Die dänischen Eufemiaviser und die Rezeption höfischer Kultur im spätmittelalterlichen Dänemark – The Eufemiaviser and the Reception of Courtly Culture in Late Medieval Denmark -  - kostenlos E-Book

Die dänischen Eufemiaviser und die Rezeption höfischer Kultur im spätmittelalterlichen Dänemark – The Eufemiaviser and the Reception of Courtly Culture in Late Medieval Denmark E-Book

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Beschreibung

Das Buch präsentiert Texte, die ein einzigartiges Zeugnis kontinentaler höfischer Erzählkunst in der dänischen Literatur zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit darstellen: die Eufemiaviser (Eufemia-Gedichte), die in der Zeit um 1470–1480 über französische und altschwedische Vorlagen ins Dänische übersetzt wurden. In der skandinavistischen Forschung wurden sie bisher kaum untersucht. This book presents texts which are a unique testimony in Danish literature between the Late Middle Ages and the Early Modern period: the so-called Eufemiaviser (Eufemia poems), courtly verse romances, translated into Danish via Old French and Old Swedish sources in the later part of the 15th century. These texts have hardly been studied in Scandinavian research so far.

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Seitenzahl: 544

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Massimiliano Bampi / Anna Katharina Richter (Hrsg. / eds.)

Die dänischen Eufemiaviser und die Rezeption höfischer Kultur im spätmittelalterlichen Dänemark / The Eufemiaviser and the Reception of Courtly Culture in Late Medieval Denmark

Umschlagabbildung: Manuskript Codex Holmiensis K 47 (Königliche Bibliothek Stockholm), Ivan løveridder (Ivan der Löwenritter), 1r (Prolog). Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Det Danske Sprog- og Litteraturselskab, Kopenhagen.

 

Prof. Dr. ass. Massimiliano Bampi

Università Ca’Foscari Venezia

Dipartimento di Studi Linguistici e Culturali Comparati

Dorsoduro 1405

30123 Venedig

Italien

https://orcid.org/0000-0002-8378-0190

 

Dr. Anna Katharina Richter

Universität Zürich

Deutsches Seminar

Abteilung für Skandinavistik

Schönberggasse 9

8001 Zürich

Schweiz

https://orcid.org/0000-0002-7165-7320

 

DOI https://doi.org/10.24053/9783772057502

 

Gedruckt mit Unterstützung der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften.

 

© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KGDischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

 

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetztes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

Internet: www.narr.deeMail: [email protected]

 

ISSN 1661-2086

 

ISBN 978-3-7720-8750-9 (Print)

ISBN 978-3-7720-0145-1 (ePub)

Inhalt

Eufemiavisor – Eufemiaviser

Zur höfischen Literatur in Dänemark zwischen Mittelalter und früher Neuzeit. Einführung und Forschungsübersicht

Bampi/Richter (Hrsg.), Die dänischen Eufemiaviser, BNPH 68 (2021): 7–14 DOI 10.24053/9783772057502-010

Massimiliano Bampi (Venedig) https://orcid.org/0000-0002-8378-0190
Anna Katharina Richter (Zürich) https://orcid.org/0000-0002-7165-7320

Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge sind größtenteils aus Vorträgen im Rahmen der internationalen Konferenz The EufemiaviserEufemiaviser (dän.) and the Reception of Courtly Culture in Late Medieval Denmark hervorgegangen. Im Zentrum der Tagung, die von den Herausgebern dieses Bandes organisiert wurde und vom 13.–14. September 2018 am Deutschen Seminar der Universität Zürich stattfand, stand die eingehende Beschäftigung mit unterschiedlichen Aspekten der Textüberlieferung der spätmittelalterlichen Eufemiaviser (EufemiaEufemia, Königin von Norwegen-Gedichte) in Dänemark. Hierbei handelt es sich um drei mittelalterliche höfische Versromane, die – benannt nach der Auftraggeberin, der ursprünglich aus Norddeutschland stammenden norwegischen Königin Eufemia (1280–1312) – in komplexen Transmissionsprozessen mit verschiedenen Übersetzungsvorlagen und Bearbeitungsstufen zu Beginn des 14. Jahrhunderts zunächst ins Altschwedische und später, vermutlich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ins Mitteldänische übersetzt wurden:1Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) (Ivan der Löwenritter, welcher auf YvainYvain ou le Chevalier au lionou le Chevalier au lion von Chrétien de Troyes zurückgeht), Hertug Frederik af NormandiHertug Frederik af Normandi (dän.) (Herzog Friedrich aus der Normandie) und Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) (Flores und Blanzeflor). Während es in der altschwedischen Tradierung mehrere handschriftliche Textzeugnisse der drei EufemiavisorEufemiavisor (schwed.) gibt, sind die dänischen Varianten nur in einer einzigen Sammelhandschrift überliefert (Codex Holmiensis K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), Königliche Bibliothek Stockholm, im Folgenden: K 47). Zusammen mit drei weiteren Erzähltexten, die thematisch mit den Eufemiaviser korrelieren (Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis [Persenober und Konstantianobis]; Den kyske dronningDen kyske dronning [Die keusche Königin] und Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin [Der Zwergenkönig Laurin]), stellen sie ein einzigartiges Zeugnis kontinentaler höfischer Erzählkunst in der dänischen Literatur des ausgehenden Spätmittelalters und der beginnenden frühen Neuzeit dar. Gerade diese Position macht sie so interessant für eine intensivere Auseinandersetzung mit den Vorlagen und mit ihrem literarischen, kulturellen und historischen Umfeld. Auch aus der historischen Sicht auf die Renaissance des Rittertums im spätmittelalterlichen Dänemark, wie sie sich in der Architektur und in Repräsentationsformen höfischer Kultur, der sog. ‚Ritterrestauration‘, manifestieren, bieten diese Texte eine wichtige literarische Perspektive.

Im Unterschied zu den altschwedischen EufemiavisorEufemiavisor (schwed.), denen 2012 eine internationale Tagung in Stockholm gewidmet war (vgl. Ferm u.a. (Hg.) 2015), sind die dänischen Textvarianten in der skandinavistischen Forschung bisher nur marginal behandelt worden, und erst in jüngerer Zeit kommt ihnen vermehrte Aufmerksamkeit zu. Von der früheren Forschung sind insbesondere einige Beiträge zu nennen, die auf verschiedene Weise eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung unserer Kenntnisse dieser Werke und deren Verständnis gespielt haben.

In Jürg Glausers (1986) Artikel zur höfisch-ritterlichen Epik im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Dänemark werden die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) und ihre kulturgeschichtliche Bedeutung im Rahmen der Untersuchung der Sammelhandschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) besprochen. Wenngleich die Betrachtung hauptsächlich auf Den kyske dronningDen kyske dronning fokussiert, werden alle drei Versromane als Teil eines intertextuellen Dialogs diskutiert, der auf den thematischen Gemeinsamkeiten der in dieser Handschrift versammelten Texte gründet.

Pil Dahlerups Überlegungen (1998) zum höfischen Roman stellen die bisher ausführlichste Auseinandersetzung mit den gesamten EufemiaviserEufemiaviser (dän.) im Rahmen der höfischen Kultur dar. Die strukturellen und stilistischen Hauptmerkmale der Texte als Übersetzungen werden in knapper Form dargestellt, außerdem wird das vielschichtige Sinnpotential der Eufemiaviser hervorgehoben, insbesondere bezüglich ihrer ideologischen und mentalitätsgeschichtlichen Tragweite. Dahlerup stellt die dänischen Eufemiaviser nicht nur in den Kontext der (spät)mittelalterlichen höfischen Literatur in Dänemark, sondern betrachtet sie immer auch vor dem Hintergrund der kontinentaleuropäischen Tradition, insbesondere dem Einfluss der französischen und der deutschsprachigen Literatur.

