Die Chroniken der Seelenwächter - Band 24: Vergiss mich nicht - Nicole Böhm - E-Book

Die Chroniken der Seelenwächter - Band 24: Vergiss mich nicht E-Book

Nicole Böhm

5,0

Beschreibung

Es geht los: Jaydee sucht verbissen einen Weg nach Ud-dáva, um Cassandra endlich aus der Hölle zu befreien, während Jess immer mehr mit den Auswirkungen der Magie in ihrem Körper zu kämpfen hat. Auch Ananka bleibt nicht untätig und zurrt ihre Fäden Stück für Stück enger zusammen, um den Schlag gegen die Seelenwächter zu vollenden. Doch sie hat nicht mit einem Feind in ihren Reihen gerechnet: Andrew erhält eine Waffe, die ihn mächtiger werden lässt als sie selbst. Und er hat keine Scheu, sie einzusetzen. Dies ist der 24. Roman aus der Reihe "Die Chroniken der Seelenwächter". Empfohlene Lesereihenfolge: Bände 1-12 (Staffel 1) Die Archive der Seelenwächter 1 (Spin-Off) Bände 13-24 (Staffel 2) Die Archive der Seelenwächter 2 (Spin-Off) Bände 25-36 (Staffel 3) Bände 37-40 (Staffel 4) Das schwarze Element (die neue Reihe im Seelenwächteruniversum) Bände 1-7

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Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel4

2. Kapitel13

3. Kapitel20

4. Kapitel35

5. Kapitel44

6. Kapitel60

7. Kapitel71

8. Kapitel77

9. Kapitel87

10. Kapitel102

11. Kapitel108

12. Kapitel113

13. Kapitel116

14. Kapitel122

15. Kapitel128

16. Kapitel132

17. Kapitel142

18. Kapitel146

19. Kapitel156

20. Kapitel168

21. Kapitel172

22. Kapitel179

23. Kapitel188

24. Kapitel194

25. Kapitel205

26. Kapitel209

27. Kapitel212

28. Kapitel216

29. Kapitel218

30. Kapitel223

31. Kapitel225

32. Kapitel236

33. Kapitel248

34. Kapitel254

35. Kapitel265

36. Kapitel276

37. Kapitel281

38. Kapitel284

39. Kapitel293

40. Kapitel298

41. Kapitel308

42. Kapitel312

43. Kapitel321

44. Kapitel324

45. Kapitel329

46. Kapitel331

47. Kapitel336

48. Kapitel345

49. Kapitel351

49. Kapitel362

50. Kapitel366

Die Lesereihenfolge von der Serie »Die Chroniken der Seelenwächter«374

Die Fortsetzung der Seelenwächter:375

Impressum376

Die Chroniken der Seelenwächter

Vergiss mich nicht

Von Nicole Böhm

1. Kapitel

Jaydee

»Deine Seele ist mit sehr viel Magie belastet. Ich weiß nicht, was mit dir passiert, aber du musst vorsichtig sein. Ein Mensch verkraftet nur ein gewisses Maß an Zauber.«

Sophias Worte.

Eine Warnung.

An uns. An Jess.

Nicht die erste.

Wir hatten gewusst, was auf uns zukommen würde, wir hatten die Gefahr gekannt, die in Jess schlummerte, und nun war sie vor meinen Augen kollabiert. Leise keuchend lag sie in Akils Armen, den Kopf gegen seine Brust gelehnt, während er die Hand auf ihre Stirn hielt und beruhigend auf sie einredete.

Ich lief in der Bibliothek auf und ab, ohne die beiden aus den Augen zu lassen.

Zwei Meter vor.

Zwei Meter zurück.

Ein Schritt.

Noch einer.

Und noch einer.

Akil funkelte mich an, weil ich ihn ablenkte, aber ich konnte unmöglich stillstehen.

»Sie wird wieder«, sagte er.

Ich schnaubte. Er wusste wie ich, dass dies eben weit von einem normalen Zusammenbruch entfernt gewesen war. Dass ihr Körper an seine Grenzen kam und etwas Dunkles von ihr Besitz ergriff. Sie hatte Tinte gespuckt, zum Teufel!

Ich kam an dem Fleck vorbei. Die Farbe hatte sich ins Holz gezogen und einen Abdruck hinterlassen. Auf dem Boden und meinem Herzen. Für immer womöglich.

Mit anzusehen, wie Jess dieses Zeug erbrach, hatte schlimmer geschmerzt als die Gefangenschaft bei Anthony. Auch da war ich ihr hilflos gegenübergesessen, aber wenigstens hatte ich meine Wut auf eine Person projizieren können. Ich hatte mein Opfer vor mir gehabt, und ich wusste, was zu tun war, sobald ich freikam. Nun war da dieses Nichts, das Jess von innen heraus terrorisierte. Ich konnte es weder schlagen noch foltern noch töten. Ich konnte rein gar nichts tun, als danebenzustehen und ihre Hand zu ha... Nein, das konnte ich auch nicht.

Ich war aufs Nichtstun reduziert worden. Und das war genau die Sache, die ich nicht ertrug!

Ich hielt vor dem Kamin an und sah in die Flammen, die sich mir zuwandten. Vor der Erweckung meiner neuen Fähigkeiten war mir nie bewusst gewesen, was es für einen Seelenwächter wirklich bedeutete, mit seinem Element verbunden zu sein. Sie lebten nicht nur im Einklang miteinander, sie bildeten sogar eine Art Symbiose. Ich fühlte es jeden Tag. Wenn ich nach draußen trat und mich automatisch der Wind umschmeichelte, wenn ich im Sand oder über eine Wiese schlenderte und sich die Erde unter meinen Füßen wärmer anfühlte, ihre Kraft durch meine Fußsohlen in die Beine kroch und sich in mir ausbreitete wie ein angenehmer starker Strom aus purem Leben.

Die Elemente brauchten unseren Kontakt, genau wie umgekehrt.

»Ich bring sie auf ihr Zimmer«, sagte Akil schließlich. »Sie benötigt Ruhe, und ich brauche Konzentration.«

»Ich komm mit.«

»Den Teil mit der Konzentration hast du gehört?«

»Scheiße, Akil.« Aus Reflex donnerte ich die Hand gegen den Kamin. Ein Riss zog sich durchs Mauerwerk.

»Du hilfst weder ihr noch mir, wenn du mir auf die Finger glotzt. Lass mich meine Arbeit machen. Ich kann das.«

Natürlich tat er das. Ich vertraute Akil mit meiner Seele, und dennoch wusste ich, dass auch ihm Grenzen gesetzt waren, dass sich am Horizont eine unüberwindbare Mauer abhob und wir mit Vollgas darauf zurasten. »Du verständigst mich, sobald etwas ist.«

»Versprochen, Bruder.«

Er stand auf und hob Jess mit Leichtigkeit auf seine Arme. Ihr Kopf sackte gegen seine Brust, sie seufzte leise meinen Namen, aber sie wurde nicht wach.

Ich biss so hart die Zähne aufeinander, dass es in meinem Schädel knirschte. Akil warf mir einen letzten Blick zu. »Bis später.«

Er verließ die Bibliothek mit der Frau, die sich meiner Seele bemächtigt hatte, und ließ Aiden, mich und meinen Zorn zurück.

Kaum war er draußen, fuhr ich herum und drosch noch mal mit aller Wucht gegen die Vertäfelung des Kamins. Der Riss wurde größer, sogar die Flammen züngelten auf, als fühlten sie sich angesprochen von meiner Rage. Der Schmerz des Schlages kroch meinen Arm hinauf, aber er heilte, bevor er sich weiter in meinem Körper ausbreiten konnte. Ich holte noch mal aus, schlug härter zu.

Und noch mal.

Und noch mal.

Und noch mal.

Aiden schrie erstickt. Sie konnte mit so viel Zorn nichts anfangen. Das war nicht ihre Welt, es war meine, und so brüllte ich mit jedem Hieb meinen Frust, meine Hilflosigkeit, meine Verzweiflung hinaus. Ich trat gegen den Kamin, haute wieder und wieder zu, bis mir der Schweiß im Nacken stand und mein Atem nur noch abgehackt kam. Das Feuer brannte lichterloh. Die Flammen tanzten meinen Tanz, sie ergaben sich meinem Rhythmus; meiner Wut.

»Jaydee ...«, sagte Aiden vorsichtig.

Ich drehte mich zu ihr um. Ihre Schultern waren verspannt, ihr Körper war in Alarmbereitschaft. Eine Hand hatte sie auf ihre Brust gelegt, vermutlich, um sich zu beruhigen, die andere zur Faust geballt. Ich machte ihr Angst, und ich konnte es ihr nicht verübeln. Aiden hatte den Jäger live erlebt. Sie hatte Seite an Seite mit mir gegen eine Horde Schattendämonen gekämpft, die Ralf damals auf uns gehetzt hatte, um an Will heranzukommen.

Ohne sie zu beachten, stiefelte ich zurück zum Tisch, schnappte mir meinen Jadestein und band ihn um, dann klappte ich Ilais Buch zu, nahm die Kugel von Ashriel, das Tuch von Cem und ... bei Jess‘ Dolch und der Feder stockte ich. Es fiel mir schwer, die Gegenstände zu berühren. Sie wollten mich nicht, ihre Energie stieß mich ab, und der Jäger hasste dieses Metall. Vor allen Dingen die Feder hatte mich, dank Anthony, ordentlich leiden lassen. Er hatte mir damit den halben Arm aufgeschlitzt, mich wieder und wieder bluten lassen.

