Die bekanntesten erotischen Novellen von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant - E-Book

Die bekanntesten erotischen Novellen von Guy de Maupassant E-Book

Guy de Maupassant

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  • Herausgeber: DigiCat
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

In 'Die bekanntesten erotischen Novellen von Guy de Maupassant' präsentiert der Autor eine Sammlung von Geschichten, die sich um das Thema Liebe, Leidenschaft und Verlangen drehen. Maupassants literarischer Stil zeichnet sich durch seine präzise Sprache und seine feinen Beobachtungen der menschlichen Natur aus. Die Geschichten bieten einen Einblick in die moralischen und sozialen Konventionen des 19. Jahrhunderts und reflektieren die Vielschichtigkeit menschlicher Beziehungen. Maupassants Werk gilt als vorbildlich für die französische literarische Realismusbewegung und hat einen bedeutenden Einfluss auf die moderne Literatur ausgeübt. Diese Novellensammlung ist ein fesselndes Leseerlebnis, das den Leser in die faszinierende Welt des erotischen Schreibens einführt. Maupassants Geschichten sind zeitlos und laden dazu ein, die tiefgründigen Emotionen und Beziehungen zwischen den Protagonisten zu erforschen. 'Die bekanntesten erotischen Novellen von Guy de Maupassant' ist ein literarisches Werk, das sowohl intellektuell anspruchsvoll als auch unterhaltsam ist und dem Leser einen Einblick in die menschliche Psyche gewährt. Es ist ein empfehlenswertes Buch für Liebhaber klassischer Literatur und für jene, die die tiefgründigen Themen der Liebe und Leidenschaft erforschen möchten.

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Guy de Maupassant

Die bekanntesten erotischen Novellen von Guy de Maupassant

Die Nichten der Frau Oberst - Die Schwestern Rondoli - Die Wirtin - Das Zeichen
 
EAN 8596547759904
DigiCat, 2023 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Die Nichten der Frau Oberst
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
28. Kapitel
Die Schwestern Rondoli
I.
II.
III.
Die Wirtin
Die Wirtin
Das Zeichen
Das Zeichen

Die Nichten der Frau Oberst

Inhaltsverzeichnis
Originalausgabe: Les Cousines de la Colonelle (1886)
Aus dem Französischen von Dr. Martin Isenbiel

1. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Ein feiner und eisiger Dezemberregen strömte auf die Rue d’Assas nieder, die beinahe ausgestorben dalag. Das gleichmäßige Geräusch des fallenden Regens wurde nur hie und da von pfeifenden und heulenden Windstößen unterbrochen. In dem kleinen Salon der Madame Briquart saßen vier Personen beisammen; zunächst sie selbst, die ehrbare Witwe eines Obersten jener schönen, nun bald sagenhaft gewordenen Kürassiere. Die würdige Dame trug ihre sechzig Jahre mit derselben Heiterkeit, wie sie in der Ehe die Hosen getragen hatte, da der Herr Oberst einem »on dit« zufolge nur an der Spitze seines Regimentes ein tapferer Mann gewesen war. Trotzdem hatte Madame Briquart durchaus nicht das Aussehen eines Mannweibes; im Gegenteil, sie war eine frische, liebenswürdige alte Dame, aber von der Art derjenigen, bei denen ein Augenzwinkern genügt, um ihren Willen ein für allemal durchzusetzen.

Neben ihr blätterte Julia, ihre junge Nichte, in einem Album, während Florentine, deren Schwester, an einer Stickerei arbeitete.

Man hörte der Vorlesung eines nicht weiter anspruchsvollen Romanes zu, den ein etwa fünfzig Jahre alter Herr, Cousin Georg, wie man ihn nannte, vortrug, verfolgte aber dabei seine eigenen heute abend etwas melancholisch gefärbten Gedanken.

Ein stärkerer Windstoß ließ das Haus beinahe erzittern. Madame Briquart fröstelte und schmiegte sich tiefer in ihren Fauteuil mit einer fast wollüstigen Regung, die ein plötzlich eintretender Kontrast zu unserer Lage manchmal in uns aufsteigen läßt. Auch die Gäste des Salons hatten ein ähnliches Gefühl, das sie je nach ihrem individuellen Charakter verschiedenartig ausdrückten.

Julia hob den Kopf und murmelte:

»Welch schreckliches Wetter.«

Florentine senkte den ihrigen auf ihre Arbeit nieder, wie eine Lilie, die unter dem Ansturm des Windes ihr Haupt neigt. Georg unterbrach seine Vorlesung, sah zunächst aufmerksam zu Florentine hinüber und sagte dann mit zufriedenem Lachen:

»Ja, ja, liebe Tante, jetzt ist es gemütlicher in Ihrem Salon als zum Beispiel auf einer Straße in den Champs-Elysées.«

»Allerdings«, erwiderte die alte Dame, »und ich fürchte daher, daß unsere Freunde uns heute abend im Stich lassen und wir unseren Tee ganz unter uns einnehmen werden.«

»Das glaube ich auch, denn das müßte schon ein Geisteskranker oder ein stark Verliebter – was ja ungefähr dasselbe ist – sein, der sich heute in diesem alten Faubourg verirrte, wo die Straßen einem ausgefahrenen holländischen Mühlweg gleichen.«

»Ein Liebhaber! Pah!« sagte Julia, »so etwas gibts hier nicht.«

»Wirklich?« erwiderte Georg Vaudrez etwas ironisch, »sind Sie dessen sicher?«

»Vollständig … Also, mein lieber Herr Georg, fahren Sie nur ruhig fort mit der Leidensgeschichte Ihrer Romanheldin! Es wird Sie niemand unterbrechen.«

Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, als das Rollen eines herrschaftlichen Wagens sich hören ließ und hart unter der Haustüre abbrach. Die Torglocke schrillte.

