suggestory formula -> Conventionally indirect requests
¿Por qué no le cuentas…?
Request strategy
Mood derivable -> impositive
Sag deiner Mama doch,
Downgraders
Syntactic downgrader -> interrogative
¿Por qué no le cuentas…?
Downgraders
-
-
Upgraders
-
-
Upgraders
Intensifier -> adverbial
Sag deiner Mama doch,
Adjuncts to
Head act
Disarmer
Anda…
Adjuncts to Head act
-
-
Abb. 3: Kontrastive Analyse La casa de papel (Staffel 1, Folge 8, Sequenz 3:31-3:34)
Obwohl die spanische und deutsche Aufforderung hearer oriented ist (s. o.), und die Sprecherin direkt durch die Nennung ihres Vornamens adressiert wird, unterscheiden sich die interlingualen Realisierungen beider Sprechakte strukturell stark voneinander. Auf der Ebene der Dimensionen fällt auf, dass im Spanischen – im Gegensatz zum Deutschen – keine upgraders sondern Abmilderungspartikel (downgraders) und adjuncts to head act verwendet werden. Letztere komplementieren den head act (die Aufforderung selbst, z. B.: „¿Por qué no le cuentas a mamá qué te ha dicho tu papi?“) mit dem disarmer „Anda“. Diese externe Modifizierung zeigt, dass im spanischen Original „the speaker indicates his/her awareness of a potential offense, thereby attempting to anticipate possible refusal“ (Blum-Kulka & Olshtain 1984, 205).
Die Strategien zur Realisierung von FTAs berücksichtigend fällt auf, dass im spanischen Original die Strategie on record with redressive action and negative politeness verwendet wird. Mit dieser Strategie zwingt die Großmutter ihrer Enkelin ihren eigenen Willen nicht direkt auf, sondern äußert Respekt und Rücksicht gegenüber Paula. Dies lässt sich pragmalinguistisch am Satzbau ablesen, indem die Aufforderung in Form einer Frage gestellt wird. Diese Strategie befindet sich auf der mittleren bis unteren Ebene von Blum-Kulka & Olshtains (vgl. ebd.) Direktheitsskala und entspricht somit einer konventionalisierten indirekten Aufforderung. Diese wird pragmalinguistisch durch die Vorschlagsformel „¿Por qué no…?“ als syntaktische Abschwächung realisiert. Obwohl der Sprechakt eine implizite Aufforderung beinhaltet, wahrt der Vorschlagscharakter das Gesicht der Hörerin, auch wenn die Äußerung der Großmutter die Freiheit Paulas einschränkt. Die Sprecherin verwendet weitere Strategien, um das positive face der Hörerin zu stimulieren, wie z. B. die Koseform „cariño“, sodass die gemeinsame Gruppenzugehörigkeit der Hörerin und der Sprecherin betont wird. Diese Höflichkeitsmittel dienen als Strategie zur Abmilderung des FTAs und werden weiter durch den interpersonellen Marker „Anda“ komplementiert, welcher ebenfalls das positive face der Hörerin schützt.
Im Gegensatz dazu wird in der deutschen Untertitelung des gleichen Sprechaktes die Strategie on record without redressive action bevorzugt. Der FTA erfolgt ohne Abmilderung „porque, en estas circunstancias, la acción directa se considera pertinente“ (Félix-Brasdefer 2018, 160). Die Direktheit der Äußerung manifestiert sich pragmalinguistisch in der Imperativkonstruktion des Satzes: „Sag deiner Mama doch“ ist ein Beispiel für die Strategie der Modusableitungen, d. h. „Äußerungen, in denen der grammatische Modus des Verbs illokutionäre Kraft signalisiert“ (Meyer 2007, 70). Modusableitungen stellen die direkteste Strategie in Blum-Kulka & Olshtains Direktheitskala dar (vgl. ebd., 75). Die Direktheit in der deutschen Untertitelung wird pragmalinguistisch noch weiter verschärft. So nutzt Mariví den Verstärker „doch“ innerhalb des Satzes, welcher als Abtönungspartikel die Bitte oder die Aufforderung – abhängig vom jeweiligen Ton der Äußerung – mehr oder weniger dringlich erscheinen lässt (vgl. Stocker 2012, 84). Davon ausgehend, dass Paulas Wunsch in der Handlungssituation besonders dramatisch ist und dass die Großmutter um die Bedeutsamkeit, die eine solche Wunschäußerung im vorliegenden familiären Kontext hat, weiß, unterstreicht „doch“ die Notwendigkeit, dass Paula diese Information umgehend ihrer Mutter mitteilt, was zur Folge hat, dass Paulas negatives Gesicht erneut bedroht wird.
