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Any Cherubim

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Beschreibung

Durch Zufall kreuzen sich die Wege von John und Maggie – zwei Menschen, deren Welten sich niemals überschneiden dürften. Doch als sie es tun, können die beiden das Feuer, das in ihnen brennt, nicht ignorieren … Maggie Riley ist Mutter mit Leib und Seele und kämpft für ihre kleine Familie. Doch von ihrem Ehemann und Vater ihrer zwei kleinen Mädchen verlassen zu werden, war nicht das, was sie sich vom Leben erhofft hat. Auch der erdrückende Schuldenberg, eine Tante, die sich seltsam verhält, und die rebellische Phase ihrer Tochter Bonnie lasten schwer auf ihren Schultern. Als Bonnie ausreißt und Maggie sie findet, ist das Mädchen nicht alleine. Bei ihr ist ein schwer verletzter und bewaffneter Mann: John Dawson. Maggie weiß sofort, dass er dem gefürchteten Donatelli-Kartell angehört und überall von der Polizei gesucht wird. Sein Leben ist düster, einsam und voller Gewalt. John erpresst Maggie, die den attraktiven Mafioso daraufhin gezwungenermaßen gesund pflegt. Als sie ihn endlich los zu sein scheint, geraten die Dinge so schnell aus dem Ruder, dass nicht nur Maggies Leben in Gefahr schwebt … Der spannende Auftakt der neuen Dilogie von Bestsellerautorin Any Cherubim. Der zweite Band erscheint am 08.09.2022.

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If You Fall

If You

Any Cherubim

Für AnjaSchulter an Schulter ...und Schwestern für immer ...

1

John

Es ist viel zu ruhig. Ich spüre ein Pulsieren in der Magengegend, was kein gutes Zeichen ist. Langsam lasse ich meinen Blick über die Landstraße schweifen, vorbei an den Korn- und Maisfeldern und durch den Wald hinter mir. In der ländlichen Gegend müssten die Vögel zwitschern, die Grillen zirpen oder der Wind in den Bäumen rauschen, doch ich höre nur meinen eigenen Herzschlag. Diese verfluchte Stille und dieses Gefühl, das einfach nicht verschwinden will, machen mich noch verrückt.

Selbst Ray ist nervös. Ungeduldig tippt er auf sein Handy.

»Verdammt, John! Hier gibt es nicht mal Empfang. Wo zum Teufel hast du uns hingeführt?«, murrt er und streckt suchend sein Smartphone gen Himmel.

»Krieg dich wieder ein, Ray! In einer Stunde sitzen wir in der Casino-Bar und lassen uns von vollbusigen Weibern kalte Drinks servieren.« Malcolm lädt seine Waffe und zielt auf einen imaginären Punkt in der Ferne, während die anderen Männer die Straße im Blick halten.

Nur Iron lehnt in seinem teuren Designer-Anzug lässig gegen seine Limousine und spielt nachdenklich mit seinem Butterfly. Er beobachtet mich. Schon lange bin ich ihm ein Dorn im Auge. Er wartet nur darauf, dass ich einen Fehler mache. Wir sind Konkurrenten, weshalb ich ihm nicht trauen darf. Er weiß, dass der Deal, den ich eingefädelt habe, unserem Boss mehr Macht verschafft und dieser Coup mich an die Spitze des Kartells katapultieren wird. Das könnte bedeuten, dass Donatelli mir sein Vertrauen schenkt, ich fortan die Männer befehlige und das Sagen hätte. Iron würde in der Hierarchie unter mir stehen, und damit hat der Scheißkerl ein Problem. Nicht nur ihm wird das nicht schmecken. Je höher ich in der Gunst von Toni Donatelli steige, desto mehr Feinde habe ich. Selbst in den eigenen Reihen.

Das dumpfe Gefühl ist nicht bloß wegen Iron so stark. Klar, ihn muss ich besonders im Blick behalten, ebenso die Männer, die ihm treu ergeben sind – Ray, Leon und Maron, aber auch die Charlton-Brüder, mit denen wir zukünftig Geschäfte machen wollen.

»Hey John, hast du dicke Eier, weil Kitty dich heute Nacht nicht rangelassen hat, oder was ist los?«, raunt Billy mir zu.

