Die 1-2-3-Formel - Christine Wermter - E-Book

Die 1-2-3-Formel E-Book

Christine Wermter

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Beschreibung

Dieses Buch stellt eine Erziehungsmethode für Eltern von Kindern zwischen 3 und 11 Jahren vor. Auf der Basis einer liebevollen Beziehung zueinander dreht sich alles um zwei Anliegen. Zum einen darum, ein unerwünschtes Verhalten des Kindes zu stoppen - z.B. Wutanfälle, Streit - und zum anderen darum, das Kind zur Kooperation zu motivieren - z.B. beim Aufräumen, Hausaufgabenmachen. Zum Kern der Methode gehört es, ruhig bis drei zu zählen und dann sachlich und gelassen eine Konsequenz folgen zu lassen. Die richtige Mischung aus Konsequenz, Lob und Ermutigung ist überdies der Schlüssel dazu, das Kind zum gewünschten Verhalten zu bewegen. Der Ratgeber geht auf alle Fragen zur 1 2 3 Formel ein und zeigt in einem großen Praxisteil häufige Alltagsprobleme von A bis Z und wie man in schwierigen Situationen sinnvoll reagieren kann. Ziel ist, dass durch mehr Klarheit der Familienalltag harmonischer verläuft.

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Seitenzahl: 160

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Ein Wort zuvor

Alltägliche Reibereien mit den Kindern können die Nerven der Eltern zuweilen gehörig strapazieren. Ich weiß, wovon ich rede.

Mein Mann Andreas und ich haben drei Töchter. Verblüffend festzustellen, wie schnell unser Familienleben mit Anika, Clara und Luisa trotz bester Vorsätze und intensiver elterlicher Bemühungen manchmal ins Trudeln gerät.

Was uns im Zusammenleben mit Kindern Probleme macht, ist in aller Regel nicht die Beziehung zu ihnen. Wir lieben unsere Kinder, unsere Kinder lieben uns. Trotzdem knallt es immer wieder und das Familienklima leidet. Häufigster Grund: Probleme mit der Disziplin. Der Begriff Disziplin – zuweilen in Verruf geraten – wird in diesem Buch gebraucht als Ausdruck für gegenseitigen Respekt und die Bereitschaft, Regeln einzuhalten.

Meist haben die atmosphärischen Störungen im Familienalltag ganz banale Ursachen. Die Kinder halten sich nicht an die Regeln.

Sie motzen, streiten und verhalten sich uns gegenüber respektlos.

Dieses Buch stellt Ihnen eine Methode vor, mit deren Hilfe Sie Probleme mit der Disziplin kurz und freundlich lösen können.

Sie werden feststellen, dass es gar nicht besonders schwierig oder zeitraubend ist, bestimmten Verhaltensweisen Einhalt zu gebieten. Wenn Sie damit beginnen, die 1-2-3-Methode einzusetzen, haben Sie im Handumdrehen ein weniger anstrengendes Familienleben. Sie werden mehr Zeit und eine bessere Kondition dafür haben, Ihre Kinder freundlich und konsequent anzuleiten. Auf dieser Basis können Sie entspannt weitermachen.

Betrachten Sie dieses Buch als Arbeitsgrundlage und legen Sie los!

Im Praxisteil von A bis Z können Sie immer wieder nachschlagen, wenn konkrete Probleme auftreten oder Sie unsicher werden sollten. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihren Weg zu einem harmonischeren Familienleben!

Christine Wermter

KINDER LERNEN ZU KOOPERIEREN

Es könnte so viel Spaß machen, Kinder zu erziehen – wenn es nur nicht so ermüdend wäre: Sie stellen Regeln auf, das Kind ignoriert sie. Mit der 1-2-3-Formel können Sie das ändern.

