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Das Ziel? Den Safe ausrauben. Die Erfolgschancen? Gering. Die Motivation? EAT THE RICH.
Fesselnde Spannung trifft auf unwiderstehlichen Spice – Nena Tramountanis hochkarätige Heist-Reihe auf einem Luxus-Kreuzfahrtschiff!
Sie ist unnahbar und wütend. Er bringt ihre Mauer zum Einstürzen. Und gefährdet damit die gesamte Mission.
Fin weiß genau, wie sie Leute zum Reden bringt – oder zum Schweigen. Im Wellnessbereich der Diamond Empress verhilft sie den Gästen zu Ruhe und Entspannung. Dabei weiß niemand, dass zwei Bedürfnisse in ihrem Inneren wettstreiten: ein unbändiger Rachedurst und der Wunsch, ihrer Schwester ein besseres Leben zu bieten. Als Teil der Diebescrew an Bord des Luxusschiffs ist Fins Ziel zum Greifen nah, doch für den Erfolg der Mission muss sie einen entscheidenden Beitrag leisten: Sie soll mit dem unverschämt reichen Passagier Rafael flirten und ihm die Lagepläne des Schiffs entlocken. So einfach die Aufgabe auch klingt – sobald sie mit dem attraktiven Architekten allein ist, beginnt ihr Herz wie wild zu schlagen. Und wenn er sie ansieht, fühlt sie sich, als würde er ihr abgründiges Geheimnis direkt von ihrer Seele lesen. Am meisten schockiert Fin jedoch ihr Drang, es ihm selbst zu offenbaren …
Funkelnde Diamanten, heiße Emotionen, elektrisierende Cliffhanger
Die mitreißende Fortsetzung an Bord der DIAMOND EMPRESS!
Die Stolen-Dreams-Reihe im Überblick:
1. Diamond Empress. A Million Reasons
2. Diamond Empress. Seven Thieves
3. Diamond Empress. One Heist
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 562
Veröffentlichungsjahr: 2025
NENA TRAMOUNTANI begeistert ihre Leserschaft mit ihren New-Adult- und Fantasyromanen. Nach ihrer Soho-Love- und Hungry-Hearts-Reihe schlägt sie ein neues spannendes Kapitel ihrer Autorinnenkarriere auf: In ihrer Stolen-Dreams-Reihe voller heißer Emotionen und elektrisierender Cliffhanger verbindet sie drei unwiderstehliche Lovestories mit dem Nervenkitzel einer fesselnden Heist-Geschichte und lässt ihre Fans bis zur letzten Seite atemlos mitfiebern. Nena Tramountani lebt in Stuttgart.
Außerdem von Nena Tramountani lieferbar:
Die Soho-Love-Reihe:
Fly & Forget
Try & Trust
Play & Pretend
Die Hungry-Hearts-Reihe:
The Way I Break
The Way You Crumble
The Way We Melt
www.penguin-verlag.de
Nena Tramountani
Roman
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Dieses Buch wurde vermittelt von der Literaturagentur erzähl:perspektive, München (www.erzaehlperspektive.de).
Lektorat: Melike Karamustafa
Umschlaggestaltung: www.buerosued.de
Innenillustration: Thilo Corzilius
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN 978-3-641-31844-4V002
www.penguin-verlag.de
Billie Eilish – CHIHIRO
SYML – Oblivion
Meghan Trainor – To The Moon
Teddy Swims – Lose Control
Griffinilla – Below the Surface
Camylio – angel
Maren Morris – cut! (feat. Julia Michaels)
Earl – All That Glitters
Caesars – Jerk It Out
ISAAK – Always on the run
Benson Boone – To Love Someone
Mitski – Washing Machine Heart
VOILÀ – Wish It On You (with AViVA)
Pharrell Williams – Freedom
Gorillaz – Feel Good Inc.
Jared Benjamin – DNA
Rock Mafia – The Big Bang
Teddy Swims – Hammer to the Heart
VOILÀ – Something Blue
Mother Mother – Hayloft II
Jagwar Twin – Bad Feeling (Oompa Loompa)
Jack Harris – Careful What You Wish For (the doctor said to)
Dorothy – Wicked Ones
Henry And The Waiter – Losing My Mind
Benson Boone – Beautiful Things
Raphael Lake – Prisoner
Måneskin – LA FINE
Livingston – Shadow
Timbaland – Morning After Dark (Featuring Nelly Furtado & SoShy)
The Pretty Reckless – Make Me Wanna Die
Lady Gaga, Bruno Mars – Die With A Smile
Liebe Leser*innen,
dieses Buch enthält potenziell belastende Inhalte.
Deshalb findet sich am Ende eine Contentwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für die gesamte Handlung.
Wir wünschen allen das bestmögliche Leseerlebnis.
Nena Tramountani und der Penguin Verlag
Für alle, die einfach nur schreien wollen.
»Sie wissen, aus welchem Grund Sie hier sind?«
Wenn Sie wüssten, aus wie vielen Gründen ich hier sein könnte …
Ich fixierte den Schnurrbart des uniformierten Mannes vor mir und schüttelte den Kopf. »Hat es etwas mit dem Alarm zu tun, der ausgelöst wurde?«
Es gelang mir nicht ganz, die Panik aus meiner Stimme zu verbannen. Aber diese konnte man auch darauf zurückführen, dass ich mitten in der Nacht in einem Verhörraum saß und seit einer gefühlten Ewigkeit darauf wartete zu erfahren, was ich verbrochen hatte. Oder besser gesagt: was davon aufgeflogen war.
Um kurz nach vier Uhr nachts war das gesamte Kreuzfahrtschiff aus dem Schlaf gerissen worden. Angeblich ein Versehen. Dank meiner Kabinenbewohnerin Zoe, die zur Security gehörte, kannte ich allerdings die Wahrheit: Jemand hatte versucht, in den Zentralsafe der Diamond Empress einzubrechen. Um die Passagiere nicht zu verschrecken, deren Vermögen sich in diesem Safe befand, hatte man vorgegeben, es handelte sich um einen fälschlich ausgelösten Alarm, bis man der Sache auf den Grund gegangen war.
Und das alles nur wenige Stunden nachdem Zoe, Noemi, Viktor, Seraphina, Ernest und ich uns in einem Haus in Dänemark eingefunden hatten, um genau das zu planen – den Safe im Casino auszurauben.
Das musste ein grausamer Scherz des Universums sein. Aber ich hatte gerade andere Probleme.
»Ms. Korhonen, es wird eine sehr ernste Anschuldigung gegen Sie erhoben«, erwiderte der Mann, ohne auf meine Frage einzugehen.
Ich brach in kalten Schweiß aus. Das war nichts Neues für mich. Schon bevor ich einen Fuß auf dieses Schiff gesetzt hatte, war es mir oft so ergangen. Es genügte, dass ich unvorbereitet angesprochen wurde. Jemand tippte mir im Supermarkt auf die Schulter. Ich stand in einem vollen Bus, und von irgendwoher erklang mein Name. Eine unbekannte Nummer rief mich an.
Das war’s, dachte ich jedes Mal. Sie sind mir auf die Schliche gekommen. Jetzt ist alles vorbei.
Man hätte meinen können, mein fehlgeleiteter Verfolgungswahn rühre von meinem schlechten Gewissen her. Wie oft man von Tätern und Täterinnen hörte, die erleichtert waren, wenn sie geschnappt wurden, weil sie endlich zur Ruhe kommen konnten und nicht mehr von ihrer Reue zerfressen wurden … Nur wirklich verdorbene Menschen bereuten nicht. Ich hatte die Tat noch keine einzige Sekunde meines Lebens bereut. Und ich würde jetzt nicht damit anfangen.
»Eine … eine Anschuldigung?«, stammelte ich und blinzelte schockiert. Ich war keine besonders gute Schauspielerin, aber ich würde mein Bestes geben.
Der Security-Mann erwiderte meinen Blick unbeeindruckt. Trotz der frühen Morgenstunde wirkte er hellwach. Der Geruch von bitterem Kaffee und kaltem Zigarettenrauch, der nicht ganz von seinem Rasierwasser überdeckt wurde, wehte mir über den Tisch zwischen uns entgegen. Mit einem fremden Mann in einem maximal neun Quadratmeter großen Raum allein zu sein, war nicht meine Lieblingsausgangsposition. In der letzten Stunde, in der man mich hier allein gelassen hatte, hatte ich genug Zeit gehabt, um die Überwachungskameras in diesem Raum ausfindig zu machen. Außerdem hatte mich niemand gefesselt, zur Not hätte ich aufstehen und in meine Kabine zurückkehren können.
Rational betrachtet war mir klar, dass nichts von den wirklich krassen Sachen aufgeflogen sein konnte, sonst hätten sie mich direkt in eine Zelle geworfen. Aber es war sehr schwer, mich darauf zu verlassen, während mein Inneres komplett am Eskalieren war.
»Welche Verbindung haben Sie zu Brian Walsh?«
Diesmal musste ich meine Überraschung nicht faken. Deshalb war ich hierher bestellt worden?
Erleichterung durchströmte mich wie auf Knopfdruck. Gleichzeitig wanderten meine Augenbrauen in die Höhe. »Brian, der Fitnesstrainer?«
Der Mann sah mich einfach nur an.
Okay. Zeit für deine Performance, Fin.