Der Junge nimmt mit seinen kaum achtzehn Jahren den Mund mal wieder zu voll. Er ist der Sohn vom Boss, und selbstverständlich hat Iron mir die lästige Aufgabe des Kindermädchens aufgehalst. Ausgerechnet ich habe den schwierigen Auftrag, aus dem zarten und sanften Kind einen harten und abgebrühten Soldaten für das Kartell zu machen. Was bedeutet, dass ich für die Nervensäge verantwortlich bin und für all seine Fehltritte den Kopf hinhalten muss.

Der Junge klebt wie Kaugummi an mir und scheint einen Narren an mir gefressen zu haben. So genervt ich von ihm bin und so ungern ich das zugebe, aber ich mag den Bengel … irgendwie. Er ist naiv, ja beinahe unschuldig, hat keinen Plan, wie gefährlich und unbarmherzig sein zukünftiges Leben sein wird. Er ist wie ein Welpe, der nur Unsinn im Kopf hat – verspielt und treudoof. Er ist weder kaltblütig, hinterlistig, noch hat er irgendeinen Tropfen Gangsterblut in seinen Adern. Er scheint wohl mehr nach seiner Mutter zu kommen. Bislang besitzt er genug Empathie und Blauäugigkeit, was ich ihm austreiben soll. Deshalb haben ihn unsere Männer als verwöhntes Weichei abgestempelt. Er ist intelligent und hat es irgendwie geschafft, sich ein reines Herz zu bewahren. Der Sprössling vom Boss ist das Gegenteil von dem, was hinter dem Namen Donatelli steckt. Kaum vorstellbar, dass jemand wie er eines Tages das Kartell leiten soll. Ich wünschte, sein Vater hätte andere Pläne für ihn.

Ich nehme das Streichholz aus meinem Mundwinkel und verbiete mir ständig darüber nachzudenken, wie ich dem Boss klarmachen soll, dass sein Sohn einfach keine Gangstergene besitzt. »Ich bin konzentriert. Wie ist es mit deiner Freundin gelaufen?«

Er grinst dümmlich und rückt noch näher, um sicherzustellen, dass nur ich ihn höre. »Ich habe es so getan, wie du vorgeschlagen hast. Erst habe ich sie in ihr Lieblingsrestaurant ausgeführt, nach dem Dinner sind wir zum See, und am Ufer habe ich ihr den Antrag gemacht.«

»Und wie ist ihre Antwort ausgefallen?«

»Sie hat Ja gesagt«, verkündet er glücklich. »Oh Mann! Ich hätte nicht gedacht, dass sie mich wirklich heiraten will.«

Großer Gott, ich auch nicht. Eigentlich habe ich gehofft, dass das Mädchen mehr Grips im Hirn hat und ihn zum Teufel schickt. Aber dem ist wohl nicht so, und jetzt habe ich ein weiteres Problem an der Backe.

»Meinen Glückwunsch«, gebe ich zerknirscht von mir. Keine Frau sollte sich mit einem Donatelli einlassen. Weiß die Göre denn nicht, dass sie mit dem Feuer spielt?

»Du wirst natürlich mein Trauzeuge«, verkündet Billy stolz.

Auch das noch! Wieso war ich so dämlich und habe ihm Tipps gegeben? Sein Vater wird mich umbringen, wenn das herauskommt.

Billy schaut sich nach den Männern um.

»Wir werden abhauen und uns in Las Vegas trauen lassen«, flüstert er mir ins Ohr.

Das darf doch nicht wahr sein. »Das wird deinem Vater aber nicht gefallen.«

Er zuckt mit den Schultern. »Er wird sich irgendwann an den Gedanken gewöhnen.«

Wohl kaum. Der Mann hat andere Vorstellungen, und niemand stellt sich einem Donatelli in den Weg.

