Die Altmeister - Andreas Hüttner - E-Book

Die Altmeister E-Book

Andreas Hüttner

4,3

  • Herausgeber: MainBook
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Hamburg-Roman? Gauner-Komödie? Geriatrie-Krimi? Das Genre, das die zahlreichen Facetten der Altmeister treffend beschreibt, ist noch nicht ersonnen. Genauso wenig, wie das perfekte Verbrechen. Falsch! Völlig falsch sogar: Die Altmeister, drei rüstige Greise, treten mit viel Witz und Genie den Gegenbeweis an – mehrfach sogar! Ein Desaster für die Hamburger Obrigkeit – ein Riesenspaß für die alten Gauner – und den Leser, der ihnen bei der Planung und Ausführung über die Schulter, auf die Finger und auch ins Hirn und Herz blicken darf ...

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Seitenzahl: 370

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Das Buch

Die drei Hamburger Walter, Günther und Karl sind zwar an die 90 Jahre alt, aber enorm rüstig und vor allem: Sie sprühen vor Ideen. Als Karls Gattin nach einem Opernbesuch die Handtasche geklaut wird, kommt ihnen der Glaube an Gerechtigkeit und die Polizei abhanden, weil ihre Anzeige im Sand verläuft. Die drei Freunde sind frustriert und beschließen, selbst kriminell zu werden. Was kann ihnen schon passieren? Sogar über ‚Lebenslänglich‘ können sie in ihrem Alter nur müde lächeln!

Schnell stellen die Altmeister fest, welch diebische Freude es bereitet, den ganz großen Coup zu ersinnen. Sie widmen sich voller Eifer ihrer neuen Aufgabe, die auf das Trio wie ein Jungbrunnen wirkt ...

Während sich die drei Hobbyganoven immer mehr mit ihren genialen Coup-Ideen beschäftigen, lösen sie, ohne es selbst zu merken, ihr persönliches Ticket erster Klasse raus aus der langweiligen Rentner-Routine hinein in den aufregenden Kriminellen-Olymp. Bis sie den Coup tatsächlich in die Tat umsetzen! Und zum Leidwesen der Polizei arbeiten sie dabei nahezu perfekt.

Die Freundschaft der drei Altmeister, ihre liebenswerten Eigenarten und die unbedarfte und zugleich intensive Beschäftigung mit der ungewohnten Materie stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Gemeinsam mit den alten Gaunern kann sich der Leser über jedes Detail freuen, das sie ihrem Ziel – dem perfekten Verbrechen – ein Stück näher bringt ...

Der Autor

Andreas Hüttner wurde 1958 in Hamburg geboren, wo er seitdem lebt und arbeitet. Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter. Der Fotograf und Werbewirt hat durch eine Vakanz in seiner ersten Werbeagentur als Quereinsteiger sein Talent für und die Liebe zum Schreiben entdeckt – und über viele Jahre als Texter praktiziert. Nach unzähligen Plakaten, Anzeigen, Salesfoldern, Broschüren, Konzepten, Strategien, Funk- und TV-Spots hat er sich endlich den Traum erfüllt, den wohl jeder Texter träumt: Das Buch! Ohne Briefing und Produktnutzen – einfach nur zum Spaß geschrieben.

ISBN 978-3-946413-26-4Copyright © 2016 mainbook VerlagAlle Rechte vorbehaltenLektorat: Gerd FischerCoverillustration und -gestaltung: Lukas Hüttner

Auf der Verlagshomepage finden Sie weitere spannende Bücher:www.mainbook.de und www.mainebook.de

Andreas Hüttner

Die Altmeister

Roman

Für Hannelore und Ludwig, meine Eltern.Ihr habt mir gezeigt, wie wichtig Familie und Freunde sind.

Danke!

Diebstahl in H-Moll

Rasende Wut, Enttäuschung und auch das Entsetzen vor der bevorstehenden Tat verzerrten das maskenhafte Gesicht des angehenden Mörders. Kaum sichtbar, fast wie in Zeitlupe, näherten sich seine feingliedrigen Hände dem schlanken Hals seiner Geliebten. Trotz seiner quälend langsamen Bewegung unternahm sie nichts, das Bevorstehende abzuwenden. Weder durch Taten, noch durch Worte. Sie ließ ihn einfach gewähren! War das ihr stiller Versuch, ihn im letzten Moment von ihrer Unschuld zu überzeugen? Hingabe bis in den Tod als Liebesund als Vertrauensbeweis? Scheinbar unberührt, bei näherem Hinsehen jedoch auffällig zittrig, begannen seine geradezu grotesk dunklen Finger den unglaublich weiß wirkenden Hals zu umklammern, um ihn mit leidenschaftlicher Kraft zu würgen. Und, obwohl seine Hände durch das Würgen an ihrem Hals fixiert waren, schien das Zittern sogar noch zuzunehmen.