Das Geheimnis der 1-2-3-Formel

Stellen Sie sich vor, Sie wären in der Lage, die Verhaltensweisen Ihrer Kinder, die täglich zu familiären Gewitterwolken führen, zu verbessern: Sie wären entspannter und gelöster – die Kinder auch! Sie wären gut gelaunt – die Kinder auch! Ärger und Streitigkeiten würde es natürlich trotzdem noch geben. Die würden sich aber nicht mehr am täglichen Kleinkram entzünden. Damit hielte sich auch die Zahl der Zusammenstöße in Grenzen. In dieser friedlicheren Familienatmosphäre hätten Sie viel bessere Chancen, Ihre Kinder zu ermutigen, zu fördern, wünschenswerte, aber anstrengende Verhaltensweisen anzuleiten. Ihre Nerven würden dabei auch sehr viel weniger belastet. Und ganz nebenbei, ohne dass Sie eigens daran arbeiteten, würden Sie eine stabile, liebevolle Beziehung zu Ihrem Kind (oder Ihren Kindern) pflegen.

Mit der 1-2-3-Formel rückt diese Möglichkeit in greifbare Nähe.

Was Sie mit der Methode erreichen können

Die 1-2-3-Formel ist weder kompliziert aufgebaut noch an einen umfangreichen theoretischen Überbau gebunden, den Sie sich mühevoll erschließen müssten. Sie gehen Schritt für Schritt vor, machen sich zunächst mit dem ersten Methodenbaustein (siehe rechts) vertraut – und starten direkt in die praktische Anwendung. Das funktioniert, weil Sie in einem klar begrenzten Bereich der Erziehung ansetzen und mit wenigen Regeln arbeiten, die leicht zu handhaben sind, wenn Sie die entsprechenden Voraussetzungen dazu geschaffen haben.

Im Kern geht es darum, Verhaltensweisen Ihrer Kinder zu stoppen, die das Zusammenleben stören. Um das zu erreichen, gehen Sie bei der 1-2-3-Methode streng systematisch vor. Auf inakzeptables Verhalten Ihrer Kinder reagieren Sie immer sofort. Das hat zwei unbestreitbare Vorteile: Erstens müssen Sie nicht lange überlegen, sondern können sofort souverän handeln. Zweitens sind Sie damit für Ihre Kinder berechenbar. Für beide, Kinder und Eltern, entsteht dadurch ein Mehr an Sicherheit. Auch in unerfreulichen Situationen werden Sie so häufiger einen klaren Kopf behalten und fair bleiben können.

EINE METHODE, ZWEI BAUSTEINE

Die 1-2-3-Formel setzt sich aus zwei wesentlichen Bausteinen zusammen:

Baustein 1: Eltern unterbinden störende Verhaltensweisen ihrer Kinder.Baustein 2: Eltern ermutigen ihre Kinder und verstärken erwünschtes Verhalten.

Disziplin – ein Wort mit Vergangenheit

Die 1-2-3-Methode setzt auf Disziplin. Dieser Begriff hat in unserer Gesellschaft allerdings ein schlechtes Image. In vielen Köpfen verknüpft sich »Disziplin« mit militärischem Drill. Nicht wenige Eltern verbinden deshalb mit dem Begriff ein überholtes System von Befehl und Gehorsam. In einer zeitgemäßen Erziehung, die Ziele wie Selbstbewusstsein und Kreativität verfolgt, scheint Disziplin nichts mehr verloren zu haben.

Bernhard Bueb, langjähriger Internatsleiter, beschreibt in seiner Streitschrift »Lob der Disziplin«, wie der Missbrauch dieser pädagogischen Leitidee durch den deutschen Nationalsozialismus die Disziplin für Generationen diskreditiert hat. Disziplin bedeutet aber nur dann Zwang, Unterordnung und Verzicht, wenn wir der ideologisch gefärbten Vorstellung folgen.

Disziplin im ursprünglichen Sinn heißt dagegen: Regeln aufstellen, einhalten und respektieren. Disziplin ist ohne Regeln nicht denkbar. Erziehung, die nicht im Chaos enden soll, auch nicht.

Kinder, die sich nicht an Regeln halten und ständig alle Grenzen überschreiten, überfordern unsere liebevolle Haltung. Wir werden sauer, wütend, laut. Damit Kinder Regeln einhalten, müssen wir kooperatives Verhalten von ihnen einfordern.