Ich lief zu einem der Schränke an der Wand und öffnete ihn. Ich brauchte eine Tasche.

»Was hast du vor?«

»Das sagte ich bereits: Ich gehe zum Ratstempel und suche den verdammten Eingang nach Ud-dáva.«

»Und wie stellst du dir das vor?«

»Keine Ahnung.« Ich würde improvisieren, wie immer. Etwas anderes blieb mir in diesem Chaos nicht übrig. Ich fand eine lederne Umhängetasche, holte sie heraus und eilte zurück zum Tisch, wo ich alles hineinstopfte. Auch den Dolch, auch die Feder.

»Du kannst nicht gewaltsam in den Tempel eindringen, er ist geschützt.«

»Ich finde einen Weg.« Genau wie ich es bei Ashriel getan hatte, als wir uns Zugang zu ihrem Theater verschafft hatten. Mithilfe von Jess‘ Energie, die noch auf meiner Haut haftete, sollte es mir gelingen, den Zauber ebenfalls auszuhebeln.

»Jaydee, warte.« Aiden wollte nach mir greifen, aber ich wich ihr aus und schulterte die Tasche.

»Frag wenigstens beim Rat nach. Du kannst ihnen erklären, was los ist. Warum du den Zugang zu den vier Welten brauchst und ...«

Ich drehte mich zu ihr um, sie wich erschrocken zurück. Ihre Iris zog sich zusammen, Furcht trat in ihre Augen. Der Jäger war da. Er lauerte. Sie spürte ihn.

»Dieser verdammte Rat hat Jess damals aus dem Weg räumen wollen, nur weil ihre Fylgja Ralf in die Hände gefallen war. Es hatte niemanden einen Scheiß interessiert, was aus Jess wurde, Soraja wollte sie sogar töten lassen!«

»Unfug. Seelenwächter bringen keine Unschuldige um. Das können sie gar nicht.«

»Na klar doch.« Sollte Aiden glauben, was sie wollte. Ich war dabei gewesen, genau wie Jess und Will und die anderen. »Der Rat würde mich nie auch nur in die Nähe der vier Welten lassen. Sie hätten viel zu viel Angst, dass ich Lilija befreie.«

»Vielleicht nicht zu Unrecht. Wir wissen doch gar nicht, wie die Welten sich verhalten. Selbst wenn du einen Zugang findest, was dann? Stiefelst du kopflos hinein? Es ist die Welt des Vergessens. Wer sagt dir, dass es keine Auswirkungen auf dich hat?«

Niemand.

Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde, aber ich konnte auch nicht mehr warten. Nicht mehr herumsitzen. Ich musste da raus, ich musste aktiv werden, denn alles andere war mir zu viel. Ich schulterte die Tasche und verließ die Bibliothek.

»Jaydee! Bitte, tu das nicht! Wenn sie dich erwischen, wirst du ...« Der Rest des Satzes ging unter, als ich die Tür hinter mir schloss, aber mir war schon klar, was Aiden sagen wollte: Ich würde bestraft werden. Womöglich steckten sie mich zurück in die Isolation. Marysol hatte es mir damals sogar gesagt, als sie mich zurückholte: Wenn ich mir noch einen Fehltritt erlaubte, war es das gewesen.

Und das hier war genau solch ein Fehltritt. Derek würde ein Freudentänzchen aufführen und mich mit Pauken und Trompeten abführen lassen. Ich wäre endlich kein Schandfleck mehr in der Gemeinde der Seelenwächter.

»Zum Teufel mit euch allen.« Ich starrte in den klaren Nachthimmel. Die frische Luft tat gut, aber sie half nicht gegen die Hitze in mir drinnen. Wohin sollte ich gehen, wenn jede Richtung die falsche war?

»Was hast du nur getan, Cassandra.« Sie hatte nicht nur das Leben ihrer Tochter zerstört, sondern viele Schicksale gleich mithineingezogen. Ariadne. Violet. Mich.

Und sie hatte uns keinen Ausweg hinterlassen.

Das Ritual, das sie durchgeführt hatte, konnten wir nicht wiederholen. Katarina hatte es uns extra erklärt: Wir mussten alles exakt so nachstellen, wie Cassandra es ausgeführt hatte, bis hin zu einer Nachfahrin mit der Gabe. Und wir hatten keine.

Ich musste in den Tempel, verflucht.

Bevor ich weiter grübeln konnte und doch noch Zweifel kamen, stapfte ich zu den Stallungen, trat ein und knipste das Licht an. Einige Parsumi waren in ihren Boxen, andere noch draußen auf der Weide. Akil hatte in den zurückliegenden Monaten den Stall umgebaut, sodass sie nach Belieben raus- und reinkonnten. Amir stand in seiner Box und fraß Heu. Er horchte auf, als er mich registrierte, und wieherte freudig. Ich lief zu ihm und tätschelte ihm die Nase. »Wir beide machen einen Ausflug.«

Er brummelte. Keine Ahnung, wie viel ein Parsumi von dem verstand, was wir erzählten, aber es beruhigte mich manchmal, mit ihnen zu reden.

Ich drehte mich um, wollte in die Sattelkammer, als die Tür ein weiteres Mal aufging. Ich musste nicht hinschauen, um zu wissen, wer hereingekommen war: Anna.

Sofort dehnte sich meine Seele nach ihr aus. Der Duft nach Mandarine wehte zu mir herüber und umschmeichelte meine Haut. Ich ballte die Hände zu Fäusten und kehrte ihr demonstrativ den Rücken zu. »Aiden hat dich geschickt.«

»Nein. Ich habe dich gehört, als du vorhin Akil gerufen hast. Da war ich bei Barry und habe seine Erinnerung an die Entführung verändert.«

Ich schnaubte. Okay, den Knilch hatte ich zu ruppig angepackt, aber ich hatte unter Strom gestanden, und er war mir im Weg gewesen.

»Es geht ihm übrigens besser. Ich habe einiges von dem Trauma beseitigen können, das du in ihm ausgelöst hast. Er schläft.«

»Gut.« Oder auch nicht. Es kümmerte mich nicht. Ich lief weiter zur Sattelkammer, öffnete die Tür, doch auf einmal versperrte mir Anna den Weg. Blitzschnell wie immer. Sie legte ihre Finger auf meine. Ein kleiner Stromstoß rauschte durch mich. Ihre Gefühle dehnten sich sofort in mir aus, ihre Liebe, ihre Sorge um mich.

Das war ein Teil ihrer Magie. Sie wusste, wenn etwas nicht mit mir stimmte. Unsere Verbindung war intensiv und innig und sehr speziell. Sie verstärkte ihren Griff und beugte sich nach vorne. Ihre Emotionen wurden markanter, dämmten die Wut und die Hilflosigkeit in mir ein, ohne dass ich es verhindern konnte.

Akil und sie. Sie waren meine Anker. Mein Halt.

Jetzt nicht.

»Hör auf«, sagte ich und wollte an ihr vorbei, doch sie stoppte mich, indem sie mir die Hände auf die Brust legte. »Anna. Ich kann nicht ... Ich habe keine Zeit.«

»Was hast du vor? Was wühlt dich so auf?«

»Alles.« Ich drückte mich gegen sie, doch sie hielt mir stand. Natürlich konnte ich sie gewaltsam aus dem Weg räumen. Ich war stärker als sie, aber sie wusste, dass ich ihr nie ein Haar krümmen würde. Sie hatte weiß Gott genug gelitten.

»Du sagst es mir auf der Stelle.«

Wut kochte in mir hoch. Sie schob sich von meinem Herzen aus nach oben, schnürte mir die Kehle zu und baute so viel Druck in mir auf, dass ich am liebsten nur noch laut schreien wollte!

Ich funkelte Anna an, ließ sogar den Jäger hervortreten, doch sie schürzte die Lippen und bot mir eisern Paroli. »Damit machst du mir keine Angst, und das weißt du.«

»Ich will dir auch keine machen, ich will nur vorbei.«

»Um was zu tun? Sag es mir doch, bitte!« Sie kam näher, nahm mein Gesicht in ihre zarten Hände, zog mich zu sich hinunter und legte ihre Stirn an meine.

Ich keuchte, so intensiv war der Kontakt mit ihr. An der Stelle, an der sie mich berührte, schoss die Energie in meinen Körper. Mir wurde schwindelig, der Boden schwankte, meine Seele fing an zu schweben.

»So aufgewühlt habe ich dich zuletzt mit sechzehn erlebt.«

Als ich hier angekommen war und nichts und niemanden an mich herangelassen hatte. Erst Anna war in der Lage gewesen, durch meinen Panzer zu dringen. Genau wie jetzt. Sie riss mich entzwei und baute mich danach wieder besser und ruhiger zusammen. Ihre Berührung fegte mir durch Mark und Bein. Ich ließ die Luft aus der Lunge, die sich auf einmal anfühlte, als könnte sie gar nicht mehr genügend Sauerstoff für meine Zellen bereitstellen. Mein Herz raste, Annas Finger schienen mit meiner Haut zu verschmelzen. Die Grenzen zwischen unseren Körpern verschwanden, bis da nur noch ihre Liebe war.

So rein.

So tiefgründig.

So bedingungslos.

