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Any Cherubim

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Beschreibung

Eine Liebe, so verboten und gefährlich, dass sie besser nie an die Öffentlichkeit gelangt … Leni steht dauerhaft im Rampenlicht, und aus jedem kleinen Fehltritt wird sofort ein Skandal gemacht. Dabei möchte die Präsidententochter nur in Ruhe studieren und ein normales Leben führen! Die Ablenkung in Form ihres neuen sexy Bodyguards kommt da gerade recht. Trotz seiner arroganten Art hat sie kein Problem damit, ihn ständig in der Nähe zu haben. Secret-Service-Agent Luke ist nicht glücklich über seinen neuen Auftrag. Wie soll er Leni beschützen, wenn sie von einem Ärger in den nächsten stolpert? Doch obwohl sie sein schlimmster Albtraum ist, mag er sie ... mehr als er sollte. Ihre Gefühle füreinander sind absolut verboten und wären ein gefundenes Fressen für die Presse, doch das ist Leni egal. Dabei ahnt sie nicht, dass diese Beziehung sie und jeden, der ihr nahesteht, das Leben kosten könnte. Denn es gibt jemanden, der Leni unter keinen Umständen teilen möchte …   Ein spannender und zugleich sexy New-Adult-Roman von Bestseller-Autorin Any Cherubim. Dies ist die überarbeitete Neuauflage von "White House Princess - Desaster" (2017 erschienen). Band 2 "Diamond Truths" ist JETZT überall erhältlich. ACHTUNG: Es wird es nach vielen Jahren einen langersehnten 3. Band geben, der nochmal alles auf den Kopf stellt!

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PetraB

Man kann sich nicht von der Lektüre losreißen

Tolles spannendes Buch. Ich erwarte mit Spannung Teil 2
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DIAMOND LIES

GILDED CAGE – BAND 1

Any Cherubim

VORWORT

Das Weiße Haus in Washington – Machtzentrale, Wohnort des Präsidenten der Vereinigten Staaten und seiner Familie, ein Ort mit unzähligen Geheimnissen. Vielen war ich auf der Spur, landete aber oft in einer Sackgasse. Um die Story so detailgetreu wie möglich zu schreiben, habe ich mich an die meisten Fakten gehalten, mir aber auch erlaubt, einiges frei zu erfinden. Die Liebesgeschichte zwischen Leni und Luke hat mich nicht mehr losgelassen. Ich hoffe, ihr seid genauso verliebt wie ich. Eure Any

1

Wie jeden Sonntagvormittag schlenderte ich mit meinem Dad über den roten Teppich durch die Eingangshalle des Weißen Hauses. An den prunkvollen Anblick, der mich jedes Mal faszinierte, hatte ich mich immer noch nicht gewöhnt, auch wenn das Weiße Haus schon seit drei Jahren mein Zuhause war. Überall auf dem Anwesen spürte man deutlich den historischen Geist der Vergangenheit, der sich in jedem Gemälde, in den wertvollen Vasen und in allen Geheimnissen der letzten Jahrhunderte widerspiegelte.

»Denkst du bitte daran, dass wir nächstes Wochenende den Empfang für den chilenischen Botschafter geben?«, erinnerte mich Dad.

»Ist gespeichert.«

»Und diesmal hätte ich gern eine friedliche Präsidententochter an meiner Seite.«

Ich blieb stehen und seufzte schwerfällig. Die Erinnerung an das letzte Bankett verdüsterte sofort meine Stimmung. »Ich mag es eben nicht, unter dem Tisch begrapscht zu werden, auch wenn es der Sohn eines Kongressabgeordneten ist.«

»Ein Wort hätte ausgereicht, um ihn durch unser Personal entfernen zu lassen – ohne öffentlichen Skandal.«

»Immerhin weiß niemand, dass ich dafür verantwortlich war, dass ihm die Hose bis zu den Knöcheln heruntergerutscht ist.« Ich kicherte. Ich hatte noch immer das Bild vor Augen, wie Matthew vom Bankett aufstand und vor allen politisch hochrangigen Persönlichkeiten in Unterhose dastand.

»Da hast du recht. Wie hast du es nur geschafft, seine Hose so zu öffnen, dass Matthew es nicht bemerkt hat? Sogar die Times hat Fotos von ihm mit heruntergelassener Anzughose veröffentlicht.«

»Tja, so was nennt man Berufsgeheimnis und wird nicht verraten, Mr. President.«

Wir erreichten die große Flügeltür. Dort wartete meine Limousine mit den Bodyguards, die mich nach Harvard zurückbegleiten würden.

»Ach, komm her, Pepper. Die Wochenenden vergehen viel zu schnell. Du fehlst uns.«

Dad zog mich in seine Arme, und sofort kitzelte mich sein Aftershave, das er schon seit Jahren benutzte. Ich liebte diesen herben und frischen Duft, der zu ihm passte – der einfach zu ihm gehörte. Auch wenn mein Vater der Präsident der Vereinigten Staaten war, war er immer mein Dad geblieben – der Mann, der mir das Fahrradfahren beigebracht, Gutenachtgeschichten vorgelesen und sich stets Zeit für mich genommen hatte – bis heute.

Ich löste mich von ihm. »Du und Mum fehlt mir auch sehr.«

Er küsste mich auf die Stirn, strich meine pink gefärbte Haarsträhne hinters Ohr und führte mich hinaus zur Limousine.

»Ich verspreche, ein braves Mädchen zu sein.«

In seinen Ohren klang es wahrscheinlich wie eine Lüge, aber er brauchte diesen Satz, um mich beruhigt gehen zu lassen. Ich setzte ein süßes Lächeln auf, blinzelte, und schon entspannte er sich.

»Wieso habe ich da meine Zweifel?«, neckte er mich grinsend. »Okay, noch eine letzte Umarmung, bitte.«

Lachend tat ich ihm den Gefallen. Eine Weile standen wir so da und genossen den seltenen Moment.

Mrs. Blum, Dads Assistentin, unterbrach uns und räusperte sich dezent im Hintergrund. »Mr. President, die Minister warten.«

Er löste sich von mir. »Ich muss los, Leni, die Pflicht ruft.« Er warf einen Blick zur wartenden Limousine und meinen Bodyguards. »Ärgere die Jungs nicht. Du weißt, sie machen nur ihren Job.«

Ich rollte mit den Augen und kam mir vor, als wäre ich wieder sechzehn.

»Aber Mr. President, so etwas würde ich niemals tun«, gab ich in gespielter Marilyn-Monroe-Manier von mir. Grinsend schüttelte er den Kopf, als ich mich von ihm abwandte und zur Limousine ging.

»Leni Davis«, rief er mich.

Ich hielt inne und wusste genau, was er wollte. »Ja, Dad?«

Mit dem Zeigefinger winkte er mich zu sich. »Sei ein braves Mädchen und rück ihn raus.«

Er streckte mir seine flache Hand entgegen und wartete. Ertappt legte ich seinen exquisiten Montblanc-Kugelschreiber, den ich geschickt aus seiner Anzugjacke entnommen hatte, in seine Handfläche zurück.

Er lachte. »Du bist unverbesserlich, Pepper.«

»Ich weiß«, gab ich zu. Die Sache mit dem Montblanc war so ein Ding zwischen uns. Schon seit einigen Jahren machte ich mir einen Spaß daraus, alltägliche Gegenstände aus Taschen verschwinden zu lassen. Ich war gut darin und amüsierte mich köstlich, wenn Mum mal wieder nach ihrer wertvollen Halskette oder unser Personal nach irgendwelchen Wertgegenständen, die es zuhauf im Weißen Haus gab, suchte. Als Kind war ich von Magiern und Zauberkünstlern fasziniert gewesen, hatte YouTube-Videos geschaut und jeden Tag geübt, bis ich meine Familie und Freunde völlig verblüfft hatte. Mittlerweile war die Sache mit dem Kugelschreiber meines Vaters zu einem Ritual geworden. Bei jeder Verabschiedung stahl ich ihm seinen heißgeliebten Montblanc. Ich sah meinem Dad nach, während er den Stift in seine Innentasche steckte, triumphierend mit seinen Augenbrauen zuckte und zusammen mit seinem Stab im Weißen Haus verschwand.