»Während meines Work-outs habe ich ihn ein paarmal gesehen, da er in dem Studio arbeitet, das sich in der Nähe meiner Kabine befindet. Und vor etwa zwei Wochen haben wir uns zufällig an der Crew-Bar getroffen. Da sind wir uns nähergekommen. Danach hatten wir keinen Kontakt mehr.«
»Wenn Sie näherkommen sagen …?«
Wie eiskalt er klang. Wie ernst er die Sache nahm. Mein früheres Ich hätte Hoffnung empfunden. Vielleicht gab es mehr Menschen wie ihn. Vielleicht war man nicht vollkommen auf sich allein gestellt, wenn man zum Opfer gemacht wurde.
»Wir haben uns geküsst«, antwortete ich. »Das müssten auch andere Besatzungsmitglieder mitbekommen haben. Die Crew-Bar war gut besucht. Anschließend sind wir in seine Kabine gegangen. Er wollte mehr, ich nicht, denn unter uns gesagt … Er hatte mehr als einen über den Durst getrunken. Wir haben Gute Nacht gesagt, das war alles.«
Die Augen des Security-Angestellten wurden schmal. »Ihm zufolge haben Sie ihm K.-o.-Tropfen eingeflößt.«
Ein Lachen entwich mir. Ich konnte es nicht zurückhalten. Niemals hätte ich gedacht, dass ausgerechnet Brian eins und eins zusammenzählen und dann auch noch den Mut aufbringen würde, den Vorfall zu melden. Und noch weniger hätte ich gedacht, dass ich eines Tages in einem Verhörraum sitzen und in klassischer Täter-Opfer-Umkehr argumentieren würde.
Vermutlich hätte ich mich selbst anwidern sollen, doch alles, was ich empfand, war ein Gefühl von Macht.
»Das ist absurd«, sagte ich. »Er hatte zu viel getrunken, und sein fragiles Ego hat es nicht verkraftet, von mir abgewiesen zu werden. Er kann sich glücklich schätzen, dass ich keine Beschwerde über ihn eingereicht habe.«
Zweifel schlich sich in die Miene des Mannes vor mir. Was ich als Anlass nahm, fortzufahren.
»Wie sollte ich denn überhaupt an K.-o.-Tropfen gekommen sein? Und was sollte ich für eine Motivation haben, ihm diese zu verabreichen? Er wollte mit mir schlafen. Das ging sehr eindeutig von ihm aus.«
Genau deshalb hatte ich ihn ja in dieser beschissenen Nacht ausgewählt. Obwohl ich die Gespräche mit meinen Kolleginnen im Spa-Bereich aufs Minimum beschränkte, war mir nicht entgangen, was sie über Brian sagten. Wie sie sich gegenseitig vor dem Fitnesstrainer warnten, der seine Finger nicht bei sich behalten konnte. Der dafür bekannt war, jede Frau in Reichweite anzumachen und ein »Nein« als »Überzeug mich« aufzufassen.
Ich hatte mit Brian schlafen wollen, um das Chaos in meinem Kopf nach dem verhängnisvollen Treffen in der Schiffsbibliothek zum Schweigen zu bringen.
Bis dieser Mistkerl alles kaputt gemacht hatte.
»Wie gesagt, es gibt definitiv Zeugen für sein … hartnäckiges Verhalten«, fuhr ich fort und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sowohl Barkeeper als auch andere Crew-Mitglieder. Und ich möchte keine Namen nennen, weil die Betroffenen selbst entscheiden sollen, wann oder ob sie darüber sprechen möchten, aber einige Frauen haben sich in den letzten Wochen von Brian Walsh bedrängt gefühlt.«
Die Züge des Sicherheitsmitarbeiters froren ein.
»Ich halte mich von Klatsch und Tratsch fern, aber im Nachhinein überrascht es mich nicht«, murmelte ich. »Ehrlich gesagt bin ich erleichtert, dass sich meine Erfahrung mit ihm auf diese Nacht beschränkt. Wer weiß, was geschehen wäre, wäre ich diejenige mit mehr Alkohol im Blut gewesen …«
»Das sind Spekulationen«, erwiderte der Mann schwach, doch sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich längst aus dem Schneider war.
»In der Tat. Was Brian über mich erzählt, sind allerdings nicht nur Spekulationen, sondern abscheuliche Lügen. Oder gibt es etwa Beweise?«
Sein Blick war Antwort genug.
»Ich weiß es zu schätzen, dass Anschuldigungen dieser Art auf der Diamond Empress ernst genommen werden, auch wenn ich etwas erstaunt darüber bin, dass ich deswegen mitten in der Nacht hergebracht und fast eine Stunde sitzen gelassen wurde.« Ich schob meinen Stuhl zurück und stand auf. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich jetzt gerne auf meine Schicht vorbereiten.«
Mit einem Seufzen nickte er. »Danke für Ihre Kooperation und Ihre Geduld, Ms. Korhonen. Es war nicht unsere Absicht, Sie warten zu lassen, aber …« Er räusperte sich und nuschelte etwas von »unvorhergesehenen Komplikationen«, ehe er lauter weitersprach: »Sollte jemand eine Beschwerde gegen Walsh einreichen, können Sie sich sicher sein, dass diese ebenso sorgfältig untersucht wird.«
»Das freut mich zu hören«, gab ich zurück.
Damit drehte ich mich um, lief zur Tür und öffnete sie, obwohl ich sie eigentlich aufreißen und hinter mir zuknallen wollte.
Draußen waren weitere Security-Leute zugange, tranken Kaffee und steckten tuschelnd die Köpfe zusammen. Von Zoe war nichts zu sehen. Kaum jemand beachtete mich, trotzdem bemühte ich mich um ein Pokerface, bis ich den Security-Bereich hinter mir gelassen hatte. Sicher war sicher.
Erst dann zog ich mein Handy hervor und checkte, ob ich endlich Empfang hatte. Nicht nur ich war heute Nacht von der Security mitgenommen worden.
Als ich auf den Gang trat, vibrierte mein Handy, und mehrere Nachrichten fluteten mein Display. Ich überflog sie und blieb an einer hängen:
Noemi: Lol, wir haben ne Verwarnung bekommen, weil wir in der Dream Factory gevögelt haben. Was war bei dir??
Okay. Das war gut. Wir waren nicht aufgeflogen. Doch als ich das Handy wieder wegsteckte und meine Schritte beschleunigte, begannen erst meine Finger zu zittern, daraufhin meine Knie und schließlich mein gesamter Körper. Sobald ich das Deck verlassen hatte, franste mein Sichtfeld an den Rändern aus. Mein Herz schlug gewaltsam in meiner Brust. Hitze stieg in mir auf. Mein Magen zog sich zusammen.
Ich würde es nicht mehr in meine Kabine schaffen.
Mit letzter Kraft stürzte ich durch eine Metalltür, die mit der Aufschrift WC gekennzeichnet war, und vergewisserte mich, dass alle Toilettenkabinen leer waren, ehe ich mich in der hintersten einschloss.
Meine Knie knickten ein. Ich schaffte es gerade noch, die Klobrille hochzuklappen und meine Haare aus dem Gesicht zu halten. Dann kotzte ich mir die Seele aus dem Leib.
Es hatte am sechsten Tag der Kreuzfahrt begonnen, an dem ich eine kryptische Nachricht erhielt und mich um Mitternacht in die imposante Bibliothek des Schiffs schlich. Dort erwarteten mich Zoe, inzwischen meine Mitbewohnerin, damals eine Fremde für mich, und Ernest, ein langjähriger Diamond-Cruise-Mitarbeiter, der als Croupier im Casino tätig war. Dazu stießen Noemi, meine damalige Mitbewohnerin und Pianistin, Viktor, ein Akrobat – beide aus dem Eventbereich des Schiffs –, und Seraphina, eine der reichen Passagiere. Ernest hatte uns ausgewählt, um Teil seiner Heist-Crew für einen Raub zu werden, den er seit Jahren plante und für den sich mit der hunderttägigen Jungfernfahrt der Diamond Empress schließlich die passende Gelegenheit ergeben hatte.
In jener Nacht hatte ich mich kaum auf Ernests Worte konzentrieren können, so fest hatte mich meine Panik im Griff. Denn Ernest wusste mehr über mich, als mir lieb war. Er kannte nicht nur meinen Namen, sondern war auch darüber im Bilde, dass ich den Job als Masseurin auf dem Schiff nur angenommen hatte, um das Kreuzfahrtunternehmen auszuspionieren und Hintergrundinfos an eine Journalistin zu verkaufen.
Wenn er das herausgefunden hat, schoss mir durch den Kopf, was weiß er dann noch über meine Vergangenheit?
Ich floh aus der Bibliothek, sobald ich konnte, und landete auf dem Weg zurück in meine Kabine in der Crew-Bar. Wo ich Brian traf, der mich mit seinen Blicken auszog und die perfekte Ablenkung darstellte.
Seit der Tat hatte ich nur ein einziges Mal versucht, mit jemandem zu schlafen, und es war spektakulär schiefgegangen.
Ich war also aus der Übung. Aber Brian machte es mir leicht. Er war angetrunken. Nicht völlig hinüber, wie ich dem Security-Typen eben hatte weismachen wollen. Ich selbst rührte das Bier, das Brian mir bestellte, selbstverständlich nicht an. Keine Minute verstrich, bis seine Hand während unseres Gesprächs wie beiläufig auf meinem Oberschenkel landete. Sein Blick war hungrig. Fünf Minuten später unterbrach er mich mitten im Satz, indem er seine Hand in meinen Nacken legte, mich ruckartig näher zog und seine Zunge in meinen Mund schob. Ohne Vorwarnung.