»Deshalb … brauche ich einen Verbündeten, jemanden, von dem mein Vater eine gute Meinung hat. Und die hat er von dir. Er hält große Stücke auf dich, John. Ich bin sicher, dass du ihn besänftigen kannst. Du hilfst mir doch, oder?«

Verdammter Mist! Diesmal habe ich mir wirklich selbst ans Bein gepinkelt. Ich schüttle den Kopf. »Wie stellst du dir das vor? Ich habe dir neulich schon gesagt, dass du noch viel zu jung fürs Heiraten bist, und außerdem hast du mich dazu gedrängt, dir Tipps für den Antrag zu geben. Ganz freiwillig habe ich das nicht getan.«

»Aber wir wollen für immer zusammen sein. Jetzt und nicht erst, wenn ich älter bin. Unsere Hochzeit wird …«

Während Billy mich mit seinen Plänen zutextet, schweifen meine Gedanken ab. Hochzeiten sind schrecklich! Ewiges Geschwafel, bis einem der Schmalz aus den Ohren rinnt und … Ich denke an damals zurück, an den Tag, der sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt hat und den ich niemals vergessen werde.

10 Jahre zuvor

Die Kirchenbänke sind bis auf den letzten Platz gefüllt, und alle warten gespannt auf die Braut. Ich sehe zu Mom, die in der vordersten Reihe neben meinem Vater sitzt und sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augenwinkeln wischt, obwohl die Zeremonie noch nicht begonnen hat. Dad grinst und tätschelt ihr beruhigend die Hand. Es ist stickig in der Kirche. Der Kragen meines Hemdes sitzt zu eng, und ich wünschte, wir könnten schon jetzt zum geselligen Teil der Veranstaltung übergehen. Dann würde ich mir eine Flasche Whiskey abgreifen, mich mit einem hübschen Mädchen zurückziehen und feiern. Nervös tupft sich mein Bruder den Schweiß von der Stirn. Ich muss grinsen. Er ist angespannt und völlig übernächtigt. Kurz überlege ich, wie ich ihn dazu bringe, lockerer zu werden.

»Pst … Idiot …«, flüstere ich.

Er wendet sich mir zu. »Was?«

»Noch ist es nicht zu spät. Dort beim Hinterausgang winkt die Freiheit. Ich lenke die Leute mit irgendeiner Gesangseinlage ab, und du kannst flüchten. Ein Wort genügt, und wir türmen.«

Logan grinst. Er und Sarah sind schon so lange ein Paar, und sie werden eine genauso harmonische Ehe führen wie unsere Eltern.

»Danke für das Angebot, Kumpel, aber nein. So guten Sex bekomme ich nur von meiner Süßen.«

Der Priester, der unsere kleine Unterhaltung mitbekommen hat, räuspert sich und mustert uns streng. »Das habe ich überhört, meine Herren.«

Wir lachen.

»Na gut«, ich seufze gespielt, »beschwer dich aber später nicht.«

»Tue ich nicht und falls doch …« Kurz hält er inne und sieht mir fest in die Augen. »Schulter an Schulter …«, zitiert er und wartet, bis ich den zweiten Teil unseres Spruches sage, der uns seit der Kindheit verbindet.

»Und Brüder für immer«, ergänze ich und bin ergriffen von dem Moment. Gerührt presse ich die Lippen aufeinander. Es fühlt sich wie Abschied an, dabei weiß ich, dass ich mit Sarah eine großartige neue Schwester bekomme und einen noch besseren Bruder. Sie macht aus Logan den besten Menschen, den es gibt. Die beiden gehören einfach zusammen.

Er lächelt mich an und nickt. »Verdammt richtig, Mann! Brüder für immer. Ich liebe dich, Schwachkopf!«

Ich grinse. »Ich dich auch, du Arsch.«

Wir ignorieren den Pfarrer, der uns ermahnt, in seinem Gotteshaus Schimpfwörter zu unterlassen, und umarmen uns. Er versteht die besondere Verbindung nicht, die Logan und ich haben. Wir sind mehr als nur Brüder. Wir sind ein Team und immer für den anderen da, egal wie viele Kilometer uns trennen. Er ist mein bester Freund, mein Vorbild und der Mensch, dem ich am meisten vertraue.

Die Musik setzt ein, und wir hören, wie die Gäste sich erheben. Die Braut kommt. Logan löst sich von mir und schaut den Mittelgang hinunter. Es ist das erste Mal, dass ich Tränen in seinen Augen schimmern sehe. Damit werde ich ihn die nächsten Jahre aufziehen.

»Flennsuse!«

Er kichert.

