Die Bedeutung der wendischen Hansestädte zur Zeit der Kölner Konföderation - Matthias Widner - E-Book

Die Bedeutung der wendischen Hansestädte zur Zeit der Kölner Konföderation E-Book

Matthias Widner

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Beschreibung

Examensarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 2,0, Universität Rostock (Historisches Institut), Veranstaltung: - Examensarbeit - , Sprache: Deutsch, Abstract: Die Bedeutung der Kölner Konföderation vom 19. November 1367 für die Geschichte der Hanse wird seit Jahrzehnten hervorgehoben. In der vorliegenden Hausarbeit zu Erlangung des Ersten Staatsexamen wird versucht, die Bedeutung der wendischen Hansestädte in dieser Zeit genau zu beschreiben. Dabei werden zum einen wirtschaftliche wie auch politische Entwicklungen der Seestädte von Lübeck bis Greifswald untersucht und unterschiedliche Tendenzen aufgezeigt. An ihnen kommt man zu dem Ergebnis, dass der Friede von Stralsund stellt am Ende des Krieges gegen Dänemark den Höhepunkt als auch den Wendepunkt der hansischen Entwicklung dar.

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Veröffentlichungsjahr: 2009

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Fragestellungen, Methodik und Forschungsstand
1.2. Beschreibung der Ausgangssituation im 14. Jahrhundert
1.3. Im Vorfeld der Kölner Konföderation
3. Verlauf des zweiten Krieges gegen Waldemar IV. Atterdag
3.1. Änderung der Beziehung zwischen dem Herzogtum Mecklenburg und den
wendischen Hansestädten
3.2. Verwaltung der besetzten Schlösser und Festen und die dänische Politik nach
dem Friedensschluss.
3.3. Frieden von Stralsund 24. Mai 1370
4.1. Allgemeine Aussagen über die Stellung der Städte in der Hanse
4.2. Lübeck
4.3. Wismar und Rostock
4.4. Stralsund und Greifswald
6. Schlussbemerkung
7. Literatur und Quellen
7.1. Monografien
7.2. Aufsätze
7.3. Quellen
8. Anhang

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1. Einleitung

Die Entstehung der Hanse und im Speziellen der Städtehanse im 14. Jahrhundert hängt maßgeblich mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Nord- und Ostseestaaten zusammen. Während im 12. und 13. Jahrhundert die Skandinavier und Slawen die Märkte des Baltikums beherrschten, drängten mit der Gründung der deutschen Städte im Süden der Ostsee immer mehr die niederdeutschen Kaufleute in den Vordergrund. Sie bildeten das verbindende Glied zwischen dem an Rohstoffen reichen Osten und dem städtischindustriellen Westen, vornehmlich der Textilindustrie in Flandern. Zu dieser Handelslinie, oft wird sie als Linie Brügge - Nowgorod angegeben, kamen bald andere hinzu. So gewann der Skandinavienhandel ebenfalls an entscheidender Bedeutung für die Fernhändler der jungen Städte. Denn obwohl der Ostseeraum eine im Vergleich zu anderen Ländern, wie dem im Spätmittelalter am stärksten besiedelten Land Frankreich1, dünn besiedelte Region war, spielten auch hier die Städtegründungen im 13. bis 15. Jahrhundert eine wichtige Rolle. So umfasste im Jahre 1450, ca. 80 Jahre nach dem in dieser Arbeit zu untersuchenden Zeitraum, das Herzogtum Mecklenburg 45 Städte. In dem flächenmäßig größeren Pommern wurden bis dato 57 Städte gegründet.2

Dieses Handelsnetz expandierte im 14. Jahrhundert in wechselseitiger Beziehung zu den nordeuropäischen Königshäusern, dem aufstrebenden preußischen Ordensstaat und den aufsteigenden holsteinischen und mecklenburgischen Landesherrschaften. Das „politisch verarmte“ Kaisertum konnte und wollte den Städten meist keine Hilfestellung leisten. Als die Grafen und Herzöge nach Einflussmöglichkeiten in Dänemark und Schweden strebten, wurden die Städte in diese Konflikte hineingezogen bzw. mussten als Protagonisten auf Bedrohungen reagieren.3

In dieser Arbeit soll daher die wirtschaftspolitische Rolle der wendischen Hansestädte4,

1Vgl. Konrad Fritze: Zur Entwicklung des Städtewesens im Ostseeraum vom 12. bis zum 15. Jahrhundert. In: Der Ost- und Nordseeraum. Politik - Ideologie - Kultur vom 12. bis zum 17. Jahrhundert, Weimar 1986, S.11: Das Königreich Frankreich war um 1470 mit 14 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Westeuropas.