Hatte ich eben noch gedacht, ich wäre stärker als sie? Den Teufel war ich! Anna griff tief in mich hinein, bis an den Ort, wo der Jäger hauste, wo all der Schmerz darauf wartete, endlich loszubrechen und zu zerstörten, was sich ihm entgegenstellte. Sie packte meine Wut, umklammerte sie mit ihrer Kühle und ihrer ganz eigenen Magie, bis dieses Feuer in mir zur Ruhe kam und langsam erlosch. Mein gesamter Körper wurde von ihrer Energie geflutet, von ihrem Duft, von ihrer Hingabe.

»Wie machst du das?« Meine Stimme war nicht mehr als ein Kratzen. Die Wogen glätteten sich, das Blut rauschte leise in meinem Kopf, wie eine Brandung, die sich abschwächte, weil das Unwetter nachließ.

»Mit Liebe, Jaydee. Nur mit Liebe.« Annas Finger rutschten hinter meine Ohren, über meine Kopfhaut, in meinen Nacken. Sie umschlossen mich wie eine Klammer, aus purer Energie und Hingabe. »Du musst nicht immer kämpfen. Nicht immer drauflosstürmen.«

Es wäre auch nicht mehr gegangen. Anna hatte sich meiner bemächtigt, sie hatte die Kontrolle über meine Seele erlangt und wiegte sie sanft in ihren Armen hin und her. Ich hielt die Augen geschlossen, und doch sah ich ihre Aura. Sie strahlte hell und durchdringend und reinigend. Seit sie mit Will zusammengewesen war, trat diese Veränderung in ihr hervor. Wie ein eiskalter kristallklarer Bergbach, der das Schlechte und Grausige einfach wegspülte.

»Anna«, flüsterte ich, völlig berauscht von ihrem Wesen. Konnte es sein, dass sie ihre Gabe wiederherstellte? Bekam ich einen Hauch dessen zu spüren, was die Nachfahren zu leisten imstande waren? Wenn Jess ihr Talent wiederhatte, würde sie mich dann genauso beruhigen können?

Ich kannte die Antwort, noch bevor ich mir über die Frage überhaupt klargeworden war: ja. Ja, sie konnte es, denn genau dafür war sie erschaffen worden. Sie konnte den Jäger kontrollieren. Sie konnte ihn eindämmen und für immer tief in mir drinnenhalten.

Ein leises Knurren kam über meine Lippen, der Protest des Jägers. Aber Anna ließ nicht von mir ab. Sie flutete mich weiter mit ihrer bedingungslosen Liebe, die sie mir wieder und wieder schenkte, egal wie daneben ich mich benahm.

»Atme«, sagte sie. »Atme einfach.«

Und genau das tat ich.

2. Kapitel

Erst als Jess endlich eingeschlafen war, nahm Akil die Hand von ihrer Stirn. Seine Haut kribbelte durch die intensive Berührung mit ihr. Er hatte tief in sie hineingegriffen, bis zum Zentrum ihres Seins, hatte ihr alles gegeben, was er konnte, und hoffte, dass es ausreichen würde, aber er hatte keine Ahnung.

Wenn er einen Menschen heilte, bekam er ein geistiges Abbild der Person und erkannte sofort, wo Heilung benötigt wurde und was er zu tun hatte. Bei Jess war es keine Krankheit oder Verletzung, keine Veränderung einer Zelle oder ein Gerinnsel, das er lösen musste.

In Jess war die Finsternis gekrochen. So tiefschwarz, dass sie jegliches Licht absorbierte. Für den Moment hatte Akil diese Schwärze eingedämmt, aber wie lange würde es halten?

Und vor allem: Wenn Jess zu viel Magie im Körper hatte, sollte er es dann nicht lieber lassen, sie zu heilen? Er war schließlich auch Magie, Seelenwächter waren Magie. Gab er Jess durch die Heilung mehr von dem Gift, das sie innerlich auffraß?

»Ach, Mädchen.« Er strich ihr eine verklebte Haarsträhne aus der Stirn und zog die Decke an ihr Kinn. Er hatte ihr die verdreckten Klamotten ausgezogen, die vollgesogen waren von Blut und Kämpfen in Ashriels Reich. »Du solltest das nicht durchmachen müssen.«

Nichts von alledem.

Sie war zu jung, zu unschuldig, zu menschlich.

Genau wie Noah. Akil erkannte es immer wieder: Es hatte einfach keinen Sinn, das Leben mit ihm zu teilen. Menschen und Seelenwächter waren nicht kompatibel; nicht in Sachen Beziehung.

Ein leises Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Akil warf Jess einen letzten Blick zu, stand vom Bett auf und öffnete.

Ben.

»Wie geht es Jess?«

»Besser.« Akil zog die Tür zu, damit sie ihre Ruhe hatte, und trat zu Ben in den Flur. »Wir müssen abwarten.«

»Was war denn los?«

»Wenn ich das wüsste, Mann. Sie ist in der Bibliothek zusammengeklappt und hat Tinte ausgespuckt. Schätze, wir bekommen die Quittung für all die Magie, mit der sie konfrontiert wurde.«

»Beim heiligen Ikandu.« Ben sah besorgt zur Tür. Er und Jess hatten ihr ganz eigenes Verhältnis. Sie waren Verbündete, beides Menschen, die unfreiwillig in die Welt der Seelenwächter gezogen worden waren. »Kann ich irgendwie helfen? Oder kann Abe helfen?«

Abe. Verflucht. Ben wusste noch gar nicht, dass sein Großvater ins Exil gegangen war. Es hatte noch keine Gelegenheit gegeben, ihn aufzuklären.

»Ich weiß nicht. Hast du zufällig Jaydee gesehen?« Akil musste sich zuerst innerlich sammeln, bevor er Ben die Nachricht übermitteln konnte. »Muss ich ihn suchen und davon abhalten, Amok zu laufen?« Ben war bei Payden, Emma und Barry im Gästehaus gewesen, als Jaydee wie von Sinnen hereingestürmt kam, um Akil zu holen.

»Ich habe ihn nicht gesprochen, aber Anna wollte nach ihm sehen. Sie meinte, sie würde spüren, wenn es ihm schlecht geht.«

»Das tut sie.« Akil rieb sich über sein Herz. Auch er merkte Jaydees Anspannung. Sie hatten schon immer einen intensiven Draht zueinander gehabt, aber seit Jay ihm das Armband abgenommen hatte, war diese Bindung enger geworden. Etwas hatte Jaydee in Akil verändert. Er konnte noch nicht genau den Finger darauflegen, aber er hatte das Gefühl, dass er mächtiger wurde. Akils Geist öffnete sich für etwas Neues, Größeres.

»Ich wollte mit dir noch wegen etwas anderem sprechen, worüber ich die ganze Zeit nachdenke«, sagte Ben und lenkte Akil wieder zurück.

»Schieß los.«

»Paydens Buch über Damia.«

»Ja.« Sie besaß einen kleinen Schmöker, der die Stammbäume bis zu Damia zurückverfolgte. Payden hatte ihnen das Buch gezeigt, als sie sie retteten, aber sie hatten keine Gelegenheit gehabt, weiter darauf einzugehen.

»Damia hat doch die Seelenwächter erschaffen, richtig?«

»Hm ...«, machte Akil vorsichtig. Normalerweise gingen sie mit diesen Geschichten nicht hausieren. Über die Zeit aber, in der Ben mit ihnen Kontakt hielt, hatte er es mitbekommen. Genau wie Jess.

»Und nun steht in Paydens Buch, dass Damia eine Dowanhowee gewesen war, ...«

Du kombinierst richtig, mein Freund.

»... das heißt ja, dass die Seelenwächter von meinem Volk abstammen, oder verpasse ich hier was?«

Langsam verstand Akil Ilai immer besser. Sobald ein Geheimnis einer Person erzählt wurde, war es keins mehr.

Akil seufzte und nickte. »Jaydee hat es herausgefunden, als Abe ihn auf eine Seelenreise geschickt hatte, aber es sollte eigentlich nicht weitererzählt werden.«

»Warum?«

»Um die Dowanhowee zu schützen. Damals mussten alle einen Eid leisten, der bis heute anhält.« Wobei die Geheimniskrämerei mittlerweile vielleicht übertrieben war. Ja, die Dowanhowee waren immun gegen die Fähigkeiten der Seelenwächter. Aber das machte sie nicht zu Feinden. Im Gegenteil. Ohne Ben wäre Akil nicht hier, denn er war derjenige gewesen, der Joannes Pfeifzauber überwunden und sie gerettet hatte, und er hatte geholfen, Mikaels Geist aus dem Totenreich zu rufen, damit er den Emuxor besiegte. Es war eine fruchtbare Zusammenarbeit, die die Seelenwächter weiterbrachte. Manchmal wünschte Akil sich, sie kämen aus ihrer selbst gewählten Isolation voller Geheimnisse heraus und würden sich den Menschen mehr öffnen.

Dafür könnte ich sorgen, wenn ich im Rat säße ...

»Ich frage mich, ob Abe davon wusste«, sagte Ben.

Jetzt. Sag es ihm!

Akil musste in diesen Apfel beißen, egal wie sauer er schmeckte. Er trat einen Schritt auf Ben zu. »Wir müssen reden.«

»Wie oft hast du diesen Satz schon gesagt und danach ein Herz gebrochen?« Er grinste Akil an, doch er würde es gleich nicht mehr. »Okay, wenn du die Augenbrauen so ernst zusammenziehst, muss es heftig sein.«

»Es geht um deinen Großvater.«

Er hätte Ben auch einen Aderlass verpassen können, denn mit einem Mal wurde er so blass, als wäre sämtliches Blut aus ihm geflossen.