Sarah kommt langsam auf uns zu. Sie sieht umwerfend aus, in dem Fummel in Weiß. Der Priester beginnt mit seiner Predigt, und ich kann es kaum erwarten, bis wir den kirchlichen Teil hinter uns haben. Mit gerade zwei Stunden Schlaf bin ich einfach nicht fit genug, um den Worten des Gottesmannes aufmerksam zuzuhören. Die Sommerhitze in dem hochgeschlossenen Anzug und die gestrige wilde Junggesellenfeier machen mir zu schaffen.

Während Logan endlich zur Sache kommt, Sarah den Ring an den Finger schiebt und ich meinen Gedanken nachhänge, bricht plötzlich die Hölle los …

»Es geht los. Die Charlton-Brüder kommen«, höre ich Sanders' Stimme aus dem Funkgerät und tauche aus den Erinnerungen auf. Billy unterbricht seinen Monolog, und mein seltsames Bauchgefühl verstärkt sich. Fuck! Wir hätten den Jungen nicht mitnehmen dürfen. Falls es schiefläuft und die Charltons uns aufs Kreuz legen, ist er in Gefahr.

»Bleib in meiner Nähe«, ermahne ich ihn. Gehorsam tritt er hinter mich.

Iron stößt sich von der Limousine ab, kontrolliert seine Waffe und steckt sie sich in den Hosenbund.

»Pass auf den Scheißer auf, John«, befiehlt er. Die anderen verteilen sich schützend am Transporter und warten auf die Ankunft unserer neuen Geschäftspartner.

Meine Sinne sind geschärft, achten auf jede Kleinigkeit, während die Wagen auf uns zukommen. Die angespannte Stille ist kaum zu ertragen, auch meine Waffe kann das nervöse Pulsieren in meinen Eingeweiden nicht lindern. Ich bin mir fast sicher, dass das nichts mit den Charlton-Brüdern zu tun hat. Deshalb lasse ich meinen Blick noch einmal über die Umgebung schweifen. Ich konzentriere mich auf das Kornfeld direkt vor uns. Haben unsere Männer wirklich alles gecheckt? Vielleicht sollten wir die ganze Sache abblasen. Dieser Ort ist zwar einsam, und kaum ein Auto kommt hier vorbei, doch mein Instinkt sagt mir etwas anderes.

Die Limousinen halten, Männer steigen aus und schauen sich um. Erst als sie der Meinung sind, dass es sicher für ihre Arbeitgeber ist, öffnen sie die Wagentüren. Die Bosse reichen sich zur Begrüßung die Hände und beginnen ein Gespräch.

Gerade als unsere Leute die Tür des Transporters aufschieben, um den Brüdern die Ware zu zeigen, weiß ich, dass wir in eine Falle getappt sind.

»Iron …«, rufe ich und will ihn warnen, doch genau in dem Moment dringt plötzlich eine Polizeisirene aus einem Lautsprecher vom Feld.

»FBI. Waffen fallen lassen. Ergeben Sie sich, Sie sind umstellt.«

Dann geht alles rasend schnell. Irgendjemand eröffnet das Feuer, und wildes Chaos bricht aus. Sofort springe ich hinter einen Felsen und ziehe den Knirps mit mir.

»Unten bleiben!« Mein Herz rast. Überall fliegen Kugeln.

Fuck! Wir sitzen in der Falle.

»Scheiße, John. Was ist hier los?«, brüllt Billy. »Woher wussten die Bullen davon?«

»Keine Ahnung.«

Ich wage einen Blick hinüber zum Transporter, wo Iron und unsere Männer die Beamtenfront am Feld beschießen. Drei Leute liegen bereits tot auf dem Boden, und es gibt einige Verletzte. Auch die Charlton-Brüder feuern unablässig und versuchen, hinter ihren Autos in Deckung zu bleiben.

Ich muss den Bengel hier irgendwie rausholen. Verdammt! Billy ist zu jung, um zu sterben. Hektisch schaue ich mich um und sehe nur die Chance, durch den Wald zu flüchten. Auch wenn sie nur gering ist.

»Wir müssen fliehen«, sage ich zu ihm mit einem Nicken in Richtung der Bäume hinter uns.

