Dianas Nightmare - Thia Nuwrite - E-Book

Dianas Nightmare E-Book

Thia Nuwrite

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Beschreibung

Der Schatten der Vergangenheit wartet auf dich, Diana ... Niemand beginnt ein neues Leben, ohne seine Vergangenheit an Bord zu haben. Diana hatte gehofft, dass mit ihrem Umzug in das malerische Mountains Creek alles gut werden würde. Sie ist vor einem dunklen Kapitel in ihrem Leben geflohen und wünscht sich, dass ihre Narben heilen. Die eigenartigen Dinge, die sich zutragen, scheinen ein grotesker Zufall sein. Sie ahnt nicht, dass dunkle Schatten bereits unterwegs sind, um ihr nach dem Leben zu trachten. Ein spannender Thriller, mit einem Abschluss, den niemand erwartet. Ein Feuerwerk, bei dem man einmal mehr das Atmen vergisst.

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Seitenzahl: 213

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Thia Nuwrite

Dianas

Nightmare -

Es gibt kein

Entkommen

Thriller

Thia Nuwrite©

Cynthia Petereit

E-Mail: [email protected]

Dianas Nightmare – Es gibt kein Entkommen

1. Auflage

Coverdesign: Cynthia Petereit

www.thiascreativecorner.de

Das Werk, Cover und Titel sind urheberrechtlich

geschützt.

Alle Rechte sind vorbehalten.

Jedwede nichtautorisierte Verwendung, Übersetzung und

Aufnahme/Speicherung/Verarbeitung auf elektronischem

Wege ist nicht gestattet und wird strafrechtlich verfolgt.

Für meinen Ehemann Marcel,

der mir oftmals den Rücken freihält und mir

ermöglicht, dass ich meinen Traum leben kann.

Prolog

»Sie war tot. War es meine Schuld?«

Dianas Gedanken überschlugen sich, während sie auf dem Weg nach Cardigan Bay war. Tränen sammelten sich in ihren Augen und verschleierten ihr die Sicht. Davon gab es in letzter Zeit so viele. Diana erinnerte sich genau daran, als Ralph ihr die Nachricht überbrachte. Sie fühlte sich wie gelähmt, wie tot. Doch sie musste herausfinden, was geschehen war. Das war sie ihr schuldig. Sie hatte soviel für sie getan. Und nun war sie tot. Ermordet. Jemand hatte ihr das Leben genommen. War jemand auch hinter ihr her? Was hatte das alles zu bedeuten?

Diana parkte den Wagen und atmete erleichtert aus. Geschafft. Die rund 300 Kilometer hatte sie in gut zweieinhalb Stunden hinter sich gebracht. Immer wieder warfen sie Erinnerungen aus dem Konzept. Einmal wäre sie fast in ein entgegenkommendes Auto gefahren. Gerade so hatte sie das Steuer noch einmal herumreißen können. »Konzentriere dich, Diana!« Hatte sie sich selbst zur Vorsicht ermahnt.

Schließlich wollte sie nicht auf dem Friedhof enden. Diesen hatte sie endlich erreicht. Ihr Mascara war völlig verschmiert und sie klappte den kleinen Spiegel in der Sonnenblende ihres Wagens herunter.

»Na, du hast auch schon besser ausgesehen«, sagte sie sich selbst und lächelte müde. Kein Wunder nach den ganzen Ereignissen der letzten Tage. Es gibt dieses eine Gefühl, das einen beschleicht, wenn man davon überzeugt ist, dass hier seltsame Dinge geschehen. Zufälle?

Das kleine Eisentor des Friedhofes ließ sich mit einem geräuschvollen metallischen Geräusch öffnen. Diana erblickte bereits die trauernden Gäste der Beerdigung. Sie kannte niemanden aus ihrem engeren Familienkreis. Es waren alles Fremde. Diana und sie hatten einander kaum gekannt und doch gab es eine starke Verbindung zwischen ihnen. Nicht zuletzt, weil sie Diana geholfen hat.

Es war nicht allein der Abschied, weshalb Diana den langen Weg hergefahren war. Vor allem hatte sie eine Mission.