»Was ist los?«

Atmen. Zählen.

Eins.

Zwei.

Drei.

Vier.

Fünf.

Jetzt: »Abe ist mit Leoti und Tate ins Exil gegangen, als Strafe, weil er das Geheimnis um die Dowanhowee und die Seelenwächter gelüftet hat. Rowan und Flo sind in die Stadt gezogen. Deine Familie ist weg.«

Ben blinzelte.

Einmal.

Noch einmal.

Er öffnete den Mund.

Schloss ihn.

Atme, Ben, atme.

»Was?«

Nur ein Wort. Ganz leise und dennoch so laut, dass es in Akils Herzen nachhallte. Er hatte eben etwas in Ben zerstört, und er hasste sich selbst dafür. »Sie sind weg. Niemand weiß, wohin.«

Ben schluckte hart. Sein Puls raste, Akil hörte ihn laut und pochend in seinem Schädel.

»Das ist nicht ... er kann doch nicht ... ohne etwas zu sagen?«

Akil nickte. Ja.

Ben stieß die Luft in einem Lachen aus. Reiner Schmerz. »Er kann nicht ...«

Akil ließ ihm die Zeit, die er brauchte. Er hatte Ben erlebt, wie er in der Gegenwart seines Großvaters war. Ein Teil von ihm sehnte sich so sehr nach Abes Liebe, während ein anderer glaubte, er könnte diese Liebe nie erhalten. Aber Abe liebte Ben. Aus voller Seele.

Ben wich zurück, lehnte sich gegen die nächste Wand und stemmte die Hände auf die Knie. »Er ist einfach so weg?«

»Ja.«

Ben schüttelte den Kopf, rieb sich über den Nasenrücken und unterdrückte mit aller Macht ein Schluchzen. »Beim heiligen Ikandu.«

»Lass dir Zeit.«

»Ich ... ich kann nicht ...«

»Ich weiß.« Bei allen Göttern, und wie er das wusste. Akil hatte so viele Verluste erlitten über die Jahrtausende. Es war jedes Mal ein harter Schlag mitten in die Eingeweide, und mit jeder Seele, die er verlor, starb auch ein Teil von ihm. Abe war nicht tot, das war das einzig Gute daran, aber es war fast so endgültig. Die Dowanhowee machten keine halben Sachen. Akil wusste das. Ben auch.

»Er ist weg.«

Akil trat näher, legte beide Hände auf Bens Schulter und sandte seine Energie zu ihm, auch wenn sie bei Ben wirkungslos verpuffte. Akil konnte nichts tun, um diesen Schmerz zu mildern, keine Worte sprechen. Ben beugte sich vornüber, alles in ihm krampfte sich zusammen. Ein leises Schluchzen drang über seine Lippen, und er wischte sich rasch die Augen.

»Schon gut, Mann.« Nein, nichts war gut, aber Ben musste wissen, dass Akil für ihn da war. Immer.

Er biss hart den Kiefer aufeinander, gab sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihm soeben der Boden unter den Füßen weggerissen worden war.

»Dieser verdammte ...«

»Ja.«

»Und das alles, um ein Geheimnis zu wahren, das bald keines mehr ist? Payden muss nur mehr über die Seelenwächter herausfinden, dann weiß auch sie Bescheid.«

»Deshalb darf sie es nicht erfahren.« Doch Akil wusste jetzt schon, dass es unmöglich sein würde. Payden war eine pfiffige Frau. Sie würde das nicht loslassen.

Akil dachte an den Tag zurück, als Jess bei ihnen aufgetaucht war. Sie waren hier durch den Flur gelaufen, sie hatte ihn darum gebeten, mehr über die Seelenwächter zu erzählen – und er hatte es getan. Er hatte damals schon gewusst, dass es Ärger geben konnte.

»Wir werden dieses Wissen wieder aus Paydens Geist löschen müssen«, sagte Akil. »Hast du zufällig erfahren, woher sie das Buch hatte?«

»Ich habe sie nicht gefragt, aber das werde ich tun. Ich wollte auch nur nach Jess ... also ... verdammt. Abe ist weg.«

Akil massierte Bens Schulter. Es zerriss ihm fast das Herz, was Ben wegen ihnen erdulden musste. Und obgleich Akil unendlich froh über Bens Freundschaft war, so wurde ihm einmal mehr vor Augen geführt, wie verrückt ihre Welt war. Jess und Ben. Beide opferten so vieles, um bei den Seelenwächtern überleben zu können. Und genau deshalb würde er Noah ein- für allemal den Laufpass geben. Er konnte und wollte nicht verantworten, dass noch jemand so tief in diese Scheiße gezogen wurde. In diesem Moment wurde ihm endlich klar, was er zu tun hatte.

»Wie kann ich dir ...« Auf einmal wimmerte Jess. Akil hielt inne und sah zurück zum Zimmer.

»Geh rein und hilf ihr«, sagte Ben. »Ich kümmere mich um das Buch und Payden.«

»Sicher?«

»Ja. Jess braucht dich.«

Akil zögerte noch, doch Jess beruhigte sich nicht mehr.

»Los«, wiederholte Ben. »Ich komme klar.« Er drückte sich von der Wand ab und lief den Flur hinunter. Die Bürde der Nachricht über Abe lastete schwer auf seinen Schultern, und Akil wünschte sich, sie ihm abnehmen zu können.

»Es tut mir leid«, flüsterte Akil, als Ben schon um die Ecke gebogen war. Die dümmsten Worte in so einer Situation, aber es war alles, was er hervorbringen konnte. Er seufzte, öffnete die Tür und ging zurück zu Jess, die sich unruhig in den Laken wälzte. Akil streifte die Schuhe ab, lief zum Bett und kroch zu ihr. Sie glühte, und ihr Atem kam viel zu schnell.

»Schon gut, Kleines. Ich bin da.« Er zog sie an sich, rollte sich hinter ihr zusammen und legte eine Hand auf ihre Stirn. Sie atmete hörbar aus. Ihr Herzschlag beruhigte sich umgehend, und das Glühen ließ nach.

»Jaydee ...«, murmelte sie schlaftrunken und kuschelte sich enger an Akil.

Er schmunzelte. »Nicht ganz. Aber du darfst dir gerne vorstellen, dass er dich festhält.« Er gab ihr einen sachten Kuss in den Nacken und schloss sie fester in seine Arme. Jess ließ sich gegen seinen Körper sinken. Voller Vertrauen. Voller Genuss. Akil vergrub seine Nase in ihren Haaren, atmete ihren Geruch ein, der sich in den letzten Stunden verändert hatte. Sie roch krank. Er konnte es nicht ignorieren, und es war nicht das erste Mal, dass es ihm auffiel. Als Jaydee aus der Isolation gekommen war, hatten sie und Akil sich hier in Jess‘ Zimmer getroffen. Sie hatte geniest, und ihm war dieser komische Geruch aufgefallen. Er war da schon misstrauisch gewesen, er hätte mehr nachhaken müssen, hätte nicht so schnell lockerlassen sollen.

Hätte ... hätte ... hätte ...

»Wir bekommen das wieder hin.« Er gab alles an Heilenergie in seine Finger und in ihre Zellen. Sie stöhnte, ihr Körper wurde schlaffer, als sie zurück in den Schlaf fand.

»So ist’s gut.« Akil schloss ebenfalls die Augen und fokussierte sich auf sie und den Sturm, der in ihr tobte. Er hatte so etwas noch nie gespürt. In Jess herrschte heilloses Durcheinander, ihr Innerstes war aufgewühlt, als würde ein Orkan hindurchfegen. »Heile.«

Aber er wusste, dass es nicht möglich war. Was auch immer in Jess wütete: Es war größer als er.

3. Kapitel

Payden kauerte im Wohnzimmer des Gästehauses und hatte die Bücher vor sich aufgeklappt, die sie aus ihrer Wohnung mitgenommen hatte. Seit Stunden saß sie schon so da und sortierte ihre Gedanken.

Es war auch bitter nötig, denn in Paydens Innerem herrschte Chaos. Angefangen von Ben und Akils Einbruch bei ihr daheim bis hin zur Ankunft hier in Arizona. Im Nachhinein tat es ihr sogar ein bisschen leid, dass sie Akil mit dem Pfefferspray attackiert hatte, aber sie war so erschrocken gewesen, als die beiden vor ihr gestanden hatten, dass sie sich nicht anders zu helfen gewusst hatte. Schließlich hatte Akil auch im Altersheim das Schloss zerstört und sich gewaltsam Zutritt verschafft. Payden hatte ihn für einen Irren gehalten, und gepaart mit dem Gefühl der letzten Monate, dass sie beobachtet wurde, war ihr die Sicherung durchgebrannt. Ganz unrecht hatte sie ja auch nicht gehabt: Das hier war irre!

Payden hatte zwar die Worte verstanden, mit denen Akil und Ben ihr alles erklärt hatten, aber den Sinn begriff sie noch nicht; als würde sie ein abstraktes Gemälde anschauen und sich überlegen, was der Künstler damit ausdrücken wollte. Hätte sie von ihrem Großvater nicht stetig eingebläut bekommen, wie sie sich jeder Situation anpassen konnte, wäre sie längst durchgedreht.