Ängstlich drückt sich Billy fest gegen den Felsen. »Nein! Das ist Selbstmord. Wir sollten uns ergeben. Mein Vater hat Anwälte, die holen uns raus.«

»Falls wir den Kugelhagel überstehen, ist im Transporter so viel explosive Munition, dass der jeden Moment hochgehen könnte. Wir müssen hier weg. Wenn unsere Leute schießen, rennst du, so schnell du kannst, in den Wald. Verstanden?«

»Nein! Ich –«

»Tu, was ich dir sage, verdammt!« Kurz werfe ich einen Blick über den Felsen. Der Zeitpunkt ist gekommen. Als die Polizei ihre Waffen nachlädt, geht ein Kugelhagel von unseren Leuten auf sie nieder. »Jetzt! Lauf, Billy! Ich bin direkt hinter dir.«

Erst zögert er, rennt dann aber los. Ich folge ihm in den Wald, bin ihm dicht auf den Fersen. Er ist schnell, doch nicht schnell genug. Mit einem Aufschrei stolpert er und fällt. Ich renne an ihm vorbei, als ich zu spät registriere, dass er getroffen wurde. Ich schaue zurück, er windet sich, schleppt sich einige Meter über den mit Gras bewachsenen Waldboden und bleibt liegen.

Was soll ich tun? Diese Entscheidung wird mir genommen. Pistolenschüsse werden in meine Richtung abgefeuert, und als hätte mein Instinkt mich nicht vor ihm gewarnt, straft er mich jetzt Lügen. Iron taucht neben dem verletzten Jungen auf, der immer noch jammert. Er richtet seine Waffe auf ihn und drückt ab, während im Hintergrund der Kugelhagel nicht nachgelassen hat.

Ich bin wie erstarrt. Er hat einfach den Donatelli-Sprössling erschossen. Ich wusste, dass er es auf den Jungen abgesehen hat. Dann hebt er seine Pistole, zielt auf mich und kommt näher.

»Wie sagt man? Hasta la vista, Baby«, knurrt Iron und schießt. Ich spüre einen donnernden Schmerz im Bauch und kurz darauf in meinem Bein. Brüllend falle ich rückwärts eine Böschung hinunter, überschlage mich und höre eine gewaltige Explosion, bevor die Welt um mich herum schwarz wird. Das war es also. So werde ich sterben. Was für ein beschissener Abgang.

2

Maggie

 

 

Dicke Tränen rollen über Bonnies Wangen. Ihr Kinn zittert, und rote Flecken haben sich auf ihrem Hals gebildet.

»Ich werde mich nicht bei Ashley Simons entschuldigen«, keift sie mich wütend an, stampft dann die Treppen nach oben und knallt die Kinderzimmertür zu. Tante Edda hebt eine Braue und sieht mich mit einer Mischung aus Bedauern und Belustigung an.

Ich schließe die Augen und zähle im Stillen bis zehn, denn sonst schreie ich oder bin im Stande, auch weinend in mein Schlafzimmer zu stapfen.

»Tief einatmen, Maggie. Das ist erst der Anfang. Warte ab, bis sie in die Pubertät kommt.« Edda grinst, und ich ahne, dass gleich der Satz folgt, dass Bonnie mir in vielen Dingen so ähnlich ist. Ich war nicht so stur, eigensinnig und impulsiv, oder etwa doch? Ich weiß es nicht mehr, aber großer Gott! Wie soll ich das aushalten?

Notiz an mich: Googeln, wie lange die Pubertät dauert und wie man sich gegen zickige Anfälle der eigenen Brut wappnen kann. »Sie kann nicht ein anderes Kind ohrfeigen«, verteidige ich meine Einstellung. »So habe ich sie nicht erzogen. Wieso verhält sie sich so?«

»Ich würde sagen, sie vermisst ihren Vater.«

Seufzend fahre ich mir durch die Haare und ahne, dass Edda recht hat, aber Miles hat sich nun mal gegen uns entschieden. Noch immer steigt mir der Gallensaft auf, wenn ich an den Tag seiner Entscheidung zurückdenke. Denn mit seinem Egotrip hat er alles kaputtgemacht. Er hat uns einfach eingetauscht für ein Leben voller Aufregung und Unabhängigkeit. Dafür hasse ich ihn. Es gab seither nur wenige Telefonate. Nicht mal an Weihnachten hat er es für nötig gehalten, seine Töchter zu sehen.