Ein weiterer, endgültiger Abschied von einem Menschen, der ihr die Hölle auf Erden beschert hatte. Genau dort gehörte er auch hin. In die verdammte Hölle. Sie hatte ihren Ehering in einem Frischhaltebeutel dabei. Den trug sie schon längst nicht mehr, erinnerte er sie nur noch an die schlimmste Zeit ihres Lebens. Diana blickte sich um und erreichte sein Grab. »Geliebter Ehemann und Sohn« war darauf zu lesen. Wenn die wüssten, dachte Diana und lachte ein bitteres Lachen in sich hinein. R.I.H. Jeder, der hierherkam und diesen Ring sah, dachte an eine feine Geste und einem gar romantischen Rest in Heaven. Doch sie wusste, wofür es stand. Rest in Hell. Und genau dort gehörte er hin.

Kapitel Eins

Alles war neu, alles anders, alles fremd. Diana war noch nicht ganz an dem neuen Ort angekommen. Es war schön hier, keine Frage, doch sie hatte Freunde und Wegbegleiter zurücklassen müssen. Zudem musste sie sich von der Reise erholen. Die Strapazen, die sie erlebt hatte, würden noch lange Zeit nachbeben.

Hier war sie fremd, kannte kaum jemanden und fühlte sich häufig einsam und leer. Doch der Umzug hatte ihr auch gutgetan.

In ihrer alten Heimat, einem kleinen, verschlafenen Örtchen namens Cardigan Bay, hatte sie nicht nur schöne Zeiten erlebt.

Die dunkelsten Jahre lagen hinter ihr. Die Reise in die neue Stadt Mountains Creek war daher dringend nötig. Rund 300 km lagen zwischen diesen Orten. Noch war es zu früh, um sagen zu können, dass die Distanz die alten Wunden heilen könnte. Doch es bestand zumindest eine Chance.

Und genau diese Chance musste Diana nutzen. Sie hatte die Zelte abgebrochen, ihre Sachen gepackt und war nach Mountains Creek gezogen. Sie hatte eine kleine Wohnung über einem Juwelier bekommen. Die Miete war günstig und der Vermieter war ihr in Sachen Miete sehr wohlgesonnen. Er war ein gutmütiger, älterer Herr, der ihr einen Aufschub für die ersten Mieten gewährte. Die Freundin, die ihr den Neustart überhaupt ermöglicht hatte, kannte ihn, sodass Diana die Chance hatte, erstmal in Ruhe anzukommen.

1

Vielleicht ahnte ihr Vermieter, der freundliche Mr Carter, auch, dass sie einiges hatte durchmachen müssen?

Sie war schon immer ein offener Mensch gewesen, machte aus nichts ein Geheimnis und trug ihr Herz meist auf der Zunge.

Diana war nicht einmal in der Lage gewesen, sich verstellen zu können. Sie war, wie sie war.

Mr. Carter besuchte sie häufig. Am Anfang hatte sich Diana gefragt, warum er das machte, doch nach und nach verstand sie, dass der ältere Herr sehr einsam war. Seine Maggy war vor einem halben Jahr gestorben und auch er sehnte sich nach dem Tod. Das spürte man in jedem Satz, den er sagte und in jeder Mimik, die sein faltiges Gesicht zutage förderte. Diana begann sich auf seine Besuche zu freuen, kochte Tee und backte Plätzchen. Er war zu Beginn die einzige Gesellschaft, die sie hatte. Er erzählte viel über seine geliebte Maggy und darüber, dass die Einsamkeit ihn quälte.

Sie hatten eindeutig etwas gemeinsam, was sie verband und so schüttete Diana ihm auch oft ihr trauriges Herz aus. Es entstand eine wunderbare und ungewöhnliche Freundschaft zwischen den Beiden.

Diana kaufte für ihn ein, kochte manchmal und half ihm bei der Hausarbeit. Er half ihr dabei, einen Job zu bekommen, in dem er ein gutes Wort für sie einlegte. Er sagte, jemand hätte ihm noch einen Gefallen geschuldet und zwinkerte ihr diabolisch zu.

Sie bekam einen Job in einem kleinen Anwaltsbüro.

2

Als gelernte Kraft hatte sie sich in ihren Tätigkeiten schnell zurechtgefunden und auch ihre Kollegen schienen sehr nett zu sein.