Ganz im Gegensatz zu Emma, die seit Stunden durch das Gästehaus wuselte, sich wie ein Kleinkind freute, das einen Spielwarenladen für sich hatte, und alles in sich aufnahm. Dabei rief sie Dinge wie »Schau dir das an!« oder »Ich flipp aus!«, »Es ist so genial hier«.

Wie sich herausgestellt hatte, war Emma die Schwester von Karen – einer alten Jugendfreundin Paydens. Es war gewiss kein Zufall, dass die beiden sich kannten, und Payden brannte schon darauf, auch Barry zu treffen. Er lag nebenan und schlief, seit Anna bei ihm gewesen war. Mittlerweile hatte sie das Haus verlassen und kümmerte sich um Jaydee.

Payden erinnerte sich noch sehr gut an ihn. Er war jüngst mit Akil im Altersheim aufgetaucht und wollte mit Auguste Witz sprechen. Die alte Lady war nach dem Besuch wie ausgewechselt gewesen, machte seither viele Ausflüge und genoss ihr Leben in vollen Zügen. Was auch immer er zu ihr gesagt hatte: Er hatte ihr die Freude zurück ins Herz gebracht. Payden hätte sich gerne mit Jaydee unterhalten, aber er war zu schnell wieder weggewesen.

Ein Pfeifton erklang hinter ihr. Payden drehte sich um. Emma hatte eine kleine hölzerne Flöte in der Hand und blies mit Entzücken hinein. Blaue Funken stoben aus dem Instrument, mit jedem Ton, den es fabrizierte.

»Ist das nicht toll?«, fragte sie.

»Na ja.« Schräg traf es besser.

»Die ist aus Knochen geschnitzt und bestimmt mit Magie bestückt«, sagte Emma und legte das Instrument vorsichtig zurück. »Es ist so faszinierend. Dieser Ort lebt und atmet Geschichte. Großartig!«

»Wie haben sie dir eigentlich erklärt, was hier vor sich geht?«, fragte Payden.

»Also, das war wirklich aufregend gewesen. Will und Anna haben mich ja geholt. Sie hat mich zur Seite genommen und mir erzählt, wer sie sind und warum ich in Gefahr bin. Will hat sogar einen kleinen Feuerball geformt, um mir zu zeigen, dass es wahr ist. So viel Mühe hätte er sich aber nicht machen müssen, denn ich fand das eher faszinierend als abschreckend. Ich meine: Da draußen leben echte magische Wesen! Weißt du, wie cool das ist?«

»Äh, nein.«

»Hast du als Kind nie Fantasybücher gelesen? Vampirgeschichten oder Der Herr der Ringe? Hast du dir nie gewünscht, auf einem Drachen zu reiten, mit Einhörnern im Wald herumzutoben, gegen Lord Voldemort zu kämpfen?«

Sie schüttelte den Kopf. Payden hatte gerne gelesen, aber dann Romane mit realen Orten und realen Personen. Außerdem war sie früher viel bei ihrem Großvater gewesen und hatte mit ihm Zeit in den Bergen verbracht.

»Ich finde das so genial, und ich könnte jetzt schon heulen, wenn es vorüber ist. Karen würde das übrigens genauso feiern.«

»Ich bewundere dich für deine Gelassenheit.«

Emma winkte ab. »In meinem Zeugnis stand bereits: Emma kommt gut in der Schule mit, aber sie träumt zu viel. Wer hätte gedacht, dass meine Träume eines Tages wahr werden?« Sie klatschte vor Freude in die Hände und wirkte, als wollte sie am liebsten das ganze Haus einpacken und mitnehmen. Glucksend kam sie zu Payden und ließ sich im Schneidersitz vor ihr nieder. Sie griff sich eines der Bücher, die Payden ausgebreitet hatte, und las darin.

»Ich liebe Bücher. In ihnen existieren ganze Welten. Sie können uns entführen, uns für Stunden den Alltag vergessen lassen, uns verzaubern. Ich wünschte, ich könnte selbst schreiben, aber mir fehlt die Disziplin dazu. Im Gegensatz zu Karen. Sie hat in der Schule die besten Aufsätze verfasst und sich stundenlang an ihren Geschichten festgebissen, bis sie halbwegs zufrieden war. Und wenn sie dann eine Nacht darüber geschlafen hatte, hat sie oft alles gelöscht und von vorne angefangen. Total verrückt. Und nun arbeitet sie in der Bücherei. Hätte mich die Medizin nicht so gepackt, würde ich das auch. Ich liebe den Duft von altem Papier. Suchst du eigentlich was Bestimmtes?«, fragte Emma und deutete auf die vielen Schmöker.

»Ich weiß nicht.« Aus unerfindlichen Gründen hatte Payden in den Tagen nach Akils Rettung ein vermehrtes Interesse an ihrer Abstammung entwickelt. Sie hatte schon früher gerne die Geschichten ihres Opas gehört, aber so intensiv wie jetzt hatte sie sich noch nie damit beschäftigt.

»Mein Großvater stammte von dem Volk ab«, sagte Emma.

»Genau wie meiner. Er starb vor einem halben Jahr.«

»Meiner vor fünf. Er hatte ein sehr glückliches Leben mit Oma geführt. Sie kam aus Riverside, und er hatte wegen ihr das Volk verlassen.«

»Bei meinem war es ähnlich gewesen. Er hatte auch eine Frau aus der Stadt kennengelernt, allerdings war sie ursprünglich aus New York gekommen. Sie zog ihm zuliebe nach Riverside, so war er näher an seiner Familie. Wir haben oft Ausflüge in die Berge unternommen, als ich noch kleiner war.«

»Also haben wir beide die gleiche Verbindung zu dem Volk über unsere Großeltern.«

»Ja.«

»Hat er dir auch so gerne Geschichten von früher erzählt?«

»Ständig.« Und sie hatte sie geliebt, denn sie waren real gewesen und keine erfundenen Hirngespinste aus dem Kopf irgendeines Autors. »Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er es auf die Art besser verkraftete, nicht mehr bei seinem Volk zu sein. Ich glaube, der Weggang ist ihm nicht leichtgefallen.«

»Ja, das war bei Opa auch so gewesen. Egal wie sehr er Oma liebte, aber in seinen Augen lag immer der Hauch aus Sehnsucht, wenn er hoch in die Berge blickte.«

Payden zog das Buch mit den Stammbäumen heraus. Sie hatte ihre eigene Linie bis zu Damia zurückverfolgen können, doch nach wie vor wusste sie so gut wie nichts über die Häuptlingstochter. »Kennst du Damia?«

»Noch nie gehört.«

»Ich weiß nur, dass sie sehr wichtig für das Volk gewesen sein muss. Hier steht, dass sie angeblich alle vor einer schweren Krankheit gerettet hat. Ich habe Akil darauf angesprochen, aber er ist mir ausgewichen.«

»Ui, ich rieche ein Geheimnis.«

»Ja. Ich auch.«

»Wie hieß dein Opa denn?«

»Manteo.«

»Ich habe weitere Bücher mit den anderen Familien der Dowanhowee mitgebracht.« Payden stand auf und suchte nach dem entsprechenden Wälzer. »Kennst du dich zufällig mit Ahnenforschung aus?«

»Nur ein wenig. Ich arbeite zwar in einem Labor, aber wir forschen an Enzymen, die Nerven regenerieren sollen. So könnten zum Beispiel Querschnittsgelähmte wieder laufen.«

»Oh, interessant.«

»Ja. Wir hatten schon den ein oder anderen Durchbruch, aber es steckt dennoch in den Kinderschuhen. Die Probanden fehlen, und der Papierkrieg über die Zulassung eines solchen Mittels ist die Hölle.«

»Kann ich mir vorstellen.«

»Wir machen dennoch weiter. Der Nutzen ist zu groß.«

Payden klappte das Buch auf und tippte mit dem Finger auf einen Namen. »Da ist dein Opa. Gib mir noch mal das Buch, das Damia erwähnt.«

Emma reichte es ihr herüber.

»Und hier wird auch tatsächlich seine Ahnenreihe erläutert. Dein Blut geht ebenfalls auf einen Bruder Damias zurück. Bei mir ist es auch ein Bruder, aber ein anderer.«

»Zeig mal.« Emma überflog rasch, was Payden ihr gezeigt hatte, und nickte anerkennend. »Ob es bei Barry auch so ist?«

»Wir können ihn fragen, wenn er wach ist.«

Emma drehte das Buch herum und betrachtete sich den Einband. »Oh, das ist ja aus der Bibliothek in Riverside.«

»Ja. Karen hat es mir gegeben. Als Großvater gestorben war, wollte ich mehr über ihn und seine Dowanhoweefamilie erfahren, um eine passende Rede auf der Trauerfeier zu halten. Also habe ich ewig bei ihr gesessen und recherchiert. Irgendwann wurde ich auf dieses Buch aufmerksam und fragte, ob ich es haben könne. Sie wollte es erst nicht herausrücken, weil es ein Unikat ist und schon sehr alt, doch weil sie wusste, wie wichtig es mir war, hat sie es mir mitgegeben. Und jetzt kommt noch was ganz Kurioses.«

»Ich liebe kurios!«

»Ich habe dieses Buch wieder und wieder gelesen, aber der Name Damia ist mir dabei nie ins Auge gestochen. Ich habe ihn einfach überlesen, bis vor einigen Tagen.«

»Was passierte da?«

»Akil hat mich gerettet. Am nächsten Morgen bin ich aufgewacht und hatte das dringende Bedürfnis, in dem Buch zu lesen. Ich schlug es auf und erblickte als Allererstes ihren Namen. Er schoss mir förmlich entgegen, als hätte ihn jemand mit Leuchtmarker angemalt. Wie konnte ich ihn beim ersten Recherchieren übersehen?«

»Vielleicht war er magisch getarnt.«

»So ein Käse.«

»Das ist es nicht! Das ist sehr logisch! So machen die das immer. Also in Büchern und Filmen zumindest. Sie legen einen Zauber irgendwo drüber, und der Gegenstand bleibt unentdeckt, bis der Zauber enthüllt wird.«

»Wir sind hier aber nicht in einem Buch, sondern in der Realität.« Obwohl die sich im Moment auch sehr irreal anfühlte.