»Sollte das wahrhaftig ein furchtloser Besuch für uns sein?« fragte Madame Briquart.

Ehe man ihr noch antworten konnte, öffnete sich die Salontüre, und die alte Kammerfrau der Obristin meldete den Grafen Saski.

Bei Nennung dieses Namens gruben sich die feinen Fältchen an den Schläfen Vetter Georgs etwas tiefer ein, und ein rosiger Schimmer flammte auf Julias Wangen auf.

»Ah, wie liebenswürdig von Ihnen, dem Unwetter getrotzt zu haben, um uns zu besuchen«, sagte Madame Briquart freundlich zu dem neuen Gast und streckte ihm ihre weiße Hand hin, auf die der junge Mann nach russischem und polnischem Gebrauch, der leider in Frankreich ganz abgekommen war, einen respektvollen Kuß drückte.

»Gnädige Frau, auch eine Promenade nach Kamtschatka würde mir reizvoll erscheinen, wenn ich erwarten könnte, Sie dort zu treffen«, erwiderte der Graf galant der Dame des Hauses, während aber seine Blicke über den Kopf derselben zu Julia hinüberschweiften.

»Sie sind ein Schmeichler! Aber nach einem solchen Akte des Heroismus, im stärksten Unwetter hier hinauszudringen, ohne andere Aussicht als eine Tasse Tee bei Einsiedlern zu nehmen, kann man Ihnen nicht böse sein.«

Eine Zeitlang setzte sich die Unterhaltung in ähnlichem Tone fort; da näherte sich der junge Mann unmerklich Julia und begann halblaut mit ihr zu plaudern. Seit seinem Eintritt in den Salon war es wie ein kleiner Hauch auf die Gäste gefallen. Georg sprach überhaupt nicht mehr. Florentine hatte ihre Stickerei ruhen lassen und blätterte still in dem Buche, das Georg auf dem Tisch hatte liegenlassen. Madame Briquart warf einen ein klein wenig boshaften Blick auf ihre Umgebung und zog sich dann zurück, was anscheinend von niemandem bemerkt wurde.

Es schlug elf Uhr. Karoline brachte den Tee, den die jungen Mädchen servierten, und bereits um Mitternacht konnte der arme Hausmeister konstatieren, daß der letzte Besucher dieser seiner ruhigsten Mieter sich verabschiedet hatte und er also in vollster Sicherheit sich dem süßen Schlummer überlassen könne.

Einige Wochen verstrichen, ohne in der Existenz unserer Freunde eine bemerkenswerte Änderung herbeizuführen. Indes lag irgend etwas in der Luft, irgendein Ereignis, das entscheidend in das Schicksal der beiden jungen Mädchen eingreifen sollte.

Julia und Florentine waren die Töchter eines richtigen Vetters der Obristin, die für diesen Freund ihrer Jugend eines jener schwer zu charakterisierenden Gefühle empfunden hatte, die nicht mehr Freundschaft und doch noch nicht Liebe sind, die zwei Menschen aber so eng aneinander ketten, daß nichts die Bande zu trennen vermag als der Tod.

Der war es auch, der den armen Hektor, als er zwei Jahre lang verwitwet war, heimführte, ohne ihm Zeit zu irgend etwas anderem zu lassen, als seine beiden Töchter zu Madame Briquart zu schicken und dazu mit zitternder Hand zu schreiben.

»Ich liege im Sterben, nimm sie auf!«

Und sie hatte sie aufgenommen, sie erzogen und fragte sich oft, welche Zukunft die beiden holden Wesen wohl erwarten möge, die sie liebte, als wenn sie ihre eigenen Kinder gewesen wären.

»Jung, schön und arm«, sagte sie sich, »wie gefährlich! Welche Enttäuschungen und Leiden mögen sie erwarten!« Und dann entrang sich gewöhnlich ein schwerer Seufzer ihren sonst immer lächelnden Lippen.

An diesem Morgen hatte die Frau Oberst ihr Kotelett nur halb verspeist und die halbe Flasche Chambertin, die sie als hygienische Maßregel zu jeder Mahlzeit trank, fast unberührt gelassen. Als der Kaffee serviert war und Karoline das Speisezimmer verlassen hatte, heftete Madame Briquart plötzlich ihre Augen auf Florentine und sagte ohne jede Einleitung:

»Mein Kind, würdest du wohl etwas dagegen haben, gnädige Frau zu werden?«

Das junge Mädchen schlug die Augen auf, errötete und sagte lächelnd:

»Durchaus nicht, Tante! Das hängt davon ab, mit wem ich mein Leben verbringen müßte.«

»Hm! Nun, mit jemandem, der dich anbetet.«

»Der sie anbetet?« fragte lachend Julia. »Also Neuigkeiten, Tante?«

»Meine Liebe«, wandte sie sich dann an ihre Schwester, »mache dich auf etwas Schreckliches gefaßt! Ein Antrag naht! Tante laß uns nicht sterben vor Ungeduld!«