»Sorry«, sagte er, und sein heißer Atem strich mir übers Gesicht. »Ich konnte keine Sekunde länger warten.«
Sich danach halbherzig zu entschuldigen, statt vorher um Erlaubnis zu fragen – perfekt, dachte ich und versuchte, den Gedanken an Lumi zu verdrängen. Wenn sie mich so sehen würde … Bei der Vorstellung, sie könnte sich in einer ähnlichen Situation befinden, stieg Übelkeit in mir auf. Doch meine kleine Schwester war in Irland und ich auf einem Kreuzfahrtschiff (eine Tatsache, die ich ihr verheimlichte, weil ich eine gottverdammte Heuchlerin war). Meine Deckung drohte aufzufliegen. Die falsche Normalität, die ich mir hier aufzubauen versucht hatte, war drauf und dran, sich in Luft aufzulösen. Ernest hatte zwar gesagt, er würde die Informationen, die er über uns gesammelt hatte, nicht gegen uns verwenden, aber ich vertraute ihm nicht. Ich vertraute niemandem außer mir selbst. Und ich hatte es verdient, mich ein paar Minuten gut zu fühlen.
Das war die Wahrheit, die ich weder meiner Schwester noch sonst jemandem gestehen würde: Am Anfang fühlte ich mich gut mit Brian. Es spielte keine Rolle, wie er aussah oder ob er ein übergriffiges Arschloch war. Korrektur: Der letzte Teil war sehr wohl wichtig. Ich fühlte mich gut bei ihm, gerade weil er nichts auf meine Grenzen gab.
Das war keine Überraschung. Ich hatte recherchiert. Es gab so viele unterschiedliche Reaktionen auf sexualisierte Übergriffe wie Vergewaltigungsopfer. Manche ließen jahrelang niemanden auch nur für eine Umarmung an sich ran, andere mussten bei jedem noch so kleinen Schritt gefragt werden, um sich fallen lassen zu können, und dann gab es solche wie mich, die sich körperlich wie abgestorben fühlten – bis sie sich vorstellten, erneut vergewaltigt zu werden. Rape Fantasies waren dank erfolgreichen Mafiafilmen und Dark-Romance-Büchern inzwischen beinahe salonfähig geworden. Eine Fantasie war etwas völlig anderes als die reale Situation. Vielleicht sogar das Gegenteil. Der Unterschied lag in der Kontrolle. Wenn ich mir nur vorstellte, jemand nahm sich, was er wollte, ohne auf meine Bedürfnisse zu achten, dann behielt ich die Kontrolle. Ich konnte in aller Ruhe dazu masturbieren, während mein Körper nach wie vor in Sicherheit war. Wenn ich mir bewusst einen Kerl in einer Bar aussuchte, mit dem ich es im Notfall aufnehmen konnte, dann befand ich mich nach wie vor in der Machtposition. Zumindest redete ich mir das ein. Rational war mir klar, dass die Situation innerhalb von Sekunden außer Kontrolle geraten könnte, da er mir körperlich überlegen war, aber ich hatte in diesem Moment meine Vernunft ausgeschaltet. Ich war verzweifelt gewesen.
Und dann war die Situation tatsächlich meiner Kontrolle entglitten. Nur nicht so, wie man meinen könnte. Sobald wir uns nämlich in Brians Einzelkabine befanden, veränderte sich etwas. Er ließ es plötzlich viel langsamer angehen. Bot mir Wasser an. Fragte mich mehrmals, ob es mir gut gehe. Und schließlich wollte er wissen, was mir am meisten gefiel. Ob ich ihm zeigen konnte, wie ich es mir selbst machte, damit er wusste, was zu tun war. Woran auch immer es lag, dass dieser Mann, der zuvor eine wandelnde Red Flag gewesen war, auf einmal auf Consent achtete – ich begann fast zu schreien. Vermutlich hätte ich das auch getan, hätte in diesem Moment nicht mein Handy zu klingeln begonnen.
Brian ging aufs Klo, und ich telefonierte mit Noemi. Sie und Viktor steckten in der Klemme. Innerhalb von Sekunden nahm der Plan in meinem Kopf Gestalt an. So war es immer, wenn jemand meine Hilfe brauchte: Ich funktionierte. Kümmer-Modus, nannte es Lumi. Wie ich es nannte: Offensichtlich seid ihr aufgeschmissen ohne mich, also muss ich mal wieder alles selbst regeln.
Ich verabreichte Brian keine K.-o.-Tropfen. Nicht direkt jedenfalls. Es handelte sich um ein von mir selbst angemischtes Präparat aus Baldrian, Passionsblume, Melatonin, einem Wirkstoff, der in Allergietabletten enthalten war, sowie dem hoch dosierten Extrakt eines Tees, das ich für Notfälle bei mir trug und das ich ihm in sein Glas schüttete, während er sich im Bad befand. Es sorgte für extreme Müdigkeit. Im Gegensatz zu richtigen K.-o.-Tropfen gab es keine weiteren Nebenwirkungen. Hätte er sich am nächsten Tag untersuchen lassen, hätte man es noch in seinem Körper nachweisen können, danach war es zwecklos. Alles, was ich tat, war, ihm zu einem tiefen Schlaf zu verhelfen und seine Chipkarte zu klauen, um Viktor und Noemi durchs Fitnessstudio zurück in den Crew-Bereich zu schleusen. Nachdem mir das gelungen war, brachte ich ihm die Karte zurück in die Kabine. Er schlief selig, alle viere von sich gestreckt.
War es moralisch verwerflich? Definitiv. Bereute ich es? Kein bisschen.
Während ich ihn betrachtete, wie er so wehrlos vor mir lag, von einer Minute auf die andere völlig ausgeknockt, wurde mir die Ausweglosigkeit meiner Lage mit voller Wucht bewusst. Der Deal, den ich mit Eileen, der Investigativjournalistin, eingegangen war, würde mir nur kurzzeitige Befriedigung verschaffen. Das Geld würde für ein paar Monate reichen, um Lumis Miete und ihre Medikamente zu bezahlen, und was dann? Wie würde ich jemals dauerhaft ihre Sicherheit garantieren können?
Brian Walsh, hätte ich ihm jetzt gern gesagt, du hast mir in dieser Nacht zwar keine Erlösung geschenkt, aber du hast mich daran erinnert, dass ich nie wieder die Kontrolle verlieren will. Dafür danke ich dir.
In einer Zeit, die ohnehin schon von Trauer durchtränkt gewesen war, hatte man mich zum Opfer gemacht. Ich war in Millionen Einzelteile zerbrochen. Für Lumi hatte ich diese Scherben aufgesammelt, genau wie ich für sie aus meiner Trauer aufgetaucht war. Alles für sie. Ich hatte die scharfen Bruchstücke zu einer Waffe geformt und sie gegen den Verantwortlichen gerichtet. Er hatte mich ruiniert, doch das hatte ihm nicht gereicht. Er hätte meiner Schwester dasselbe angetan. Also tat ich, was getan werden musste.
Und nun würde ich auch noch eine Diebin werden, das beschloss ich in jenem Moment, neben Brians schnarchender Gestalt. Man hatte mir so viel gestohlen – jetzt war ich an der Reihe. Ich würde mir nehmen, was mir zustand.
Obwohl mir der Luxus auf der Diamond Empress zuwider war, liebte ich meinen Arbeitsbereich. Sobald man das Spa betrat, ließ man den Rest der Welt hinter sich. Im Empfangsbereich wurde man von weißem Marmorboden und sanftem Licht begrüßt, das eine warme Ruhe ausstrahlte. Die Luft war erfüllt von Düften ätherischer Öle.
Die Massageräume waren luxuriöse Rückzugsorte mit hochwertigem Equipment, entspannender Musik und dimmbarer Beleuchtung. Alle Mitarbeitenden hatten einen eigenen Raum, der an ihr jeweiliges Angebot angepasst war – diesen Komfort hatte ich in vorherigen Jobs nicht gehabt. Die Wände meines Massageraums waren violett gestrichen und mit Kunstwerken von Lavendelfeldern dekoriert.
Neben den Massageräumen befand sich die Salzgrotte, die mit rosa und weißen Salzkristallen verkleidet war. Ich liebte diesen Raum am meisten – dort konnte ich am besten meditieren, wenn es noch so früh war, dass keine Gäste anwesend waren und ich den Raum für mich nutzen durfte. Gegenüber der Salzgrotte befand sich das Solebecken, ein Thermalbecken mit konzentrierter Sole, in dessen Mitte ein kleiner Brunnen plätscherte. Die verschiedenen Thermalbecken boten unterschiedliche Wassertemperaturen und Mineralien, das größte Becken besaß einen Wasserfall und einen Blick aufs Meer. Außerdem verfügte das Spa über eine Saunalandschaft mit finnischer Sauna, Dampfbad, Infrarotsauna und einigen anderen. Daneben konnte man im Ruheraum mit Panoramafenstern entspannen. Ein Beauty-Bereich ergänzte das Angebot mit Treatments, von denen ich, bevor ich Teil der Schiffscrew wurde, noch nie gehört hatte, hinzu kamen Maniküre, Pediküre und Co., stets unter Anwendung von luxuriösen Pflegeprodukten.
Nachdem ich meine Arbeitsuniform angelegt hatte – ein champagnerfarbener Kasack mit aufgesticktem Diamanten-Logo und eine dazu passende weite Hose –, fasste ich meine stufigen schulterlangen Haare mit einer großen Klammer zusammen.
»Guten Morgen«, rief mir Carmen zu, als sie in unsere Umkleide kam und den Spind neben meinem öffnete, um ihr Make-up aufzufrischen. »Konntest du nach dem Alarm auch nicht mehr einschlafen?«
Sie war gelernte Kosmetikerin und auf Gesichtsbehandlungen spezialisiert. Obwohl ich wusste, dass sie über vierzig war, hätte sie locker als dreißig durchgehen können. Ihr Teint war stets frisch und strahlend, selbst nach einer langen Schicht im Spa.