Seufzend wandte ich mich dem Wagen und den vier Jungs zu, die mich nach Harvard begleiten würden. Ziemlich anhängliche Typen, die mir früher mit ihren stoischen Blicken und undurchdringlichen Zügen Angst eingejagt hatten. Schwarze Anzüge, dunkle Sonnenbrillen, breit wie Kleiderschränke – das waren die Kerle vom Secret Service. Inzwischen hatte ich mich an sie gewöhnt und wusste, wie ich mit ihnen umzugehen hatte. Nicky, meine beste Freundin und Zimmergenossin, liebte es, wenn ich aus den unterkühlten und coolen Typen verwirrte, ängstliche Häschen machte. Nur Steven McLaine, der Leiter meines Bewacher-Teams, ließ sich von mir nicht aus der Ruhe bringen. Nicky war heimlich in ihn verliebt und himmelte ihn regelrecht an, doch der gute Steven hatte nur Augen für mich – seinen Job.

Neben ihm waren für meine Sicherheit noch Jeff, Richie und …

Fehlte nicht einer?

Ich senkte meine Sonnenbrille und schaute mich um.

»Hat Ferris keine Lust mehr oder wurde er wegen seiner Paranoia gefeuert?«

Ferris war der Schlimmste von allen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man die Harvard-Professoren mitsamt den historischen Gebäuden nach Washington verlegen lassen. Hinter jedem Grashalm und Baum hatte er einen Terroristen vermutet.

»Ferris hat sich versetzen lassen. Es kommt Ersatz für ihn, Ms. Davis«, gab Steven sachlich von sich.

Schuldbewusst hielt ich inne. »Ich hoffe nicht meinetwegen, oder?«

Statt mein schlechtes Gewissen zu vertreiben, schmunzelte er und schwieg. Oh Mann, das war Antwort genug. War ich wirklich so ein Monster?

Ich hatte mich am Freitag nur unter die Besucher mischen und durch die Gänge des Weißen Hauses schlendern wollen, aber Ferris, die Nervensäge, hatte mich wie üblich nicht aus den Augen gelassen. Er hatte sofort seinen Kollegen meinen genauen Standort durchgeben wollen. Dank meiner geschickten Finger hatte ich unbemerkt das Spiralkabel hinter seinem Ohr mit einer Rasierklinge durchgeschnitten.

Ich musste jetzt noch grinsen, wenn ich an sein verdutztes Gesicht dachte. Er war deswegen völlig ausgeflippt und hatte sich wohl auch deshalb versetzen lassen. Das Einzige, was ich zu meiner Verteidigung sagen konnte, war, dass ich mich nicht so fürchterlich ernst nahm und es niemals böse meinte. Als Tochter des Präsidenten war man eben eingeschränkt und musste Mittel und Wege finden, um sich den Alltag irgendwie erträglich zu machen.

Seufzend stieg ich ein und ließ mich zum Flughafen chauffieren. Kaum verließen wir die Sicherheitsschranken des Weißen Hauses, wurde der Wagen von Blitzlichtgewitter verfolgt, und einige Journalisten rannten uns hinterher. Ich war es mittlerweile gewöhnt, dass mein Gesicht in vielen der Klatsch- und Tratsch-Blätter mit den verrücktesten Geschichten abgelichtet wurde. Okay, manches entsprach der Wahrheit, aber nur selten. Weit genug von den Presseleuten entfernt, zog ich eine Fratze. Ein Redakteur hätte für solch ein Foto ein Vermögen hingeblättert. Ich kicherte in mich hinein, dann setzte ich noch einen obendrauf und streckte meinen schwarz lackierten Mittelfinger aus. Das war meine kleine persönliche Rache, und jedes Mal genoss ich es.

»Dass die nie müde werden, Fotos von mir zu machen …« Ich stöhnte genervt und lehnte mich in das weiche Leder zurück.

»Sie sind eben eine der meistfotografierten Personen«, antwortete Steven, schaute zu mir nach hinten und warf mir ein Lächeln zu.

»Ja, leider.«

* * *

Die Straßen von Washington flogen an uns vorbei, und ich erinnerte mich an die Zeit vor der Präsidentschaft meines Vaters. Wenn ich daran zurückdachte, lächelte ich, weil wir alle glücklich und zufrieden gewesen waren. Bilder von fröhlicheren Tagen flackerten auf, und manchmal, so wie jetzt, wurde ich wehmütig.

Mein Dad war der zielstrebigste und ehrlichste Mensch, den ich kannte, und der tollste Dad der Welt. Er war ein Held – mein Held. Zu ihm schaute ich auf und wünschte, ich wäre so mutig und tapfer wie er. Was er und ich gemeinsam hatten, konnte man nicht an Äußerlichkeiten festmachen. Ich sah ihm überhaupt nicht ähnlich, dafür hatten wir beide einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, waren Kämpfer und setzten uns stets für andere ein. Leider hatte ich deshalb, und wegen meines Temperaments, das ich nicht immer im Zaum halten konnte, ab und zu mal Ärger. Die Presse und Journalisten ließen kein gutes Haar an mir. Einmal hatten sie mich blöderweise mit einem Bier abgelichtet, ein anderes Mal passte ihnen meine Bikinifigur nicht, und auf einer Jacht hatte ich an einer Zigarette gezogen. War ja klar, dass die Presse eine Haschtüte daraus machte und der Skandal damit perfekt war. Das Verhältnis zwischen der Medienmeute und mir blieb schwierig, ganz zu schweigen von der Standpauke, die ich von Mum und Dad damals erhalten hatte. Bis ich in unserem neuen Leben zurechtkam, dauerte es eine Weile.

Mit der Zeit lernte ich den weißen Bunker zu schätzen, der mein Zuhause war. Manchmal streifte ich stundenlang durch die prunkvollen Säle oder mischte mich unerkannt unter die Besucher, die zahlreich in das Weiße Haus strömten.

Ich war nicht die Prinzessin im goldenen Käfig und bekam auch nicht alles in den Allerwertesten geschoben. Ich war früh selbstständig, hatte mit verschiedenen Jobs mein eigenes Geld verdient. Erst als ich nach Harvard ging, musste ich alles aufgeben und mich auf das Jurastudium konzentrieren.

Es war bereits Mittag, als wir am Campus ankamen. Endlich riss auch in Cambridge die graue Wolkendecke auf, und die Sonne traute sich hervor. Zwischen den roten Backsteingebäuden erstreckte sich eine große Grünfläche, die an mehrere Wohnheime grenzte. Entspannt lagen einige Leute in Gruppen auf der Wiese und genossen ihre Freizeit. Es war wirklich zu schön, um den restlichen Tag in der staubigen Bibliothek zu verbringen, daher beschloss ich, entgegen meinem Tagesprogramm, im Park spazieren zu gehen. Vielleicht hatte Nicky Lust, mich zu begleiten. Mitten auf den Stufen des Gebäudes blieb ich stehen und zog mein Handy aus der Tasche. Mehrere Mitteilungen blinkten auf, aber ich hatte jetzt keinen Nerv dafür, dreiundfünfzig Antworten zu tippen, und schrieb nur Nicky eine Nachricht. Auf dem Absatz machte ich kehrt und stieß mit Steven zusammen.

»Äh, Ms. Davis?« Irritiert sah er mir nach und beeilte sich mich einzuholen, während Richie meinen Richtungswechsel ans Team weitergab.

»Keine Bange, ich habe heute keine Lust zu lernen. Ich will nur in mein Zimmer, um Nicky zu einem Spaziergang zu überreden, okay?«

»Spaziergang?«

»Ja, Spaziergang – Sauerstoff, frische Luft, Sonne und so was. Noch nie davon gehört? Tut gut; solltet ihr Jungs dringend mal ausprobieren.«

»Aber … wir haben Ihr Zimmer noch nicht gecheckt, und zwei von uns wollen Feierabend machen.«

Abrupt blieb ich stehen. »Machen Sie sich mal locker, Steven. Ich will nur Nicky abholen. Ich bin mir sicher, dass sich kein Meuchelmörder in meinem Schrank versteckt und auf mich wartet, und falls doch, dann habt ihr endlich mal was zu tun, oder?«

Unbeirrt überquerte ich die Wiese zum Wohnheim. Okay, meine Aktion entsprach nicht dem Tagesplan, den alle Agents mittlerweile verinnerlicht hatten, aber sie sollten immer mit dem Unerwarteten rechnen. War ein wenig Spontanität etwa zu viel verlangt?