„Das ist es!“, schoss es Walter begeistert durch den Kopf! „Zitterpartie!“

Zufrieden beugte er sich in seinem Sessel nach vorn, um auf Heidi, die drei Sitze neben ihm saß, einen verschmitzten Seitenblick zu ergattern. Wie erwartet hockte sie gebannt und geradezu beseelt auf der Sitzkante, um dem Bühnengeschehen so nah wie möglich zu sein. Und sie hielt ihr Opernglas vor die Augen! Das nervöse, stümperhafte Zittern des Othellos konnte auch ihr nicht entgangen sein.

Ihrem Gatten Karl schon eher, der kurz vorm Einnicken war. Und auch das dritte Paar im Bunde, Günther und Martha, war ganz offensichtlich nur halb bei der Sache. Walter wandte sich wieder der Bühne zu und musste zu seiner großen Enttäuschung feststellen, dass der mühsam auf Mohr geschminkte Hauptdarsteller immer noch damit beschäftigt war, seiner geliebten Desdemona, den Garaus zu machen.

„Wie lange soll das noch dauern?“, fragte sich Walter, der sich an eine deutlich schmissigere Inszenierung zu erinnern glaubte, in der sich der vermeintlich Betrogene mit zwei, drei gezielten Dolchstichen seiner Wut Luft machte. „Kurzer Prozess!“ So einfach könnte alles sein. Vermutlich war aber auch nur sein Wunsch nach einem raschen Ende der Vater des Dolch-Gedankens.

Er mochte Theater nicht wirklich, aber Oper bedeutete für ihn die Höchststrafe!

Seine Greta hingegen war vom ersten Takt der Musik an entführt in eine fremdartige Welt der Harmonien, die sich Walter nie erschließen würde. „Da kannst du 100 werden ...“, dachte er bei sich. Sofort drängte sich der nächste Gedanke auf: „So lange dauert es gar nicht mehr.“

Während das Dimmen der Lichter zu Beginn der Vorstellung auf Walter wie eine Schlaftablette wirkte, schien es für Greta ein Jungbrunnen zu sein. Mit dem Löschen der Lichter, mit dem Beginn der Musik schienen für Greta die Beeinträchtigungen des wahren Lebens keine Bedeutung mehr zu haben. Selbst ihr Rheuma hatte für zwei bis drei Stunden keinen Zugriff auf sie. Das war vielleicht das Einzige, das Walter am Theater wirklich gefiel. Es tat Greta gut. In jeder Beziehung. Offensichtlich sogar körperlich. Im Gegensatz zu seiner Frau war Walter in einer ausgezeichneten gesundheitlichen Verfassung. Obwohl zehn Jahre älter als sie, waren ihm Rücken- und Gliederschmerzen fremd, sein Blutdruck würde einem 50-Jährigen zur Ehre gereichen und mit seiner geistigen Fitness trieb er Kinder, Enkel und Urenkel regelmäßig in den Selbstzweifel. Mit fast 90 war er in der Lage, Urlaubsvideos am Rechner nicht nur zu schneiden, sondern auch mit originellen, selbst gesprochenen Kommentaren zu vertonen. Seine Enkelin Stella brachte dies mit dem in der Familie mittlerweile geflügelten Wort „Opa ist fit“ auf den Punkt.

Zum Stillsitzen verdammt, dachte Walter an die unvermeidlich stattfindende Diskussion danach. Diesen Teil, obwohl er beim kühlen Bier stattfand, hasste Walter am meisten. War es nicht schlimm genug, sich meist ein wenig in die Jahre gekommene, übergewichtige Sopranistinnen als jugendliche Schönheiten vorstellen zu müssen – nein: Man käute lange nach der Vorstellung auch noch jedes Detail wie Gesten und Gesichtsausdrücke, hohe Cs und magische Momente wider. Üblicherweise lief dieser Disput an ihm vorbei, aber heute hatte er auch etwas beizutragen: die Zitterpartie!