Mr. Carters Besuche hörten genauso schnell auf, wie sie begonnen hatten. Diana ahnte bereits was, es zu bedeuten hatte.

Sie befürchtete, dass der alte Mann verstorben war. Doch sein Sohn Will klärte sie auf:

››Dad ist nicht tot. Er hatte einen Schlaganfall und befindet sich im Seniorenheim in Counter Bay. Sie können ihn jederzeit besuchen. Wie viel er mitbekommt, weiß man nicht‹‹, er sagte es kühl ohne den Anflug jedweder Emotionen.

Diana wusste, dass Will und sein Vater sich nicht besonders nahegestanden hatten.

Seit dem Tod seiner Mutter wurde die Beziehung der beiden nur noch eisiger.

An einem kühlen Tag im Frühling beschloss Diana sich auf den Weg nach Counter Bay zu machen. Es lagen 30 Minuten Autofahrt vor ihr. Immer wieder verlor sie die Konzentration und war tief in Gedanken versunken. Bis zu dem Zeitpunkt, als sie die laut dröhnende Hupe des Lastwagens hörte, den sie beinahe geschnitten hätte. Der Fahrer gestikulierte wild und sie sah eingeschüchtert zur Seite. Das muss aufhören, ermahnte sie sich und versuchte sich auf die Straße zu konzentrieren. Von Weitem sah Diana bereits den großen, weißen Bau des Seniorenheimes. Groß und unpersönlich ragte er über die Felder und Wälder besäumte Landschaft.

3

Eine Gänsehaut überkam sie. Diana parkte den Wagen und stieg aus.Der Eingang war stilvoll mit weißem, großem Kies eingefasst. Counter Bay Seniorenresidenz stand auf einem großen Schild.Sie ging auf die Anmeldung zu. Eine kleine, rothaarige Frau saß an ihrem Computer und hackte auf die Tasten ein. Ihre Fingernägel wirkten frisch manikürt und generell machte sie einen sehr gepflegten Eindruck.

››Guten Tag, zu wem möchten Sie?‹‹, fragte sie mit einer unangenehm, viel zu hoch klingenden Stimme.

››Zu Mr. Carter‹‹, erwiderte Diana ohne den Gruß zu

erwidern.

››Zweiter Stock, Zimmer 201‹‹, sagte sie und wandte sich wieder ihrer Tastatur zu. Diana ging zu den Aufzügen. Sie betätigte den Knopf und hörte auf das Summen des näherkommenden Aufzuges.

Beinahe unheilvoll und mit ächzendem Geräusch öffneten sich die Türen.

Der Aufzug verschluckte sie und obgleich machte sich ein beklemmendes Gefühl in ihr breit. Diana hasste Aufzüge. Seitdem sie damals im 19. Stock im Miners Building feststeckte, hatte sie sich eigentlich geschworen nie wieder mit einem solchen Ding zu fahren. Es waren die schlimmsten 20 Minuten in ihrem Leben. Der Abgrund unter ihr, die Angst abzustürzen und die Enge des Fahrstuhles hatten ihr beinahe den Verstand geraubt. Sie war panisch geworden, hatte sich in der Ecke des Aufzuges sogar übergeben müssen. Hätte sie damals geahnt, was danach noch in ihrem Leben geschehen würde, hätte sie laut gelacht, dass sie in dieser Situation eine solche Angst gehabt hatte.

4

Doch sie konnte es nicht wissen. Niemand konnte das. Daher fuhr sie auch weiterhin mit Fahrstühlen. Damals war es sicherlich schlimm gewesen.Doch nichts im Vergleich dazu, was danach folgte. Der Aufzug öffnete seine Türen im zweiten Stock und Diana stieg erleichtert aus. Ängste sind da, um sie zu besiegen, hatte sie einmal in einem dieser schlauen Ratgeber gelesen. Sie lächelte. In ihrer Hand hielt sie verkrampft die Magnolien, die Mr. Carter gern hatte, weil sie ihn an seine Maggy erinnerten. Sie klopfte an, doch es bat sie niemand herein. Wie viel er mitbekommt, weiß man nicht, ertönten die kühlen Worte seines Sohnes Will in ihrem Kopf. Diana drückte die Klinke herunter und öffnete die Tür. Er saß im Rollstuhl am Fenster. Den Blick scheinbar nach draußen gerichtet. Er schien sie nicht zu bemerken.