Anfangs hatte Dad nicht mit sich über die Anzahl der Bodyguards verhandeln lassen. Überhaupt war mein Vater ein harter Verhandlungspartner, und ich brauchte gute Argumente, bis ich ihn überzeugt hatte, die Bewachung auf eine Zwei-Mann-Schicht zu beschränken.

Es hatte auch viel Überredungskunst gebraucht, meine Eltern davon zu überzeugen, dass ich im Wohnheim wohnen durfte, statt in ein teures Appartement zu ziehen. Ich wollte im Studium so wenig Sonderstatus wie möglich. Es hatte an meinem ersten Tag schon genug Aufsehen gegeben; Presse, Schaulustige und das Empfangskomitee des Harvard-Vorstands.

Nicky und ich waren schnell enge Freundinnen geworden. Natürlich hatte der Secret Service sie und ihre Familie durchleuchtet, bevor wir grünes Licht bekamen, dass sie meine Zimmerpartnerin werden durfte.

Ich starrte auf mein Handy. Wieso antwortete Nicky nicht? Wahrscheinlich schlief sie mal wieder. Niemand brauchte so viel Schlaf wie Nicole Finniger, die ihr halbes Leben im Bett verbrachte. Fest entschlossen, sie aus den Federn zu schmeißen und mit ihr die Sonne zu genießen, betrat ich im Stechschritt den langen Flur zu meinem Zimmer. Dicht gefolgt von Steven und Richie, die es mir mit grimmigen Gesichtern übel nahmen, dass ich unseren Ablauf mit meinem Spaziergang durcheinanderbrachte.

»Ms. Davis, lassen Sie mich die Tür öffnen«, meinte Steven, als ich den Schlüssel ins Schloss schob.

»Netter Versuch, McLane, aber ich bin mit neunzehn schon ein großes Mädchen.« Selbstsicher drehte ich den Schlüssel um und wunderte mich, warum die Tür zweimal verschlossen war. Mir stockte der Atem, und ich blieb wie angewurzelt stehen, als ich ins Zimmer getreten war.

Laute Musik dudelte aus Nickys Radio, und die Jalousien waren heruntergelassen. Eine Videokamera stand mitten im Raum. Ein Leuchtstrahler erhellte das Geschehen auf meinem Bett. Mit vielem hätte ich gerechnet, aber nicht mit dem Anblick zweier entblößter Körper, die alles um sich herum vergessen zu haben schienen. Ein Typ mit blondem Haar und einer Pappmaske vögelte hart und unnachgiebig eine ebenfalls maskierte Blondine. Sie stöhnten unüberhörbar, und das Klatschen ihrer nackten Haut hallte von den Wänden wider. Heiliger Bimbam! Mein Mund klappte auf, was ich da sah, schockte mich. Doch was dieser bizarren Situation wirklich die Krone aufsetzte: Sie trugen Masken mit den Gesichtern von Jim und mir.

Bevor ich kapierte, was das zu bedeuten hatte, wurde ich grob von McLane beiseitegeschoben. Blitzschnell zog er seine Waffe und zielte auf das Pärchen.

»Hände über den Kopf!«, brüllte er.

Alles ging so schnell, dass ich gar nicht dazu kam, die Situation richtig zu erfassen. Fasziniert starrte ich auf die beiden Nackten. Mir war sofort klar, dass sie es darauf angelegt hatten, erwischt zu werden. Mit hocherhobenen Händen und steifem Schwanz beugte sich der Kerl zur Kamera.

»Yes! Wir haben die Präsidententochter Leni geprankt!«, schrie er völlig außer Atem zum Camcorder, der augenblicklich von McLane einen Tritt bekam und geräuschvoll umfiel. »Hey Mann! Ganz ruhig, es ist sowieso zu spät. Es war live, wir haben es gestreamt«, brüllte der Typ stolz und klatschte seiner Partnerin auf den Hintern.

Ich wurde aus dem Zimmer gezerrt, und gleich darauf hörte ich Gepolter und Geschrei. Jeff Goldmann, mein dritter Bodyguard, packte mich am Arm und rannte los. »Folgen Sie mir, Ms. Davis.«

Von draußen dröhnten bereits Sirenen, und die Zimmertüren der anderen Bewohner wurden neugierig geöffnet.

* * *

Knapp drei Stunden später saß ich mit einer heulenden Nicky im Arm und dem tobenden stellvertretenden Sicherheitschef des Secret Service, Mr. Mitchell, in einem gesicherten Gebäude auf dem Unigelände und versuchte die Wogen zu glätten.

Mrs. Olivia Barrows, die Präsidentin der Harvard-Universität, betrat das Zimmer und setzte sich an ihren Schreibtisch. »Die Situation scheint noch nicht ganz unter Kontrolle zu sein. Die Presse erwartet eine Stellungnahme.« Streng warf sie Nicky einen Blick zu. »Ihnen muss klar sein, dass diese Sache kein gutes Licht auf Harvard wirft, Ms. Finniger.«

Oh Mann, was für ein Schlamassel! Sie hatten meinen Facebook-Account und einige andere Social-Media-Kanäle gehackt und das Porno-Video live übertragen. Das war schon heftig, aber was Mrs. Barrows jetzt von sich gab, konnte ich nicht akzeptieren.

»Was hat Ms. Finniger mit den Sicherheitslücken der Uni zu tun?«, mischte ich mich, schärfer als beabsichtigt, ein. Mir war bewusst, dass ich mir die Harvard-Präsidentin damit nicht zur Freundin machte, aber ich konnte es noch nie leiden, wenn man einen Sündenbock für eigene Fehler suchte.

Ihr Blick war giftig auf mich gerichtet. Ich erwiderte ihn selbstgefällig.

»Nicht, Leni«, wollte Nicky mich besänftigen. Sie wusste, dass ich dazu imstande war, mich mit dem obersten Boss von Harvard anzulegen. »Ich sagte doch schon mehrmals, dass es mir leidtut. Ich habe keine Ahnung, wie die an meinen Schlüssel gekommen sind.« Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Die Arme war völlig von der Rolle.

Am gestrigen Abend war Nicky mit unseren Freunden Sandy und Fred auf eine Party gegangen und hatte anschließend bei Sandy übernachtet. Ihr war erst heute Mittag, als das FBI das Zimmer gestürmt hatte, aufgefallen, dass ihr Zimmerschlüssel fehlte. Sie stand immer noch unter Schock.

Mr. Mitchell ließ Nickys Entschuldigung nicht gelten und schaute mich an. »Bei allem Respekt, Ms. Davis, ich denke schon, dass eine gewisse Fahrlässigkeit Ihrer Kommilitonin vorliegt. Ms. Finniger hat Sie durch ihr Verhalten in Gefahr gebracht. Und was Sie betrifft, Ms. Finniger, Sie wurden von uns eingewiesen, welche Vorsichtsmaßnahmen Sie treffen müssen, wenn Sie sich mit Ms. Davis ein Zimmer teilen. Warum haben Sie den Schlüssel denn nicht abgegeben, wenn Sie wussten, dass Sie die Nacht nicht im Wohnheim verbringen würden?«

Nicky starrte ihn an und suchte nach einer Antwort.

»Das wird auf jeden Fall ein Nachspiel haben, Ms. Finniger«, ergänzte Mrs. Barrows.

Das durfte doch nicht wahr sein! Empört stand ich auf. »Also Moment mal! In erster Linie dient der Secret Service meiner Sicherheit, und außerdem, sollte die Wohnstätte nicht so gesichert sein, dass Fremde keinen Zugang haben? Wo waren die Wachleute der Uni?«

Aufgebracht lief Mr. Mitchell im Büro auf und ab, fuhr sich immer wieder durchs Haar. Ihm war klar, dass ich recht hatte. Sein Handy klingelte. Genervt nahm er das Gespräch an und wurde aschfahl.

Ich wusste sofort, wer der Anrufer war. Nur er schaffte es, selbst den strengen Mitchell einzuschüchtern.

»Ja, Mr. President, sie ist hier … einen Moment …« Er reichte mir das Telefon.

»Hi Dad.« Ich versuchte meine Stimme unbekümmert klingen zu lassen, ging zum Fenster und wandte den Zuhörern im Raum den Rücken zu.