EIN LEICHTER EINSTIEG

Es gibt immer unterschiedliche Lösungswege, wenn es darum geht, soziale Beziehungen zu verbessern.

Die 1-2-3-Methode bietet einen sehr einfachen Einstieg: Sie konzentriert sich zunächst nur darauf, störende Verhaltensweisen des Kindes aufzufangen.

Autorität und demokratisches Elterngewissen

Hand aufs Herz: Sind Sie bereit, Regeln und Forderungen auch gegen die (erbitterten) Widerstände Ihrer Kinder durchzusetzen?

Auseinandersetzungen ergeben sich häufig aus Verboten, die der Unternehmungslust unserer Kinder Grenzen auferlegen, und Aufforderungen, die unseren Nachwuchs in die Pflicht nehmen.

Wenn Sie nicht zulassen wollen, dass beim Planschen das gesamte Badezimmer unter Wasser gesetzt wird, oder darauf bestehen, dass Abwaschen nicht nur Sache der Erwachsenen ist, sind Sie eben der Spielverderber und müssen aushalten, dass Ihre Kinder auch mal sauer auf Sie sind.

Erwarten Eltern dagegen, dass ihre Kinder freiwillig ins Bett gehen, wenn sie gerade mit Spaß bei einer Beschäftigung sind, geben sie sich einer angenehmen Illusion hin. Wenn wir nach dem Prinzip der Freiwilligkeit erziehen, werden die Kinder tun, wozu sie Lust haben. Rechtzeitig ins Bett zu gehen, gehört höchstwahrscheinlich nicht dazu. Der Schlüssel zur Umsetzung von angemessenen Verhaltensregeln liegt im ständigen unfreiwilligen Üben. Unfreiwilliges Üben macht allerdings wenig Spaß und ist für Kinder und Eltern deshalb gleichermaßen anstrengend.

Geduld und Verständnis sind dabei auf jeden Fall unverzichtbar, reichen aber nicht immer aus, um unserer Erziehungsaufgabe gerecht zu werden. Manchmal sind auch Konsequenz und Beharrlichkeit erforderlich.

WICHTIG

Neue Methoden erfordern gesunde Kinder. Starten Sie die neue Erziehungsmethode nicht in einer Phase, in der Ihr Kind körperlich angeschlagen ist. Ein krankes Kind braucht Schonung und Fürsorge. Die Umstellung auf einen neuen pädagogischen Ansatz erfordert Konzentration und wird sich weder für die Eltern noch für die Kinder stressfrei gestalten. Stress haben Sie aber schon, wenn Sie zu nächtlicher Stunde mit Hustensaft und Erkältungsbalsam hantieren müssen. Also warten Sie lieber die Grippe ab, bevor Sie die 1-2-3-Methode zum ersten Mal einsetzen!

Ein schwieriger Balanceakt

Bevor Sie die 1-2-3-Methode einführen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, dass Sie damit ein Bekenntnis zu elterlicher Autorität ablegen. Wenn Ihnen das ein bisschen unheimlich sein sollte, seien Sie sicher: Sie stehen damit nicht allein. Heute sehen viele Eltern ihre Rolle nicht mehr darin, ihre Kinder durch Strenge zu erziehen. Sie verstehen sich eher als ältere Freunde ihrer Kinder. Dieses Selbstverständnis kann allerdings zu problematischen Rollenkonflikten führen.

Eltern, die es mit der Partnerschaftlichkeit in der Erziehung übertreiben, laufen Gefahr, sich vom Wohlwollen ihrer Kinder abhängig zu machen. Sie fürchten, die Zuneigung der Kinder zu verlieren, wenn sie beharrlich auf der Einhaltung einmal gesetzter Regeln bestehen. Es fällt ihnen daher schwer, sich konsequent zu verhalten und klare Entscheidungen zu treffen, ohne diese fortwährend zu rechtfertigen. Sie erhoffen sich selbst von kleinen Kindern, dass diese den Sinn ihrer Vorgaben verstehen, besser noch gutheißen und absegnen.

Solche Eltern neigen besonders in kritischen Situationen dazu, sich dem Kind zu erklären, die Erklärung zu wiederholen, sie immer neu zu formulieren. Sie flehen geradezu um Verständnis.