››Mr. Carter, ich bin es, Diana Turner‹‹, er bewegte sich

nicht. Diana stellte die Magnolien in eine Vase, die auf dem kleinen Tisch in dem Zimmer stand. Sie ließ Wasser hinein und stellte die Vase zurück auf den Tisch. Langsam ging sie auf Mr. Carter zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter.

››Guten Tag Mr. Carter ich bin es.‹‹

Diana bemühte sich um ein Lächeln, obwohl ihr nach Weinen zumute war, als sie ihren alten Freund so sah. Die eine Gesichtshälfte hing herunter und seine blauen Augen starrten traurig ins Leere. Er bemühte sich zu lächeln, was ihm jedoch kaum gelang. In seinem Blick lag einzig und allein der Wunsch, endlich sterben zu wollen. Diana setzte sich auf einen Stuhl neben ihm.

5

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

Ihr Kopf war wie leergefegt. Sie schaute sich in dem kleinen Zimmer um. Ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und ein kleiner Waschraum. Das war alles. Neben ein paar Malereien an der Wand – vermutlich das Gekritzel von Kandinsky oder ähnlichen, abstrakt zeichnenden Künstlern – waren zwei Jesus Kreuze an der Wand. Diana war nicht besonders gläubig, wusste aber, dass es viele ältere Menschen gab, die nahe dem Lebensende zu Gott fanden.

››D… Di … ‹‹, ächzte Mr. Carter.

››Es ist alles in Ordnung, Eric‹‹, sagte Diana sanft und legte ihre Hand auf seine.

››Sterben! Ich will sterben!‹‹

Der Satz kam genauso klar, wie unerwartet. Diana wich zurück.

Wollte er etwa … ? Das kann ich nicht.

Sie wusste genau, dass er sich nach dem Tod sehnte, danach, mit seiner Maggy wieder vereint zu sein. Doch sie konnte es nicht tun.

››Du …musst‹‹, bat er sie und seine traurigen Augen starrten durch sie hindurch.

Sie fuhr herum.

››Ich kann das nicht!‹‹

Der Gedanke erschien ihr ebenso angsteinflößend, wie der Wunsch, den er äußerte. Sie konnte doch keinen Menschen töten! Diana stand auf. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Sie ging auf und ab, ihre Gedanken rotierten. Dann setzte sie sich wieder zu ihm.

6

››Ich kann das nicht tun, Eric‹‹, sagte sie mit gesenktem

Blick. Eine Träne lief aus seinem Augenwinkel. Es war als wäre sein Blick noch leerer als zuvor. Das war zu viel für sie. Diana gab ihm einen Kuss auf die Wange und erklärte, dass sie gehen müsse.

Auf dem Weg zum Ausgang spürte sie bereits die heißen Tränen, die sich in ihren Augen sammelten. Sie ging schneller und erreichte den Parkplatz. An ihrem Wagen angekommen, ließ sie ihrer Traurigkeit freien Lauf. Sie schrie, schluchzte und weinte hemmungslos. Tränen nahmen ihr die Sicht und ihr Herz schlug in aufgeregtem Takt. Es tat ihr weh, ihren alten Freund so zu sehen. Er war ein Schatten seiner selbst. Sie vermochte nicht darüber entscheiden, ob sein Leben lebenswert war. Sie konnte nur das beurteilen, was sie gesehen hatte. Eric war schon vor seinem Schlaganfall ein gebrochener, alter Mann gewesen, der nicht mehr leben wollte. Er sehnte sich nach dem Tod und vor allem nach seiner Frau Maggy.

Doch Diana konnte ihm diesen Wunsch nicht erfüllen. Es schmerzte sie, ihn so zu sehen.

Nachdem sie sich beruhigt hatte, startete sie den Wagen und fuhr zurück.

Sie brauchte jetzt einen Drink und hielt noch in Joe‘s Bar.