»Geht es dir gut, Pepper?«

»Ja, alles okay. Und bei dir?«

»Ich möchte, dass du das Appartement beziehst, von dem wir gesprochen haben – dort bist du sicher. Und ich will, dass du dich strikt an die Sicherheitsvorkehrungen hältst, die der Secret Service für dich ausgearbeitet hat.«

»Darf ich auch etwas dazu sagen?«

Eine Pause entstand. »Ich werde nicht mit dir darüber diskutieren, Leni.«

Kurz schaute ich zu den anderen. Alle Augen im Raum waren auf mich gerichtet. »Ich muss dir das aber sagen, Dad. Du fällst Entscheidungen, die mein Leben betreffen, und da habe ich auch ein Wörtchen mitzureden.«

»Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung. Wir müssen handeln, verstehst du?«

»Ja, da bin ich ausnahmsweise deiner Meinung. Ich finde es ungeheuerlich, dass man Nicky die Schuld in die Schuhe schieben will. Wir müssen etwas dagegen unternehmen.«

»Deine Freundin hat sich nicht an die Regeln gehalten. Zwei Personen haben ein Pornovideo in deinem Zimmer, auf deinem Bett gedreht und es live gestreamt. Innerhalb von Minuten hat die halbe Welt es sich angesehen. Das wäre nicht passiert, wenn sie nicht so betrunken gewesen wäre und die Nacht in ihrem Bett verbracht hätte.«

Ich rollte mit den Augen und war froh, dass er das nicht sehen konnte. »Wer weiß, was sie mit Nicky gemacht hätten, wenn sie im Zimmer gewesen wäre. Hast du auch darüber mal nachgedacht?«

»Sie waren nicht bewaffnet …«

»Spielt das eine Rolle? Dad, sie wollen Nicky von der Uni werfen, weil sie vergessen hat, den Schlüssel einem unserer Beamten zu geben! Hätte das etwas geändert? Ich finde es eher fragwürdig, wie sie überhaupt ins Wohnheim gelangen konnten. Noch dazu haben sie es geschafft, diese ganze Kameraausrüstung quer über den Campus zu schleifen, ohne dass auch nur ein Sicherheitsmann sich darüber gewundert hat!«

»Da gebe ich dir recht, dennoch hat sie sich nicht an die Regeln gehalten. Genau diese Fehler sind es, die dir schaden. Hör zu, ich finde es auch ungerecht, dass deine Freundin damit rechnen muss, die Uni zu verlassen, aber …–«

»Nein, Dad«, unterbrach ich ihn. »Das ist wirklich mies.« Wir schwiegen einen Augenblick. »Konntet ihr das Video überall löschen?«

»Natürlich haben wir das versucht. Leider wurde es kopiert und kursiert nach wie vor im Netz. Du weißt ja, einmal im Internet, immer im Internet. Das ändert aber nichts an der Frage deiner Sicherheit. Wenn es so einfach ist, sich Zutritt zu deinem Zimmer zu verschaffen, dann will ich mir nicht ausmalen, was geschehen wäre, wenn …«

Da hatte er recht. Meine Gedanken drifteten zu der Situation ab, und während mein Vater weiter auf mich einredete, stellte ich mir vor, wie es sein würde, zurück in das Zimmer zu gehen. Anfangs hatte ich den Videodreh noch für eine mutige, wenn auch schmutzige Aktion gehalten. Jetzt aber machte sich Ekel in mir breit. Niemals könnte ich mich wieder ungezwungen dort aufhalten, geschweige denn in das Bett legen.

»Schon gut, Dad«, unterbrach ich ihn. »Ich schlage dir einen Deal vor.«

»Und der wäre?«

»Wenn du dafür sorgst, dass Nicky nicht von der Uni fliegt, werde ich mit ihr in das Appartement ziehen.«

»Du willst, dass sie mit dir in die Wohnung zieht?«

»Dad, sie ist meine Freundin und braucht mich. Das alles ist für sie genauso schlimm wie für mich. Du solltest sie sehen, sie ist völlig mit den Nerven runter und macht sich große Vorwürfe, außerdem ergänzen wir uns super beim Lernen und …«

»Das ist eine Entscheidung von Mrs. Barrows, darauf habe ich keinen Einfluss.«

»Ach, und ich dachte, du wärst der Präsident der Vereinigten Staaten?!«

»Leni!« Sein warnender Unterton sollte mich entmutigen, aber für gewöhnlich stachelte er mich nur weiter an. Ich blieb hart. »Es wäre ungerecht, wenn Nicky ihren Platz verlieren würde, weil sie beklaut wurde. Komm schon, Dad. Du hast selbst erzählt, dass du in Harvard kaum eine Party ausgelassen hast und …«

»Pepper, ich mache mir einfach nur Sorgen um dich.«

Für gewöhnlich mochte ich es, wenn er mich bei meinem Spitznamen nannte, aber diesmal brachte es mich ehrlich gesagt auf die Palme.

»Und ich sorge mich um meine Freundin. Was sagst du nun? Haben wir einen Deal?«

Er schwieg eine ganze Weile und dachte nach. Dann pustete er laut hörbar ins Telefon, was mich zum Schmunzeln brachte, weil ich gewonnen hatte.

»Ich hoffe nur, dass du nicht dasselbe durchmachen musst wie deine Mutter und ich, wenn du eines Tages selbst Kinder hast.«

Jetzt grinste ich breit. »Ich werde ganz sicher nie Präsidentin. Ich liebe dich, Daddy.« Ich strahlte Nicky an und gab ihr mit einem Nicken zu verstehen, dass mein kleiner Erpressungsversuch aufgegangen war.

»Ich liebe dich auch, Pepper. Mehr als du dir vorstellen kannst. Na los, gib mir Mrs. Barrows, ich regle alles.«

2

Der Morgen in Washington war geprägt von allgemeiner Hektik, unendlichem Verkehrsstau und Menschen, die eilig die New York Avenue entlangströmten. Niemand nahm Notiz von mir, während ich in einem Straßencafé saß, vermeintlich in eine Zeitung vertieft, und hoffte, dass meine Kopfschmerzen bald verschwinden würden.

Ich hätte den brünetten Vamp von gestern Abend nicht vögeln sollen. Die kleine Raubkatze war unersättlich gewesen und hatte mich die ganze Nacht wachgehalten. Mir pochte der Schädel; die Schmerztablette wirkte immer noch nicht. Dabei war heute ein wichtiger Tag, und ich sollte wach und ausgeruht sein. Nun gut, ich würde es hinbekommen – es musste einfach klappen.

Ich ließ meinen Blick über die Straße gleiten, registrierte die Bewegungen der Leute und achtete auf jede Kleinigkeit. Das war mein Job, dafür war ich ausgebildet worden. Mein Kopf ratterte, und ich scannte jede Person. Mein Hirn filterte alles und jeden. Meine Sinne waren scharf und präzise. Wieder etwas, womit mein alter Herr recht gehabt hatte. Ein unaufhörlicher Teufelskreis, dem ich nicht entkommen konnte.

In dem kleinen Straßencafé war nicht viel los. Zwei Tische neben mir saß ein Typ und schielte mehrmals ungeduldig auf seine protzige Armbanduhr. Sein Anzug war maßgeschneidert, darunter verbarg er einen dicken Bauch und dunkle Brusthaare, die durch den dünnen Stoff seines Hemdes hindurchschimmerten. Anhand seiner ergrauten Schläfen und der Altersflecken auf den Händen schätzte ich ihn auf fünfundsechzig. An einem Finger trug er einen auffälligen Goldring, und permanent fuhr er sich über sein lichtes Haar. Der Kerl schien reich zu sein, aber als gutaussehend würde ich ihn nicht bezeichnen. Zweimal hatte er aus der Innentasche seines Jacketts ein schwarzes Samtkästchen herausgeholt. In der Sonne hatte der darin enthaltene Diamant gefunkelt. Das schürte meine Neugier, wer seine Verabredung war.

Nervös zappelte er mit seinem Fuß und trieb mich damit in den Wahnsinn. Ich hoffte wirklich für ihn, dass sein Date bald auftauchte. Sonst müsste ich ihm auf unmissverständliche Weise – diskret und unauffällig natürlich – klarmachen, dass keine Frau der Welt es wert war, sich so aufzuführen.