Sie behandeln das Kind wie einen Erwachsenen, mit dem sie bei einer Meinungsverschiedenheit Einigung erzielen wollen, indem sie ihm möglichst überzeugende Argumente liefern. Sie glauben, dass das Kind ebenso vernunftgesteuert denkt und handelt wie sie selber, und geben sich der Illusion hin, dass es sich ihren Ausführungen bereitwillig anschließen wird, wenn sie diese nur schlüssig genug darlegen.

AUSZÄHLEN – IN ALLER KÜRZE

Die 1-2-3-Formel verlangt nicht nur Ihrem Kind, sondern auch Ihnen selbst Disziplin ab, weil Sie sich mit Worten zurückhalten müssen, anstatt sich auf fruchtlose Diskussionen einzulassen. Zeigt Ihr Kind ein störendes Verhalten, das Sie unterbinden wollen (wie Quengeln oder Lärmen), beginnen Sie einfach, es auszuzählen. Das geschieht in denkbar knappster Form, indem Sie sagen: »Hier ist die 1.« – »Hier ist die 2.« – »Hier ist die 3.« Damit können Sie Ihrem Rededrang zumindest ein kleines bisschen Luft verschaffen. Vor allem aber setzen Sie einen Impuls für Ihr Kind, sein unliebsames Verhalten zu stoppen.

Näheres zur Vorgehensweise des Auszählens finden Sie ab >.

Kinder ticken anders

Sie werden erfahren haben, dass es kaum etwas Frustrierenderes gibt als ein freundliches und mit den besten Absichten geführtes Gespräch, auf das das Kind überhaupt nicht reagiert. Oft genug setzt das eine Aggressionsspirale in Gang: Wir reden und leisten Überzeugungsarbeit, dann fangen wir an zu schimpfen, am Ende schlagen wir die Tür zu und sind mit den Nerven völlig fertig.

Das tut der Beziehung nicht gut – und unserem Selbstwertgefühl auch nicht. Kinder sind einfach anders. Sie handeln – gemessen an den Kriterien der Erwachsenen – völlig irrational, meist im eigenen Interesse, und das bedeutet egoistisch. In der Regel sind sie sich ihrer Ziele auch gar nicht bewusst. Sie brauchen geduldige, liebevolle, konsequente Erzieher, viele Chancen zum Üben und bisweilen etwas Hilfe, um die Notbremse zu ziehen.

Weil Kinder nicht mit einem Schlag erwachsen werden, sondern sich kontinuierlich entwickeln, sind wir gefordert, ihr Mitbestimmungsrecht altersgemäß zu erweitern und es ihren Entwicklungsfortschritten anzupassen. Faustregel: Je älter die Kinder, desto stärker werden sie an Entscheidungen beteiligt.

Das heißt, die Dreijährige hat gewöhnlich kein Mitspracherecht, wenn es darum geht, was sie anzieht; die Entscheidung treffen Sie. Der Fünfjährigen präsentieren Sie zwei T-Shirts zur Wahl.

Mit der Zehnjährigen gehen Sie Kleidungsstücke einkaufen, beraten sie und üben Ihr Vetorecht aus. Ihre Fünfzehnjährige entscheidet in der Regel selbst, wie sie sich kleidet.

Schön, wenn Ihr Kind Geschmack entwickelt! Unterstützen Sie es dabei – aber bitte altersgemäß.

Für welches Alter eignet sich die 1-2-3-Formel?

Für den Einsatz der 1-2-3-Formel bedeutet das: Sie funktioniert am besten vom frühen Kindergartenalter bis zur Vollendung der Grundschulzeit. Kinder dieses Alters akzeptieren grundsätzlich, dass Mama und Papa Regeln vorgeben. Mit fortschreitendem Alter der Kinder sind Eltern gut beraten, zunehmend seltener direktiv zu erziehen, häufiger zu verhandeln. Wann die endgültige Grenze erreicht ist, ist von Kind zu Kind verschieden.