2Manfred Schelzel, Hansehandel, Rostock 2003, S.25-26: Es lag im Interesse der Territorialherren im annektierten Gebiet der Wenden, das Land nicht nur an adlige Gefolgsleute zu verteilen, sondern im städtischen Milieu den nachziehenden Fernhandelsfamilien aus beispielsweise Soest oder Münster ebenfalls Grundbesitz zu geben. Wahrscheinlich gegen Entgeld erhielten so diese Familien politischen Einfluss in den neu gegründeten Städten.

3Harry Denicke, Die Hansestädte, Dänemark und Norwegen. Von 1369 bis 1376, Halle 1880, S.1.

4Allein die Bezeichnung „wendische Hansestadt“ birgt Definitionsprobleme: Während Ernst Daenell in „Die Blütezeit der deutschen Hanse. Hansische Geschichte von der zweiten Hälfte des XIV. bis zum letzten Viertel des XV. Jahrhunderts, 2Bd., Berlin 2001, S.304“ und Klaus Friedland in „Die Hanse, Stuttgart 1991, S.141“ Stralsund und Greifswald zu den vorpommerschen und nicht zu den wendischen Städten zählen, sowie Hamburg ebenfalls als Stadt im wendischen Quartier definieren, findet man seltsamerweise ebenfalls bei Daenell die Aufzählung Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald (vgl. Ernst Daenell, Die

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namentlich Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald im Zeitraum der Kölner Konföderation, einem im Zuge eines solchen Konfliktes gegründeten Bündnisses, von 1367 bis 1385, untersucht werden.5Diese Allianz hat ebenfalls durch den in der Literatur angegebenen Übergang von der Kaufmanns- zur Städtehanse in der Mitte des 14. Jahrhunderts eine besondere Bedeutung.6Ihr Verlauf charakterisiert gleichzeitig die Politik der Hanse. Sie bestand aus dem Zusammenspiel der städtischen Politik der einzelnen Städte in ganz Nordeuropa, in dessen Herzen das wendische Quartier an der heutigen Ostseeküste Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns lag und dessen größtes Anliegen es war, die durch Privilegien gestützte wirtschaftliche Mittlerrolle zwischen Ost-und Westeuropa zum einen und zum anderen zwischen Süd- und Nordeuropa zu bewahren. Der Zusammenhang zwischen den Interessen der Kaufleute und der kommunalen Politik wurde durch deren Stellung als Patrizier in den Stadträten hergestellt. Bevor sie hierfür jedoch die Waffen erhoben, musste jedes diplomatische Mittel erschöpft gewesen sein, getreu dem zwar nicht zeitparallelen, aber trotzdem oft in diesem Zusammenhang gebrachten Zitat von Carl von Clausewitz formuliert: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen[, gewaltsameren] Mitteln“7. Ein weiteres Zitat zur Charakterisierung der hansischen Sicht auf einen Waffengang wie im 14. Jahrhundert formulierte der Bürgermeister der Stadt Lübeck Hinrich Castorp im 15. Jahrhundert: „Latet uns dagen, wente dat vänlein ist licht an de stange gebunden aver it kostet vel, it mit ehren wedder af to nehmen.“8Nachfolgend soll die Fragestellung dieser Arbeit mit dem Ziel formuliert werden, die komplexen Zusammenhänge dieser Zeit mit dem Fokus auf die wendischen Hansestädte zu charakterisieren.