Zu seinem Glück kreuzte kurze Zeit später eine hübsche Blondine auf. Er erhob sich und grinste ihr dümmlich entgegen. Sie war attraktiv und wusste um ihre Wirkung auf Männer. Hüftschwingend und mit einer dunklen Sonnenbrille auf der Nase lief sie direkt auf ihn zu. Doch etwas an ihrer Art zu gehen irritierte mich. Ich war mir nicht sicher, ob es an ihren High Heels lag, sie ein orthopädisches Problem hatte oder an diesem Morgen nicht fit war. Ihr Gang erinnerte mich an Angelique, meinen Dauer-One-Night-Stand.

Blondie nahm ihre Sonnenbrille ab, umarmte und küsste den Lackaffen, als hätte sie ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Ich hätte kotzen können. Auch der Kerl warf sich ihr förmlich an den Hals und gab ihr damit alle Macht – was sie schamlos ausnutzte. Was für ein Waschlappen!

Dennoch war sie eine sehr schöne Frau, auch wenn ihr Make-up alles andere als perfekt saß. Das Zeug, womit die Tussis ihre Wimpern färbten, klebte ihr unter den Augen. Sie sah aus, als hätte sie sich vor dem Zubettgehen nicht abgeschminkt und am Morgen nur eilig die schlimmsten Spuren beseitigt. Ansonsten war sie der Typ, den ich regelmäßig zum Schreien brachte. Ein kurzer Minirock betonte ihre Schenkel, und ein tief ausgeschnittenes Oberteil zeigte ihre wohlgeformten Titten. Ein Tuch bedeckte ihren Hals, und ihr blondes Haar fiel in weichen Wellen über ihre Schultern.

»Entschuldige die Verspätung, Mason. Ich konnte meinen Schlüssel nicht finden. Wartest du schon lange?«, begann sie das Gespräch.

Genau in dem Augenblick, als sie Platz nahmen, verzog sie gequält ihr Gesicht. Es dauerte nur eine Sekunde, doch ich hatte es sofort registriert. Ihrem Kerl war es bestimmt nicht aufgefallen, da er nur Augen für ihr Dekolleté hatte. Schnell setzte sie ein Lächeln auf, um es zu vertuschen, aber vor meinem Blick war niemand sicher. Jetzt konnte ich ihr ›orthopädisches Problem‹ benennen: Die Frau war so was von wund! Nur ein Trottel hätte das nicht bemerkt.

»Nein, mein Hase, ich bin auch erst eben gekommen.« Er küsste ihren Handrücken.

Was für ein Schleimer, dabei hatte er es nicht erwarten können, dass sie endlich auftauchte.

Sie entzog ihm die Hand, nahm aus ihrer Handtasche einen Spiegel und begann sich um ihr ramponiertes Make-up zu kümmern. »Meine Güte, wie sehe ich denn aus? Ich hatte noch nicht einmal Zeit, mich ordentlich zu schminken. Entschuldige bitte, Liebling.«

Er winkte ab. »Mach dir keine Gedanken, du siehst wie immer bezaubernd aus.« Er lächelte ihr zu und übersah das Offensichtliche. »Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich dich vermisst habe.«

Sie blickte über den Spiegelrand hinweg und setzte ein süßes, aber falsches Lächeln auf. »Ich habe dich auch sehr vermisst.«

Widerlich, wie manche Leute sich anschmachteten. Ich trank einen Schluck von meinem Kaffee, um den Würgereiz zu unterdrücken.

»Wie war das Wochenende bei deiner Großmutter?«, wollte er wissen. »Geht es ihr besser?«

Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl umher, und ich hatte den Eindruck, dass sie ganz froh war, etwas vor ihr Gesicht halten zu können. »Äh … ja, sie … erholt sich dank meiner Pflege. Aber erzähl schon, fliegen wir Freitag nach Paris?«

War das zu fassen? Sie log, ohne rot zu werden. Sie hatte ihn nicht mal angesehen, war seinem Blick ausgewichen und hatte sofort vom Thema abgelenkt. Hinter meinen dunklen Sonnengläsern scannte ich die kleine Schwindlerin. Das Früchtchen hatte ein heißes Wochenende mit einem anderen gehabt, während Mr. Wolke-Sieben glaubte, sie hätte hingebungsvoll ihre Großmutter gepflegt. Die Sache fing an, mich zu amüsieren, zumal die Kleine ständig verräterisch an ihrem Halstuch fummelte. Bestimmt verbarg sie dahinter die Spuren ihres Lovers.

Leider blieb er ihr eine Antwort schuldig, da die Kellnerin kam und ihre Bestellung aufnahm.

»Mit einer Lungenentzündung sollte man nicht spaßen. Ich hoffe, du hast dich nicht angesteckt.« Ehrliche Besorgnis drang aus seiner Stimme.

»Wie süß du bist«, säuselte sie. »Du machst dir Sorgen um mich. Mir geht es gut, ich bin nur etwas müde und habe deshalb verschlafen. Und? Was meinst du, wir beide in Paris? Hast du nicht auch Lust?«

»Na gut, wenn du willst, mein Privatflugzeug ist jederzeit bereit.«

Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Großartig! Können wir noch heute fliegen?«

»Dein Wunsch ist mir Befehl.« Er zog sein Handy aus dem Jackett und telefonierte.

Sie sah sich um, als ihr Blick an mir hängen blieb. Ihr Mundwinkel zuckte – ihr gefiel, was sie sah. Sie war interessiert und schien ihren Typen, der immer noch damit beschäftigt war, einen Trip nach Paris zu organisieren, völlig vergessen zu haben. Ich kannte Frauen wie sie. Für Geld verkauften sie sich an einen reichen Kerl, der ihnen jeden Wunsch erfüllte, solange sie die Beine für ihn breit machten. Sie ekelte mich an. Sie spielte mit dem Feuer, und der verliebte Gockel vor ihr tat mir leid – fast.

Ohne mich aus den Augen zu lassen, stand sie auf und beugte sich über den Tisch, um ihm etwas zuzuflüstern. Was für ein Luder! Dann wandte sie sich um und wackelte betont langsam zur Damentoilette, den Blick auf mich gerichtet.

So wie es aussah, wollte sie, dass ich ihr folgte. Normalerweise war ich schnellen Nummern nicht abgeneigt, doch sie stieß mich einfach nur ab. Der Kerl hatte es nicht anders verdient, aber schließlich gehörte ich zu den guten Jungs – meistens zumindest.

Ich zog Papier und Stift aus meiner Jacke und begann zu schreiben:

Ihre Kleine ist zwischen den Beinen wund wie ein Pavianarsch. Sind Sie sicher, dass sie das Wochenende bei ihrer Großmutter verbracht hat? Sie sollten aufmerksamer sein.

Noch bevor sie zurückkam, bezahlte ich meinen Kaffee, stand auf und ließ das Papier beim Vorbeigehen auf seinen Tisch fallen, während er immer noch telefonierte. Es war eine Frage der Zeit, bis er kapieren würde, dass ihm jemand einen Gefallen getan hatte. Langsam mischte ich mich unter die Passanten. Keine zwanzig Sekunden später hörte ich ihn brüllen.

* * *

Äußerlich cool, aber innerlich angespannt saß ich in Director James Murphys Büro und wartete geduldig, bis er meine Akte gelesen hatte und mir seine Aufmerksamkeit schenken würde. Murphy war der Nachfolger meines Vaters, der vor drei Jahren in den Ruhestand gegangen war. Es war ein merkwürdiges Gefühl, Fotos von meinem Dad in seinem Büro zu sehen.

Der Secret-Service-Chef des Weißen Hauses ließ sich Zeit, blätterte in den Unterlagen und warf hin und wieder einen grimmigen Blick über seinen Brillenrand zu mir. Bei meinem Werdegang gab es nichts, was man infrage stellen oder zu meinem Nachteil auslegen konnte. Bis auf eine Winzigkeit. Meine Hoffnungen ruhten darauf, dass diese nicht ganz unbedeutende Kleinigkeit von ihm übersehen oder keine große Rolle spielen würde. Meine Ausbildung und berufliche Entwicklung waren exzellent, und das beigefügte Empfehlungsschreiben kam von höchster Stelle. Es musste einfach klappen.