»Gott behüte, meine Teuern! – Ich will euch also ohne Umstände berichten, daß gestern Cousin Georg eine lange Unterhaltung mit mir hatte, in deren Verlauf er mir sein Herz ausschüttete, das für Florentine glüht. Er bat mich um ihre Hand, worauf ich natürlich nichts weiter antworten konnte, als daß ich dir getreulich seinen Antrag übermitteln werde. Jetzt ist es also an dir, eine Entscheidung zu treffen. – Georg war der Neffe meines Mannes. Ich kenne ihn seit fünfundzwanzig Jahren. Er hat ein hübsches Vermögen, ist äußerlich kein unebener Mensch, genügend intelligent und durchaus Gentleman. Du dagegen bist jung, hübsch, aber – nicht reich und wirst es auch in Zukunft nicht werden; denn ich habe mein kleines Erbteil auf Leibrente gegeben, um uns eine bequeme Existenz zu ermöglichen. Meine Pension hört bei meinem Ableben auf, und es ist daher Zeit, ernsthaft an die Zukunft zu denken. – Nun, was sagst du zu Herrn Georg?«

Florentine war etwas blaß geworden. Mit zwanzig Jahren träumt man schließlich von anderen Männern als von würdigen Herren mit fünfundfünfzig Jahren. Sie hatte Herrn Vaudrez recht gerne und war von Kindheit an gewöhnt, ihn als Verwandten anzusehen, obwohl er es nicht war; aber niemals hatte ihr Herz in seiner Gegenwart höher geschlagen, und trotz seiner sehr deutlichen Aufmerksamkeit war ihr der Gedanke, seine Lebensgefährtin zu werden, niemals gekommen. Sie war ein zartes Kind, noch vollkommen unschuldig und selbst unwissend in alledem, was sich hinter dem Worte Liebe verbirgt. Wohl hatte sie sich oft, zumal bei der Lektüre, ihre Zukunft etwas anders ausgemalt, als sie sich jetzt vor ihren Blicken zeigte, aber sie empfand auch nicht gerade Angst oder Widerwillen bei dem Gedanken, ihre zarte kleine Hand für immer in die des Herrn Georg Vaudrez zu legen.

»Mein Gott, Tante«, sagte sie nach einem kurzen Stillschweigen, »Sie kennen das Leben besser als ich. Sorgen Sie also für mich, wie Sie es für richtig halten.

Das bedeutet: ich bin zwar nicht leidenschaftlich verliebt in Georg, aber er gefällt mir immerhin gut genug, um die nette Stellung, die er mir bietet, annehmen zu können, trotz seiner fünfundfünfzig Jahre.«

»Ich weiß nicht, ob es ganz genauso ist … oder vielmehr … ja … ich würde glücklich sein, dem guten Herrn Vaudrez zu gefallen.«

»Ach du meine Güte!« rief Julia, »das ist nicht schlecht! Jemanden heiraten, einzig und allein, um ihm eine Freude zu bereiten! Das ist noch nicht dagewesen! Man kennt Ehen aus Neigung, Ehen aus Vernunftgründen, aber die Ehe aus Gefälligkeit, das ist unerhört! Mein Kompliment, liebe Schwester, aber ich werde deinem Beispiel gewiß nicht folgen.«

»Du wirst es vielleicht bereuen«, sagte die Tante. »Glücklicherweise handelt es sich nicht um dich, sondern um Florentine, und ich werde unverzüglich hineilen und den guten Georg in den siebenten Himmel befördern, indem ich ihm die Einwilligung deiner Schwester überbringe.«

Madame Briquart erhob sich und verließ das Speisezimmer, und auch die jungen Mädchen zogen sich, jede in ihr Zimmer, zurück, um über den Vorfall nachzudenken.

Eine Heirat ist in jedem Hause eine äußerst wichtige Angelegenheit. Die Ankündigung der ihrigen beunruhigte Florentine weit weniger als ihre Schwester Julia. Nicht daß diese Neid empfand, dazu liebte sie die Schwester zu sehr. Aber die Worte der Madame Briquart, die zum erstenmal den Schleier, der über ihrer Zukunft lag, ein wenig gelüftet hatte, stürzten sie in die heftigste Unruhe.

»Ohne Vermögen – –« sagte sie sich. »Also verurteilt, entweder alte Jungfer zu bleiben oder die Gefährtin eines verliebten Alten zu werden! Denn wer anders heiratet in unserem lieben Vaterlande ein Mädchen ohne Mitgift! Das ist heiter…. Aber resignieren – niemals! Die ganze Natur wiederholt unaufhörlich das Wort Liebe … in allen Büchern ist es, in mir selbst erklingt es fort und fort…. Irgend etwas muß es geben, ein Unbekanntes, ein Herrliches…. Und ich sollte darauf verzichten, es nie kennenlernen, nur um eine ruhige und beschauliche Existenz zu führen, deren kleine Leiden und Freuden ich schon im voraus hasse? Niemals!« Aber gegen diese feste Versicherung klang wie ein gewichtiger Baß die Gegenfrage:

»Und wenn du ihn nun nicht findest, den jungen, schönen, reichen Ehemann, der dich anbetet? Was dann?«

Und nur das Stillschweigen gab Antwort auf diese Frage.