Er freute sich diebisch auf diesen Moment. Und der kam viel schneller als erwartet! Mit seinen Gedanken war er noch bei der Zitterpartie, als watteartig Beifall an sein Ohr drang. Mist! Er hatte vergessen, sein Hörgerät wieder einzuschalten. Und unten auf der Bühne verbeugten sie sich schon! Umso besser: nur raus hier! Mechanisch setzte er in den Beifall ein, um Greta in Sicherheit zu wiegen – stand dabei auf – und musste umgehend seinen fatalen Fehler erkennen! Die Paare neben ihn folgten seinem Beispiel und schenkten ihm bewundernde Blicke, die aussagen sollten: „Einer muss immer den Mut dazu aufbringen“. In einer wahren Kettenreaktion nahm das Unglück seinen Lauf. Immer mehr Zuschauer erhoben sich und spendeten stehend Applaus. Und Walter stand als Unglücksrabe im Zentrum der Begeisterungswelle, die er ausgelöst hatte. Was als Flucht geplant war, endete im triumphalen Fiasko! „Standing Ovations!“, hörte er bereits Heidis begeisterndes Resümee der Vorstellung – und mit seiner Zitterpartie würde er nicht mehr punkten können.

Draußen nahm der Abend endgültig eine unheilvolle Wendung. Ihr Weg durch die Dammtorstraße Richtung Stephansplatz führte sie vorbei an der großen Bankfiliale. Ein junger Mann stand am EC-Automaten, um sich mit Geld zu versorgen, allerdings auf unerwartete Art. Denn plötzlich stieß er sich energiegeladen von der Hauswand ab und sprintete auf Martha zu, die ihre Abendtasche locker unterm Arm hielt. Besser gesagt: gehalten hatte. Im Vorbeirennen entriss der Strauchdieb ihr die Tasche, sprang auf einen herannahenden Motorroller auf, der ohne Licht und Nummernschild unverzüglich mit Vollgas Richtung Esplanade durchstartete und Sekunden später aus dem Blickfeld der entsetzten Gruppe verschwunden war.

„Du dummer Junge“, rief ihm Martha hinterher. „Was glaubst du, hat eine Frau in ihrer Abendtasche? Klogeld! Lippenstift und ne Ersatzstrumpfhose!“ Jetzt brüllte sie wie am Spieß. „Viiiiel Spaß damit!“

Nach ihrem Wutausbruch nahm Günther sie tröstend in den Arm und küsste ihre tränenübergossenen Wangen.

Anschließend in der „Klimperkiste“ hatten sie sofort Beates ungeteilte Aufmerksamkeit. Die gute Seele der Kneipe machte ihrem Ruf alle Ehre und flößte Martha einen doppelten Cognac ein. Von Minute zu Minute schien das traurige Ende des Opernabends an Bedeutung zu verlieren. Nach Beates zweiter Cognac-Runde ahmte Heidi Marthas „Du dummer Junge ...“ lautstark nach und alle empfanden eine zutiefst befriedigende Schadenfreude über den zwar gelungenen, aber dennoch gänzlich wertlosen Beutezug des Diebes. Lediglich die Aussage der Polizei, die per Telefon gerufen wurde, trübte die Stimmung. „Die sind über alle Berge, da können wir heute nichts mehr machen ...“

Das Anti-Aging-Verbrechen

Das Trio Walter, Günther und Karl betrat früh am nächsten Morgen das Polizeikommissariat 14 in der Caffamacherreihe 4. Ausgestattet mit reichlich Proviant von ihren Ehefrauen – Müsli-Riegel, Traubenzucker, Scho-ka-kola und natürlich Trinkpäckchen mit Multivitaminsäften sowie Wasserfläschchen – erwarteten sie, den ganzen Tag Fahndungsfotos studieren und eine Phantomzeichnung anfertigen zu müssen. Schließlich kannten sie das alle von Tatort & Co. Der sehr schnelle und professionelle Ablauf der Tat schien für die drei Senioren ein untrügliches Indiz zu sein, dass es sich hier um Serientäter handelte, denen sie heute das Handwerk legen würden! Hoch motiviert schritten sie zum Empfang.

„Wir werden erwartet“, sagte Walter. „Es geht um den Raub gestern Abend in der Dammtorstraße gegen 23.00 Uhr.“

„Okay“, sagte die adrette Dame. „Nehmen Sie doch bitte noch einen Augenblick dort drüben Platz, wir kümmern uns sofort um die Angelegenheit.“

Nach 23 Minuten wurden sie von Polizeihauptmeister Winter in seinem Büro mit einem einzigen Wort empfangen.