Endlich räusperte er sich, legte meine Akte beiseite und faltete die Hände. »Sie sind noch sehr jung. Man braucht eine Menge Erfahrung im Personenschutz. Erst recht, wenn es um die First Family geht.«

Ich hatte gehofft, er würde mein Alter übersehen. Mit meinen sechsundzwanzig Jahren wäre ich der jüngste je eingestellte Secret Service Agent im Weißen Haus. »Ich verstehe, Sir, aber für die Sicherheit spielt das Alter keine Rolle. Es kommt auf die Qualität der Arbeit an. Ich bin mehr als qualifiziert für diesen Job.«

»Selbstsicher sind Sie ja, das muss ich Ihnen lassen. Genau wie Ihr Dad.« Murphy nickte zufrieden. »Na gut, Mr. Carter, Sie bekommen Ihre Chance. Allein deshalb, weil Ihr Vater ein Held ist, dem Weißen Haus stets hervorragende Dienste geleistet hat und Sie in seine Fußstapfen treten. Wir können immer gute Leute wie Sie gebrauchen. Schauen wir mal, wie Sie sich entwickeln.«

Ich ballte die Hand zur Faust und verkniff mir einen Kommentar. Ich konnte es nicht leiden, wenn man mich mit den glorreichen Taten meines Vaters verglich. Schon immer hatte seine Karriere wie ein Schatten über mir geschwebt. Ich hatte hart gearbeitet, um dort zu stehen, wo ich jetzt war. Ich wollte es aus eigener Kraft ins Weiße Haus schaffen, nicht weil der aktuelle Chef des Secret Service ein Fan meines Dads war.

»Freuen Sie sich etwa nicht? Sie sind im Team, Carter!«

»Doch, Sir. Ich möchte nur nicht, dass ich die Stelle aufgrund meines Familiennamens bekomme.«

Er lehnte sich zurück und schaute mich ernst an. »Luke, ich weiß, es ist nicht leicht für Sie, aus dem Schatten einer solch großen Persönlichkeit wie der Ihres Vaters hervorzutreten. Er war nun mal jahrelang der Mann, der für die Sicherheit der Präsidentenfamilie zuständig war, und das sehr erfolgreich. Es gibt keinen Grund, Sie nicht einzustellen. Sie sind sauber, ihre Akte ist tadellos, selbst Ihre Leistungen sind außergewöhnlich. Ich würde sagen, Sie sind aalglatt … vielleicht zu glatt.« Er lachte. »Also, nehmen Sie den Job an, auch wenn man Sie ständig mit ihm vergleichen wird. Beweisen Sie sich und uns, dass der Name Carter für Sicherheit und absolute Verlässlichkeit steht.«

Er hatte recht. Mein Vater war über Jahrzehnte hinweg eine herausragende Persönlichkeit und ein Spezialist gewesen, wenn es darum ging, Gefahren früh zu erkennen, um die Zielperson zu schützen. In unserem Haus in Bowling Green bewahrte Dad Unmengen an Auszeichnungen und Orden hinter Glas und an den Wänden in seinem Büro auf. Bei jeder einzelnen kannte ich ihre Geschichte in- und auswendig. Besonders die, als er sich bei einem Attentat in die direkte Schusslinie des damaligen Präsidenten geworfen hatte. Er wurde als Nationalheld gefeiert und geehrt.

Ich lenkte ein und vergaß für einen Moment meinen Stolz. »Danke, Sir. Das ist eine große Ehre für mich.«

Damit hatte ich es geschafft! Endlich war ich genau dort, wo ich seit Langem hinwollte. Ich war nun ein Special Agent beim Secret Service im Weißen Haus und nur wenige Schritte vom Präsidenten entfernt. Ich war am Ziel meiner Träume. Ein Siegeslächeln formte sich auf meinen Lippen.

»Wunderbar. Überstunden und hin und wieder Doppelschichten sind üblich. Ich hoffe, Sie sind darauf eingestellt?«

»Ja, ich bin daran gewöhnt.«

»Sehr gut. Dann wissen Sie auch, dass keine innerbetrieblichen Sachverhalte an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Die Sicherheit unserer Schutzbefohlenen könnte damit in Gefahr geraten.«

»Auch das ist mir bekannt, Sir.« Innerlich grinste ich, denn die Welt sollte nichts über die schlampige Personalpolitik des Secret Service erfahren. »Wann erhalte ich das Sondertraining?«

Er runzelte die Stirn. »Tut mir leid, aber das Training schieben wir schon seit einigen Monaten vor uns her, wir holen das nach. Wenn Sie sonst keine Fragen mehr haben?«

»Nein.«

»Gut, dann teile ich Sie in den Dienst von Ms. Davis alias ›Bluefire‹ ein. Passender Codename, wie ich finde«, sagte er und lachte. »Wie Sie wissen, haben der Präsident und seine Frau ebenfalls vom Secret Service Decknamen bekommen, aber diese spielen jetzt keine Rolle. Ms. Davis studiert in Harvard. Einer ihrer Leibwächter fällt kurzfristig aus, und diesen Platz können Sie besetzen. Mr. Mitchell, der das Büro in Harvard leitet, wird Sie mit allen nötigen Informationen betrauen. Ich werde ihn gleich benachrichtigen. Sie können sich auf den Weg nach Cambridge machen.« Er griff zum Telefon. Das Gespräch schien für ihn beendet.

Wie erstarrt blieb ich sitzen und rührte mich nicht. Ungläubig schaute ich Murphy an und hoffte inständig, er würde mich nur verarschen. Die Sekunden verstrichen, und langsam sickerte die Tatsache zu mir durch, dass ich mich weder verhört hatte, noch dass es sich um einen Scherz handelte. Ich wollte protestieren, brüllte ihn innerlich an, um meiner Enttäuschung Luft zu machen, doch mein Mund blieb verschlossen, und ich presste die Zähne fest aufeinander.

Fuck! Ausgerechnet Leni Davis. Ausgerechnet sie! Jetzt war ich endlich im Team der Präsidentenfamilie und wurde dieser Göre zugeteilt. Dafür hatte ich nicht so hart gearbeitet. Leni Davis – schlimmer konnte es mich nicht treffen. Nicht diese verwöhnte, zickige, unmögliche Schnepfe! Mein Magen zog sich wie eine Geschwulst zusammen, und ich hatte Mühe, meine Verärgerung zu unterdrücken.

»Ist noch etwas, Carter?« Irritiert legte Murphy den Hörer auf.

Mit mir ringend, räusperte ich mich. »Sir, ich dachte, ich würde Mr. Davis direkt …«

Er lachte. »Ja, das denkt ihr Grünschnäbel alle. Wie gesagt, beweisen Sie sich. Ach, und grüßen Sie Ihren Vater von mir.« Damit entließ er mich endgültig.

Frustriert verließ ich das Weiße Haus. Ich musste hier raus, und zwar sofort. Kaum hatte ich das Areal in der Pennsylvania Avenue verlassen, befreite ich mich von der lästigen Krawatte und wählte auf meinem Handy die Wahlwiederholungstaste. »Ich bin‘s. Es ist schiefgelaufen. Ich werde nicht in der Nähe von Thunderbird sein, sondern Bluefire bewachen.«

* * *

Nachdem ich die Enttäuschung einigermaßen verdaut hatte, machte ich mich auf den Weg nach Cambridge, Massachusetts. Eineinhalb Stunden später landete ich, und ein Taxi brachte mich in die Büroräume des vierköpfigen Teams von Leni Davis. Dort empfing mich mein neuer Vorgesetzter, Mr. Mitchell.

»Schön, dass Sie es so schnell einrichten konnten. Bitte nehmen Sie Platz.« Mitchell hatte seine Krawatte gelockert, den ersten Knopf seines Hemdes geöffnet und die Ärmel hochgekrempelt. Ein Vorteil für diejenigen, die in einem Büro tätig waren und mit der praktischen Arbeit nur noch selten zu tun hatten. »Ich nehme an, Director James Murphy hat Sie bereits in die Gepflogenheiten unserer First Daughter eingewiesen?«

»Nein, Sir, hat er nicht.«

Er kramte in einer Schublade. »Dann sollten Sie so schnell wie möglich den Steckbrief von Ms. Davis auswendig lernen. Wo hab ich denn …? Ah, hier.« Er reichte mir ein Blatt Papier mit einem aktuellen Foto von ihr und vielen Informationen. Kurz überflog ich die Daten. ›Bluefire‹ war ihr Codename. ›Tussi‹ hätte es besser getroffen. Ich schmunzelte.