Kölner Konföderation, Leipzig 1894, S.26). Ein anderer Historiker, welcher diese Städtegruppe, wie angenommen, bestimmt hatte, ist Walter Müller (vgl. Walter Müller, Rostocks Seeschiffahrt und Seehandel im Wandel der Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Seestädte, Rostock 1930, S.10). Diese Städtegruppe soll für diese Arbeit im Folgenden als „wendischen Hansestädte“ gelten. Phillippe Dollinger nennt die letztgenannten Städte, sowie zusätzlich Kiel, Anklam und Stettin im „Bund der wendischen Hansestädte“ (vgl. Phillippe Dollinger, Die mächtige Zeit der Hanse. In: Die Welt der Hanse, Antwerpen 1984, S.391). Ebenso gibt Herman Westphal eine größere Aufzählung an: Hamburg gehört genauso zu dieser Städtegruppe wie Lüneburg - wenn auch nur handels- und nicht territorialpolitisch, Anklam und Demmin (vgl. Hermann Westphal, Die Verhältnisse der wendischen Hansestädte unter einander, zu den Landesherren, zur Hansa, Greifswald 1911, S.7-8). Vgl. Dollinger, Die mächtige Zeit der Hanse, S.399: Dieses Problem ist jedoch auch im gesamthansischen Kontext vorhanden, da es keine Mitgliedsüberprüfung gab und selbst Lübeck kein vollständiges Register der Hansestädte führte.

5Fritze: Zur Entwicklung des Städtewesens im Ostseeraum vom 12. bis zum 15. Jahrhundert. In: Der Ost-und Nordseeraum. Politik - Ideologie - Kultur vom 12. bis zum 17. Jahrhundert, S.10-11.

6Ernst Münch: Rostock in der großen Zeit der Hanse. 1265 bis 1522/23. In: In deinen Mauern herrsche Eintracht und allgemeines Wohlergehen, hg. v. Schröder, Rostock 2003, S. 43. Vgl. Schelzel, Hansehandel, S.20: Zuerst 1358 wurde der Begriff „stede von der Dudeschen hense“ nachweisbar benutzt.

7Carl von Clausewitz, Vom Kriege, Reinbeck 1992, S.44.

8Günter Krause: Das Seekriegswesen in der Geschichte der Hanse. In: Beiträge zur hansischen Kultur-, Verfassungs- und Schiffahrtsgeschichte, Weimar 1998 (Hansische Studien; 10), S.207. Übersetzt heißt das Zitat: „Lasst uns tagfahrten, denn leicht ist das Fähnlein an die Stange gebunden, aber es kostet viel, es in Ehren wieder abzunehmen.“

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1.1.Fragestellungen, Methodik und Forschungsstand

Die Zielstellung dieser Arbeit ist die möglichst individuelle wirtschaftspolitische Bedeutung der oben genannten wendischen Hansestädte in der Zeit der Kölner Konföderation 1367 bis 1385 herauszustellen. Daher wurde die Arbeit in vier Abschnitte untergliedert.

In den beiden folgenden Einleitungskapiteln wird die Grundlage für das Kontextverständnis der Kölner Konföderation hergestellt. Dabei wird nach einer Beschreibung der allgemeinen Ausgangssituation im 14. Jahrhundert die Greifswalder Konföderation von 1361 beschrieben. Im Zuge dieses militärischen Bündnisses versuchten die wendischen Hansestädte jene Ziele durchzusetzen, welche gleichfalls in der Gründungsakte der Kölner Konföderation ihren Eingang fanden.

Der zweite Abschnitt stellt die allgemeine hansestädtische Politik im zu untersuchenden Zeitraum dar. Nach dem militärischen Verlauf des zweiten dänisch-hansischen Krieges gegen Waldemar IV. werden drei Aspekte gesondert vorgestellt und analysiert: Angefangen von den Veränderungen zwischen dem Herzogtum Mecklenburg und den wendischen Hansestädten über die Verwaltung der Pfandleihen in Dänemark bis hin zum Stralsunder Frieden 1370.

Im vorletzten Bereich dieser Arbeit soll die politische - hier spielt die kommunale Autonomie eine Schlüsselrolle - und wirtschaftliche Bedeutung der wendischen Hansestädte im Einzelnen charakterisiert werden. Korrespondierend mit dem vorherigen Kapitel wird die individuelle städtische Entwicklung im 14. Jahrhundert erschlossen. Abschließend wird der Versuch unternommen, die einzelnen Städte zu vergleichen.

Im letzten Abschnitt wird ein Exkurs in die vergleichende Geschichtswissenschaft der dänischen und deutschen Sicht auf die Ereignisse vor über 600 Jahren unternommen. Da die Kölner Konföderation neben den wendischen Hansestädten ebenso das Königreich Dänemark beeinflusst hatte, ist eine Analyse der dänischen Geschichtsschreibung auf die Ereignisse der Zielstellung dieser Arbeit zuträglich.