7

Kapitel Zwei

›› uten Morgen.‹‹G

Ihr Ton klang eher nach einer kurzen Nacht und allem anderen als einem guten Morgen. Und genauso war es auch. Nach etlichen Versuchen einschlafen zu können, war Diana wieder aufgestanden und hatte sich an ihren Computer gesetzt. Der Draht zur Außenwelt hatte ihr früher schon ein beruhigendes Gefühl vermittelt. Sie startete Facebook, schaute sich ein paar Fotos auf Instagram an und chattete mit irgendeinem Typen.

Nach einer Stunde – es war bereits nach zwei Uhr morgens – legte sie sich wieder ins Bett. Die Stille machte sie wahnsinnig und tausend Gedanken rotierten in ihrem Kopf. Sie wälzte sich von einer auf die andere Seite. Immer und immer wieder nickte sie kurz ein und wachte dann schweißgebadet auf. Kurze Albträume raubten ihr jegliche Sinne. Es waren Situationen aus einer längst vergangenen Zeit, doch sie durchlebte diese immer und immer wieder. In vielen Nächten und an manchen Tagen war Diana vollkommen von diesen Gedanken gefangen.

››Guten Morgen!‹‹, rief ihre Kollegin Ellen überschwänglich und hielt ihr einen großen Becher mit einer dampfenden Flüssigkeit hin. Der Duft des Kaffees erfüllte binnen Sekunden ihre Sinne.

››Du bist die Beste!‹‹, erklärte Diana und bemühte sich um ein Lächeln.

8

››Du siehst gar nicht gut aus!‹‹ besorgt sah Ellen sie an. Mir geht es auch beschissen, wollte Diana ihr entgegenschreien, doch sie sagte bloß, dass es ihr nicht gut ginge und sie wenig geschlafen hab.

Sie war seit etwas über einem Monat bei Fidgers and Fidgers, einer großen Anwaltskanzlei, die sich auf das Strafrecht spezialisiert hatte.

Doch sie empfand es nicht, als angemessen, ihren Kollegen von ihren Problemen zu erzählen. Noch nicht. Sie verstand sich gut mit allen. Das war keine Frage, doch das Vertrauen musste wachsen.

War es nicht immer so, wenn man auf Menschen traf, die man nicht kannte? Man lernte sich kennen, war sich sympathisch oder nicht und erfuhr jede Menge über den anderen. Nach einiger Zeit meinte man sich zu kennen, doch oftmals stellte man fest, dass man den anderen nicht im Ansatz kannte.

Ihre Gedanken schweiften ab. Fernab in eine dunkle Zeit ihres Lebens. Ellen blieb es nicht unbemerkt.

››Irgendwas bedrückt dich doch?! Das hat man schon gemerkt, als du hier angefangen bist‹‹, stellte sie fest und wartete womöglich auf eine Erklärung.

Wie gern hätte Diana ihr erzählt, was alles in ihrem Leben passiert war und durch welche Hölle sie hatte gehen müssen.

Doch ihre Lippen blieben versiegelt.

››Du kannst es mir ja bei Gelegenheit mal erzählen‹‹, schlug Ellen vor und spürte, dass Diana nicht bereit dazu war, ihre Geheimnisse zu offenbaren.

9

Um die unangenehme Stille zu überbrücken, legte sie Diana einen Arm um die Schultern.

››Was hältst du davon, wenn wir am Wochenende mal was zusammen unternehmen?‹‹, fragte sie und schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln.

Diana blickte ihr ins Gesicht. Ellen war unglaublich hübsch.

Auch, wenn sie selbst das gar nicht so sah. Ihre dunklen Haare umrahmten ihr Gesicht und sie war leicht geschminkt. Ihre blauen Augen strahlten immerzu und sie hatte ein tolles Lächeln.

››Wenn du mich so bezaubernd fragst, kann ich kaum nein sagen!‹‹

Diana lachte ein aufrichtiges Lachen und drückte Ellen an sich.

››So gefällst du mir schon viel besser!‹‹, schwärmte Ellen und ging zurück an ihren Schreibtisch.

Ralph Fidger war unterdes in ihrem Büro aufgetaucht.

››Guten Morgen, die Damen!‹‹, begrüßte er Ellen und Diana, die sich ein Büro teilten.

Sie erwiderten die Begrüßung.