»Sie arbeiten zu viert in je zwei Schichten. In manchen Fällen sind Überstunden nötig, aber das dürfte Ihnen klar sein. Ebenso, dass Sie nicht immer Ihren freien Tag in der Woche in Anspruch nehmen können.«

»Das ist mir bewusst.«

»Steven McLaine leitet Ihre Gruppe. Er wird Sie in alles einweisen. Hier ist die Adresse, wo Sie untergebracht sind.« Er schrieb etwas auf einen Zettel. »Dann auf eine gute Zusammenarbeit, Mr. Carter.« Er reichte mir das Stück Papier und streckte mir seine Hand entgegen.

Ich warf einen Blick darauf und stutzte. »Ich dachte, Ms. Davis wohnt im Studentenwohnheim.«

»Ach so, ja, das hätte ich fast vergessen zu erwähnen. Es gab einen Vorfall, und der Präsident hat beschlossen, dass seine Tochter ab sofort das Penthouse beziehen soll, das er vor einigen Monaten gekauft hat. Sie haben Glück, Carter, Sie dürfen direkt in ein voll ausgestattetes Appartement unterhalb des Penthouses ziehen. Die Harvard-Unterkünfte bleiben Ihnen also erspart.«

Der Grund für diese Entscheidung war nicht schwer zu erraten: das Sex-Video. Selbst im Flieger von Washington nach Cambridge hatten sich die Passagiere darüber unterhalten.

»Danke, Sir. Ein Bett und eine Dusche hätten mir auch gereicht.«

»Nicht so bescheiden, Carter. Wir sorgen gut für unsere Männer, schließlich haben sie eine wichtige Aufgabe.« Er lachte. »Sie können sich auf den Weg machen. Viel Erfolg und willkommen im Team.«

Wir schüttelten uns die Hände.

Ein Taxi brachte mich direkt in die bewachte Appartementanlage. Wie üblich in einer Gated Community gab es Sicherheitspersonal und Kameras. Bevor ich in das Gebäude gelangen konnte, wurden meine Personalien überprüft. Für die Eigentümer, die sich für viel Geld eines der Appartements gekauft hatten, gab es die Luxusausstattung. Ein privater Park, ein Restaurant und eine eigene Wäscherei sorgten für Unabhängigkeit und Privatsphäre. Wer hier wohnte, war reich und genoss – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – die Abgeschiedenheit und den Schutz.

Nachdem ich die Sicherheitskontrollen passiert hatte, durchquerte ich die Empfangshalle und lief zum Portier, der jeden Besucher anmeldete.

»Willkommen, Mr. Carter. Sie werden bereits erwartet.« Der ältere Mann mit grau melierten Schläfen und einem tadellos sitzenden Anzug begrüßte mich freundlich. »Das Appartement ist für Sie bereit. Ich sage Mr. McLane, dass Sie eingetroffen sind.«

Er griff zum Telefon, und ich machte mich auf den Weg. Die Aufzugtüren öffneten sich, und ein Typ mit blondem Haar, in Jeans und T-Shirt, holte mich ab. Er nickte mir zu. »Luke Carter?«

»Ja?«

»Hi, ich bin Steven McLaine. Willkommen im Team.«

»Danke.«

»Wie war die Anreise?« Während wir Small Talk betrieben, führte er mich in mein Appartement. Wie von selbst duzten wir uns, was ihn sehr sympathisch machte.

Die Wohnung war groß, geschmackvoll eingerichtet und hatte eine geniale Aussicht auf Cambridge und den Charles River.

»Solange Ms. Davis studiert, wird das deine Unterkunft sein. Cool, oder?«

Ich sah mich um. »Nicht schlecht, Luxus pur.«

Sie stellten mir ein geräumiges Wohnzimmer, ein Schlaf- und ein Badezimmer sowie eine Terrasse zur Verfügung. So fühlte es sich an, wenn man für den Präsidenten arbeitete.

»Du kannst immer kostenlos im hauseigenen Restaurant essen. Die Reinigung deiner Kleidung wird von der Wäscherei übernommen, und ein eigenes Fitnesscenter gibt es auch. Übrigens, deine Anzüge werden in den nächsten Stunden geliefert. Du findest sie dann im Kleiderschrank.«

»Wie ich sehe, wurde an alles gedacht.«

Ich war überrascht. Mit so viel Ausstattung und Vorzügen hatte ich nicht gerechnet. Mein voriger Job hatte mir all diese Extras nicht geboten. Lag wahrscheinlich aber am Arbeitgeber.

Steven machte es sich auf dem Sofa bequem. Ich setzte mich ihm gegenüber in den Sessel und bediente mich an einer Wasserflasche, die auf dem Tisch stand. Gleich daneben lag eine schwarze Mappe. Er nahm sie blätterte darin herum. »Wow! Deine Referenzen können sich echt sehen lassen. Du scheinst niemand zu sein, der seinen Job auf die leichte Schulter nimmt.«

»Stimmt, sonst wäre ich hier fehl am Platz, oder?«

»Absolut. Ich habe dich für die erste Nachtschicht eingeteilt. Bis dahin kannst du dich noch ein wenig aufs Ohr legen. Hat Mitchell dir den Steckbrief von Ms. Davis gegeben?«

Ich kramte aus meiner Hosentasche das Papier hervor. »Den hier?«

»Genau. Lerne alles auswendig. Und wenn du schlau bist, bekommt Bluefire den Steckbrief nicht zu Gesicht. Das sind unsere internen Informationen, wenn du weißt, was ich meine. Da stehen ein paar Sachen über sie, die ihr nicht gefallen dürften, aber hilfreich für jeden Agent sind.« Er grinste.

Ich zog die Augenbrauen hoch, faltete den Wisch auseinander und las. Bei den Beschreibungen ›eigenwillig, naiv, launisch, unkooperativ, impulsiv‹ musste ich ein Schmunzeln unterdrücken.

»Genauso hatte ich mir sie vorgestellt. Man hört ja wirklich nicht viel Gutes«, murmelte ich mehr in Gedanken und legte den Steckbrief auf den Tisch.

»Tja, sie ist schon sehr speziell, aber ich mag sie, auch wenn sie uns manchmal mit ihren Verrücktheiten ziemlich auf die Nerven geht.«

»Davon habe ich gehört. Ich kann nicht behaupten, dass ich hocherfreut war, ausgerechnet in ihren Dienst zu treten, aber ich werde mein Bestes geben.«

»Gut. Es gibt nur ein paar wenige Regeln, an die sie sich halten muss: Sie darf nirgends ohne uns hin – dabei sollten wir ihre Privatsphäre respektieren, so gut es geht. Das heißt, wenn du das Gefühl hast, dass keine Gefahr droht, kannst du den Abstand zu ihr um ein bis zwei Meter vergrößern. Das kannst du jeweils selbst einschätzen.«

»Okay.«

»Ach, und was ihre eigenen vier Wände betrifft, darf sie schalten und walten, wie sie möchte. Einzig die Dachterrasse ist ohne uns tabu. Wir haben dort Kameras installiert, die auch den Luftraum überwachen.«

»Ja, das dachte ich mir.«

Aus seiner Mappe entnahm er weitere Unterlagen. »Neben den üblichen täglichen Drohungen werden seit einiger Zeit Briefe an sie geschickt, auf die wir ein besonderes Augenmerk haben. Director Murphy hat Alarmstufe Rot gegeben, und das FBI ermittelt in alle Richtungen.«

»Um welche Art Bedrohung handelt es sich?«

»Seit ein paar Monaten kommen immer wieder Briefe ohne Fingerabdrücke und Spuren. Das Labor hat leider nichts Brauchbares gefunden. Anfangs waren es lediglich kleine Liebeserklärungen, aber jetzt wurde der Typ mit seinen letzten Nachrichten konkreter. Er scheint wütend auf sie zu sein, wegen ihrem Freund Jim Henderson. In diesem Brief hier schreibt er deutlich, dass er den Kerl nicht ausstehen kann. Er kennt ihre öffentlichen Termine und könnte sich somit auch immer in ihrer Nähe aufhalten. Das sind die Kopien, die uns der Profiler überlassen hat.« Er reichte mir mehrere Schriftstücke.

»Und warum sagt man die Auftritte nicht einfach ab?«

»Das wäre uns allen auch am liebsten, aber Bluefire will sie wahrnehmen und sich nicht einschüchtern lassen.«

Die Kleine hatte Arsch in der Hose, das musste ich ihr lassen. Die wenigsten Prominenten hätten so viel Mumm gehabt, sich bei der Gefahrenlage der Öffentlichkeit zu stellen. Dennoch konnte sie ein winziger Fehler ihr Leben kosten.