„Raubüberfall?“, fragte er.

„Ja, meiner Frau wurde die Handtasche geraubt – gestern Abend nach der Oper. Wir haben das sofort telefonisch gemeldet, haben aber das Aktenzeichen in der Aufregung nicht mitbekommen. Es gibt noch keine Fahndungsergebnisse, oder?“

Polizeihauptmeister Winter setzte ein süffisantes Lächeln auf, was die drei Senioren sogleich als herablassend empfanden.

Karl erhob als erster die Stimme. „Wir sind nicht senil! Unserer Freundin ist gestern die Handtasche gestohlen worden. Und das wollen wir hier und heute zur Anzeige bringen.“

Walter sprang ihm zu Seite: „Wir können den Täter und das Fluchtfahrzeug exakt beschreiben und tun alles, damit Sie den Übeltäter ergreifen.“

„Wissen Sie, wie viele Überfälle, Diebstähle und Körperverletzungen jeden Tag in Hamburg gemeldet werden?“, sagte Polizeihauptmeister Winter daraufhin in einem desillusionierten Tonfall und legte eine Kunstpause ein. „Knapp 1.000! Die Wenigsten davon werden aufgeklärt.“ Jetzt sprudelte es aus ihm heraus. „Bei Morden, das kennen Sie aus dem Fernsehen, gibt es fast immer eine nachvollziehbare Beziehung zwischen Täter und Opfer. Die Aufklärungsquoten sind deshalb hoch! Darum kümmert sich die Kripo. Damit haben wir es hier aber nicht zu tun. Wir hier ...“, er betonte das Wir gedehnt und voller Alltagsekel, „nehmen Fahrraddiebstähle auf, reden Ladendieben ins Gewissen, falls man sie auf frischer Tat erwischt, oder wir sprechen Ehemännern, die ihre Frauen verprügeln, gut zu, das nächste Mal statt der Faust nur die flache Hand zu nehmen ...“ Resigniert legte er seine Finger auf die Computertastatur. „Jetzt nehme ich Ihre Anzeige von gestern Abend auf. Sie bekommen Ihr Aktenzeichen – aber den Täter, den werden wir zu 97,5 Prozent nicht bekommen.“

Nach siebzehn Minuten durchschritten die drei erneut die Milchglastür und fühlten sich dabei so alt, wie sie waren. Erneut beraubt! Diesmal war ihr Glaube ans Gerechte gestohlen worden. An ein funktionierendes System, das Unrecht verfolgt, konsequent bestraft und so unbescholtene Bürger in Schutz nahm vor Übergriffen.

„Und nun?“, fragte Walter seine Freunde.

„Seid ihr auch so frustriert wie ich?“, fragte Karl.

„Was soll’s?“, gab Günther den Impuls. „Fahr‘n wir zu mir und spielen ne Runde Billard – das bringt uns wieder ins Lot.“

Später beim Billard fing Walter wieder mit dem unleidlichen Thema an. „Ich kann das nicht akzeptieren!“ und hoffte auf die Unterstützung seiner Freunde, die ihn jedoch eher verwundert anschauten.

„... Und was willst du machen? Dich nachts auf die Lauer legen und Greta als Lockvogel losschicken?“, ätzte Günther.

„Du hast doch gehört, was in der Stadt los ist. Wenn du mich fragst, können wir froh sein, dass wir gestern alle mit dem Schrecken davongekommen sind!“, versuchte Karl die Wogen zu glätten.

„Aber es kann doch nicht angehen, dass die einfach damit durchkommen und heute Abend dem Nächsten auflauern“, setzte Walter nach. „Wenn es gar kein Rechtsempfinden, keine Verfolgung und keine Strafe mehr gibt, kann ich ja morgen bei meinen Nachbarn die blöde Buche fällen, die uns seit 30 Jahren die Sonne nimmt“, wobei er eine Luft-Kettensäge genüsslich über den Billardtisch zog.