»Kannst du auf Eli achtgeben? Ich rede mit ihr.« Ich deute zu der Kleinen, die ihre Puppen mitten im Wohnzimmer auf eine Decke gesetzt hat und ein Kaffeekränzchen hält.

»Natürlich, geh nur. Mach ihr klar, dass sie auf ihren heiligen Dad wütend sein soll und nicht auf den Rest der Welt«, ruft Tante Edda mir hinterher. Darauf erwidere ich nichts, denn mein Tantchen vergisst, dass Bonnie zwar für ihre sieben Jahre ziemlich weit ist, aber von ihrem Vater verlassen wurde und Schwierigkeiten hat, mit seiner Zurückweisung umzugehen.

Aus Bonnies Zimmer dringt leises Schluchzen, und mein Herz bricht bei den Geräuschen. Schon länger weiß ich, dass sie unglücklich ist, und ich versuche wirklich alles, um unser Leben so harmonisch wie möglich zu gestalten. Es ist nur nicht so leicht, wie ich mir das vorgestellt habe. Zu erdrückend sind die Geldsorgen, die ständigen Ausbesserungsarbeiten am Haus bringen mich an die Grenzen meines handwerklichen Geschicks, und meine Ersparnisse gehen langsam zur Neige. Manchmal schwirrt mir der Kopf, weil ich das Gefühl habe, der Tag kann nicht genug Stunden haben, um alles zu erledigen, was ansteht.

Zaghaft klopfe ich gegen die Tür und trete ein. Bonnie ist in ihrem Bett, hat ihr Gesicht tief ins Kissen gegraben und weint. Beinahe stolpere ich über ihren Wasserfarbkasten und die Pinsel, die vor dem Eingang verstreut liegen. Um ihre Kunstwerke mache ich einen Bogen und hebe ihre Klamotten auf dem Weg zu ihr auf. Dieses Kind kann einfach keine Ordnung halten. Das war früher auch mal anders.

Ich setze mich an den Bettrand und streiche schweigend über ihr blondes, langes Haar. Bonnie ist ein Papa-Kind, und ich kann ihr den Schmerz über den Verlust nicht nehmen. In letzter Zeit schaffe ich es noch nicht mal, ihn zu lindern. Ganz im Gegenteil. Sie ist bockig, launisch und redet nicht viel. Manchmal frage ich mich, wo mein kleines, fröhliches Mädchen hin ist. Der morgige Ausflug zum Sommerfest wird uns allen daher guttun.

»Willst du mir erzählen, was genau Ashley gesagt hat, dass du so reagiert hast?«

Es dauert ein paar Sekunden, bevor ihre Tränen versiegen und sie sich zu mir dreht. Ihr Gesicht ist gerötet und ihre Augen vom Weinen verquollen. Sie zieht die Nase hoch und schluckt. »Sie sagte, dass Dad abgehauen ist, weil er es mit uns nicht mehr ausgehalten hat. Und sie hat Eli und mich ›Scheidungskinder‹ genannt.«

Erneut kullern Tränen über ihre Wangen, die ich mit den Fingern wegwische.

Kinder können grausam sein, besonders die verwöhnte Ashley Simons. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm, heißt es, und in diesem Fall scheint das Sprichwort zuzutreffen. Ashleys Mutter und ich waren nie Freundinnen und werden es in diesem Leben auch ganz sicher nicht werden. So wie es jetzt bei unseren Töchtern ist. Ich kann nachvollziehen, dass Bonnie ihr eine gezimmert hat. Das hätte ich wahrscheinlich auch getan. Ein klein wenig schmunzle ich in mich hinein, doch das verberge ich, so gut ich kann, schließlich will ich meinen Mädchen beibringen, dass Gewalt niemals eine Lösung ist.

Ich seufze und nicke. »Das war fies. Ich wäre auch wütend geworden, aber du hättest sie nicht schlagen dürfen.«

»Sie hat es aber verdient«, gibt sie grimmig von sich.