Die untere Altersgrenze

Ihr Kind sollte mindestens zwei Jahre alt sein, wenn Sie mit dem ersten Teil der 1-2-3-Methode, dem Auszählen, anfangen. Das mag sich erstaunlich früh anhören, doch es kann durchaus funktionieren. Die Mutter eines quirligen Zweijährigen berichtete, ihr Sohn nehme es ziemlich unbeeindruckt hin, wenn sie schimpfend und drohend versuche, ihn beispielsweise von halsbrecherischen Kletterpartien auf dem Spielplatz abzuhalten. Wenn sie aber damit anfange, ihn auszuzählen, zeige er sofort Respekt und halte inne. Der Ton der Stimme und ihre Präsenz lassen den Kleinen mitten im Abenteuer aufmerken. Das zeigt, dass viele Worte in der Erziehung nicht unbedingt entscheidend sind. Auf unsere Haltung, die wir über das Auszählen signalisieren (Näheres dazu lesen Sie ab >), kommt es an. Das verstehen auch schon ganz kleine Kinder.

Es ist allerdings gut möglich, dass Eltern von Kleinkindern viel Geduld brauchen, wenn sie die 1-2-3-Methode einführen wollen.

Dann nämlich, wenn die Kleinen sich gerade in der Trotzphase befinden. In dieser Zeit erkennt sich das Kind zum ersten Mal als selbstständiges Wesen mit eigenem Willen, das seine Durchsetzungsfähigkeit testet. Es will nicht mehr nur abhängig sein, sondern am liebsten alles »selber!« machen. Da ein zweijähriges Kind beim Eintritt in das erste Autonomiealter in der Regel noch nicht über die verbalen Fähigkeiten verfügt, seinen Willen klar verständlich zu machen, bricht häufig die ohnmächtige Wut mit Wucht durch. In solchen Zeiten ist Fingerspitzengefühl gefordert.

Während eines Trotzanfalls kann ein tobendes Kind auf die gezählten Warnungen möglicherweise gar nicht reagieren. Ein elterlicher Disziplinierungsversuch in einem solchen Moment könnte zu ungewollter Eskalation führen. Da hilft nur eins: Ruhe bewahren und abwarten, bis das Kind wieder zugänglich ist.

KLEINKINDER AUSZÄHLEN

Kleine Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren können mit Erklärungen zur 1-2-3-Formel noch nicht viel anfangen. Trotzdem lässt sich die Methode durchaus schon bei Zweijährigen anwenden. Die meisten Kleinkinder sind cleverer, als ihr Wortschatz vermuten lässt.

Die obere Altersgrenze

Mit etwa elf Jahren, manchmal auch schon früher, ist die obere Altersgrenze für die Anwendung der 1-2-3-Formel erreicht. Wenn die Kinder älter sind, werden sie wahrscheinlich gegen die »kindische Abzählerei« aufbegehren. Aber Sie können die Methode trotzdem benutzen – still und nur für sich. Erinnern Sie sich: Bei der 1-2-3-Methode geht es darum, sowohl das eigene Verhalten als auch das Ihres Kindes zu kontrollieren. Ihr diszipliniertes Verhalten wird Ihre Kinder beeindrucken und langfristig vorbildhaft wirken. Wenn also eins Ihrer Kinder in der Pubertät ist, setzen Sie ohne Worte den Zeitpunkt für die Eins fest. Warten Sie fünf Sekunden ab und erhöhen Sie still auf die Zwei. Bei der Drei lassen Sie eine Auszeit folgen – Sie verlassen den Raum. Vertagen Sie die Konfliktlösung ruhig ein Weilchen. In einer Streit- oder Machtkampfsituation können Sie ohnehin keine vernünftige Lösung finden.

DISZIPLIN IN DER TROTZPHASE

Es gibt Entwicklungsphasen bei Kindern, in denen sich Erziehung zur Disziplin besonders schwierig gestaltet. Das betrifft nicht nur die rebellischen Zeiten während der Pubertät, sondern auch das sogenannte Trotzalter, das sich bei den meisten Kindern mit etwa zwei Jahren zeigt. Dann sollten Eltern behutsam vorgehen, um Machtkämpfe zu vermeiden.