››Ich benötige bis heute Nachmittag die Fälle Smith, Tyler und Turner!‹‹

Bei letztem Namen wurde Diana hellhörig und hielt für ein paar Sekunden den Atem an. Vermutlich starrte sie ihren Chef an, denn er sprach sie direkt an.

Sie hörte ihn nicht und es kam ihr vor, als wäre er in weiter Ferne.

››Mrs. Turner? Alles in Ordnung?‹‹, fragte er besorgt. Diana schüttelte sich. Sie sah ihn an und nickte leicht.

10

››Keine Angst. Es gibt mehr Turners hier, als Sie.‹‹

Er lächelte sie an und wieder fiel ihr auf, wie gut er eigentlich aussah. Dunkle Haare und Augen sowie ein schönes Lächeln vervollständigten seine Optik. Für die Allgemeinheit wäre er wohl eher der Durchschnittstyp gewesen, doch für sie war er attraktiv. Er hatte etwas Beruhigendes, wie sie es gern beschrieb. Diana lächelte:

››Das habe ich mir fast gedacht‹‹, fügte sie hinzu.

››Gut, Ladies, sie dürfen weitermachen.‹‹ Wieder lächelte er. Bevor er das Büro verließ, flüsterte er:

››Aber nicht zu laut quatschen. Mein Bruder hat bessere Ohren als ich.‹‹

Sein Bruder war der andere Mr. Fidger und das komplette Gegenteil von Ralph. Henry war ein egozentrischer, alter Bock, den eigentlich niemand mochte. Vermutlich nicht einmal sein eigener Bruder. Doch ihm gehörte nun einmal die Hälfte der Kanzlei. Zur Freude aller war er häufiger bei Gericht, als in der Kanzlei. Heute war jedoch so ein Tag, an dem er anwesend war und seine Ohren auf die Gespräche der Mitarbeiter gespitzt hatte.

Er konnte es nämlich gar nicht leiden, wenn die Angestellten zu viel privaten Kram miteinander besprachen. Aus seiner Sicht sollten sich die Angestellten untereinander am besten gar nicht austauschen und überhaupt sollten sie sich untereinander nicht einmal leiden können. Doch das Leben fand immer einen Weg. Diana wusste das womöglich besser als jeder andere hier. Es war ein Graus, dass sie jedes Mal, wenn der Name Turner fiel, sie zusammenzuckte und für einen kleinen Moment von ihrer Vergangenheit verschluckte wurde.

11

Sie hieß selbst so, hatte sich nach dem Tod ihres Mannes vorgenommen, wieder den Geburtsnamen anzunehmen, doch entweder war sie nicht dazu gekommen oder sie fand andere Ausreden. Der Name war gängig und weitaus einfacher, als ihr vorheriger.

Vielleicht behielt sie diesen Namen aus Bequemlichkeit, obgleich er sie immer und immer wieder an die schlimmste Zeit ihres Lebens erinnerte?

Diana schrieb sich eine Notiz und ließ diese in ihrem Portemonnaie verschwinden. Der Rest des Tages war ruhig. Ellen und sie benutzten den Messenger, den Brian auf allen Computern installiert hatte, damit sich die Kollegen im Stillen austauschen konnten.

››Wenn du jemanden zum Reden brauchst, bin ich immer gern für dich da‹‹, schrieb Ellen und Diana war gerührt von dieser liebevollen Art. Sie hatte sich in Ellens Gegenwart gleich wohlgefühlt und dennoch war sie gehemmt Hilfe anzunehmen. Womöglich hatte sie dies verlernt? Wahrscheinlich aber nicht, denn im selben Augenblick, dachte sie an ihre Freundin Josie.

››Danke dir. Das ist sehr lieb. Vielleicht komme ich darauf zurück?!‹‹, schrieb Diana ihr.

Gegen 17 Uhr packte Diana ihre Sachen zusammen. Feierabend. Nach Hause oder noch in Joe’s Bar und dann ins Bett.

So zumindest war ihr Plan. Sie wollte gerade gehen, als Ralph sie aufhielt. Beinahe wäre sie in ihn hineingelaufen.

››Diana, hast du noch kurz Zeit? Ich würde gern mit dir sprechen‹‹, fragte er und deutete auf sein Büro. Sie zögerte nicht. Schließlich war sie seine Mitarbeiterin.