Ja, vermutlich. »Hättest du ihr stattdessen nicht sagen können, dass sie stinkt wie ein Iltis oder hässlich wie eine Kröte ist oder dass sie verfilzte Kringellocken hat?«

Vor Erstaunen reißt Bonnie die Augen auf, und ein ungläubiges Lächeln umspielt ihre Lippen. »Mom! So was sagt man doch nicht!«

Gespielt echauffiert stemme ich eine Hand in die Hüfte. »Bonnie Marie Riley, ich weiß ganz genau, dass du noch viel schlimmere Beleidigungen auf Lager hast.« Ich lächle. »Im Ernst, Schatz. Du bist intelligent, kannst uns auf andere Weise verteidigen. Wehr dich mit dem Mund. Das ist eine deutlich schärfere Waffe.«

Sie sinkt in ihr Kissen zurück und starrt zur Decke. »Muss ich jetzt auf eine andere Schule?«

Ich stutze. »Nein. Wie kommst du denn darauf?«

Sie zuckt mit den Schultern.

Mir ist bekannt, dass Bonnie Schwierigkeiten hat. Ich stehe deshalb mit ihrer Lehrerin, Mrs. Blake, in Kontakt, aber ein Schulwechsel wegen ein paar Streitereien unter Kindern? Das ist vollkommen absurd und lächerlich. Außerdem gibt es in der Umgebung von Gridley keine andere Schule. Die nächste große Stadt ist Kansas City und einige Meilen von hier entfernt. »Willst du denn woandershin?«

Statt das zu verneinen, sagt Bonnie nichts, und das erschreckt mich.

»Ich könnte doch zu Dad nach New York. Dort gibt es auch Schulen.«

Das ist wie ein Schlag in die Magengrube. Sie will zu ihrem Vater. Weg von Gridley. Von uns, von Tante Edda, ihrer kleinen Schwester und … von mir. Der Stachel sitzt und tut höllisch weh.

»Liebling, wie stellst du dir das vor?«

»Ich könnte bei Daddy wohnen.« Sie sieht mich voller Hoffnung an, und ich muss mir eingestehen, dass Tante Edda wohl recht hat. Sie vermisst ihren Vater. Dennoch könnte ich sie niemals gehen lassen, und Miles würde das auch nicht wollen. Das Familienleben war ihm zu eng.

»Liebling, das geht nicht«, beginne ich vorsichtig. »Du kannst nicht einfach –«

»Wieso nicht? Ich könnte dich und Tante Edda immer in den Ferien besuchen kommen.«

Gott! Sie meint das tatsächlich ernst. War ich zu streng mit ihr? Den Schmerz, der langsam in mir hochsteigt, schlucke ich hinunter und versuche stark zu sein. »Das geht nicht, Schatz. Dein Vater …«

»Wieso nicht? Er sagt immer, dass er mich unendlich vermisst.«

Er ist so ein verdammter Lügner, und ich hasse ihn dafür, dass er nicht nur mich belogen hat, sondern auch seine Mädchen. Ich will etwas erwidern, werde aber von lauten Stimmen von unten unterbrochen. Bonnie und ich horchen auf. Was ist da los? Ich gehe zur Tür und hinaus in den Flur.

»Sieh dir das an, Edda. Deine Großnichte hat das getan. Wir verlangen eine Entschuldigung.«

Vorsichtig beuge ich mich ein wenig über das Geländer und erkenne Katelyn mit ihrer Tochter Ashley an unserer Eingangstür.

»Warum in Gottes Namen macht ihr jungen Mütter immer solch einen Aufstand? Das war ein kleiner Streit unter Kindern. Das kommt schon mal vor«, höre ich Tante Edda Bonnie verteidigen.

»Kleiner Streit? Hast du dir die Wange meiner Tochter genau angesehen?« Katelyn ist deutlich aufgebracht.

Edda beugt sich zu der Kleinen hinunter und beäugt sie. »Also, ich sehe weder eine Fleischwunde noch Blut. Krieg dich wieder ein, Katelyn. Man kann auch aus einer Mücke einen Elefanten machen. Sorg lieber dafür, dass deine Tochter nicht in deine Fußstapfen tritt und die Mobbingbeauftragte von Gridley wird. Und jetzt entschuldige mich, ich habe zu tun.«

Damit knallt ihr Edda die Tür vor der Nase zu und lässt die sprachlose Katelyn einfach stehen.

Ich balle die Siegerfaust und bin erleichtert, dass Edda sie so leicht losgeworden ist. Mein Tantchen hat noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Sie hat eine spitze Zunge, die mich so manches Mal in die Bredouille gebracht hat. Das ist nicht immer angenehm, aber heute liebe ich sie dafür.