„Das ist wie Mord“, dämpfte ihn Karl. „Gefährlicher noch: Baummord. Es gibt eine, für jeden durchschaubare, Beziehung zwischen dir und dem Baum. Du bist der Einzige, der ihn seit Jahren weghaben will. Was glaubst du, wie lange sie brauchen, um dich als Täter zu überführen?“

Walter ließ seine Luft-Kettensäge sinken. „Willst du damit sagen, dass es schlimmer ist, wenn ich die Buche umlege, als wenn irgendein Rotzlöffel unsere Frauen überfällt und beraubt?“

Karl fing ihn wieder ein. „Sei doch nicht so unsachlich. Natürlich ist es nicht schlimmer! Es ist nur viel einfach nachvollziehbar ... Du lieferst dich mit dieser Tat quasi automatisch als Täter auf dem Silbertablett mit.“

Günther, der dazu neigte, bei derartigen Diskussionen völlig unerwartete, aber dennoch logische Alternativen zu finden, hatte Walters Plan weiterentwickelt: „Du kannst die Buche nur ermorden, wenn du es so aussehen lässt, als wäre sie gar nicht das Ziel des Verbrechens!“

Vier Augen blickten ihn fragend an. „Na ja, du könntest zum Beispiel einen schweren Lkw klauen, mit diesem zur Ablenkung durch sämtliche Vorgärten der Straße pflügen, um schließlich mit Vollgas die Buche zu rammen! Wenn du dann nicht gesehen wirst und keine Fingerabdrücke hinterlässt, wird dich wohl kaum einer verdächtigen.“

Walter spann den Gedanken fort. „Die Polizei wird denken, dass irgendein betrunkener Jugendlicher die Kontrolle zunächst über sich und dann über den gestohlenen Lkw verloren hat – genial, Günther!“ Lediglich der Gedanke an den verunstalteten Vorgarten hinderte Walter daran, sich das Ganze mehr und mehr auszumalen. Wenn er allerdings ihr grünes Paradies als einziges verschonen würde, wäre die ganze Tarnung dahin ...

Günther kannte seinen Freund gut genug, um zu wissen, welche Gedankenräder sich gerade in seinem Kopf drehten und präsentierte sogleich seinen nächsten Gedankenzug: „Lass lieber deine Enkel einen Tunnel zur Buche graben. Unkrautvernichter direkt an die Wurzeln gebracht wirkt erstaunlich schnell. In zwei, drei Jahren bist du den Baum los, ohne dass man von oben was sehen könnte ...“

Karl hatte genug! „Warum dressiert ihr nicht einfach eine Horde Holzböcke?“, steuerte er bei, um die Absurdität zu unterstreichen.

„Würde nichts bringen“, schulmeisterte Günther emotionslos, „dazu müsste der Baum bereits krank und ein bisschen trocken sein. Frisches, nasses Holz mögen Holzböcke eigentlich nicht.“ Das Ausbleiben weiterer Kommentare oder Gegenargumente veranlasste Günther zu einem schelmischen Grinsen.

„Na wenigstens haben wir die letzten Minuten weder an gestern Abend noch an Polizeimeister Winter gedacht!“

„Und eine ungeahnte Menge krimineller Energie freigesetzt ...“, resümierte Walter anerkennend ...

Schon lange vor Sonnenaufgang wachte Walter auf, um sich fortan im Bett hin- und her zu wälzen. Gott sei Dank verfügte Greta über einen gesegneten Schlaf.

Die gestrige Demütigung und Ernüchterung auf dem Polizeirevier hatte sich in seinem Gehirn festgesetzt. Seine Gedanken kreisten um den Handtaschendieb, den verlockenden Baummord und ihren kleinen, eingeschworenen Freundeskreis. Wie viele wunderbare Ideen hatten sie schon gemeinsam ausgeheckt und wie gut sie sich ergänzten. Gestern zum Beispiel: In Minutenschnelle hatten sie gleich drei Wege gefunden, den verhassten Baum loszuwerden! Alle Pläne noch nicht ausgereift, aber reizvoll! Sie hatten großes Talent bewiesen, kriminell zu denken und Spaß gehabt – jede Menge Spaß!

„Mehr davon!“, nahm eine vage Vorstellung langsam Gestalt an ...

Kein Baummord, sondern etwas Großes! Das war es: Kriminalität!

Welche Herausforderung würde es für die drei Freunde sein, gemeinsam einen Coup auszuhecken? Nicht einfach nur ein Ding drehen, sondern das perfekte Verbrechen planen! Passieren konnte ihnen ja ohnehin nichts – alt, unbescholten und haftunfähig wie sie waren. Welch eine Vision! Und was für ein Spaß! Walter war gespannt, was seine Freunde dazu sagen würden ...