12

››Setz dich doch!‹‹, bot er freundlich an.

››Möchtest du einen Kaffee?‹‹

Wurde das etwa eine längere Besprechung?

Es schien so zu sein. Also stimmte sie zu. Über seine Sprechanlage bat er Lisa darum, zwei Tassen Kaffee zu bringen.

››Ich weiß, du hast Feierabend und ich hätte auch vorher schon mit dir gesprochen, aber ich war heute lang bei Gericht und irgendwie …‹‹

Er brach ab und blickte auf das gerahmte Foto auf seinem Schreibtisch. Es zeigte einen kleinen Jungen. Seinen Sohn. Ralph’s Blick hüllte sich in Traurigkeit.

››Irgendwie habe ich momentan nicht den Kopf frei‹‹, erklärte er niedergeschlagen. Über den Flurfunk hatte sich der Sorgerechtsstreit mit seiner Frau schnell herumgesprochen.

Die Kollegen bekamen allerhand mit und auch Diana wusste Bescheid.

››Das tut mir leid‹‹, erklärte Diana mitfühlend.

››Aber schön, dass du noch einen Moment Zeit hast!‹‹ Seine traurige Miene wechselte mit einer gespielt fröhlichen.

Diana blickte sich in seinem Büro um. Der große, edle Schreibtisch, an dem sie saß, wirkte beinahe zu klobig in dem kleinen Raum.

Eine Wand mit Regalen - in denen unzählige Ordner zu stehen schienen - sah aus, als würde sie jeden Moment nachgeben und krachend einstürzen. Das kleine Sofa unter dem Fenster kam ihr vor, als wäre es in letzter Zeit ausgiebig benutzt worden. Ein paar der Kissen sahen ziemlich zerknautscht aus.

13

Es gab keine Bilder in diesem Büro und der Schreibtisch beherbergte ein großes Chaos an Papieren, Post-its und Schreibgeräten.

Lisa klopfte an und stellte ihnen den Kaffee hin.

››Danke‹‹, hauchte Diana.

Lisa ging augenblicklich und Diana hoffte, dass er das Gespräch beginnen würde. Ralph stand jedoch auf und ging im Raum auf und ab.

Ihr wurde es unbehaglich und unsicher strich sie sich eine Haarsträhne zurück hinters Ohr.

Sie erinnerte sich gut an ihr Vorstellungsgespräch. Eric hatte es eingerichtet und Ralph war ihr gegenüber sehr neugierig und interessiert.

Diana erinnerte sich genau daran, wie er sie bereits beim ersten Gespräch angesehen hatte.

Seine braunen Augen durchbohrten sie förmlich und immer, wenn er dachte, sie merke es nicht, hat er sie unentwegt angesehen.

Diana hatte seine Blicke wie kleine Nadeln auf sich gespürt.

Doch wider Erwarten war es keineswegs unbehaglich gewesen.

Im Gegenteil, sie genoss seine Augen auf ihrem Körper.

››Also, warum wolltest du mich sprechen?‹‹, fragte Diana, nach dem sie einen Schluck ihres Kaffees getrunken hatte.

››Ich habe lange überlegt, ob ich dieses Gespräch führen soll. Ich meine, du bist erst eine kurze Zeit bei uns und musst dich vielleicht noch einleben, aber mich beschleicht da ein Gefühl und das wollte ich dir sagen.‹‹

14

Er sprach in Rätseln und Diana begann auf ihrem Stuhl nervös hin und her zu rutschen.

Er weiß es. Oh mein Gott. Er ahnt es, dass ich für ihn schwärme, dass ich ihn attraktiv finde. Wie peinlich ist das denn? Oder er kennt meine Vergangenheit? Dachte sie aufgeregt und spürte, wie die Schamröte ihr ins Gesicht kroch. Langsam den Hals hinauf, bis sie auch ihre Nasenspitze erreichte.

Ralph blickte sie an und lächelte.

››Ich habe nur einfach das Gefühl, du fühlst dich hier nicht wohl‹‹, schlussfolgerte er.

Was?! Wie kam er denn darauf ? Weil ich ständig müde war und dadurch lustlos wirkte? Wollte er mich feuern? Was ging hier vor? Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf.