Ich brummte etwas Unbestimmtes und wollte mich gerade zum Gehen wenden, da berührte sie mich sanft an der Schulter. »Er wartet schon auf dich.«
Augenblicklich versteifte ich mich. Es lag nicht an ihrer Berührung. Ich mochte beiläufige Berührungen von Kolleginnen, insbesondere von älteren. Nicht nur Noemi hatte Mommy-Issues. Wobei sich meine nicht auf meine Mutter beschränkten – meine Eltern waren immer eine Einheit gewesen. Im Leben wie im Tod.
Carmens Blick wurde ernst. »Wenn es dir zu viel wird oder du ein schlechtes Gefühl bei ihm hast, sag Bescheid. Wir können einen diskreten Grund finden, wieso du seine Massagen nicht mehr übernehmen kannst.«
»Danke«, brachte ich hervor. »Aber es ist alles in Ordnung. Und er gibt gutes Trinkgeld.«
Lächelnd wandte sie sich wieder ihrem Spiegelbild zu. »Auf diese Weise habe ich übrigens meinen Mann kennengelernt, wusstest du das?«
Die Frage war eindeutig rhetorisch. Für gewöhnlich blockte ich sämtliche Privatgespräche ab.
»Er kam jede Woche für ein Facial zu mir, bis sein Gesicht ganz wund von den Behandlungen war. Erst dann traute er sich, mich zu fragen, ob ich mit ihm essen gehen wolle. Vielleicht hat Mr. Demir Ähnliches im Sinn. Wie oft war er seit Beginn der Reise für eine Massage bei dir? Dreimal?«
Fünfmal.
»Er ist ein Passagier«, erwiderte ich trocken. »Beziehungen zwischen Besatzungsmitgliedern und Gästen sind verboten.«
Ihr Lächeln wurde breiter, während sie Lippenstift auftrug. »Du wirst nicht ewig hier arbeiten, oder?«
Ich verkniff mir ein lautes Stöhnen. »Rafael Demir macht die Kreuzfahrt mit seiner Freundin.«
Und ich würde lieber zu Fischfutter verarbeitet, als mich jemals auf einen reichen Schnösel einzulassen, der aus reinem Vergnügen eine Kreuzfahrt unternimmt, die unsere Umwelt noch mehr zerstört.
Ach, ja?, antwortete eine fiese Stimme in meinem Hinterkopf. Hast du deshalb während eurer Sitzungen so auf ihn reagiert?
Nein. Daran würde ich jetzt nicht denken.
Bevor Carmen zu einer Antwort ansetzen konnte, verließ ich die Umkleiden.
Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass mein nervtötender Kunde zu früh dran war. Unser Termin war erst in zehn Minuten.
Wer stand bitte freiwillig während seines luxuriösen Urlaubs um halb sieben auf, um sich massieren zu lassen? Das konnte mir natürlich vollkommen egal sein. Ich hatte Besseres zu tun, als mich in die Gedankenwelt privilegierter Typen hineinzuversetzen. Was mich allerdings zunehmend beunruhigte: Er ließ sich ausschließlich von mir massieren. In den ersten beiden Tagen war er noch zu zwei anderen Kollegen gegangen, aber seit er eine Session mit mir gebucht hatte, war er irgendwie … hängen geblieben. Erst hatte ich vermutet, er könnte einen Fetisch haben. Wahrscheinlich zu viele Pornos geguckt. Er wollte eine junge weibliche Masseurin, um diese Fantasie zu erfüllen. Was nicht dazu passte: Zuvor war er nicht nur bei einem männlichen Mitarbeiter gewesen, sondern auch bei meiner Kollegin Yolanda. Sie war etwa so alt wie ich und deutlich attraktiver – hüftlange goldglänzende Locken statt meines zerzausten Straßenköterblonds, riesige blaue Augen umrahmt von nachtschwarzen seidigen Wimpern statt meiner so gut wie nicht existenten Wimpern und Schlupflider. Außerdem hatte sie im Gegensatz zu mir Brüste, die mehr zu bieten hatten als Körbchengröße A.
Das waren keine Komplexe meinerseits – ich war einfach realistisch. Klar, Geschmäcker waren verschieden, aber Yolanda war nicht nur optisch eine Zehn von Zehn. Sie hatte eine Stimme, bei der man sich automatisch wohlfühlte, und, noch wichtiger, sie leistete extrem gute Arbeit. Trotz ihres jungen Alters hatte sie bereits den Premio Nacional de Estética y Bienestar, einen Preis für herausragende Leistungen im Bereich Ästhetik und Wellness in Spanien, erhalten.
Warum also hatte dieser Kerl ausgerechnet mich auserkoren?
Es ärgerte mich, dass ich mir den Kopf über sein Verhalten zerbrach. Und es ärgerte mich besonders, wie mein Körper während unserer letzten Sitzungen auf ihn reagiert hatte. Aber da war etwas in seinem Blick, das mich seit der ersten Massage nicht mehr losließ.
Na schön. Es war nicht nur sein Blick. Das erste Mal, als er halb nackt vor mir im Massageraum gelegen hatte, war ich zunächst in Alarmbereitschaft gewesen. Schon beim kurzen Vorgespräch, in dem ich seine Präferenzen und Problemzonen abgefragt hatte, war mir klar gewesen, dass die Session kein Zuckerschlecken werden würde. Je breiter gebaut und größer ein Mann war, desto schneller wurde mein Fight-or-Flight-Reflex ausgelöst. Ich betrachtete meine Arbeit als Konfrontationstherapie und bevorzugte aus diesem Grund Männer. Ohne diesen Job hätte ich wahrscheinlich noch Jahre gebraucht, um mich in die Nähe eines Mannes zu wagen. So hatte ich die Möglichkeit, innerhalb eines sicheren Rahmens, in dem die Kontrolle bei mir lag, zu üben, sie einfach als Menschen zu sehen, nicht ausschließlich als potenzielle Gefahr.
Rafael Demir verharrte ganz still auf der Liege, nachdem er sich die VR-Brille aufgezogen hatte. Sein Atem ging tief und ruhig, während meiner stockte. Die feinen schwarzen Härchen in seinem Nacken richteten sich auf, als ich begann, ihn ganz behutsam zu massieren. Und auch auf seinem muskulösen Rücken breitete sich eine Gänsehaut aus.
Adrenalin peitschte durch meine Adern. Mein Herz raste, und die Sekunden schienen sich endlos in die Länge zu ziehen. Mit aller Macht unterdrückte ich ein Schaudern.
Das war nicht bloß Angst in mir. Es war Aufregung.
Die Erkenntnis hätte vielleicht Scham in mir ausgelöst, wäre ich nicht vollkommen ausgehungert nach jedem positiven Gefühl gewesen, das ich kriegen konnte.
Ich habe die Kontrolle, wiederholte ich innerlich wie ein Mantra. Ich habe die Kontrolle. Ich habe die Kontrolle.
Mein Leben lang hatte ich mich in Selbstbeherrschung geübt, und auch jetzt führte ich die Massage gewissenhaft fort, ohne dass er etwas von meinem Gedankenchaos mitbekam.
Was, wenn er nicht mein Kunde wäre, sondern jemand, der sich aus anderen Gründen von mir berühren ließ? Was, wenn ich nicht traumatisiert wäre, sondern in der Lage, unverfängliche Lust zu empfinden? Was, wenn er sich umdrehen und ich meine Hände über seine Brust gleiten lassen würde? Was, wenn er seine Finger über meine legen und mir zeigen würde, an welchen Stellen ich ihn fester streicheln sollte?
Hitze pulsierte in meinem Bauch.
Fuck.
Nachdem die Massage beendet gewesen war und ich den Raum verlassen hatte, damit er sich in Ruhe anziehen konnte, zitterte ich am ganzen Körper. Ich flehte das Universum an, er möge nie wieder eine Session bei mir buchen. Und gleichzeitig konnte ich mich nicht gegen das Feuer in mir wehren. Für ein paar Minuten hatte ich mich lebendig gefühlt. Ich wusste nicht, ob ich ihm dafür dankbar sein oder ihn verfluchen sollte.
Anstatt jetzt sofort meinen Massageraum anzusteuern, wo er auf mich wartete, betrat ich die Salzgrotte. Um diese Uhrzeit war sie wie das restliche Spa nur spärlich besucht, und auch diesmal hatte ich Glück – ich war die Einzige hier.
Große, natürliche Salzfelsen waren so angeordnet, dass sie mehrere Sitzgelegenheiten boten. Wände aus Himalayasalz verströmten diffuses rosa Licht. Der Boden war mit feinen weißen Salzkristallen aus dem Toten Meer bedeckt, die unter meinen Füßen knirschten, die Luft war von einem salzigen Duft durchzogen.
Ich ließ mich auf einen Felsen sinken, stellte einen Fünf-Minuten-Timer auf meinem Handy ein und schloss die Augen.
Meine Kehle brannte. Mein Kopf pochte. Trotz mehrfachen Zähneputzens hatte ich nach wie vor einen schalen Geschmack im Mund.
Ich hätte mich für heute krankmelden können. Spätestens nach dem Verhör hätte ich einen Magen-Darm-Infekt vortäuschen sollen. Aber wenn ich heute stillstand, würde ich ausrasten.
Also würde ich kurz mein Nervensystem beruhigen und anschließend das tun, was ich immer tat: funktionieren.
Einatmen durch die Nase, halten, ausatmen durch den Mund. Die salzige Luft inhalieren.
Alles ist gut. Alles ist gut. Alles ist gut.
