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Roach Henry ist auf der Flucht, denn er wird im ganzen Land gesucht. Als er sich in ein kleines Dorf wagt, erkennt ihn der Sheriff und eine Verfolgungsjagd entbrennt, in der Henry bis an seine Grenzen getrieben wird. Der Mann wirkt entschlossen, kalt und direkt, er hatte keine Sekunde gewartet, bevor er auf ihn schoss. Doch Henry gibt nicht auf, denn er hat ein Ziel: Die Berge am Horizont. Er weiß nicht, wieso, doch er verspricht sich dort Sicherheit, sie üben eine Anziehung auf ihn aus. Wird er es schaffen?
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Nabelschnur
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Die Berge riefen ihn
Western Horror
von Devon Wolters
Die Berge riefen ihn
Henry ritt wie der Teufel durch die Wüstenlandschaft und seine Hand verkrampfte sich um sein blutendes Bein. Verdammt, einen Schuss in den Kopf hätte er ertragen. Einen Tod während des Kampfes. Hinterrücks ermordet oder hingerichtet. Aber dieser Bastard von Sensenmann würde ihn nicht durch so etwas absurd einfaches wie einer Verblutung ins Totenreich bringen.
Also ritt er durch die Wüste, versuchte zu entkommen. Hoffentlich machte dieses Pferd nicht so schnell schlapp, wie das vorherige. Das war auf halber Strecke unter der Sonne zusammengebrochen und er hatte es mit einem Schuss in den Kopf erledigen müssen. Keine Schande, war ein hässliches Ding gewesen. Nichts, dem man nachtrauerte.
Im nächsten Dreckskaff hatte er ein neues Pferd von einem der Einwohner stehlen wollen. Doch der alte war nicht ganz so verblödet gewesen, wie er aussah, und so hatte er sich gewehrt. Hatte ihn direkt umbringen wollen. Henrys Waffe hatte ihr Übriges getan.
So hatte er diesen prächtigen Rappen mitnehmen können. Es wäre eine Schande, wenn auch sein Leben mit einem Schuss enden würde. Hoffentlich machte er nicht schlapp.
Es war eine seltsame Stadt gewesen. Henry hätte klar sein müssen, dass der Aufenthalt dort nicht gut hatte enden können. Die Leute hatten einen seltsamen Blick gehabt, lächelten, aber nicht mit den Augen. Sie hatten sich verstellt, abwesend gewirkt, waren ihrer Arbeit nachgegangen, nur ihrer Arbeit, ohne Abschweifungen oder Pausen. Eine regelmäßige Routine. Ein von Gott verlassener Ort.
Es war bloß ein kleines Dorf inmitten der Wüste gewesen, irgenwo in Bernalillo, New Mexico, am Arsch der Welt, aber trotzdem hatten überall Steckbriefe mit Fahndungsaufrufen gehangen.
GESUCHT! HENRY BILL KOONS, auch ROACH HENRY genannt!
Beteiligter an SIEBZEHN MORDEN und ZEHN KUTSCHENÜBERFÄLLEN! Ein vertrauter von SMITTY BACALL und der BACALL BANDE. ACHTTAUSEND DOLLAR – LEBENDIG!
Henry hatte einen Zettel heruntergerissen und überprüft, ob dort auch wirklich das stand, was er dachte, das dort stünde. Lebendig? Warum wollten sie ihn lebendig? Die Bastarde glaubten wohl, Informationen aus ihm rauskriegen zu können. Kurz ärgerte er sich – seine Taten reichten wohl nicht aus, um als vogelfrei zu gelten. Aber kriegen würden sie ihn so oder so nicht, komme was wolle. Selbst dem Präsidenten hätte er eine Kugel in den Kopf gejagt, falls er ihm seine Freiheit hätte nehmen wollen.
Es kümmerte ihn nicht weiter, Henry hatte ein Pferd und er musste fliehen, allerorts wurde er gesucht. Also machte er sich daran, dieses seltsame Kaff zu verlassen, als jemand seinen Namen brüllte. Ein großgewachsener Mann, breit gebaut, mit polierten Stiefeln kam auf ihn zugestapft. Das typisch lächerliche Sherriffskostüm.
Henry machte sich bereit, Blut zu vergießen, als auch schon ein Schuss ertönte und ihn in den linken Oberschenkel traf.
Henry hatte aufgeschrien und nur mit Mühe auf das Pferd steigen und losreiten können. Er hatte keine Ahnung gehabt, in welche Richtung oder ob ihn der Sheriff verfolgte.
Der Blutstrom wollte nicht stoppen, seine Jeans war voller Blut, die linke Flanke des Pferdes war voller Blut und der Schmerz fühlte sich an wie ein glühendes Eisen, das immer weiter in einer Wunde herumbohrt. Doch Henry konnte nicht einfach anhalten um sich die Sache genauer anzuschauen. Vielleicht wurde er verfolgt, vielleicht war der Sheriff hinter ihm her. Hatte er ihn wirklich umbringen wollen? Direkt und kompromisslos. Entschlossener Kerl. Die Kugel steckte tief im Fleisch, er hatte genau gewusst, wo er hinzielen musste, um Roach Henry unschädlich zu machen.
Aber nicht mit ihm. Er hatte eine Chance. Reiten, immer weiter. In eine Richtung, irgendwo ins Niemandsland. Vereinzelte Sträucher, einzelne Kakteen. Trockener Boden. Keine Stadt in den nächsten einhundert oder zweihundert Meilen. Ungefähr zehn oder zwanzig Meilen entfernt konnte er eine Bergkette erkennen. Sie erschien für ihn wie die Rettung. Würde er da hin kommen, könnte er entkommen. Diese Berge strahlten eine Atmosphäre der Sicherheit aus. Spätestens da müsste der Sheriff seine Spur verlieren. Henry musste zu den Bergen, wenn er überleben wollte. Also los. Er presste die Sporen in die Flanken des Pferdes und es gallopierte voran.
Er hätte wissen müssen, dass dieser Tag kommen würde. Der Tag, an dem er bestraft werden würde. Wie sein Vater ihm immer gesagt hatte. Henry, pass auf mit dem, was du da treibst, Junge. Das wird noch schiefgehen! Eines hat jedes Lebewesen mit dem anderen gemeinsam: Eine Kugel aus einem E ’n B Revolver tötet es. So auch hier, als der alte ihn hatte verraten wollen. Unnötiges Übel, Henrys Vater hätte auf ihn hören sollen. Aber Recht hatte er ja gehabt. Heute war der Tag gekommen. Entweder würde er ebenso eines der Lebewesen werden, das vollgepumpt mit Blei tot daliegen würde, oder er könnte entkommen, und, das schwor er sich, würde vorsichtiger sein. Verdammt viel vorsichtiger. Seine Machenschaften nur noch im Verborgenen treiben.
Die Sonne sank langsam und Henry trieb sein Pferd immer weiter an. Es wurde Abend und die Berge kamen näher. Die Rettung. Der Bastard konnte nicht mehr hinter ihm her sein, oder? So ausdauernd war keiner von denen. Die waren glücklich, wenn sie daheim in der warmen Stube sitzen und die kleinlichen Probleme der Dorftrottel lösen konnten.