Die Grundlage der Recherche bildet in dieser Arbeit die Sekundärliteratur. Parallel werden die Hanserezesse als Quelle verwendet. Lediglich bei inhaltlichen Differenzen zwischen

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den Quellen und der Sekundärliteratur erfolgte eine Notierung der Quelle. Im Quellenverzeichnis befindet sich das entsprechende Urkundenbuch.

Der Forschungsstand ist in den verschiedenen, in dieser Arbeit beschriebenen Themenkomplexen differenziert zu betrachten. Während die allgemeine hansische Geschichtsschreibung über ein ausgedehntes untersuchtes Forschungsfeld verfügt und die wichtigsten Urkunden in den Hanserezessen und dem Mecklenburgischen Urkundenbuch hinreichend untersucht wurden, gibt es bezüglich der Kölner Konföderation kaum umfassende einschlägige Gesamtdarstellungen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch die Untersuchung der wendischen Hansestädte in der zu untersuchenden Zeitspanne fand zum Großteil im 19. Jahrhundert statt oder bewirkte, wie am Beispiel von Rostock, erst in den letzten Jahrzehnten wieder ein vermehrtes Publikationsinteresse. In der Zeit zwischen dem Ende des Nationalsozialismus und der Wiedervereinigung findet man zwei unterschiedlich fokussierende Hanseforschungen. Während die westdeutsche Geschichtswissenschaft Lübeck, Hamburg und Bremen zum Hauptgegenstand der Analyse machte und somit vier von den fünf hier untersuchten Städten nur am Rand erwähnte, kam es in der DDR zwar zu einer sehr genauen Betrachtung der Kölner Konföderation, besonders im Jahre 1970, aber nur wenigen Historikern gelang es die Kriterien Klassenauseinandersetzung und Klassenschichtung, die in der DDR-Geschichtswissenschaft von elementarer Bedeutung waren, nicht vordergründig auf die Hanse zu projizieren.9

Problematisch ist die Hanseforschung ebenfalls während der späten Kaiserzeit und des Nationalsozialismus anzusehen. Obwohl auch hier eine Pauschalisierung nicht möglich ist, diente sie der national orientierten Verfälschung: Prof. Dietrich Schäfer nannte die „Vertretung Deutschlands auf zur See“ als maßgebliche Charakteristika der Hanse. Für die deutlich stärker national gefärbte Publizistik ist das Buch „Kaiser Karl IV. und die deutsche Hanse“ von Heinrich Reincke aus dem Jahr 1931 exemplarisch zu nennen. In nationalsozialistischer Zeit wurde sie von „weniger seriösen Hanseforschern“ zu einem Legitimationsanspruch „von Flandern bis Russland“ ausgedehnt.10Bezüglich der Quellensichtung fing man gleichfalls erst in der Weimarer Republik an, dänische Quellen wie das „Môtbôk“ zu bearbeiten, obwohl dieses schon lange zugänglich war.11Den heutigen Forschungsstand für die jeweiligen Teilkomplexe geben verschiedene

9Vgl. Schelzel, Hansehandel, S.25: Ohne Zweifel waren die sozialpolitischen Verhältnisse in den Städten von Bedeutung, wie man weiter unten - zum Ende der Kölner Konföderation hin - sehen kann, doch wäre ein solch eingeengter Blickwinkel nicht für die Komplexität der Hanse ausreichend.

10Ebd., S. 7-8.

11Dietrich Schäfer, Das Buch des Lübeckischen Vogts auf Schonen, Lübeck 1927, S. 80.

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Historiker an: Böcker und Hacker haben sich auf die Städte in Vorpommern spezialisiert, während Münch, Techen und Werlich Artikel über Rostock und Wismar verfassten. Wernicke, Stoob, Friedland und Dollinger sind bezüglich der allgemeinen Geschichte der Hanse, bzw. unterschiedlichen spezialisierten Fragestellungen zu nennen. Die Werke von Fritze und Krause sind für die Kriegsgeschichte der Hanse richtungweisend. Die Grundlage für diese Auswahl war die bei der Recherche für diese Arbeit gewonnene Einschätzung der einzelnen Historiker.