Ein Schweißtropfen perlte auf einmal von ihrer Stirn. Payden tupfte ihn weg. Kurz darauf flutete sie ein weiterer Hitzeschwall. Sie musste sich das Shirt vom Leib halten, damit die Luft besser zirkulieren konnte.

»Bei dir ist es auch so, oder?«, fragte Emma.

»Was meinst du?«

Emma fasste sich an die Brust. »Es ist wie ein Brennen oder Jucken. Du glaubst, es laufen Ameisen über deine Haut, und wenn du hinsiehst, dann ist da nichts.«

»Ich ... ja. Bei dir auch?«

Sie nickte. »Es fing an, als ich fast in das Auto gerannt bin. Akil hat mich vor dem Unfall bewahrt, aber bis gestern hatte ich keine Ahnung davon, dass er es gewesen war. Ich wusste nur, dass etwas Mysteriöses an diesem Tag passiert war.« Emma kaute auf ihrer Lippe herum und dachte darüber nach. »Wenn ich meine Ausrüstung hätte, würde ich unser Blut untersuchen. Vielleicht könnte ich ja doch etwas Interessantes finden.«

»Womöglich gibt es hier ja ein Labor. Wir könnten Ben fragen, wenn er wiederkommt.«

»Oder Akil. Dann kann er uns auch gleich heilen.« Ein verschmitztes Lächeln trat auf ihre Lippen. »Erstens war es mit Abstand das Beste, was ich je erlebt habe, und zweitens sieht der Kerl sagenhaft gut aus. Und wie der riecht!«

»Mh.« Bei Punkt eins gab sie Emma recht, Punkt zwei war schon an Ben vergeben.

Emma wischte sich den Schweiß weg und griff nach dem Buch mit den Stammbäumen. »Hast du eigentlich gewusst, dass die Dowanhowee früher ein gewalttätiges Volk waren?«

»Was? Nein!«

Emma nickte. »Ich habe es bei Großvater herausgefunden. Da war ich noch ein Kind. Karen und ich waren an einem Sonntag bei ihm zu Besuch und langweilten uns. Wir haben Verstecken gespielt, ich bin in Großvaters Arbeitszimmer und habe mich zwischen die Wand und ein Bücherregal gequetscht. Als Karen mich fand, bin ich so erschrocken, dass ich einen Satz gegen das Regal machte, und da plumpsten etliche Bücher heraus. Unter anderem eins von Samuel Miwok. Er war Professor für Geschichte und hatte sich den Dowanhowee verschrieben.«

»Miwok ...« Der Name sagte ihr was. »Von dem gibt es eine Abteilung in der Bücherei.«

»Genau. Er hat das Gebäude damals mitgesponsert, ebenso das örtliche Museum. Es war ihm ein großes Anliegen, die Geschichte zu bewahren. Leider kam ich nur dazu, das Vorwort des Buches zu lesen, aber da schrieb er, dass er ein Fan der Dowanhowee war und er sich freute, dass das Volk sich von seinem alten Glauben voller Blut und Gewalt hin zu friedliebenden Menschen mit einem außergewöhnlichen Gespür für die Natur entwickelt hatte. Miwok selbst stammte über seine Urgroßeltern von ihnen ab, und er war seit Kindheitstagen von der Geschichte der Dowanhowee wie besessen gewesen. Er bedauerte, dass es kaum Aufzeichnungen von den ganz frühen Tagen gab, aber er hatte herausgefunden, dass das Volk einst eine alte Gottheit verehrte. Es gab sogar eine Zeichnung dazu. Warte.« Sie nahm sich eines der Blätter und einen Stift, mit dem Payden sich ihre Notizen gemacht hatte. Dann kritzelte sie ein Symbol darauf. »So sah es aus.«

»Ein Flügel?«

»Miwok sagte, dass es das Zeichen des Bösen sei. Er fand es in alten Höhlen in die Wände geritzt. Das Zeichen des Teufels, wie Miwok es nannte.«

»Aber der Glaube an den Teufel stammt aus dem Christentum, und die Dowanhowee waren ganz sicher nicht christlich.«

»Nein, aber auch die Dowanhowee glaubten an höhere Mächte.«

»Mh«, machte Payden und betrachtete das Flügelsymbol, das Emma für sie aufgemalt hatte. »Klingt irgendwie logisch und dann auch wieder nicht.«

Emma grinste. »Du bist so dermaßen verkopft, das ist ja der Wahnsinn. Wenn das alles vorbei ist, gehen wir beide mal nach Disneyland.«

»Was? Wozu das denn?«

»Damit du lernst, dein inneres Kind rauszulassen. Du hast viel zu wenig Spaß.«

»Ich habe Arbeit.«

»Sag ich doch!«

»Und was hat das nun mit den Dowanhowee und ihrer Vergangenheit zu tun?«

»Na ja, Miwok äußerte den Verdacht, dass es irgendwann im Laufe der Geschichte zu einem großen Eklat gekommen war. Einer aus dem Volk erhob sich und wollte fortan nicht länger diesem Teufel dienen. Die Dowanhowee wären damals fast ausgestorben über den Zwist. Aber irgendetwas brachte die Wende.«

»Könnte es etwas mit Damia zu tun haben?«, fragte Payden. »Und mit dieser mysteriösen Krankheit, die sie angeblich heilte? Vielleicht war damit ja keine Krankheit des Körpers gemeint, sondern des Geistes.«

»Das wäre möglich.«

»Hast du das Buch von Miwok noch?«

»Nein. Großvater erwischte mich damit, entriss es mir und wurde ganz aufgeregt. Ich wollte weiter darauf eingehen, doch er verbot mir, darüber zu sprechen. So aufgelöst hatte ich ihn noch nie erlebt, er war nicht wirklich wütend, ich glaube eher, dass er Angst hatte. Seither ist das Werk verschwunden. Du findest es auch nicht in der Bibliothek von Riverside.«

Payden nahm die Zeichnung von Emma und betrachtete sie näher. Es war ein Doppelflügel. Ein allgemeines Symbol, das für alles Mögliche stehen konnte. »Wie ein Todesengel.«

»Ich glaube, genau das waren die Dowanhowee früher gewesen, bis sie sich dem Frieden zuwandten und zu dem Volk wurden, das wir heute kennen.«

»Da stimmt doch was nicht.« Payden beschlich mehr und mehr das Gefühl, dass sie hier etwas Großes aufdecken konnten. »Meinst du, wir können ...« Auf einmal ging die Tür auf, und Ben kehrte zurück.

Sofort schlug Paydens Herz schneller, und sie spürte die Hitze in ihre Wangen steigen. Herrje, ich benehme mich wie ein verliebter Teenager. Schrecklich! Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich ihre Begeisterung nicht ansehen zu lassen. Tatsächlich schien es nicht weiter aufzufallen, denn weder Emma noch Ben beachteten sie großartig.

Er trug einen Korb, aus dem es köstlich duftete. »Hunger?«

»Und wie«, sagte Emma und stand auf. Paydens Magen knurrte auch, aber sie war zu aufgeregt, um jetzt an Nahrung zu denken. Sie erhob sich ebenfalls und lief ihm entgegen.

»Ist alles klar bei dir?«, fragte sie. Er sah mürbe aus, sein Gesicht wirkte verzerrt, die Brauen waren fest zusammengezogen und seine Augen rot unterlaufen.

Hatte er geweint?

Payden kannte diesen Gesichtsausdruck aus ihrer Arbeit. Er verhieß nichts Gutes. »Was ist passiert? Geht es um Jess?«

»Nein. Ich ...« Er öffnete den Mund und schüttelte sich. Am liebsten hätte Payden ihn nach draußen geschoben und ihn gezwungen, es ihr zu sagen, obwohl es sie gar nichts anging. Aber sie spürte eine Verbindung zu ihm, er war ihr wichtig, warum auch immer, und sie wollte für ihn da sein.

Ben deutete auf die Notizen auf dem Boden und stellte den Korb auf dem Esstisch ab. »Was macht ihr denn?«

»Wir überbrücken Zeit«, sagte Payden. Wie konnte sie ihn davon überzeugen, sich ihr anzuvertrauen?

Bestimmt nicht, indem du ihn drängst.

Emma öffnete den Korb und japste vor Freude. »Oh, ich sterbe vor Hunger! Wie kocht ihr hier? Ganz normal – oder mit Magie?«

»Ich weiß es gar nicht genau. So oft esse ich hier nicht, aber das habe ich aus der Küche geholt. War alles im Kühlschrank.«

Emma packte fleißig das Essen auf den Tisch. Ben hatte wirklich an alles gedacht: frisches Brot, Butter, einen Teller mit kaltem Hähnchen, Tomaten, Paprika – es war mehr als reichlich.