Florentine quälte sich nicht mit solchen unruhigen Gedanken. In ihren Träumen sah sie vor ihren Blicken schon das beneidenswerte Dasein einer Schloßherrin sich abspielen. Georg bewohnte nämlich fast das ganze Jahr hindurch ein hübsches Schloß in der Nähe von Paris, das sie kannte, da sie manchmal ihre Ferien dort verlebt hatte. Dort sah sie sich in einem großen Thronsaal präsidierend und ihre Gäste empfangend. Die Tage würden von Sonnenschein durchleuchtet und von dem Geruche der Feldblumen durchduftet sein und ausgefüllt mit den zahlreichen Beschäftigungen, die das Landleben mit sich bringt. Und mittags saß sie inmitten ihrer Familie, um sie herum kleine Kinder, die sie Mama nannten … und hinter dem liebenswürdigen Bilde erschien ein weißes Haupt, dessen Augen sie liebevoll betrachteten: Georg. Dieser Zukunftstraum grub sich so tief in ihr Herz ein, daß sie am Abend mit wirklichem Glücksgefühl ihre Hand in die des Herrn Vaudrez legte und das »Ja« flüsterte, das er so sehr ersehnte.

Ohne die Sache überstürzen zu wollen, wünschte Madame Briquart doch, die Eheschließung nicht in die Länge zu ziehen, und ihr Neffe war derselben Ansicht. So gab es sechs Wochen hindurch ein ewiges Kommen und Gehen von Schneidern und Modistinnen. Madame Briquart nahm es sehr genau mit diesen Dingen.

»Ich kann dir nur eine Aussteuer mitgeben«, sagte sie zu ihrer jungen Nichte, »aber die soll wenigstens hübsch sein.«

Und die gute Dame wählte mit minutiöser Sorgfalt namentlich die koketten Nachtgewänder aus, die feinen bebänderten Hemden und jene tausend Nichtigkeiten, die zusammen den reizenden Rahmen für die Liebesnächte abgeben.

»Aber, liebe Tante«, sagte Florentine gelegentlich, »warum diese Feinheit und Sorgfalt bei Gewändern, die doch niemand sieht?«

Dann lächelte die alte Dame und sagte:

»Laß mich doch, das macht mir eben Spaß.«

Madame Briquart kannte das Menschenherz und wußte sehr gut, daß ihr Neffe, der sehr lange seine Rechte als Junggeselle ausgekostet hatte, kein allzugroßer Sünder vor dem Ewigen mehr sein werde. Er hatte die Tage seiner Jugend und einige darüber hinaus in einem mehr raffinierten als soliden Milieu verbracht, wo der äußerste Luxus die Stelle der Seelenneigung einnimmt, die bei den Venuspriesterinnen im allgemeinen selten ist. Sie wollte daher nicht, daß die Sinne des neuen Ehemannes durch trübe Vergleiche erkältet würden, und sie erinnerte sich dabei an ein Ehepaar, dessen Lebensweg mit Rosen bestreut zu sein schien und das doch nach kaum vierzehn Tagen des Ehelebens tief unglücklich geworden war, nur weil die junge Frau, schlecht angeleitet von ihrer sparsamen Mama, in der Hochzeitsnacht ein Paar solide graue Wollstrümpfe und ein Nachthemd von ähnlicher Qualität angezogen hatte. Daher sparte sie weder Mühe noch Sorge.

Endlich war der große Tag gekommen. Florentine sah reizend aus unter ihrer Orangenblütenkrone und den weißen Wolken ihres Hochzeitskleides, als sie ihrem Ehemann ewige Liebe und Treue schwur. Nach einem kleinen Frühstück unter den engeren Freunden stieg sie etwas erregt, aber durchaus nicht ängstlich in den Wagen, der sie zu Georgs Schloß führte, wo dieser in Übereinstimmung mit Madame Briquart die ersten Stunden der ehelichen Intimität verbringen wollte. Er konnte die Mode nicht leiden, die gleichgültigen Mauern eines Hotelzimmers zu Zeugen der ersten leidenschaftlichen Seufzer Jungverheirateter zu nehmen, und zog es daher vor, sie dem Hause anzuvertrauen, wo er sein Leben zu verbringen gedachte. Hier würden sie als ein Echo haftenbleiben und in bösen Tagen die Ehegatten mit ihrer freundlichen Erinnerungsstimme trösten und erheitern.

2. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Der Wagen rollte rasch dahin, und bald verschwanden die Befestigungswälle von Paris im Nebel. Georg hatte eine der Hände seiner Frau in die seinige genommen und hielt sie fest umklammert. Von Zeit zu Zeit neigte sich sein Kopf auf die Stirn der jungen Frau, die sich ihm eben zu eigen gegeben hatte, und er heftete einen Kuß darauf, der ohne Erröten oder Verlegenheit hingenommen wurde. Alles das war sehr anständig, unendlich anständiger, als es der neue Gemahl, um die Wahrheit zu sagen, gewünscht hätte.

Herr Vaudrez gehörte nicht zu der sentimentalen Sorte. Vor allem Sinnenmensch, hatte er bei der Verheiratung mit Florentine namentlich die Wiedererweckung jener Freuden im Auge, deren Wiederbelebung ihm von Tag zu Tag schwieriger zu werden begann.

Für zwei gute Pferde ist es nicht sehr weit von Paris nach Montmorency, in dessen Umgebung das Schloß der Vaudrez’ mit Namen Les Charmettes gelegen war. Man war bald angelangt. Der neue Ehemann hatte um seine junge Ehefrau Einsamkeit geschaffen. Sie traf nur ein diskretes und förmlich liebenswürdiges Stubenmädchen an, dessen Züge einen unerschütterlichen Ernst bewahrten, während ihre Augen allerdings ganz anders sprachen. Die für Florentine bereiteten Zimmer waren neu hergerichtet worden, und die reizendsten Bibelots schmückten es.

»Wie liebenswürdig du bist«, sagte die junge Frau mit Entzücken, als sie am Abend nach einem sorgfältigen Diner in ihrem Zimmer zusammensaßen und sie ihrem Ehegemahl von einigen Stunden eine Tasse Tee anbot.