In der neueren Forschung wird des Öfteren darauf hingewiesen, dass es nicht die ältere hansisch-dänische Feindschaft war, die zu der Kölner Konföderation und dem folgenden Krieg geführt hat, sondern die erstrebte Hegemonie und die mit ihr erwarteten Probleme bei der Rechtsbestätigung durch den dänischen König Waldemar Atterdag. Für diese Erkenntnis sprechen eine Reihe von Gründen, welche in den folgenden Kapiteln ebenfalls erwähnt werden: angefangen von den holsteinischen Raubrittern bis hin zu den Problemen der Hanse in Schonen während der schwedischen Herrschaft.12

1.2.Beschreibung der Ausgangssituation im 14. Jahrhundert

Die Grundlagen der deutschen Hanse lassen sich am besten wirtschaftspolitisch erklären. Sie förderte und beschützte die ihr angehörigen Kaufleute vornämlich mit diplomatischen Mitteln. Bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts hinein waren die Kaufmannshansen Interessenvereinigungen der niederdeutschen Kaufleute im Ausland. Es war nicht zwingend notwendig, dass sie aus Städten kamen. Oft waren auch Händler aus Marktflecken oder Dörfern Mitglieder. Im 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts klärte sich dies jedoch durch eine Zentrierung des Handels hauptsächlich auf die jungen Seestädte. So bildete sich der Grundsatz, dass nur bürgerliche Kaufleute aus den Hansestädten die Privilegien genießen konnten, welche die Hansen früher in der Gemeinschaft im Ausland erhielten oder errungen hatten.13

Die Nutzung der Privilegien wurde somit an die Bürgerschaft der Stadt gekoppelt. Auf diese Weise begann die Transformation zur Städtehanse: Die Stadträte - oft selbst wirtschaftlich bedeutende (Fern-) Kaufleute - erkannten den Vorteil für dieoppidum,wenn sie Mitglied des Bundes werden würde. Nun versuchte Lübeck, welches sich schnell gegen die anderen Zentren Visby14und Brügge durchsetzte, durch diese Entwicklung Vorteile zu

12Friedland, Die Hanse, S.144.

13Vgl. Ernst Daenell, Die Blütezeit der deutschen Hanse. Hansische Geschichte von der zweiten Hälfte des XIV. bis zum letzten Viertel des XV. Jahrhunderts, 2.Bd., Berlin 2001, S.404: In Nowgorod gingen die Bestimmungen noch weiter. Allein der Besuch der Stadt erforderte die Zugehörigkeit zur Hanse.

14Vgl. Volker Henn: Die Hanse und das hansische Handelssystem im 14. Jahrhundert. In: Jörgen Bracker (Hg.), Die Hanse — Lebenswirklichkeit und Mythos (Katalog der Ausstellung des Museums für

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erzielen und baute die wendischen Hansestädte unter seiner Führung zum Herzen des jungen Städtebundes aus. Ein weiteres Mittel zur Erringung der Vorherrschaft der wendischen Städte war die Ablehnung von Aufnahmeanträgen von Städten oder Städtegruppen mit dem Potential, die hansischen Privilegien zur Bildung eines neuen Machtzentrums innerhalb des Bundes zu nutzen. Das Bestreben der englischen Kaufmannschaft 1379 in die Hanse aufgenommen zu werden, lässt sich hier einordnen. Die Überlegenheit der Hanse begründete sich in der Mitte des 14. Jahrhunderts darauf, dass das Bürgertum der nordischen Staaten, aber auch Englands und Frankreichs lange Zeit durch innere Unruhen und äußere Kriege gehemmt wurde. London war hier noch am besten situiert, was sich auch in der massiven Konkurrenz ab dem frühen 15. Jahrhundert kenntlich machte.15In Frankreich und noch stärker in Brügge jedoch wurde die Tätigkeit der Kaufleute seit dem Ausbruch des Hundertjährigen Krieges zwischen Frankreich und England erheblich erschwert. Durch die Schäden an den Schiffen und dem wichtigen Textilgut war die Hanse veranlasst worden, zum ersten Mal mit einer gemeinsamen Stimme die Verhandlungen mit dem Grafen von Flandern zu führen. So fand 1356 die in der Forschungsliteratur als erste gesamthansische Tagfahrt deklarierte Versammlung der Hanse in Lübeck statt.16Phillippe Dollinger hat sogar jenes Jahr als Geburtsstunde der Städtehanse bezeichnet. Gleichzeitig trat die Hanse unter der Führung Lübecks zum ersten Mal einigermaßen geschlossen für den Schutz des Fernhandels ein.17