»Mom?«

Ich drehe den Kopf zu Bonnies Zimmertür. »Ja?«

»Kannst du Daddy anrufen und ihn fragen?«

Die Siegesfreude über Ashleys Abfuhr verpufft. Da sind sie also wieder – meine Probleme: Eine meiner Töchter möchte mich verlassen, das Haus ist reparaturbedürftig, die Schulden wachsen mir über den Kopf, und die Sorgen um Tante Edda ebben auch nicht ab. Mein Mutterherz hofft, dass Miles den Mädchen endlich sein wahres Gesicht zeigt.

»Na gut, ich werde ihn anrufen«, verspreche ich und höre, wie mein Herz bricht.

 

***

 

Die untergehende Sonne taucht die Szenerie auf dem Festplatz in ein romantisches Licht, und der Anblick meiner unbeschwerten und lachenden Mädchen ist wie Balsam für meine Seele. Sie fahren mit dem Karussell, und jedes Mal wenn sie an Tante Edda und mir vorbeisausen, winken sie uns fröhlich zu. Das sind die Momente, die mir Kraft geben, in denen ich das Gefühl habe, doch nicht alles falsch zu machen. Die letzten Monate waren nicht leicht, und ich hoffe, dass unsere Pechsträhne mit den kommenden Sommerferien endlich vorüber ist.

Tante Edda hält sich an ihrem Gehstock fest und rempelt mich sachte von der Seite an. »Ich habe es befürchtet«, gibt sie entmutigt von sich. »Die High Society von Gridley ist im Anmarsch.«

Ich bemerke ihre Anspannung, die sie niemals eingestehen würde. Sie ist dafür bekannt, schlagfertig, tough und sehr direkt zu sein. Aber ich kenne sie besser. Unter der rauen, alten Schale verbirgt sich ein Schmerz, den sie nicht loswird. Auch nach all den Jahren kann sie den Thompsons nichts abgewinnen. Sandra, Richard und deren Sohn Lance, mit dem ich später noch verabredet bin, steuern auf uns zu, und mit jedem sich nähernden Schritt fühlt sich Tante Edda sichtlich unwohler.

Die Thompsons sind die einflussreichste und mächtigste Familie in der Gegend. Jedes Jahr spenden sie Unmengen und richten das bekannte Gridleyer Sommerfest aus. Sandra ist diesmal wieder die Initiatorin.

»Wie schön, ihr seid auch da«, begrüßt sie uns freundlich. Richard und Tante Edda nicken sich lediglich zur Begrüßung zu.

Sandra ist eine tolle Erscheinung mit ihrem hellen Kostüm, der schlanken Figur und dem makellosen Make-up. »Deine Töchter scheinen großen Spaß zu haben.«

Wir schauen zum Karussell.

»Ja, sie haben sich sehr auf das Sommerfest gefreut«, erwidere ich.

»Und ich mich auf dich«, flüstert Lance mir ins Ohr und küsst mich auf die Wange. Seine offenkundige Zärtlichkeit, die niemandem verborgen bleibt, löst in mir Unbehagen aus. Es ist eine Weile her, dass mein Ehemann Miles mich verlassen hat, aber nach wie vor fühlt es sich seltsam an, mit einem anderen Mann vertraut zu sein, besonders in Gegenwart seiner Eltern und all der Menschen von Gridley. Hinzu kommt Tante Eddas griesgrämiger Blick, denn im Gegensatz zu den Thompsons ist sie mit einer Verbindung zwischen Lance und mir nicht einverstanden. Bis heute weiß ich nicht, warum.

»Wie ich sehe, habt ihr schon unseren Tombola-Stand besucht«, sagt Sandra, um den peinlichen Moment zu überspielen. Verlegen schiebe ich eine Haarsträhne hinters Ohr und blicke auf die zwei mickrigen Lose in meiner Hand, die ich den Mädchen gekauft habe. Ja, es sind nur zwei, aber mehr war finanziell einfach nicht drin.

»Vielleicht haben sie Glück und gewinnen eines der teuren Fahrräder«, meint Sandra.

»Die Kinder sind mehr an anderen Sachpreisen interessiert.«