Nichts war gut. Ich hatte den Kontakt zu Eileen abgebrochen. Sie war nicht nur die Investigativjournalistin, die mir diesen Job hier verschafft hatte, damit ich ihr Infos über die Schattenseiten des Kreuzfahrtunternehmens lieferte, sondern auch meine Patentante. Ich war nicht mal dazu gekommen, für sie herumzuschnüffeln, da war ich schon Teil von Ernests Team geworden. Der Deal mit Eileen hätte mir zusätzlich zu meinem Masseurinnen-Gehalt dreißigtausend Euro beschert – der Raubüberfall würde mich mehrere Millionen reicher machen. Ich war nur hier für das Geld, damit ich Lumi eine sichere Zukunft bieten konnte. Also hatte ich aufgehört, auf Eileens Nachrichten zu antworten, nachdem ich ihr geschrieben hatte, dass es mir doch zu heikel war, für ihren Artikel zu spionieren. So war es mir tausendmal lieber. Weder ich noch Lumi sollten jemals wieder finanziell von Familienfreunden abhängig sein – der Raub hatte uns überraschend diese Möglichkeit eröffnet.
Durch diese Entscheidung war es mir nicht wirklich besser gegangen, ich hatte nach wie vor Panikattacken, aber immerhin gab es Hoffnung. Hoffnung hatte mich dazu gebracht, meinen Alltag im Spa fast zu genießen. Für ein paar Stunden auszublenden, auf was für einer Teufelsmaschine ich mich befand, und mich auf den Job zu konzentrieren, den ich liebte. Hoffnung hatte mir die Option auf ein besseres Leben für Lumi gezeigt. Hoffnung hatte mich dazu gebracht, Noemi an mich ranzulassen. Obwohl ich keiner Menschenseele wirklich vertraute, hatte die gottverdammte Hoffnung dazu geführt, dass ich angefangen hatte, Ernests Plan zu vertrauen. Und jetzt war dieser ganze Plan hinfällig.
Zoe hatte gestern Nacht gesagt, das Security-Department würde das Geld der Passagiere wegen des Einbruchversuchs in den Safe im Casino an einen anderen Ort auf dem Schiff bringen. Der Plan war aber auf den Safe im Casino zugeschnitten. Wir waren verloren. Wie sollten wir innerhalb von knapp drei Monaten einen komplett neuen Plan auf die Beine stellen?
Alles ist gut.
Ich schlang die Arme um mich selbst und begann, mich zu streicheln, während ich regelmäßig weiteratmete. Wieder und wieder fuhr ich mit den Fingern über meine Schultern und meine Oberarme. Berührt zu werden, war ein menschliches Grundbedürfnis. Ohne Berührung gingen wir auf Dauer ein. Sie aktivierte das parasympathische Nervensystem, das für Entspannung und Regeneration verantwortlich war, und konnte die Ausschüttung von Oxytocin – dem »Kuschelhormon« – fördern, das mit Gefühlen von Nähe und Vertrauen verbunden war. Aber wenn wir niemanden hatten, bei dem wir uns sicher genug fühlten, um Berührung zuzulassen, dann konnten wir uns auch selbst streicheln.
Alles ist gut, wiederholte ich in Gedanken. Du bist noch hier. Du atmest. Obwohl es an manchen Tagen das Schwerste überhaupt ist. Du bist nicht allein. Du wirst immer dich selbst haben. Auf dich ist Verlass. Und nicht nur du hast schon so viel Schlimmeres überstanden – Millionen Menschen auf der Welt haben die grausamsten Dinge überlebt und machen dennoch weiter.
Der letzte Gedanke war der hilfreichste. Sosehr ich es früher gehasst hatte, wenn meine Eltern mich ständig daran erinnerten, wie gut wir es im Vergleich zu anderen hatten, so wirksam war es, wenn ich es mir selbst ins Gedächtnis rief: Ich war nicht das größte Opfer auf diesem Planeten. Im Selbstmitleid zu versinken, würde mich nirgendwo hinbringen. Also würde ich kämpfen.
Mein Timer ging los. Ich schlug die Augen auf, schaltete mein Handy aus, straffte die Schultern und erhob mich.
Zeit für Rafael Demir.
Der Massageraum Venus war rund und mit einer beheizbaren Liege in der Mitte des Raums sowie zwei hellen Regalen ausgestattet, in denen Handtücher, Öle und weitere Utensilien lagen. An die Decke wurden lila Wolken projiziert, sodass man sich fühlte, als befände man sich unter freiem Himmel. Das Zimmer war in goldenes Licht getaucht, das den Anschein eines Sonnenaufgangs erwecken sollte, und aus den Lautsprechern an den Wänden drang Meeresrauschen. Lavendelduft lag in der Luft; täuschend echte LED-Kerzen im Regal spendeten zusätzliches Licht.
Rafael, den ich auf Ende zwanzig schätzte, stand in voller Montur an die Liege gelehnt und musterte mich eindringlich aus hellgrünen Augen, die beinahe transparent wirkten. Ich konnte nur einige Sekunden in sie blicken, bevor ich erschauderte. Lag es an ihrer Helligkeit? Oder an dem leeren Ausdruck darin?
»Guten Morgen«, sagte ich mit einem warmen Lächeln, das eigens für meine Kundinnen und Kunden bestimmt war. In diesem Raum war ich eine andere. Ich ließ Vorurteile und persönliche Überzeugungen an der Türschwelle zurück. Ich fragte mich nicht: Warum hat er sich in den letzten Minuten nicht schon entkleidet, wenn er doch schon extra früh da war? Ich sagte mir: Alles in seinem Tempo. Er wird seine Gründe haben.
In gewisser Weise war es befreiend, nur hier zu sein, um dem Wohlergehen eines anderen Menschen zu dienen. Ich hatte eine klare Rolle zu erfüllen. Wusste genau, was zu tun war und wo die Grenzen lagen.
Da er meinen Gruß untypischerweise nicht erwiderte, fuhr ich fort: »Wie geht es Ihnen heute?«
Ein kurzes Lachen brach aus ihm hervor. Das war ebenfalls ungewöhnlich für ihn. Normalerweise kam er zu den Sessions, antwortete einsilbig auf meine Routinefragen und legte sich dann unverzüglich auf die Liege.
Ich runzelte die Stirn, hatte mich aber schnell wieder unter Kontrolle. »Wir können direkt beginnen, wenn Sie möchten. Die schwedische Massage, wie letztes Mal?«
Ohne den Blick von mir zu lösen, nickte er.
»Haben Sie bereits etwas getrunken und eine leichte Mahlzeit eingenommen?«
Eine Massage regte Stoffwechselprozesse im Körper an, was einen höheren Flüssigkeitsbedarf bedeutete. Außerdem sollte sie nicht durch ein nagendes Hungergefühl unterbrochen werden.
Erneutes Nicken.
Mein Lächeln wurde breiter, und ich wandte mich ab, um durch den luftigen Vorhang nach draußen zu treten. »Schön, dann gebe ich Ihnen ein paar Minuten Privatsphäre, um sich frei zu machen.«
»Bleiben Sie.«
Ich erstarrte. Er fuhr sich mit einer Hand über sein tiefschwarzes Haar. Es war an den Seiten abrasiert und fiel ihm vorn in wirren Strähnen in die Stirn. Sein Kehlkopf hüpfte, während seine Finger zu seinem Gesicht wanderten und fast gewaltsam über seinen Dreitagebart strichen. Die Geste drückte pure Verzweiflung aus, und das nächste geflüsterte Wort ebenfalls: »Bitte.« Dann räusperte er sich und grinste plötzlich. »Ist schließlich nicht so, als hätten Sie mich noch nie in Unterwäsche gesehen.«
Mein Lächeln verrutschte nicht, obwohl sich mein Magen zusammenzog. Es hatte einen Grund, dass man Kunden die Möglichkeit gab, sich ungestört auszuziehen, genau wie beim Frauenarzt oder beim Waxing. Sich vor einer Fremden zu entkleiden, war mindestens genauso intim, wie entblößt vor ihr zu liegen. Man begrenzte die Zeit der Verletzlichkeit aufs absolute Notwendigkeitsminimum. Aber wenn es ihn nicht störte, sollte es mich auch nicht stören.
»Wie Sie wünschen.«
Während er sein blaues Hemd aufknöpfte, desinfizierte ich meine Hände und widmete mich der Liege. Ich betätigte den Heizknopf und verstellte sie auf die maximale Länge. Rafael war mindestens 1,90 groß. Eine Tatsache, an die ich mich inzwischen gewöhnt hatte, die jedoch bei unserer ersten Session noch eine Herausforderung für mich gewesen war. Doch Rafael hatte es mir trotz seiner Statur leicht gemacht, da er kaum ein Wort von sich gab und auch sonst harmlos zu sein schien. Bis jetzt zumindest.
»Sie sehen aus, als hätten Sie noch weniger Schlaf gekriegt als ich«, sagte er, als er aus seiner Jeans stieg, sie faltete und ins Regal legte. »Und bei mir können’s kaum mehr als zwei Stunden gewesen sein. Anstrengende Nacht gehabt?«
Bildete ich es mir ein, oder klang er anzüglich?
Ich breitete ein frisches Leinentuch über der ausgefahrenen Liege aus und griff nach der VR-Brille im Regal. Die Kunden hatten die Option, sie während der Massage aufzusetzen und sich einer von unzähligen virtuellen Realitäten hinzugeben.
Rafael schüttelte den Kopf. »Heute ohne.«
Das war neu. Bisher hatte er sich immer für dieselbe Weltall-Szene entschieden. Heute schien wirklich alles anders zu sein.