»Ich? Nicht doch! Du bist es, meine Teure, du, die die Güte hatte, mir die Sorge für ihr Leben anzuvertrauen. Und wie ich darauf brenne, Besitz von meiner teuren Frau zu ergreifen –«

»Wie das? Bist du denn nicht jetzt schon mein Herr und Gebieter?«

»Nicht vollständig, meine Holde – ich habe das Recht erworben, es zu werden. Das ist bis jetzt alles«, und insgeheim fügte Georg Vaudrez hinzu: »Hm, sollte das liebe Kind absolut unwissend sein? Sollte sich Madame Briquart diese schöne Gelegenheit haben entgehen lassen, ihre Phantasie mit Dingen zu beschäftigen, die seit langer Zeit verbotene Früchte für sie sind? Aber das ist doch unmöglich! Immerhin seien wir vorsichtig!«

»Also, mein Liebling, du glaubst, daß das, was sich heute morgen auf dem Standesamt und in der Kirche zugetragen hat, die letzten Wonnen der Liebe darstellt?«

Die junge Frau errötete und senkte den Kopf.

»Ich weiß nicht recht«, murmelte sie.

»Reizend!« sagte sich Georg, »welche Wonne, diese Unschuld zu pflücken!«

»Wirklich nicht?« fragte er dann. »Nun, ich will es dich lehren. Aber warum machst du es dir nicht bequem? Dieses Korsett muß dir doch sehr hinderlich sein! Brauchst du dein Kammermädchen, um es abzulegen?«

»Nein, nein.«

»Nun, dann geben wir ihr den Abschied und bleiben ganz unter uns.«

Mariette wurde hinausgeschickt, und Georg schob den Riegel vor. Florentine war schon in ihr Toilettenzimmer getreten und begann den erhaltenen Ratschlag auszuführen; Georg betrachtete sie dabei, hinter einem Vorhang verborgen, und sein Blut wurde warm, als er diese Arme und Schultern sah, die, von den hüllenden Schleiern befreit, sich in ihrem jugendlichen Glanze vor ihm zeigten. Als nur noch das Hemd übrig war, stürzte er plötzlich aus einem Winkel hervor und schloß sie in seine Arme.

»Ah! Wie du mich erschreckt hast!« rief das junge Mädchen, verwirrt und sehr rot.

Wohl hatte sie in ihrem Innern gemutmaßt, daß das Leben als Frau irgendein Geheimnis bergen müsse, aber sie wußte nicht, worin dieses unbekannte Etwas bestand, das ihre Tante und ihr Beichtvater ihr als ihre Pflicht bezeichnet hatten und zu deren Erfüllung sie ihr die größte Unterwürfigkeit unter die Wünsche ihres Gemahls gepredigt hatten.

Georg war sehr blaß. Er preßte sie in seine Arme und bedeckte ihre Lippen, ihre Schultern und ihren Busen, den sie vergeblich seinen Blicken zu entziehen versuchte, mit heißen Küssen. Dann glitt seine fiebernde Hand an dem Körper der jungen Frau entlang und preßte sich wild um die Hüftlinie. Dabei krümmte er sich vor Gier und verschlang fast die rosigen Lippen Florentines mit seinem heißen und brennenden Munde. Dann setzte er seine Versuche fort, und es gelang ihm schließlich, trotz der Anstrengungen der jungen Frau, ihre Schenkel und Knie zu umklammern. Zwei Bänder von weißem Samt hielten das feine Seidenhöschen zusammen, das ihre Beine bedeckte. Er knüpfte sie los und ließ das leichte Gewand, das den untersten Teil des Körpers noch verhüllte, auf den Teppich gleiten. Florentine, einem aufgescheuchten Vögelchen gleich, stieß einen kleinen Entsetzensschrei aus und floh in die hinterste Ecke des Zimmers.

Georg betrachtete sie voll Bewunderung. Seine Augen glitzerten in allen Feuern der Begehrlichkeit.

»Florentine, meine teure Florentine«, bat er, »hast du denn Angst vor mir? Bin ich nicht dein Mann? Warum weigerst du dich, meine Frau zu sein?«

»Noch mehr…? Aber ich verstehe dich nicht!«

»Gut, also komm her! Ich will dir auseinandersetzen, worin der Unterschied zwischen einem jungen Mädchen und einer verheirateten Frau besteht.«

»Ich traue mich nicht«, sagte die junge Ehefrau mit einem hilflosen Blick auf ihre leichte Bekleidung.

»Warum nicht, Kind? Wegen deines leichten Gewandes? Aber ist es nicht das schönste, was es gibt, das einzige, das für die Feste der Liebe geeignet ist? Warte, ich will dir Mut machen und ebenfalls alles abwerfen, was die Glut unserer Leidenschaft stören könnte.«

Gesagt, getan. Georg entledigte sich rasch seiner Kleider und stellte sich nun in ähnlichem Kostüm neben seine Frau.