Payden legte ihm zaghaft die Hand auf seine Schulter. »Wenn ich dir helfen kann ...«

»Kannst du nicht.«

Sie zuckte. Natürlich nicht. Sie kannten sich kaum. Sie zog die Hand zurück und wollte sich abwenden.

»Entschuldigung, ich meine das nicht böse, aber ich muss erst mit einigem klarkommen.«

»Okay. Kein Thema. Ich wollte dir nicht zu nahetreten.«

»Bist du nicht, und nun iss bitte etwas.« Er schob sie sanft zum Tisch. Dort, wo seine Finger sie berührten, drangen kleine Kribbelblitze in ihren Körper, und sie wünschte sich, er würde noch viel mehr von ihr anfassen.

O Gott. Reiß dich zusammen! Es war lange her, seit sie zuletzt eine Beziehung gehabt hatte, aber so nötig hatte sie es nun auch nicht.

Ben ging an den Tisch, nahm eine Flasche Wasser und schenkte jedem ein. Sein Blick wanderte immer wieder zu den aufgeschlagenen Büchern, als würde er nach etwas suchen. Emma lud sich sofort den Teller voll, während Payden sich nur ein Stück Brot nahm.

»Was ist denn mit Barry?«, fragte Ben.

»Der ist wach.« Die Tür zum angrenzenden Zimmer ging auf, und Barry stand mit verwuschelten Haaren im Rahmen. Er gähnte herzhaft und streckte seinen Nacken durch. Barry hatte einen kleinen Wohlstandsbauch, und seine blasse Haut deutete darauf hin, dass er eher ein Stubenhocker war. »Ich habe noch nie so gut geschlafen wie hier. Was macht ihr in eure Matratzen? Schlafpulver?«

»Das glaub ich jetzt nicht«, stammelte Emma mit halb vollem Mund und starrte ihn an. »Barry Flynn?«

Barry blinzelte und fixierte sie genauso irritiert. »Emma? Was machst du denn hier?«

»Dasselbe wie du.«

»Woher kennt ihr euch?«, fragte Ben.

»Wir haben zusammen Medizin studiert! Ich habe umgeschult zur Genetik, ...«

»... und ich habe mich auf alternative Heilmethoden spezialisiert.«

»Wir haben uns aus den Augen verloren, weil ich nach Deutschland gezogen bin.«

»Ich kurz darauf nach England.« Barry schüttelte ungläubig den Kopf. Emmas Ex also. Noch mehr Verbindungen.

Das war vermutlich auch kein Zufall. Außerdem waren sie alle in medizinischen Berufen tätig. Payden jobbte zwar nur im Altersheim, aber sie hatte ebenfalls eine Ausbildung in dem Bereich.

»Wie fühlst du dich sonst?«, fragte Ben Barry.

Er runzelte die Stirn und kam an den Tisch. »Erstaunlich gut. Diese Frau hat mir einiges erklärt.«

»Anna.«

»Genau. Sie meinte, dass wir in ein paar Tagen zurück zu unserer Familie können. Meine Frau Steph macht sich bestimmt Sorgen.«

»Ich denke, dass Anna oder einer der anderen bei ihr war«, sagte Ben. »Normalerweise kümmern sie sich um alles.«

»Trotzdem möchte ich nicht länger als nötig hierbleiben.«

»Wirst du nicht.« Er lief zu den aufgeschlagenen Büchern, hob eines auf und legte es wieder weg.

»Was suchst du denn?«, fragte Payden.

»Du hast bei dir zu Hause ein Buch über Damia erwähnt.«

»Es liegt da drüben.« Sie wollte es für ihn holen, aber er war schneller und nahm es an sich.

»Gibt es noch mehr dieser Art?«, fragte er.

»Keine Ahnung, warum? Wer war sie?«

Ben kaute auf der Innenseite seiner Wange und bestätigte somit das Gefühl, dass sie vorhin schon bei Akil gehabt hatte: Sie wollten auf keinen Fall, dass Payden mehr über Damia erfuhr.

»Meinst du nicht, es wäre besser, wenn wir alle in dieser Sache zusammenarbeiten?«, fragte Payden. »Uns gegenseitig die Wissenslücken auffüllen? Emma hat mir eben eine interessante Geschichte erzählt.«

Ben blickte zu ihr, und Emma nickte freudig. Bevor Payden weitersprechen konnte, legte Emma auch schon los: »Es geht um meinen Großvater und ein Buch, ...«

Sie feuerte ihre Worte so schnell heraus wie ein Maschinengewehr.

»... und dann hab ich das Flügelsymbol gesehen«, endete sie und deutete auf ihre Zeichnung.

»Einen Flügel?«, fragte Ben und hob den Zettel mit dem Symbol auf.

»Sagt dir das was?«, fragte Payden.

»Akil hat davon erzählt, aber das ist schon eine Weile her. Kann ich mir das ausleihen?«

»Aber natürlich!«, sagte Emma. »Ich male dir so viel, wie du willst.«

»Warte mal«, sagte Barry und kam neben Ben. »Das kenn ich auch!«

»Woher?«

»Von meiner Großmutter.« Er nahm den Zettel in die Hand und starrte auf das Flügelmal. »Sie wurde im Alter sehr gebrechlich und kam ins Heim. Sie hasste es und meinte, sie wolle zurück in die Berge und bei ihrem Volk sterben, aber mein Vater hat es nicht zugelassen. Er war recht ... verbohrt. Egal. Ich habe Oma jeden Sonntag besucht, und sie weinte fast jedes Mal. Sie wollte zurück nach Hause, aber sie meinte, es wäre ihre Strafe, weil sie sich als junge Frau von ihren Leuten abgewandt und sie verlassen hatte. An einem Sonntag war sie besonders verwirrt. Ich kam in ihr Zimmer, und sie hatte alles vollgekritzelt mit diesem Flügelmal. Die Wände, den Boden. Sie hatte sogar das Zeichen in die Möbel geschnitzt. Ich wollte jemanden rufen, aber sie packte mich am Kragen und fragte, ob ich Kedos sei und sie für ihre Sünden bestrafen wolle.«

»Kedos?«, sagte Ben.

»Das sagt dir was, oder?«, fragte Emma, die vollkommen still geworden war und an Barrys Lippen hing. »Hier passiert gerade etwas! Ich spüre es.«

Payden und Ben sahen zu ihr hinüber. Ben wirkte genauso irritiert wie Payden, doch tatsächlich bekam sie Gänsehaut.

»Die Legende von Ikandu und Kedos«, sagte Ben. »Es ist eine uralte Sage über das Gute und das Böse.«

»Großvater hatte eine Skulptur, die Ikandu zu Ehren gefertigt worden war«, sagte Payden. »Er zündete abends immer Räucherwerk an, um ihm zu huldigen, ihn um Hilfe zu bitten und über seinen Schlaf zu wachen. Aber Kedos hat er nie erwähnt.«

»Angeblich saß Ikandu früher auf dem höchsten Berg in der Nähe des heutigen Riverside und hat über sein Volk gewacht«, sagte Ben. »Ich bekomme die Geschichte nicht mehr ganz zusammen, ich war damals erst zehn Jahre alt. Abe – mein Großvater – hat sie mir erzählt. Ikandu ist seither mein ... so etwas wie mein Beschützer. Viele Dowanhowee verehren ihn.«

Da war er wieder. Dieser traurige Schatten, der ihn vorhin schon begleitet hatte, als er das Haus betrat. Ging es um seinen Großvater? War er vielleicht gestorben?

»Du hast also über Abe die Dowanhowee-Gene?«, fragte Payden und studierte Ben dabei genau. »Geht es ihm gut?«

Ben schnappte nach Luft. »Über meinen Vater. Ich bin eine Generation enger mit ihnen verwandt als ihr.«

Und meine zweite Frage hast du nicht beantwortet.

»Das sieht man dir an«, sagte Emma. »Deine Züge sind viel ausgeprägter als unsere. Schau dir Payden an, sie hat diese schönen mandelförmigen dunklen Augen der Dowanhowee.«

Er tat es, und wieder schauderte es sie am ganzen Körper.

»Und ich habe die hohen Wangenknochen«, fuhr Emma fort, doch Ben hielt Paydens Blick weiterhin fest. »Barry die etwas dunklere Hautfarbe und die Haare ...«

Payden blendete Emmas Gefasel aus und konzentrierte sich stattdessen auf Ben. Es war der erste intensive und offene Moment, den sie teilten, an dem sie sich auf nicht körperlicher Ebene berührten.

Leider hielt er nur wenige Sekunden, ehe Ben sich wieder abwendete.

»Wir müssen mehr über Kedos herausfinden«, sagte er. »In welchem Altersheim war deine Großmutter denn?«

»In dem am Park«, antwortete Barry. »Mein Vater war ein Idiot, aber er hatte ihr immerhin eins der schönsten der Stadt ausgesucht.«

»Wenn das mal kein Zufall ist«, sagte Payden. »Da arbeite ich.«

»Kannst du dich an diesen Fall erinnern?«, fragte Ben.

»Nein, das muss vor meiner Zeit gewesen sein, aber einige Zimmer im oberen Stock wurden kurz vor meiner Anstellung renoviert. Wenn deine Oma alles vollgekritzelt hat, war es bestimmt auch dabei.«

»Was passiert mit den persönlichen Gegenständen?«, fragte Ben.