Wo wird die Methode eingesetzt?

US-amerikanische Erfahrungen haben gezeigt, dass die 1-2-3-Formel grundsätzlich bei allen Kindern anwendbar ist. Verhaltensauffälligkeiten oder kognitive Einschränkungen sind dabei kein Hinderungsgrund. In den USA arbeiten nicht nur Eltern, sondern auch Therapeuten und Sonderpädagogen mit der 1-2-3-Methode (die in abgewandelter Form übrigens auch in der Schule einsetzbar ist). Insbesondere Kinder mit Konzentrationsschwächen, Wahrnehmungsstörungen (zum Beispiel Einschränkungen des Hörvermögens) oder Verzögerungen in der Sprachentwicklung sprechen gut auf die Methode an, weil sie sehr klar strukturiert ist, im Kern mit einem Minimum an Sprache auskommt und nur geringe Sprachkompetenz beim Kind voraussetzt.

WICHTIG

Wenn bei Ihrem Kind eine Störung der Konzentration oder des Lernverhaltens vorliegt, informieren Sie den behandelnden Arzt oder Therapeuten beziehungsweise den Lehrer über Ihr Vorhaben, mit der 1-2-3-Formel zu arbeiten.

Kleine und große Familien

Wenn Sie Ihre Kinder zusammen mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin erziehen, ist es sinnvoll, sich mit ihm oder ihr über die 1-2-3-Methode abzustimmen. Am besten lesen Sie die Anleitung gemeinsam und besprechen, wie Sie bei der praktischen Anwendung vorgehen wollen. Wenden beide Eltern die 1-2-3-Formel an, werden sich die positiven Auswirkungen schneller abzeichnen. Selbstverständlich können auch Alleinerziehende mit der 1-2-3-Formel arbeiten. Da sie die ganze Erziehungsverantwortung allein tragen, sind kräftesparende Methoden ideal für sie.

Generell ist die Methode ebenso für die Erziehung von Einzelkindern wie für den Einsatz in der Großfamilie geeignet. Eltern von Einzelkindern werden von der klaren Struktur ebenso profitieren wie Eltern mehrerer Kinder, denen es damit leichter fallen wird, den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Sprösslinge transparent zu machen. Familien, die an einer Erziehungsberatung teilnehmen, sollten den Einsatz der 1-2-3-Methode vorab mit dem Berater besprechen.

Die häufigsten Fehler und Fallen

Bevor Sie die 1-2-3-Formel in Ihrer Familie erstmals anwenden, sollten Sie noch einen Blick auf das werfen, was Sie beim erfolgreichen Einsatz der Methode behindern könnte: Das Gelingen Ihrer Erziehungsbemühungen ist immer dann gefährdet, wenn Sie zu viel an Emotionen zeigen und zu lange auf Ihr Kind einreden (>).

Fangen wir bei den Gefühlen an. Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist in aller Regel innig und gefühlsbetont. Das ist ganz natürlich und im Grunde wünschenswert, kann aber auch zum Problem werden. Sie kennen das: Es gibt Zeiten, in denen wir vor Liebe zu unseren Kindern geradezu zerfließen. In anderen Momenten würden wir die lieben Kleinen am liebsten dahin verbannen, wo der Pfeffer wächst. Dann wird es schwierig: Erwachsene, die enttäuscht sind und in Wut geraten, verlieren leicht die Beherrschung. Sie tun und sagen dann manchmal Dinge, die ihr Kind verletzen und die ihnen furchtbar leidtun, wenn sie sich wieder beruhigt haben.

In diesem Fall kann die Methode ihre positiven Wirkungen auch auf die Eltern entfalten, indem sie ihnen hilft, den eigenen Frust einzudämmen. Wenn wir einen Wutanfall bekommen, weil unsere Zweijährige die Tischdecke mit dem Frühstücksgeschirr heruntergezogen oder unser Sechsjähriger die Tulpen im Vorgarten geköpft hat, ist das für unsere Kinder unheimlich spannend. Der rote Kopf und die Brüllstimme des Erwachsenen sind als Wirkung noch weit interessanter als Scherben, Kaffeepfützen oder Einblicke in den inneren Aufbau von Tulpen. Die Kinder werden so eine Vorstellung vermutlich gerne noch einmal erleben wollen.