»Also?« Sein Blick durchbohrte mich erbarmungslos. »Warum konnten Sie nicht schlafen?«
»Der Alarm«, erwiderte ich so freundlich wie möglich.
Er befreite sich von seinen Socken und legte sie zu seiner Jeans, ehe er sich nur noch in Boxershorts bekleidet mit dem Bauch auf die Liege niederließ und sein Gesicht in die vorgesehene Öffnung drückte.
Sofort entspannte ich mich. Es war so viel einfacher, ohne Blickkontakt mit ihm zu kommunizieren.
»Welcher Alarm?«, fragte er gedämpft.
»Gestern Nacht wurde versehentlich ein Alarm ausgelöst«, erwiderte ich, während ich nach dem Massageöl griff und es in den Handflächen verrieb. »Haben Sie den nicht gehört?«
Der Duft nach Sandelholz und Eukalyptus breitete sich aus, als ich mit der Effleurage begann. Eine Ganzkörperstreichelung, um die Muskeln aufzuwärmen und den Blutfluss zu fördern. Meine Hände glitten leicht über seinen Rücken, seine breiten Schultern, die sehnigen Arme und Beine. Bis zur Hälfte seiner oberen Waden. Bei der ersten Sitzung hatte er mir gesagt, dass er weiter unten nicht berührt werden wollte.
»Nope. Haben Sie schon mal Pilze geraucht?«
Meine Brauen schossen in die Höhe, und ich musste mich zwingen, nicht vor Überraschung in der Bewegung innezuhalten.
Er war also in Plauderstimmung? Sein Wunsch war mir Befehl.
»Nein«, log ich. »Wie sind Sie auf der Diamond Empress an Pilze gekommen? Gibt’s die im botanischen Garten?«
Er lachte. »Ich hab auch noch nie welche ausprobiert«, erwiderte er dann. »Alana hat sie bei unserem Landgang in Dänemark besorgt und in ihrem BH an Bord geschmuggelt. Sie wollte mich überreden mitzumachen, aber ich habe abgelehnt. Ich steh nur auf Kontrollverlust, wenn ich sein Ausmaß bestimmen kann.«
Wenn du das gesamte Ausmaß bestimmen kannst, dann ist es kein Kontrollverlust.
Den Kommentar verkniff ich mir.
»Alana ist Ihre Freundin?«
Erneut lachte er, doch diesmal kurz und hart. »Alana ist der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde.«
Seine Aussage hätte romantisch verstanden werden können, bei ihm klang sie eher wie ein Todesurteil.
Ich intensivierte den Druck an seinen Schultern – die Stelle hatte er mir bei seiner ersten Massage als besonders problematisch beschrieben.
»Ich soll ihr noch auf dieser Kreuzfahrt einen Heiratsantrag machen«, fuhr er fort und seufzte tief.
Es war nicht ungewöhnlich, dass Kunden sich während einer Session öffneten. Selbst wenn sie nicht sprachen – jemanden zu massieren, bedeutete, etwas über seinen Schmerz zu lernen. Nicht selten brachen Menschen während einer Massage in Tränen aus. Damit konnte ich umgehen. Es war mir noch nie schwergefallen.
»Sind Sie sich nicht sicher, welchen Ort Sie dafür wählen sollen?«, fragte ich nach, als er nicht fortfuhr.
Seiner Stimmlage zufolge hatte er ganz andere Sorgen. Das Wort soll tat sein Übriges.
Er erwiderte nichts. Ich ging in die Knetung über – ein sanftes Greifen und Heben seiner Muskeln, um die Verspannungen zu lösen. Meine Finger und Daumen arbeiteten sich tief in das Muskelgewebe, wobei ich mich besonders auf seine Atemzüge konzentrierte, um sicherzustellen, dass ich nicht zu viel Druck ausübte. Das Problem: Er atmete durchgehend abgehackt.
»Ist das unangenehm?«, fragte ich.
»Wissen Sie, wie es sich anfühlt, ein völlig fremdbestimmtes Leben zu führen?«, gab er bitter zurück.
Mein Inneres gefror schlagartig zu Eis. Mein Puls schoss in die Höhe. Es kostete mich sämtliche Selbstbeherrschung, nicht mit dem Kneten aufzuhören.
Beruhige dich. Es ist nicht das erste Mal, dass du einen Kunden hast, der Bullshit von sich gibt. Du bist nicht hier, um zu urteilen. Du machst einfach deinen Job.
Fremdbestimmt. Ohne Details über sein Leben zu kennen – er hatte keinen blassen Schimmer, was dieses Wort bedeutete. Was es wirklich hieß, keine Wahl zu haben.
»Wenn du an die Spitze gelangen willst, musst du Erwartungen erfüllen, das habe ich mir all die Jahre gesagt«, sprach er weiter, ohne etwas von meiner Gefühlsveränderung zu merken. »Es war immer zu schaffen. Ich hatte mein Ziel vor Augen. Aber sie zu heiraten …«
Der Rest seiner Worte wurde zu einem unverständlichen Hintergrundrauschen, während mein Herz schneller und schneller klopfte. Er hatte sich ausgerechnet heute ausgesucht, um gesprächig zu sein? Nachdem gestern Nacht jeder Funken meiner Hoffnung im Keim erstickt worden war? Und er hatte sich ausgerechnet mich ausgesucht, um wegen seinem ach so schweren Leben rumzuheulen?
Während ich zu Reibungen wechselte, bei denen ich meine Finger und Handballen einsetzte, um Knoten in den Muskeln zu lösen, hatte ich plötzlich andere Bilder im Kopf. Wie ich den Druck verstärkte, meine Nägel in seine Haut hämmerte, ihn spüren ließ, was ich in Wahrheit von Menschen wie ihm hielt. Von Leuten, die alles hatten, aber trotzdem herumliefen, als trügen sie das ganze Leid der Welt auf ihren Schultern. Wie ich ihm seine sonnengeküsste Haut zerkratzte, bis Blut hervorquoll. Wie ich statt Heilung Zerstörung wählte.
Schwindel überfiel mich. Abrupt ließ ich von ihm ab und trat von der Liege zurück. Meine Finger bebten.
Fuck. Reiß dich zusammen!
Einen Moment später stützte sich Rafael auf die Unterarme und drehte den Kopf in meine Richtung. Der Ausdruck in seinem Gesicht war irgendwie roh. Als hätte er gerade etwas ausgesprochen, das er noch nie mit einer anderen Menschenseele geteilt hatte.
Innerhalb von Sekunden registrierte er allerdings meine Miene, und Verwirrung blitzte in seinen Augen auf. »Was ist los?«
Ich holte tief Luft, öffnete den Mund, um irgendeine Ausrede von mir zu geben, doch der Raum schien sich immer noch zu drehen. Wenn ich jetzt etwas sagte, würde ich zu schreien beginnen. Also presste ich, so fest ich konnte, die Lippen aufeinander.
Ruckartig erhob er sich und stand von der Liege auf. Er zog die schwarzen Brauen zusammen und streckte eine Hand nach mir aus.
Uns trennte kein halber Meter.
Mein Herz raste inzwischen so schnell, dass mir schlecht wurde. Die Wände kamen auf mich zu, schoben diesen halb nackten Riesen näher an mich heran. Nur noch Millisekunden, dann würden seine Finger meine Haut berühren.
»Fass mich nicht an!«
Ich stolperte rückwärts, spürte im nächsten Moment das Regal in meinem Rücken.
Seine Miene gefror, während er den Arm sinken ließ.
Fuck, fuck, fuck!
Der Alarm, mein Schlafmangel, das Verhör, das alles war zu viel. Meine Fassade hatte Risse bekommen, und ich wusste nicht, wie ich ihren Zusammenbruch verhindern konnte.
»Ich tu dir nichts«, wisperte er behutsam, doch genauso gut hätte er die Worte brüllen können.
Schäumend heiße Wut durchströmte mich. Ich habe keine Angst vor dir!, wollte ich schreien. Was bildest du dir ein? Du bist einfach ein armseliger Mann mit armseligen Luxusproblemen. Du denkst, deine Größe kann mich einschüchtern? Deine tiefe Stimme und deine ruckartigen Bewegungen? Du hast keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast.
»Geh«, brachte ich hervor.
Es war das Einzige, wozu ich imstande war, ohne vollständig die Fassung zu verlieren. Je länger er mit mir in diesem viel zu kleinen Raum blieb, desto weniger konnte ich für etwas garantieren. Es war mehr als unprofessionell, einen Kunden mitten in der Massage ohne ersichtlichen Grund rauszuschmeißen, aber es gab deutlich Schlimmeres. Ihm die Meinung zu geigen zum Beispiel. Oder handgreiflich zu werden.
Rafael blinzelte kalt erwischt, als hätte ich einen Eimer Wasser über seinem Kopf ausgeleert.
Ich trat vom Regal weg und kehrte ihm den Rücken zu, während ich versuchte, meine Atmung zu kontrollieren.
Ein Rascheln ertönte. Sekunden später, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, waren seine sich entfernenden Schritte zu hören.
Ich drehte mich erst um, als ich mir sicher sein konnte, dass er wirklich weg war.
Jäh kehrten die Geräusche zurück. Das Meeresrauschen. Die gedämpften Gespräche von draußen.
»Fuck«, sprach ich meine Gedanken laut aus. Was hatte ich getan?