››Nein. Ich meine, ich fühle mich sehr wohl hier.

››Willst du mir kündigen?‹‹, fragte Diana unsicher und fast ängstlich.

Ralph schüttelte hastig den Kopf.

››Nein, um Himmels willen, wie kommst du denn darauf ?‹‹

Diana zuckte die Achseln.

››Ich dachte, die Mutmaßung, dass ich mich nicht wohlfühlen würde, läuft darauf hinaus.‹‹ Wieder schüttelte er den Kopf. Ralph stand auf und war plötzlich dicht neben ihr. Der Duft seines Parfüms benebelte beinahe ihre Sinne. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter:

››Ich bin froh, dass du hier bist. Die Kanzlei ist froh, dass sie dich hat!‹‹, setzte er schnell hinzu.

››Es ist nur …‹‹ Sie brach ab.

15

Diana konnte Ellen nicht erzählen, was mit ihr los war und ihrem Chef schon gar nicht.

Obwohl …die Worte wollten heraus. Sie wollte ihrem Herzen Luft machen, die Sorgen teilen, die Ängste und alles, was sie nach wie vor verfolgte.

››Ich hatte eine ziemlich schwere Zeit bevor ich nach

Mountains Creek kam‹‹, sagte Diana kurz und völlig unklar. Hastig trank sie einen Schluck Kaffee.

››Verstehe‹‹, antwortete er. Ralph nahm sein Jackett und

erklärte, dass er Feierabend mache. Wenn sie wolle, könne sie mit ihm noch in Joe‘s Bar gehen.

Diana zögerte einen Augenblick.

››Warum nicht‹‹, sagte sie und stimmte zu.

Dort wollte sie ohnehin den Feierabend verbringen. Und warum nicht in so charmanter Gesellschaft?

16

Kapitel Drei

Diana war mit ihrem eigenen Fahrzeug gefahren. Sie hielt vor Joe’s Bar und blieb noch einen Moment Wagen sitzen.

Diana beobachtete die in Dunkelheit getauchte Umgebung. Vor der Bar standen bereits ein paar Leute, die sich angeregt unterhielten, neben ihr lief eine Frau vorbei, die ein kleines Kind an der Hand hielt und auf der gegenüberliegenden Seite, war ein Mann gerade dabei in sein Fahrzeug einzusteigen. Er zögerte und schien sie direkt anzusehen.

Starrte er sie an?

Er hatte den Kopf in ihre Richtung gedreht, doch sie konnte seine Augen nicht erkennen, geschweige denn seinen Blick.

Ihr Puls beschleunigte sich.

Plötzlich klopfte es an ihrem Autofenster. Sie stieß einen lauten Schrei aus und ihr Herz schlug so schnell, als würde es jeden Moment zerbersten. Ralph stand seitlich vor ihrem Wagen.

Sie fasste sich an ihren pulsierenden Torso, blickte noch einmal in Richtung des anderen Mannes, der jedoch verschwunden war.

Diana stieg aus und stand Ralph unmittelbar gegenüber. Wieder wehte ihr ein Schwall seines Parfüms direkt in die Nase und betörte ihre Sinne.

››Alles in Ordnung?‹‹ fragte er besorgt.

Diana nickte.

17

Gemeinsam betraten sie die Bar.

Das diffuse Licht war ihr bereits bestens vertraut. Auch wenn sie erst seit einem Monat in Mountains Creek war, diese Bar hatte sie gleich in ihr Herz geschlossen, was mitunter vor allem an Joe lag, der ein herzensguter Mensch zu sein schien.

››Diddy!‹‹, rief Joe als sie sich gerade an den Tresen gesetzt hatten.

Diana lächelte und erwiderte den freundlichen Gruß, während Joe ihrer Begleitung zunickte.

››Ihr kennt euch scheinbar!‹‹, stellte Ralph emotionslos fest.

Joe stellte ihnen zwei Bier hin. Diana nahm ihr Glas und prostete ihrem Chef zu. Akribisch versuchte sie irgendetwas in seiner Mimik lesen zu können. Dann lächelte er und prostete ihr ebenfalls zu.

››Ein netter Laden‹‹, erklärte Ralph und ließ sie nicht aus den Augen.