WICHTIG

Reden Eltern zu viel, zu lange, zu ausführlich, hören die Kinder nicht mehr zu. Zeigen Eltern zu viele Gefühle (der Wut, der Enttäuschung, des verletzten Stolzes), werden sie angreifbar oder verlieren die Kontrolle.

Kinder wollen Aufmerksamkeit

Eltern sind für ein kleines Kind der Mittelpunkt der Welt. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu liebevollen Eltern, zu einer Familie, in der es seinen Platz hat, ist für ein Kind die Grundvoraussetzung dafür, dass es sich seinen Anlagen gemäß entwickeln kann.

Kinder sind daher abhängig von der Aufmerksamkeit ihrer Eltern. Wenn sie glauben, dass sie diese Aufmerksamkeit durch konstruktives Verhalten nicht (mehr) erreichen können, ziehen sie alle Register. Klassische Fälle: Ein Geschwisterkind kommt zur Welt oder der vormals stets präsente Elternteil nimmt eine Berufstätigkeit auf.

Kinder, die sich zurückgesetzt oder wenig beachtet fühlen, unterscheiden nicht mehr nach positiver und negativer Aufmerksamkeit. Sie handeln nach der Devise: Hauptsache, ich werde wahrgenommen! Aufmerksamkeit ist das alleinige Ziel, das sie verfolgen.

Auch Schimpfen ist eine Form von Aufmerksamkeit. Selbst Schlagen kann aus verzweifelter kindlicher Perspektive handgreifliche Aufmerksamkeit bedeuten.

WIE AUTHENTISCH MÜSSEN ELTERN IHREN KINDERN BEGEGNEN?

Eltern lieben ihre Kinder – klar, dass hier Emotionen im Spiel sind! Die Empfehlung, keine Gefühle zu zeigen, stößt bei Eltern daher oft auf Unverständnis. Natürlich können wir unsere Emotionen nicht ausblenden, zumal wir davon ausgehen müssen, dass unsere Kinder sie bemerken. Wir sollten ihnen nichts vorspielen – aber Haltung zeigen.

Sie erkennen, dass Ihr Kind gerade Spaß daran hat, die Tapete im Esszimmer mit einer Zeichnung zu verzieren? Sie wollen, dass es damit aufhört, dabei hilft, den Schaden so gut wie möglich zu beseitigen, und lernt, die Regeln für künstlerische Betätigung zu akzeptieren (Malpapier gut, Wand schlecht)? Dann sollten Sie darauf verzichten, Ihre verletzten Gefühle auszuleben, denn das verhilft Ihrem Kind nicht zu sachlichen Einsichten. Emotionale Zurückhaltung macht Sie Ihrem Kind gegenüber noch lange nicht unehrlich, Sie ordnen lediglich Ihre Verärgerung Ihren aktuellen Erziehungsabsichten unter.

Lautes Schimpfen nützt allenfalls kurzfristig etwas: Sie können kräftig Dampf ablassen. Doch sonst?

Warum Reden und Schimpfen nicht wirklich hilft

Häufig hat es den Anschein, lautstarkes Schimpfen helfe im Erziehungsgeschäft. Unbenommen, dass gestresste Eltern dabei mal Dampf ablassen können. Aber gleichzeitig tappen sie in die Kritikfalle. Beispiel: Raul haut seinen kleinen Bruder Fabian. Mama schimpft Raul aus. Der hört in diesem Moment damit auf. Mama hat den Eindruck, dass ihr Eingreifen genutzt hat. Aber Raul hat gelernt: Wenn ich will, dass Mama sich mit mir beschäftigt, muss ich nur den Fabi traktieren – und schon habe ich ihre volle Aufmerksamkeit. Wenn wir Raul nun über einen längeren Zeitraum beobachten, können wir erkennen, dass er – bewusst oder unbewusst – immer wieder den Versuch unternimmt, über diese bewährte Methode Aufmerksamkeit zu bekommen.