Ich wartete noch ein paar Sekunden, bis ich in den Flur hinaustrat und die inzwischen belebteren Thermalbecken passierte, deren dampfende Oberflächen unter der grünen Deckenbeleuchtung schimmerten. Niemand beachtete mich, und auch der Gang zu den Mitarbeiterumkleiden war zum Glück verlassen. Darin befand sich außer mir nur ein Kollege – Azamat –, der Candy Crush auf dem Handy spielte und ebenfalls keine Notiz von mir nahm. An meinem Spind gab ich den Code ein und riss die Tür auf. Mit immer noch bebenden Fingern griff ich nach einem Fläschchen, das ich darin aufbewahrte, und trank einen kleinen Schluck. Der Inhalt war viel stärker und gefährlicher als das Zeug, das ich Brian verabreicht hatte, und normalerweise nahm ich nur abends etwas davon ein, weil es mich extrem müde machte. Aber verzweifelte Situationen erforderten verzweifelte Maßnahmen.
Mein Magen rumorte, doch da er leer war, hatte ich nichts zu befürchten. Ich wollte gerade wieder die Tür schließen, als mein Blick auf ein zusammengefaltetes Stück Papier fiel, das zwischen meinem MCT-Öl und meinem Notizkalender steckte. Eindeutig hatte es jemand durch die schmale Öffnung des Spinds geschoben.
Ich wusste, was mich erwartete, noch bevor ich die geschwungene Schrift las. Sea wasp stand darauf geschrieben.
Die Seewespe war eine der tödlichsten Quallen, die es gab. Nicht nur aufgrund ihres Gifts, sondern auch, weil sie nahezu unsichtbar war. Sie bevorzugte es, bei Tageslicht zu jagen. Als wollte sie sagen: Ich habe es nicht nötig, mich zu verstecken. Bis zu jenem Tag, an dem ich die erste Nachricht von Ernest in meinem Spind vorfand, hatte ich noch nie etwas von dem Tier gehört. Und als ich die Qualle googelte, stand die Welt einen Augenblick lang still, bevor eine einzige Frage in Dauerschleife durch meinen Kopf geisterte. Nicht: Wer ist der Verfasser der Nachricht? Sondern: Was weiß er über mich?
Hätten mir die Eigenschaften der Seewespe – eine übelkeitserregender als die andere – nicht derart den Boden unter den Füßen weggerissen, wäre ich in jener Nacht niemals in die Bibliothek gegangen.
Ich griff nach dem dicken cremefarbenen Papier.
Sobald ich mich vergewissert hatte, dass mein Kollege nach wie vor abgelenkt war, faltete ich die Nachricht auseinander und begann zu lesen.
Wo Träume und Wissen sich verweben,
wo Galaxien durch die Finsternis schweben.
Wenn Mitternacht die Sterne küsst,
und du jegliche Hoffnung vermisst.
Komm, bevor das Dunkle zerbricht,
neue Horizonte warten, zögere nicht.
Darunter war die Zeichnung eines Flamingos zu sehen. Auch die Bedeutung des Flamingos hatte ich gegoogelt, doch nichts Aufschlussreiches dazu gefunden.
Ich las die Zeilen wieder und wieder, bis die Worte vor meinen Augen verschwammen. Gegen meinen Willen spürte ich sie erneut, die verräterische Hoffnung.
Also gut. Obwohl alles dagegensprach, würde ich die Nerven bewahren. Und heute um Mitternacht würde ich den Ort auf dem Schiff aufsuchen, wo Galaxien durch die Finsternis schwebten und Träume und Wissen sich verwoben.
Ich würde nicht aufgeben. Noch nicht.
Die größte Tragödie meines Lebens: auf Planet Erde geboren worden zu sein.
Das erste Mal, als ich mit der Existenz des Weltalls konfrontiert worden war, hatte ich losgeheult. Es handelte sich um meine erste Erinnerung überhaupt. Ich war vier Jahre alt gewesen, und mein Vater hatte mir ein Buch über die Milchstraße aus der Bücherei ausgeliehen. Es war auf Deutsch, weswegen er mir die kleinen Texte neben den bunten Bildern nicht vorlesen konnte, dafür erzählte er mir in seiner Muttersprache von den unterschiedlichen Planeten, während ich wie hypnotisiert auf die Illustrationen starrte.
Sobald er meine Tränen bemerkte, zog er mich auf seinen Schoß und klappte das Buch zu. »Macht dir das Angst?«, vermutete er.
Ich heulte nur noch lauter. Damals fehlten mir die Worte, um zu beschreiben, was ich beim Anblick der endlosen Weite empfand. Erst ein Ziehen in der Magengegend. Dann ein schwarzes Loch, das sich in mir auftat. Es wuchs und wuchs und war mit nichts zu füllen. Nicht mit warmen Umarmungen. Nicht mit Mamas Sarmas. Und auch später mit den sorgfältig beschrifteten Raubkopien meiner Lieblingsfilme nicht.
Erst Jahre später verstand ich, dass es keine Angst war, sondern Sehnsucht. Mein Leben lang würde diese mein Kompass bleiben. Fürchtete ich mich vor etwas oder jemandem, fragte ich mich, ob ich mich in Wahrheit danach verzehrte.
So war es mir auch mit Alana Kingsley ergangen. Ein Blick und ich war in Panik ausgebrochen. »Ich weiß nicht, ob ich dich will«, waren die ersten Worte gewesen, die ich an sie richtete. »Aber ich weiß, dass ich will, was du hast.«
In diesem Moment hielt Alana meinen Blick fest, während sie ihren Hintern an dem Typen hinter sich rieb. Seine Hände lagen auf ihren Hüften, seine Lippen waren nur Millimeter von ihrem Hals entfernt. Ihre schwarze Haarpracht war zu einem hohen Zopf gebunden, sodass er freie Bahn hatte.
Würde sie zulassen, dass er sie dort küsste? Mit seiner Zunge über ihre erhitzte Haut fuhr? Würde sie sich sogar umdrehen und ihren Mund auf seinen drücken?
Ich leerte meinen Drink, der aus Soda und flüssigem Schmerzmittel bestand, in einem Zug und stellte das Kristallglas auf der Bar ab, gegen die ich gelehnt stand, ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen.
Der Boden vibrierte. Kunstnebel waberte durch die Luft. Die Musik aus den Lautsprechern schwoll an. Electro Swing. Auf der Tanzfläche waren Dutzende Gäste mit Charleston-Tanzen beschäftigt, andere wiederum eher mit Trockenvögeln.
Ich war fest davon überzeugt gewesen, dass Alana nach ihrem Trip gestern viel zu fertig sein würde, aber als ich um 22 Uhr in unsere Suite zurückgekehrt war, nachdem ich mich den ganzen Tag von ihr ferngehalten hatte, hatte sie mich im goldenen Flapper-Dress und mit Federhaarschmuck erwartet.
»Da bist du ja endlich!«, hatte sie gerufen und auf den maßgeschneiderten Gatsby-Anzug und die dazu passende Weste gedeutet, die auf unserem Bett lagen. »Zieh dich um, die Party läuft schon.«
Eine 20er-Jahre-Mottoparty mit dem Namen »Follow the green light«, eine Hommage an Fitzgeralds Klassiker. Die Ironie entging mir nicht. Genau wie der Erzähler des gefeierten Romans stand ich am Rand und blickte von außen auf das Geschehen.
Auf der letzten Party vorgestern Nacht hatte ich mir von dem Mann, der mit Alana tanzte, einen blasen lassen. Das war der einzige Grund, aus dem sie sich gerade an ihn ranmachte. Eigentlich wollte sie die Security-Frau, die an der Eingangstür stand, wie sie mir vor Tagen erzählt hatte. Eine viel härtere Nuss. Je größer die Herausforderung, desto größer das Verlangen. Das hatten wir beide gemeinsam. Erstens war es Besatzungsmitgliedern verboten, mit Passagieren zu verkehren, zweitens trug die Security-Mitarbeiterin diesen »Ich bin nicht zu Späßen aufgelegt«-Gesichtsausdruck zur Schau. Alana biss sich seit Tagen die Zähne an ihr aus. Also versuchte sie mich mit diesem Typen eifersüchtig zu machen.
An einem anderen Tag hätte es womöglich funktioniert. Aber seit dem Desaster bei der Massage heute früh funktionierte nichts mehr, wie es sollte.
Alana hob eine Braue, als spürte sie, dass sie meine Aufmerksamkeit verlor, dann wirbelte sie blitzschnell herum, packte den armen Kerl bei der Fliege und zog ihn zu sich herunter. Er erwiderte ihren Kuss sofort.
Wie ferngesteuert setzte ich mich in Bewegung. Mit ein paar wenigen großen Schritten hatte ich die Tanzfläche überquert. Die Leute machten mir bereitwillig Platz. Trotz des stechenden Schmerzes in meinem Fuß humpelte ich nicht. Es konnte sich nur noch um Minuten handeln, bis die Wirkung des Schmerzmittels einsetzte.
Ich packte meine Freundin von hinten an der Hüfte und zog sie mit einem Ruck von dem Typen weg.
Wut blitzte in seinen Augen auf, während sich ein zufriedenes Grinsen auf ihren blutrot geschminkten Lippen ausbreitete. Ich legte den Kopf schief. Er blinzelte einmal, zweimal, dann machte es offensichtlich Klick, und er erkannte mich als den Mann, mit dem er sich erst vorgestern vergnügt hatte. Aus Wut wurde Verwirrung. Stirnrunzelnd schaute er zwischen Alana und mir hin her. Dann grinste er plötzlich ebenfalls und machte eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger, die uns drei einschloss.
Ich packte Alana am Oberarm und schüttelte den Kopf. »Nicht heute Nacht!«, rief ich über die Musik hinweg.
Das war meine diplomatische Art »niemals« zu sagen. Ich hatte absolut kein Interesse daran, zweimal mit derselben Person zu schlafen. Und das Spiel, das Alana und ich spielten, hatte nichts mit Teilen zu tun.