»Komm!« bat er, sie mit liebkosenden Armen umschlingend und zu einem Diwan ziehend, »hier ganz nahe zu mir … so … ich will dir verständlich machen, was meine Liebe von der deinigen begehrt … denn du liebst mich doch, nicht wahr? Du liebst mich, mein Schatz, meine angebetete, süße kleine Frau? … In der Heiligen Schrift, du hast es oft gelesen, ist gesagt, daß Mann und Weib nur ein Fleisch und Blut bilden sollen, wenn sie durch die Ehe geeinigt sind.«

»Ja …«

»Nun, was muß also dazu geschehen? Dein Mann muß Besitz ergreifen von den Schätzen, die dein Leib birgt. Nicht nur diese reizenden Kugeln, die ich eben liebkose, sondern auch der tiefste Teil deines Körpers, wo jetzt meine Hand ruht und mein Finger eindringt…«

Georg hatte seine Schülerin mit seinem linken Arm umklammert und hielt sie halb zurückgebeugt, während seine rechte Hand deutliche Erklärungen begann, deren erregende Wirkung Florentine allmählich spürte.

»Damit du mir gehörst, mein Schatz, ist es nötig, daß ich in dich eindringe.«

»Aber wie denn …«

»Du weißt also nicht, wie die Körperbildung des Mannes sich von der Frau unterscheidet?«

»Nein.«

»Hier – sieh – faß an!«

Georg enthüllte das Instrument, das Gott den Männern verliehen hat, um die Herrschaft über die Frauen auszuüben, und die junge Frau, etwas erschreckt, mußte ihren kleinen Finger auf das rebellische Fleisch ihres Mannes drücken.

»Du besitzt den Köcher für diesen Pfeil. Er wird siegreich in dich eindringen, um deinen Leib zu befruchten und dich die Wonnen der Liebe zu lehren. Nun weißt du es; willst du mein Weib sein, willst du das Versprechen halten, das du mir heute morgen gegeben hast?«

»Ja«, murmelte eine kaum hörbare Stimme.

»Und du wirst mutig sein, nicht wahr? Denn siehst du, der erste Liebeskampf ist eine richtige Schlacht. Die Pforte des Paradieses ist verschlossen, und der Eingang muß erzwungen werden!«

Georg hörte nicht mehr darauf, was Florentine antwortete. Er nahm sie auf seine Arme, trug sie in sein Zimmer und legte sie auf das breite Bert, das Zeuge des Kampfes sein sollte. Dann streckte er sich mit siegesfrohem Schwunge neben sie hin, fuhr mit seinen behaarten Beinen an ihrem zarten Körper entlang und berauschte sich an dieser Berührung. Endlich sich auf sie legend und mit kräftigen Händen ihre Schenkel spreizend, die sich erschreckt gegeneinanderpreßten, sagte er sich:

»Die Stunde des Sieges schlägt!«

Herr Vaudrez war noch recht kräftig und hätte in einem Scharmützelkriege seinen Mann gestanden. Aber hier handelte es sich um ein ernsthaftes Manöver, zu dem man vor allen Dingen ausgezeichnet gerüstet sein muß: er konstatierte es mit Schrecken. Der Vorkampf, die Auseinandersetzungen hatten eine gewisse Zeit in Anspruch genommen, und die siegesfrohe Stimmung des neuen Gatten verminderte sich in beängstigender Weise. Er begann schwach zu werden und sah ein, daß es ihm unmöglich sein werde, die Festung einzunehmen, die sich ihm auf Gnade und Ungnade ergeben hatte.

»Ich Narr«, dachte er, »warum habe ich die starken Tropfen nicht eingenommen, die mir Albert anbot. ›Du tust sehr unrecht‹, sagte mir noch dieser brave Freund. – Donnerwetter, ja, ich hatte unrecht. Glücklicherweise ist meine Frau unwissend wie ein neugeborenes Kind. Ich werde ihr Ersatz schaffen …«

Und er setzte seine Bewegungen vor dem Heiligtume fort und fühlte allmählich, wie der reizende kleine Punkt, vor dem sein verräterischer Freund untätig blieb, sich aufrichtete und hart wurde. Erstickte Seufzer rangen sich von den Lippen Florentines, die sich wie im Fieber krümmte. Georg war kein Neuling mehr. Er begriff die Lage: sie war gleichzeitig reizend und scheußlich. Er packte also mit fester Hand den Delinquenten und zwang ihn, sich regelmäßig an dem reizvollen Punkte hin-und herzubewegen, was bald den gewünschten Höhepunkt bei der jungen Frau herbeiführte. Sie stieß einen Schrei aus; sie war immer noch Jungfrau und trotzdem nicht ganz unwissend, denn sie hatte die ersten Wonnen der Liebe gespürt.

Georg war enttäuscht. Er fühlte sich schwer geschlagen. Traurig sah er seine Frau an, die halb ohnmächtig auf dem Bette ruhte, betrachtete noch einmal seinen trübseligen Zustand und streckte sich dann mit philosophischer Ergebung neben ihr aus, hoffend, daß Cupido ihm gnädigst helfen werde, und – schlief fest bis zum frühen Morgen.

Auch Florentine schlief, stark mitgenommen durch den ersten Rausch, ein, wachte am Morgen gestärkt und fröhlich lachend auf und erkühnte sich sogar selbst, einen Kuß auf die Lippen ihres Gemahls zu drücken. Das Verheiratetsein kam ihr durchaus nicht so schrecklich vor, und sie bewahrte stets eine freundliche Erinnerung an ihre Hochzeitsnacht.

Georg selbst fühlte sich noch nicht kräftig genug, um eine neue Schlacht zu versuchen, und zog es vor, die Liebkosungen Florentines, die sich schelmisch an ihn schmiegte, dadurch zu erwidern, daß er die kleine Szene der vergangenen Nacht wiederholte. Sein Finger verirrte sich in das schwarze Geringel am Leib der jungen Frau, machte am gefährlichsten Punkte wieder halt und versuchte sogar, ein wenig weiter vorzudringen. Aber der Widerstand, den er fand, zeigte ihm die ganze Schwierigkeit, die ihn für den Augenblick der Entscheidungsschlacht erwartete, in der man, auf die Gefahr ewiger Lächerlichkeit hin, siegen oder sterben muß.