Hamburgische Geschichte in Hamburg 24. August-24. November 1989), Bd. 1, Hamburg 1989, S.54: Die Vormachtstellung Lübecks gegenüber Visby basiert zum großen Teil auf der Verlegung des Rechtszuges für das Nowgoroder Kontor im Jahre 1293 in die Stadt an der Trave und die territorialpolitischen Veränderungen im Baltikum und der südlichen Ostsee. Vgl. Tore Gannholm, Gotland und die deutsche Hanse. Der Europamarkt des 14. Jahrhunderts, Stånga 1994, S.9-13: Durch die Städtegründungen an der Küste war Gotland mit seiner 2000 jährigen Fernhandelsgeschichte keine zwingende Zwischenstation mehr auf dem Weg von Lübeck nach Russland. Der Rechtszug bedeutete, dass juristische Einsprüche innerhalb der Kaufmannschaft gegenüber dem im St. Petershof sitzenden Richter statt in Visby nun in Lübeck vorgebracht werden mussten. Lübeck bekam mit diesem Einfluss über die Fernhändler eine Bedeutung, die schnell anwuchs und Visby als ernste Konkurrentin im Russlandhandel ausschaltete. Die Verlegung des Rechtszuges charakterisiert auch, dass Gotland lange Zeit der Brückenkopf der „universi mercatores imperii Gotlandiam frequentes“ für den Russlandhandel war. Die Gotlandfahrer als Vorgänger der Hanse zu sehen ist jedoch irreführend, da in ihr viele westfälische Städte wie Dortmund oder Soest von entscheidender Bedeutung waren und es in Visby nie eine Kaufmannshanse gemäß der Semantik des Wortes „hansa“ gab. Im Gegensatz zu England gab es auf Gotland eine stark wachsende deutsche Bevölkerung, welche nach gutnischen Gesetzen lebte. Die Gruppe der deutschen Kaufleute hatte es somit nicht zwingend nötig, sich zu schützen.

15Daenell, Die Blütezeit der deutschen Hanse, 2.Bd., S.339.

16Vgl. Volker Henn, Hansische Tagfahrten in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. In: Die hansischen Tagfahrten zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Trier 2001, S.1-2 u. HR I, 1, S.4: Die manchmal ebenfalls als erste gesamthansische Versammlung aufgefasste Versammlung zwischen 1260 und 1264 in Wismar kann eher als Geburtsstunde des wendischen Quartiers bezeichnet werden, da die Beschlüsse mit dem lübischen Recht verknüpft waren, welches nicht in allen Heimatstädten hansischer Kaufleute vertreten war. Weiterhin wurden erst 1356 Ratssendeboten ausgeschickt, um die Belange der Kaufleute zu vertreten.

17Vgl. Philippe Dollinger: Die Hanse. In: Kölnisches Stadtmuseum (Hg.), Hanse in Europa - Brücke zwischen den Märkten.12.-17. Jahrhundert (Katalog der Ausstellung des Kölnischen Stadtmuseums 9. Juni-9.September 1973), Köln 1973, S.24-25: Dasselbe Prinzip fand in den Kontoren ebenfalls Anwendung: 1361 wurden die Kaufleute in Nowgorod darüber aufgeklärt, dass die Städte alle Verordnungen beschließen werden. 1365 folgte Bergen, indem die dortigen Kaufleute um eine Vormundschaft der Städte mit Lübeck an

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Doch welche Möglichkeiten hatte die wirtschaftlich operierende Hanse, ihre Privilegien zu verteidigen? Bis ins 14. Jahrhundert hinein ging sie selten dazu über, eine Handelssperre gegen eine Stadt auszurufen.18Denn wenn sie den hauptsächlich niederdeutschen Kaufleuten verbot in einer Stadt zu handeln, so bedeutete dies auch für die Hanse selbst eine Umsatzverringerung. Vor allem die Kaufmannshanse konnte sich dieses Druckmittel bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nur spärlich leisten. Noch größer war das Risiko konventioneller Kriege. Hier standen nicht nur Gewinne auf dem Spiel, sondern auch das Leben der Bürger. Dies war besonders unter dem Eindruck der Beulenpest 1349 bis 1351 von entscheidender Bedeutung. Obwohl die Arbeitskräfte vom Lande her aufgefüllt werden konnten, stellten die temporale Überproduktion an Gütern und der folgende Preisverfall ein Problem dar.19