Bevor er etwas erwidern konnte, drehte ich mich um und zerrte meine Freundin zum Ausgang, wo sie der Security-Frau einen letzten flammenden Blick zuwarf. Dann ließen wir das Partydeck hinter uns.
Die lebhafte Energie der Party wich der eleganten Ruhe des Schiffs. Der glänzende Mahagoniholzboden reflektierte das gedämpfte Licht der goldenen Deckenleuchten. An den Wänden hingen Kunstwerke historisch-maritimer Szenen. Auf beiden Seiten des Ganges befanden sich gemütliche Lounges mit tiefen Sofas aus dunkelblauem und smaragdgrünem Samt. Beim Vorbeigehen begegneten wir anderen Passagieren in Abendgarderobe.
Bis wir den Aufzug erreichten, der uns zu unserer Suite bringen würde, sprachen wir kein Wort. Meine Hand gab ihren Arm frei und glitt tiefer. Wir verschränkten unsere Finger miteinander, ohne uns anzusehen. Ich drückte, und sie drückte zurück, wobei ihr kühles Perlenarmband meine Haut streifte. Ihr Duft nach Bergamotte und Vanille nahm all meine Sinne ein.
Als der goldene Aufzug vor uns hielt, spiegelten sich unsere Silhouetten in den polierten Messingtüren. Mit der freien Hand kramte ich meine Chipkarte aus der Hosentasche, hielt sie an das Scanfeld und drückte auf die richtige Ziffer, worauf sich die Türen augenblicklich öffneten.
Als sie sich drei Sekunden später hinter uns schlossen, hatte ich Alana bereits gegen die Wand gedrückt und donnerte meinen Mund auf ihren. Mit einem Stöhnen legte sie ihre Arme um meinen Hals, und ich hob sie hoch, sodass sie auch ihre Beine um meine Hüften schlingen konnte.
»Ich kann ihn schmecken«, zischte ich, während sich meine Finger in ihren Hintern bohrten.
Sie lachte und fuhr mir mit beiden Händen durchs Haar. »Er durfte dich auch schmecken«, gab sie heiser zurück.
Ruckartig drückte ich sie fester an mich, sodass meine Erektion zwischen ihre Beine gepresst wurde. Seltsam. Ich hatte nicht mal mitbekommen, dass ich hart geworden war. Der Schmerz hatte mich abgelenkt.
»Er war mein Spielzeug. Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du dir dein eigenes suchen sollst?«
Ihre Augen schienen sich zu verdunkeln. Ihre Finger wanderten tiefer. Eine Sekunde später hämmerte sie mir ihre spitzen langen Nägel in den Nacken. Der Schmerz ließ mich für einen Moment Sterne sehen.
»Wie soll ich Zoe von mir überzeugen, wenn du dich wie ein besitzergreifendes Arschloch aufführst?«
»Oh, du hast also endlich ihren Namen herausgefunden.« Ich leckte über ihren Hals, bis sie schauderte und sich der Geschmack nach Salz und Roja Haute Luxe auf meine Zunge legte. »Wen musstest du dafür bestechen?«
Sie bekam nicht die Gelegenheit, mir zu antworten, denn in der nächsten Sekunde glitten die Aufzugtüren mit einem dezenten Klingeln auseinander. Ich verstärkte meinen Griff um ihren Po, drehte mich um und trug sie in unsere Suite, wo ich geradewegs unser blassblaues Kingsize-Bett ansteuerte. Dort ließ ich sie fallen und ging zwischen ihren Beinen auf die Knie, wobei der Schmerz mein linkes Bein hinaufkroch, zog ihr die goldenen Lack-Pumps aus und machte mit der Strumpfhose weiter.
Alana stützte sich auf die Unterarme. »Was ist heute mit dir los?«
Ich ließ mir Zeit mit der Antwort, bis ich meinen Daumen unter ihren Slip wandern ließ. »Du willst dich jetzt ernsthaft unterhalten?«
Genießerisch warf sie den Kopf zurück, als ich sie zu streicheln begann. »Ich bin multitaskingfähig.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Härter. Und schneller.«
Seufzend kam ich ihrer Bitte nach. »Nichts ist los. Was soll los sein?«
»Du bist mir den ganzen Tag aus dem Weg gegangen.«
»Nein, bin ich nicht.«
Oh doch, das war ich definitiv.
»Hat Dad dich schon wieder wegen der Budgetüberschreitungen beim Regal-Splendor-Design genervt?«
Ich arbeitete im Schiffsarchitekturbüro ihrer Eltern: Kingsley Kreations. Wir hatten uns bei einem Firmenevent kennengelernt. In meinem Job hatte man nie Feierabend, vor allem nicht, wenn man so gut wie verschwägert mit den Inhabern war. Aber seit wir vor über drei Wochen die Kreuzfahrt auf der Diamond Empress angetreten waren, hatten sich Alanas Eltern nicht mehr bei mir gemeldet. Zumindest nicht wegen Beruflichem, dabei hatte ich extra den Arbeitslaptop mitgenommen. Stattdessen schrieb mir ihre Mom mehrmals täglich, ob ich es bereits getan hatte. Als würde ihre Tochter es nicht auf sämtlichen Social-Media-Plattformen livestreamen, sobald sie auch nur vermutete, dass ich im Begriff war, ihr einen Antrag zu machen.
»Nein«, erwiderte ich. »Er scheint uns den Urlaub wirklich zu gönnen.«
Viel zu ernst sah sie mich an. »Dir gefällt es hier nicht.«
Anstelle einer Antwort beugte ich mich vor, nahm ihren Slip zwischen die Zähne und zog ihn runter. Dann drückte ich meinen Mund auf ihre Vulva.
Eine Weile war nur ihr genussvolles Stöhnen zu hören, und in meinem Kopf herrschte köstliche Ruhe. Eine Weile konnte ich mir einbilden, dass es mir reichte. Mich auf einer luxuriösen Kreuzfahrt mit meiner Freundin zu befinden, für die wir beide keinen Cent zahlten. Sie zu lecken, bis sie meinen Namen schrie. Ich hatte es geschafft. Die Zukunft, auf die ich hingearbeitet hatte, war zum Greifen nahe. Der Ring, der im Safe unserer Suite lag, würde sie besiegeln. Alles verlief nach Plan.
Wieso fühlte es sich also an, als könnte ich nicht atmen?
»Raf.«
Alanas Finger wanderten in mein Haar, zerrten leicht daran, bis ich zurückwich. Ihr Stöhnen war verklungen. Sie richtete sich auf, packte meine Schultern und zog mich hoch. »Die Wahrheit. Jetzt.«
Das war von Anfang an unser Abkommen gewesen. »Ich werde dir alles geben, was du dir je erträumt hast«, hatte sie mir gesagt, als ich das erste Mal in sie eingedrungen war, auf einem der zig Gästezimmer im Haus ihrer Eltern in den Hamptons. »Sofern du immer ehrlich zu mir bist.«
Ich setzte mich neben sie aufs Bett. Während sie begann, meine Weste und mein Hemd aufzuknöpfen, begann ich zu reden.
»Es gefällt mir hier, aber es ist so … eng. Wenn ich daran denke, dass wir uns auf einem Schiff befinden und den Launen der Natur ausgeliefert sind … Als wir es designt haben, kam es mir riesig vor. Aber seit wir hier sind, fühle ich mich eingesperrt.«
Ein Funkeln trat in Alanas Augen. Sie streifte mir Hemd und Weste ab, ehe sie mit meiner Hose weitermachte. »Red keinen Scheiß. Es ist nicht das Schiff. Du denkst, du hast dich meinen Eltern ausgeliefert. Und überträgst das jetzt auf mich.«
Heftig schüttelte ich den Kopf, obwohl sie natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
Ihre Finger wanderten in meinen Schritt, und sie fuhr hart darüber, bis heißes Verlangen durch meinen Körper pulsierte.
»Wir können tun und lassen, was wir wollen«, murmelte sie.
Ihr Schmerz war nicht zu überhören. Sie versuchte nicht, mich zu überzeugen, sondern vor allem sich selbst. Egal, wie gefangen ich mich fühlte – das war kein Vergleich zu ihr. Immerhin waren es ihre Eltern, die uns dieses Leben ermöglichten. Ihre Eltern, die die Regeln bestimmten. Ihre Eltern, die einen Mann statt einer Frau an ihrer Seite sehen wollten.
»Was wir brauchen, ist eine Abwechslung«, sagte sie mit plötzlich entschlossener Stimme, stieß mich aufs Bett, zog sich ihr Kleid über den Kopf und kletterte rittlings auf meinen Schoß.
Ich griff nach ihren Oberschenkeln und rutschte nach hinten, bis mein Kopf auf einem der riesigen Kissen lag. »Was schwebt dir vor?«
Sie beugte sich zur Nachttischschublade, riss sie auf und fischte ein Kondom raus. »Ein Wettbewerb. Wer es zuerst schafft, jemanden rumzukriegen, der oder die eigentlich nicht rumzukriegen ist.«
Meine Augenbrauen wanderten in die Höhe, während sie begann, ihren Unterleib rhythmisch an meinen zu pressen. Es machte mich an, dass ich noch Boxershorts trug, während sie untenrum komplett nackt war.
»Soll ich mir auch jemanden von der Security suchen?«
Ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf ihrem perfekten Gesicht, während sie die Plastikverpackung mit den Zähnen aufriss. »Hmm … das wäre eine Option. Aber damit es fair bleibt, brauchen wir jemanden für dich, mit dem du schon Kontakt hattest. Immerhin fange ich bei Zoe auch nicht bei null an.«