Florentine, diesmal weniger unerfahren, half ganz gern seinen Bemühungen und wurde durch einen Rausch von größerer Stärke und längerer Dauer als in der Nacht entschädigt.

»Morgen«, sagte sich Georg, »werde ich meine Tropfen haben und ans Ziel kommen. Dieses Schwein, der Albert, wird sich zwar riesig lustig über mich machen, das ist sicher. Aber schließlich die Hauptsache ist Stärke, Stärke!«

Albert war nicht in Paris. Erst im Laufe des Tages sollte er zurückkommen. Es wurde daher beschlossen, daß Jean ihn aufsuchen und bei dieser Gelegenheit Madame Briquart und Julia abholen sollte, die versprochen hatten, zum Diner nach Charmettes zu kommen.

3. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Gegen zwei Uhr kam der Wagen zurück und brachte Madame Briquart und Julia mit.

Die Zeit war ihnen lang geworden. Eine ganze Welt von Neugier war in den beiden Frauen erwacht. Die Tante schwelgte in Erinnerungen, Julia in Ahnungen. Alle beide hatten eine gewisse Angst zu erfahren, wie Florentine die Krisis überstanden hätte, deren mögliche Wechselfälle die alte Tante sehr wohl kannte, die sich aber Julia außerordentlich schrecklich vorstellte. Sie waren daher ein wenig enttäuscht, als sie die Heiterkeit sahen, mit der die junge Frau sie empfing. Sie sah rosig aus und lächelte; nur ein etwas lebhafteres Karmin stieg in ihrem Gesicht auf, als sie den forschenden Blick der Tante auf sich ruhen fühlte.

Was Georg betrifft, so sah er aus wie gewöhnlich, und die blauen Ringe um seine Augen zeichneten sich nicht schärfer ab als sonst.

Die Konstatierung dieser Tatsache versenkte Madame Briquart in tiefe Gedanken.

»Halt!« sagte sie sich, »sollte er doch noch jünger sein, als ich glaubte?«

Cousin Georg zeigte sich sehr geschäftig den Damen gegenüber und schien nicht den Wunsch zu haben, seine Frau mit ihnen allein zu lassen. Aber es sei gesagt: wenn eine Frau etwas will, helfen ihr Gott und der Teufel. Hier waren es gar drei. Was sollte Georg machen? Er sah sich besiegt und mußte auf die Gefahr hin, sich lächerlich zu machen, endlich weggehen, um den Dienstboten Aufträge zu geben, mit denen sich die unerfahrene Florentine noch nicht befassen konnte. Madame Briquart nahm die Gelegenheit währ, um ihre Nichte in ihr Zimmer zu führen, während Julia die tausend Einzelheiten der Aussteuer besichtigte, die in großen Spiegelschränken im Toilettenzimmer verwahrt waren.

»Nun, meine arme Kleine«, sagte die Tante, indem sie sich neben Florentine auf ein Ruhebett setzte, »wie findest du die Ehe?«

»Sehr nett, liebe Tante; Georg ist voller Zuvorkommenheit und Zärtlichkeit für mich.«

»Er? Ah, das glaube ich! Aber du, wie fühlst du dich, mein Kind?«

»Ich? – Bis jetzt sehr glücklich, und ich sehe nicht ein, warum dieses Glück nicht anhalten sollte.«

»Ah, ich gewiß auch nicht. – Aber sage mir, war er brutal gegen dich? Auch der beste Mann hat gewisse Momente, wo er die Etikette vergißt,«

»Brutal? Oh, gewiß nicht! Ich wiederhole es Ihnen, er ist voll Sorgfalt und Aufmerksamkeit.«

»Schön, schön; ich sehe, daß alles gutgegangen ist und daß du nicht zuviel gelitten hast. Georg hat wahrscheinlich seinen Arzt konsultiert, und der hat ihm eine Salbe, ein Linderungs-mittelchen gegeben.«

»Warum denn das, Tante?«

Mit einem Ruck richtete Madame Briquart sich auf und sah sie voll Erstaunen an.

»Aber, mein liebes Kind, um dir Schmerzen zu ersparen, die bei der Frau stets den ersten Liebeskampf begleiten. Der Schöpfer hat vor jeden Sieg den Kampf gesetzt, und das Blut muß ebensogut bei der ersten Liebeswonne wie beim Mutterglück fließen.«

Madame Briquart hörte sich gerne reden. Sie wäre also wahrscheinlich noch eine gute Weile so fortgefahren, wenn ihre Nichte sie nicht unterbrochen hätte.