»Die werden der Familie zurückgegeben.«

Barry winkte ab. »Mein Vater wollte nichts damit zu tun haben, ich weiß noch, wie jemand vom Heim anrief und er sagte, sie sollen alles verbrennen.«

»Tja, in dem Fall wurden sie wohl wirklich entsorgt, oder – wenn du Glück hast – liegen sie noch im Keller. Unser Hausmeister wirft ungern etwas weg, weil er meint, das in vielen Sachen die Seelen der Menschen weiterleben. Irgendwann werden wir aber ausmisten müssen, der Keller platzt bald.«

»Vielleicht kann dir auch Karen helfen«, sagte Emma. »Sie arbeitet ja in der Bibliothek.«

»Ich würde gerne beides checken«, sagte Ben.

»Ich begleite dich«, sagten Emma und Payden gleichzeitig.

»Auf keinen Fall«, antwortete Ben. »Wir haben euch nicht hergeholt, um euch gleich darauf wieder auszusetzen.«

»Aber ...«, holte Payden aus, doch Ben unterbrach sie.

»Nein.«

»Du kommst nicht einfach so ins Altersheim.«

»Deshalb sprichst du mir auch eine Nachricht aufs Handy und stellst sicher, dass ich eingelassen werde.«

»Funktioniert das etwa?«, fragte Barry. »Die sagten mir, dass die nicht gehen auf dem Anwesen.«

»Richtig. Aber ich brauche dafür auch keinen Empfang. Emma, gib mir Karens Nummer.« Er holte sein Smartphone und entriegelte den Bildschirm. »Ich bin ganz Ohr, Emma.«

Sie zögerte erst, doch dann rückte sie sie heraus. Ben speicherte sie ab.

»Danke! Jetzt du.« Er drehte das Handy herum, damit Payden ihm eine Sprachnachricht aufsagen konnte.

Sie rümpfte die Nase, doch dann überwand sie sich schließlich und diktierte für Rick, den Hausmeister, eine kurze Mitteilung. Er sollte Ben alles zeigen, was er brauchte, und sie käme bald zurück zur Arbeit. Als sie fertig war, reichte sie das Handy an Ben. Er bedankte sich und steckte es ein. »Jetzt esst! Und schlaft! Ihr seid bestimmt erschöpft.«

Nein, sie war hellwach!

Ben drehte herum und wollte gehen.

»Lässt du das Buch über Damia da?«, fragte Payden, denn er hatte es einfach in seine Jacke gesteckt. »Ich würde gerne noch Barrys Familie zurückverfolgen.«

Ben stockte und strich über die Tasche. »Ich bringe es dir wieder. Versprochen.«

»Aber ...«

»Danke.« Ben lief zur Tür. »Falls Akil nach mir fragen sollte, sagt ihm, dass ich bald zurück bin.«

»Machen wir«, sagte Emma. »Und das, obwohl wir stinkig auf dich sind, weil du uns nicht mitnimmst.«

Ben schmunzelte. »Bleibt in Sicherheit. Bitte.«

Er öffnete die Tür und trat nach draußen. Payden blickte ihm lange hinterher und schüttelte den Kopf.

Diese Sache stank gewaltig nach einem einzigen großen Geheimnis.

4. Kapitel

Jessamine

Der Geruch nach frischer Erde drang in meine Nase. Ich atmete ihn tief ein und sah mich gedanklich sofort auf einer herrlichen Sommerwiese liegen. Sie duftete nach Gras, nach Blumen, nach Frühtau; die Halme kitzelten auf meiner Haut, der weiche Boden umschmeichelte meinen Rücken. Es war ein wundervolles, beruhigendes Gefühl. Ich atmete es tief in mich, dehnte und streckte meine Glieder, bis jemand neben mir brummte und sich eine Hand über meinen Bauch schob.

Sofort hielt ich inne, aber die Finger verharrten ruhig, stellten keine Besitzansprüche, wollten nur da sein. Ich spannte die Muskeln und wurde mir meines eigenen Körpers bewusster. Keine gute Idee, denn ein ekelhaft bleierner Geschmack lag auf meiner Zunge, und mein Mund war so ausgedörrt wie die Sahara im Hochsommer. Ich löste sie fast schon gewaltsam von meinem Gaumen und öffnete langsam die Augen. Nun war mir auch klar, wer mit mir kuschelte: Akil.

Oh ...

Er hatte sich neben mir eingerollt, den Arm locker über meiner Körpermitte, das Gesicht tief im Kissen vergraben. Sein Atem kitzelte an meinem Hals.

Im ersten Moment war ich unschlüssig, was ich davon halten sollte. Wir hatten, als Jaydee in der Isolation gewesen war, viel Zeit miteinander verbracht, und er hatte mich oft in den Arm genommen und getröstet, wenn ich die Geduld verloren hatte, aber wir hatten noch nie gemeinsam in einem Bett übernachtet!

Das schlechte Gewissen kroch in mir hoch, obwohl ich gar nichts Verbotenes getan hatte und Akil mir niemals zu nahetreten würde. Aber was, wenn Jaydee uns so sehen würde?

Akil war sein bester Freund, doch das hier ging womöglich zu weit. Vor allen Dingen, weil Jaydee diese Art von Nähe mit mir vorenthalten war. Wir hatten oft miteinander geschlafen, aber waren nie Arm in Arm ins Reich der Träume gedriftet.

Okay, einmal ganz kurz auf Malea Island, als wir gemeinsam auf der Terrasse gesessen hatten, aber Jaydee hatte nicht wirklich tief geschlafen.

Ich schälte mich unter der Decke, aus Akils Wärme und seinem Arm heraus. Er gab einen tiefen erdigen Laut von sich, wachte aber nicht auf. Vorsichtig schob ich mich von ihm weg, obwohl mein Körper sich gleich zurück in die erdigen Arme und die vibrierende Energie sehnte. Ich stand dennoch langsam auf. Der Boden schwankte genau wie gestern, doch ich fühlte mich definitiv besser. Ich blickte an mir hinab. Ich trug ein frisches T-Shirt, das mir bis über die Knie reichte, keinen BH, nur einen Slip. Hatte Akil mich umgezogen, oder Anna?

Und wie würde ich es finden, wenn er es getan hatte? Ich biss auf meine Lippe, redete mir noch mal ein, dass wir nichts Schlimmes getan hatten und lief leise ins Bad. Dort trank ich als Erstes einen Schluck Wasser und benetzte mein Gesicht und meinen Nacken. Meine Finger zitterten, meine Haut juckte noch ein wenig, aber es war auszuhalten. Als wäre ich in Nesseln gefallen, deren Quaddeln nur langsam heilten. Ich richtete mich auf, sah in den Spiegel und zuckte zusammen.

Dunkle Ringe dekorierten meine Augen, meine Haut schimmerte grünlich, krank. Ich streckte meine Zunge heraus, sie wirkte blass, und griff nach dem Amulett, das mich vor Coco schützte. Normalerweise wollte ich es mir im Sonnenuntergang immer vom Leib reißen und Coco so auf mich aufmerksam machen, gestern war es erst gar nicht dazu gekommen, weil ich vorher umgekippt war.

Ein Stück oberhalb der Kette hatte sich eine bläuliche Verfärbung gebildet. Genau dort, wo mich die Undine einst gebissen hatte. Die Stelle war schlecht verheilt und erst nach etlichen Sitzungen mit Akil abgeklungen, aber so deutlich wie jetzt hatte ich sie schon lange nicht mehr gesehen. Ich schabte vorsichtig darüber, beugte mich näher an den Spiegel und drückte die Haut zusammen. Eine grünlich-dicke Flüssigkeit quoll aus den Poren – wie Harz. Mein Atem stockte.

»Deine Seele ist mit sehr viel Magie belastet.«

War es das? Eine Undine war ein magisches Wesen, sie hatte mich gebissen, hatte ihr Gift in meinen Adern verbreitet. War deshalb womöglich diese Wunde so schlecht geheilt? War das damals schon der erste Warnhinweis meines Körpers gewesen, und wir hatten ihn übersehen?

»Jess?«

Ich fuhr herum, fegte dabei den Zahnputzbecher vom Waschbecken, der klirrend auf den Fliesen landete.

»Alles klar bei dir?«

»Ja. Ich bin gleich da.« Rasch hob ich den Becher auf, griff nach einem Handtuch und tupfte die harzartige Flüssigkeit von meinem Hals. Dann zog ich meine Haare von hinten über die Schulter und verdeckte die Stelle, so gut ich konnte. Ich schnappte mir meine Zahnbürste, schrubbte den Geschmack weg und kräftig über meine Zunge, damit auch sie durchblutet wurde.

Das Bett knarzte, als Akil aufstand. Ich spülte meinen Mund aus, kniff mir in die Wangen, bis sie sich röteten, öffnete die Tür und schrie vor Schreck. Akil lehnte bereits am Rahmen und sah mich eindringlich an. Wenigstens trug er noch seine Klamotten von gestern und hatte nicht nackt geschlafen, wie sonst üblich.

»Sicher, dass alles klar ist?«

»Ja. Ich bin noch ein wenig verwirrt. Aber es geht.«

Ich schob mich an ihm vorbei und ging zum Schrank. Ich kam mir unglaublich entblößt vor, als konnte er durch meine Kleidung sehen und ein Ultraschallbild meines Körpers anfertigen.