Ausgehend von den oben genannten Überlegungen wurde die im Anhang zu findende Lernaufgabe (AB 1 bis AB 6) für spätbeginnende Lernende des Spanischen im zweiten Lernjahr konzipiert.5 Die fast dreiminütige Sequenz aus Folge 8 der ersten Staffel von La casa de papel (3:23-5:18) bildet den Kern für die kontrastive Arbeit mit dem Originalton und der Untertitelung zur Förderung der pragmatischen Kompetenz in Sprachmittlungsaktivitäten.6 Die Lernaufgabe strebt die Bewusstmachung bezüglich interkultureller Unterschiede im Hinblick auf soziopragmatische und pragmalinguistische Realisierungen von Sprechakten an. Diese Unterschiede finden in der tarea final anhand einer mündlichen Sprachmittlungssituation Anwendung.
Die Sprachmittlungsaktivität „Visitando Berlín“ (vgl. „AB 6: Actividad de mediación: Visitando Berlín“) ist die tarea final der Lernaufgabe und findet zwischen drei Aktanten statt, welche ähnliche Beziehungen (Freunde und Familie) und Machtstrukturen (symmetrisch und asymmetrisch) wie in der o. g. Folge von La casa de papel widerspiegeln. Als Handlungssituation wird die Planung des gemeinsamen Wochenendes in Berlin dargestellt, wobei die deutsche und die spanische Sprechrolle zwei unterschiedliche Vorstellungen haben.
Ahora pondremos en práctica lo aprendido con el siguiente juego de rol. Habrá un o una estudiante que hará el rol del mediador o de la mediadora, otro u otra del alumno o de la alumna de intercambio de España y otro u otra de un padre o de una madre. Puedes usar la información de la secuencia para preparar tu rol.
The Story of Berlin Museum Bikini Berlin Einkaufszentrum
Estudias aquí en un colegio en Alemania y en tu casa se hospeda el alumno o la alumna de intercambio de España. Como siempre, tus padres han hecho muchos planes pero el alumno o la alumna de intercambio no está muy convencido o convencida... Como mediador o mediadora te harás cargo de la situación de negociación de planes para el fin de semana entre ustedes. Recuerda usar estrategias lingüísticas para dar a entender exactamente lo que dicen las otras personas. El padre o la madre inicia la conversación. Usa los códigos QR de The Story of Berlin Museum y Bikini Berlin Einkaufszentrum para guiar la mediación.
Abb. 4: Tarea de mediación und Rollenkarte der Sprachmittelnden
Die Sprachmittelnden sehen sich in der Verantwortung, die Äußerungen innerhalb der Diskussion angemessen wiederzugeben. Die Sequenz in La casa de papel ist insofern für die Vorbereitung aller drei Rollen von wesentlicher Bedeutung, als diese das Aushandeln zwischen Sprecher*innen unterschiedlicher Meinungen zeigt, wobei die Realisierungen der Sprechakte im spanischen Original und der deutschen Untertitelung interkulturell voneinander abweichen. Die Sequenz in La casa de papel bietet somit quasi-authentische und kulturrelevante Gebrauchsbeispiele. Somit bietet die Sequenz soziopragmatische Rahmenbedingungen und pragmalinguistische Strukturen, welche für alle drei Rollen für die Versprachlichung ihrer kommunikativen Intentionen dienen könnten.
Die Lernaufgabe beginnt mit der Aktivierung von Weltwissen und einer Reflexion über die Erfahrungen der Lernenden mit ihren Eltern in Bezug auf das Handeln und/oder Durchsetzen des eigenen Willens oder der eigenen Wünsche (vgl. „AB 1: ¿Cómo ser cortés como mediador o mediadora?“ / „Übung 1. Antes de ver el vídeo.“). Während das Schauen der Sequenz im Originalton der Orientierung bezüglich der Charakterkonstellation, dem Globalverstehen (vgl. „AB 1 / Übung 2. Veamos el vídeo“) und der Einordnung des situativen Rahmens und Sachverhalts dient, baut der kontrastive Vergleich auf dem zentralen kontextuellen Rahmen auf (vgl. „AB 2: Analizando cómo hacer una petición en la secuencia de La casa depapel“).