»Liebe Tante, ich verstehe nichts von dem, was Sie mir da erzählen. Da wir ja hier unter uns Frauen sind (die Neuvermählte betonte das Wort »Frauen« mit einem Ernst, der der alten Dame ein Lächeln entlockte), so kann ich Ihnen ja wohl sagen, daß ich einen Genuß empfunden habe, der mich entzückt hat. Aber das ist ganz ohne Kampf und ohne Blutvergießen gegangen und – hat sich sogar wiederholt.«

»Ah, wirklich? Aber dann – «

Ein häßlicher Gedanke schoß Madame Briquart durch den Kopf, aber sie wies ihn sofort von sich. – Nein, dieses junge Mädchen hatte sie seit ihrer Kindheit niemals verlassen, und die Naivität, mit der sie ihre Erzählung abgab, war der beste Beweis für ihre Reinheit. Madame Briquart hatte eine dunkle Vorstellung von dem, was sich zugetragen hatte, und sagte sich:

»Zum Teufel! Sollte mein teurer Neffe im Gegenteil bedeutend schwächlicher sein als ich voraussetzte?«

»Also, mein Kind, dein Mann hat seine Eherechte noch nicht gebraucht? Er wird dich haben schonen wollen, nicht wahr?«

»Aber… ja doch… er hat sie gebraucht!«

»Nun, dann verstehe ich nicht mehr…«

»Warum? Sie sind recht boshaft, liebe Tante; denn schließlich waren Sie doch auch verheiratet, und mein Onkel wird gewiß seine Rechte wahrgenommen haben?«

»O ja, und zwar gleich in der ersten Nacht so gut, daß man den Arzt holen mußte – weil mein Ehegemahl mich etwas zu heftig von einer Jungfrau zur Frau gemacht hatte!«

»Ich bin also noch immer nicht Frau, liebe Tante?«

»Ich glaube es nicht, mein Kind.«

»Ich möchte es gern bestimmt wissen«, murmelte Florentine.

Die Tante zog die junge Frau an sich, legte sie halb über die Knie und glitt mit der Hand unter die Röcke Florentines. Dann berührte sie leicht die Klitoris, die sich sofort wieder aufrichtete. Vorsichtig weiter forschend, versuchte sie mit dem Finger in die Vagina einzudringen.

»Sie tun mir weh, Tante!«

»Du siehst also, daß man leiden muß, um Frau zu werden, denn du wirst es erst dann werden, wenn Georg mit lebhaften und kräftigen Stößen seines männlichen Gliedes, das er doch hoffentlich besitzt, diese Haut durchstoßen hat, die man das Hymen nennt. Dann wird er unter Wonnegefühlen, die du noch nicht kennst, tief in dich eindringen, dich mit dem heißen Strom der Liebe begießen und deinen jungfräulichen Schoß befruchten. Aber dabei wird Blut fließen, und du wirst mit einigen Minuten vorübergehendem Schmerze die Freuden der Liebe und der Mutterschaft erkaufen müssen. – Georg wird dich wohl haben schonen wollen.«

»Aber, liebe Tante, ich habe etwas empfunden …«

»Dasselbe, was du jetzt wieder empfinden wirst…« Und die alte Dame fuhr mit geschicktem Finger an dem kitzligen Punkt der jungen Frau hin und her und löste von neuem den Reiz aus, den Florentine für das einzige Wesensmerkmal der ehelichen Gemeinschaft gehalten hatte.

»Mein Gott«, flüsterte sie, »das ist dasselbe, wie bei Georg… aber dann kann also auch eine Frau eine Freundin glücklich machen?«

Die Tante unterdrückte ein kleines rätselhaftes Lächeln und zeigte warnend auf die Türe des Toilettenzimmers, in dem der Schritt Julias, die in den Schränken herumkramte, nicht mehr hörbar war.

Rasch richtete Florentine sich auf, gab der Tante einen innigen Kuß und rief dann ihre Schwester, die sogleich in der Türe erschien, mit sehr rotem Gesicht und glitzernden Augen.

»Nun, Schwester«, fragte Florentine, »findest du meine Wäsche hübsch? Macht sie dir nicht Lust, dich auch zu verheiraten?«

»Mich zu verheiraten? Das käme darauf an, mit wem. – Aber geliebt zu werden, selbst zu lieben – ja, das gebe ich zu.«

»Auch an dich wird die Reihe kommen«, sagte Frau Briquart, »wer weiß, wie bald. Ich kenne einen gewissen Grafen, der ganz so aussieht, als ob er ähnlich dächte wie du.«

Diesmal wurde Julia flammend rot.

Jetzt aber hörte man die Stimme Georgs, der an die Tür klopfte und um die Erlaubnis bat, eintreten zu dürfen.

»Nein, nein«, antwortete man ihm, »wir werden dich nachher holen.«

Georg war glücklich. Albert war schon wieder in Paris, und Jean hatte ihm die kostbaren Tropfen mitgebracht. Er schluckte sie nach Vorschrift herunter, ebenso wie den kleinen, sehr geistvollen, sehr saftigen Brief, mit dem Freund Albert sie begleitet hatte.

Man speiste sehr vergnügt. Frau Briquart konnte sich nicht enthalten, Georg einige boshafte Bemerkungen zukommen zu lassen, der so tat, als ob er sie nicht verstehe, innerlich aber fluchte: »Alte Hexe!«

Die Damen taten dem Champagner alle Ehre an. Nur Herr Vaudrez weigerte sich standhaft, auch nur ein einziges Gläschen zu trinken, und die Tante dachte: »Hm! Er rüstet sich zum Kampfe. Also lassen wir ihn noch in Frieden.«

Die Damen sollten einige Tage in Charmettes bleiben. Schon sehr früh am Abend aber zog sich die Tante unter dem Vorwande der Übermüdung zurück und bat Julia, ihr noch etwas vorzulesen, wofür ihr Georg unendlich dankbar war.

»Meine Teuere«, sagte er zu seiner Frau, »ist es dir recht, wenn wir ihrem Beispiele folgen und hinaufgehen? Ich fühle mich auch müde.«

»Sehr gerne.«

»Nun gut, geh du voran, und wenn du dein Kammermädchen verabschiedet hast, komme ich zu dir.«