»Eigentlich sind das harmlose Liebesbriefe, aber man weiß nicht, was dahintersteckt.«

Ich warf einen Blick darauf. Der Kerl war offensichtlich schwer verliebt in die Präsidententochter. Schmalzige Zeilen, in denen er sie wie eine Königin verehrte. Widerlich, so was.

Im unteren Viertel des Briefes hatte er von Hand eine filigrane Krone skizziert. Der Typ schien talentiert zu sein. Ich las die Zeilen und stutzte. »Er schreibt, dass er ihr immer nahe ist?«

»Genau. Wir gehen davon aus, dass er ihr nachstellt. Zumindest muss er sich an den Orten aufhalten, an denen sie auch ist, beziehungsweise war.«

»Scheiße«, entfuhr es mir, weil mir klar wurde, was das bedeuten konnte.

»Du sagst es. Allerdings sind es bisher nur Schwärmereien, und nichts deutet auf eine Drohung oder auf ein geplantes Gewaltverbrechen hin.«

»Noch nicht.« Solche Psychotypen waren immer ein Risiko. Ich sah sie als tickende Zeitbomben. So schnell wie möglich musste der Kerl gefunden werden. »Was ergab das Labor?«

»Nicht viel. Er scheint sein Handwerk zu verstehen. Keine DNA, keine Fingerabdrücke, nur diese Krone als sein Zeichen. Wir tappen im Dunkeln, was es mit der Zeichnung auf sich hat. Einzig der Bleistift konnte analysiert werden, aber den kann man überall in den Staaten kaufen. Es gibt nicht viele Anhaltspunkte, eben nur, dass er sie ›seine Prinzessin‹ nennt und ziemlich gut zeichnen kann.«

»Weiß sie darüber Bescheid?«

»Ja. Wir haben auch ihren Vater informiert, und deshalb gab es einige Diskussionen.«

»Inwiefern?«

»Bluefire hält ihn für einen harmlosen Spinner, während Thunderbird sie am liebsten ins Weiße Haus verfrachten würde.«

»Verstehe.«

»Sie hat eben ihren eigenen Kopf, deshalb hat sie einen Deal mit ihm ausgehandelt. Sie darf im Studentenheim bleiben, fliegt aber jedes Wochenende nach Hause. Allerdings hat sich das nun auch erledigt. Durch das Streaming-Video wohnt sie jetzt hier.«

»Was ist mit den beiden Darstellern vom Film? Gibt es eine Verbindung zwischen ihnen und den Briefen?«

»Das überprüfen wir gerade noch, aber wenn du meine Meinung hören willst, dann glaube ich das nicht. Die zwei von dem Video sind Harvardstudenten und waren sehr geständig beim Verhör. Es ging um eine harmlose Wette unter den Hochschülern. Sie sitzen noch in Untersuchungshaft und werden rund um die Uhr verhört.«

Nachdenklich rieb ich mir das Kinn. »Und wie ist unsere Vorgehensweise?«

»Ganz einfach: Augen und Ohren offenhalten. Aber kein Grund zur Panik. Solange ihr nichts geschieht und wir die Lage im Griff haben, ist alles in Ordnung. Okay, du wirst dich etwas ausruhen wollen, bevor deine Schicht beginnt.« Er schloss die Mappe und erhob sich. »Dann lebe dich gut ein. Wir sehen uns später.«

McLane schien ein netter Typ zu sein. Die Nachtschicht, die er mir aufgebrummt hatte, gehörte zwar nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, aber es war normal, als Neuling erst mal die beschissensten Dienstzeiten zu bekommen. Ich duschte und packte meine Sachen aus. Später im Bett nahm ich den Steckbrief von Leni Davis und begann mir die Details einzuprägen.

3

»Wow! Das ist ja der Hammer!« Nicky klappte der Mund auf, als wir das Penthouse betraten. Voller Begeisterung sah sie sich in unserem neuen Zuhause um. Mehrere Schlafzimmer, ein riesiges Wohnzimmer, eine komfortable Küche und eine Wahnsinnsaussicht über Cambridge gehörten für die nächsten Monate uns.

Ich stand am Panoramafenster und schaute auf die Stadt. Es dämmerte bereits, und die Lichter erhellten die Straßen. Die Abendsonne tauchte die Skyline in ein wunderschönes Rot und Orange. Ich liebte diese Abendstimmung.

Mr. Mitchell hatte den Umzug persönlich bewacht und organisiert. Die Gerüchteküche brodelte, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Presse herausfand, wo wir untergetaucht waren. Ich konnte nur hoffen, dass das in ein paar Tagen Schnee von gestern sein würde.

»Ihre Bodyguards sind ein Stockwerk tiefer untergebracht. Der neue Mann wird die Nacht direkt vor Ihrer Tür verbringen, und ein weiterer unten in der Lobby.« Mr. Mitchell räusperte sich. »Ich möchte Sie freundlichst daran erinnern, dass Sie bitte nicht ohne uns auf die Dachterrasse gehen. Die Gefahr eines Angriffs ist …«

»… ist einfach zu groß, ich weiß. So wie Sauerstoff, Tageslicht und Sonne giftig für mich sein könnten.«

»Ms. Davis, ich mache nur meinen Job.« Mitleidig schaute er mich an, und ich mäßigte meinen Sarkasmus. »Ich weiß, war ja auch nicht gegen Sie persönlich gerichtet.«

»Schon gut. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

»Danke, Mr. Mitchell. Das wäre dann alles.«

Mit einem Nicken verließ er das Appartement. Erleichtert atmete ich auf, als Nicky und ich endlich allein waren.

»Eine Dachterrasse?« Nicky setzte sich auf das riesige Sofa.

»Ja.« Ich deutete auf eine unscheinbare Tür im Wohnzimmer. »Da oben. Ich habe sie nur einmal gesehen, als mein Dad und ich das Penthouse besichtigt haben.«

»Und wieso darfst du da nicht rauf? Ich meine: wie geil, eine Dachterrasse!«

»Weil es ein Risiko birgt, wenn ich allein oben bin. Selbst im Weißen Haus darf ich nicht ohne Begleitung und Vorankündigung aufs Dach, obwohl sie dort besser ausgestattet sind als auf einem Kriegsschiff.«

»Sie haben wirklich große Angst um dich, was?«

»Was glaubst du, wie viele Männer das Leben meines Vaters schützen? Ich habe vier direkte Bodyguards, er mehr als zwanzig.«

»Wahnsinn!«

»Ja, und das ist nur der enge Kreis.«

»Und es ist wirklich kein Problem, wenn ich mit dir hier wohne?« Sie saß auf dem Sofa, zog die Beine an, schob eine lange blonde Haarsträhne hinters Ohr und schaltete den Flachbildfernseher ein.

»Nein, mach dir keine Gedanken. Fühl dich wie zu Hause.«

Dankbar lächelte sie und klopfte mit der Hand auf den freien Platz neben sich. »Danke, dass du das heute für mich getan hast. Ich wüsste nicht, wie ich meinen Eltern einen Rausschmiss hätte erklären sollen.«

Ich setzte mich zu ihr und streifte mir die Schuhe von den Füßen. »Du weißt, dass ich Ungerechtigkeiten nicht leiden kann. Außerdem konnte ich doch nicht zulassen, dass meine beste Freundin von der Uni fliegt.«

»Mein Dad wäre durchgedreht.«

»Manchmal ist es eben ganz hilfreich, wenn der Vater der Präsident der Vereinigten Staaten ist.«

»Oh ja, das kann ich bestätigen.« Sie grinste. »Ich muss Sandy schreiben, dass alles in Ordnung ist. Sie macht sich sicher mega Sorgen.« Sie begann in ihr Handy zu tippen.

»Gute Idee. Ich sollte auch ein paar Leuten sagen, dass es mir gutgeht.«

Auf meinem Handydisplay überflog ich die Benachrichtigungen. Neben Sandy und Fred hatten eine Menge Leute das Video gesehen. Hundertzweiunddreißig Nachrichten und tausende Kommentare bei Twitter, Facebook sowie Instagram hätten dafür gesorgt, dass ich noch am nächsten Morgen mit Lesen beschäftigt gewesen wäre. Ich überblätterte die Nachrichten und entdeckte eine von Jim. An meinem Daumennagel knabbernd, öffnete ich sie.