An diesem Nachmittag stand der nächste Billard-Treff bei Günther an, und noch bevor Walter den Queue in die Hand nahm, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. „Leute, mich hat das so gefuchst auf dem Polizeirevier, dass ich nicht schlafen konnte und heute Morgen hatte ich eine wunderbare Idee!“ Er machte eine Kunstpause, guckte beide Freunde nacheinander intensiv an und rief voller Begeisterung aus: „Wir müssen kriminell werden!“

Weil Karl und Günther ihn vollkommen irritiert anschauten, legte Walter euphorisch nach: „Wir planen das perfekte Verbrechen!“ und steigerte sich in seine Idee hinein: „Überlegt doch mal, was das für ein Spaß wird! Zuerst denken wir uns die Tat aus, dann recherchieren wir, grübeln, planen, verwerfen, finden die Lösung – das ist wie Tatort und Polizeiruf zusammen – nur live! Wir schreiben das Drehbuch für unseren eigenen Krimi.“

„Du willst einen Krimi schreiben“, fragte Karl spitzfindig.

„Quatsch! Es geht um einen Coup, der die Welt in Atem hält – ausgeheckt von drei alten Säcken – ganz real!“, verteidigte Walter seine Idee.

„Hört sich spannend an ...“, meldete sich Günther zu Wort und fügte an: „Klingt fast wie Miss Marple von Agatha Christie – nur, dass wir keinen Fall aufklären, sondern einen Fall kreieren. Tolle Idee – Walter!“

„Seid ihr jetzt beide völlig übergeschnappt?“, entsetzte sich Karl, „oder bin ich der spießige Spielverderber, der – warum auch immer – findet, dass es nicht so ganz okay ist, als Greise eine kriminelle Zweitkarriere zu starten?“

„Aber wieso denn?“, verteidigte Walter seine Idee. „Objektiv betrachtet ist das Greisenalter sogar ideal dafür! Wir verfügen über viel Erfahrung, haben zahlreiche Fähigkeiten gesammelt und können eigentlich gar nicht mehr bestraft werden. Zu alt – verhandlungs- und haftunfähig – und selbst lebenslänglich wäre ja nicht mehr so dramatisch.“ Er grinste.

„Und was schwebt dir so vor?“, hakte Günther nach.

„Soweit bin ich noch nicht. Aber allein darüber nachzudenken, ist doch das beste Anti-Aging-Programm, das jemals erfunden wurde!“

„Wenn ihr meint ...“, gab Karl klein bei, was aus seinem Munde einem „Ich bin dabei!“ gleichkam.

Der Spaß beginnt

Obwohl Walter kaum geschlafen hatte, fühlte er sich am nächsten Morgen auf lange nicht mehr wahrgenommene Weise fit und – ihm fiel kein besserer Begriff dafür ein – lebendig! Reizvoll lag die aufregende Zukunft vor ihm. Er freute sich diebisch auf die künftigen konspirativen Treffen, auf geheime Erkundungsfahrten und aufschlussreiche Recherchen, vor allem aber freute er sich, demnächst wieder ganz viel Zeit mit seinen beiden Freunden zu verbringen!

Da Greta noch schlief, rückte er sein Kissen zurecht und ließ seine Gedanken treiben. Schnell stand für ihn fest, dass Waffen ausgeschlossen werden müssen. Er wollte nicht, dass jemand persönlich zu Schaden kam. „Keine Waffen“, schrieb Walter auf seine geistige Abhakliste. „Also auch kein Mord und keine Entführung“, ergänzte er die Liste und erleichterte damit sein noch immer verhalten schlechtes Gewissen. „Keine Helfer – nur wir drei ...“, wuchs die Liste. Er wollte weder den Spaß noch die Beute teilen. Und vor allem wollte er ausschließlich mit den beiden Menschen zusammenarbeiten, denen er – nach seiner Frau und den Kindern – am meisten vertraute.

Obwohl er noch keine konkrete Idee geboren hatte, war Walter zufrieden mit sich und fand, dass er gut vorankam. Zu wissen, was man nicht möchte, hilft immer dabei, das zu finden, was man sucht.

Am meisten wünschte er sich, eine Bank auszuräumen. Nicht eine Bank, sondern eine Bürgerbank-Filiale. Denn sein dortiger Betreuer hatte ihn vor langer Zeit einmal genötigt, eine Immobilie zu einem ungünstigen Zeitpunkt zu veräußern, um wie er es ausdrückte „das Gesamtengagement zu reduzieren“. Walter übersetzte es stets mit „Geldhahn zugedreht, Pistole auf die Brust und kaltlächelnd abgedrückt!“ Die Bürgerbank zu bestehlen, das wäre das Größte für ihn!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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