Die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) als Repräsentationen des Ritterromans werden auch von Britta Olrik Fredriksen (1999) als Teil einer Darstellung der dänischen Buchkultur im ausgehenden Mittelalter kurz diskutiert. Genauso wie bei Glauser und bei Dahlerup wird hier das Augenmerk zusätzlich auf andere Texte gelenkt, die mit den Eufemiaviser sowohl gattungsmäßig als auch ideologisch und thematisch eng verbunden sind. Diese Perspektive lässt die Eufemiaviser als Produkt einer breiteren, für ein aristokratisch gesinntes Publikum gedachten Textproduktion erkennen. Hier finden auch andere Handschriften Beachtung, die zusammen mit K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) die gesamte höfische Literatur in Dänemark im Spätmittelalter aufbewahren: Codex Holmiensis K 4 (im Folgenden: K 4), der eine fragmentarische Version des mitteldänischen Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) enthält, und Codex Holmiensis Vu 82Codex Holmiensis Vu 82 (Stockholm, Kungliga biblioteket) (im Folgenden: Vu 82), in dem Karl MagnusKarl Magnus (schwed.)’ KrønikeKarl Magnus’ Krønike (dän.) (Chronik Karls des Großen) überliefert ist.

In der neueren Forschung, die sich im Laufe des letzten Jahrzehnts entwickelt hat, stehen die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) vor allem als einzelne Werke im Vordergrund. So veröffentlichte Sigurd Kværndrup 2014 die dänische Übersetzung des altschwedischen Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren (Herr Ivan Löwenritter, welcher ebenfalls auf Chrétiens YvainYvain ou le Chevalier au lion zurückgeht) zusammen mit einer eingehenden Diskussion ihrer Rezeption in Schweden. Der letzte Teil des Bandes enthält einige Denkanstöße zum historischen und ideologischen Zusammenhang, in dem die dänischen Übersetzungen entstanden sein könnten. Von besonderem Interesse ist Kværndrups Theorie, wonach die Übersetzung der gesamten Eufemiaviser im Auftrag der dänischen Königin Margrethe I. durchgeführt worden sei.

Anna Katharina Richter (2018) hat sich mit der Überlieferung der Historie von Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) in Dänemark zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit beschäftigt. In ihrem Artikel untersucht sie einige Besonderheiten der gedruckten Überlieferung des dänischen Flores, die als Ausdruck der Retextualisierung im Übergang zum Druck verstanden werden. Massimiliano Bampi (2019) hat zum einen die Handschriftentransmission des Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) und dessen Verhältnis zum altschwedischen Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren untersucht und zum anderen einige preliminäre Überlegungen zum intertextuellen Dialog innerhalb der Sammelhandschriften K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) und K 4 angestellt. Zu diesen beiden Handschriften hat auch Regina Jucknies (2015) in einer Studie gearbeitet, die sich mit dem Verständnishorizont des Publikums von K 47 beschäftigt. Am Beispiel der in den Texten figurierenden Edelsteine lassen sich interessante Verbindungen zwischen der enzyklopädisch-medizinischen Tradition und der höfischen Romane aufzeigen, wie sie gemeinsam in K 4 überliefert sind.

Einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Beschäftigung mit den EufemiaviserEufemiaviser (dän.) leistet ohne Zweifel die Publikation der diplomatischen Editionen der in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) aufgezeichneten Texte, die im Rahmen des Projekts Studér middelalder på nettet digital zugänglich sind (https://dsl.dk/projekter/studer-middelalder-pa-nettet). Die sorgfältig edierten, vollständig lemmatisierten Texte werden von einer ausführlichen Beschreibung sowohl der Handschriften (https://tekstnet.dk/manuscripts) als auch der einzelnen Werke begleitet, die sich als nützliches Instrument für die wissenschaftliche, philologisch fundierte Arbeit an den einzelnen Texten erweist.

Zu diesem Band

Da die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) nicht als isoliertes Phänomen, sondern stets im Kontext der spätmittelalterlichen (kontinentaleuropäischen und skandinavischen) höfischen Literatur und Kultur betrachtet werden müssen, sind in den Kontext der Tagung sowie in den vorliegenden Sammelband auch weitere narrative Texte miteinbezogen, wie beispielsweise die dänische Karl MagnusKarl Magnus (schwed.)’ KrønikeKarl Magnus’ Krønike (dän.) bzw. ihre zeitlich früher entstandene altschwedische Variante Karl Magnus oder ein bisher kaum beachtetes Manuskript von PersenoberPersenober oc Constantianobis oc Konstantianobis in der Arnamagnäanischen Sammlung in Kopenhagen, welches zur europaweiten Transmission der Erzählung von Partonopeus de BloisPartonopeus de Blois gehört.

Im Mittelpunkt der Tagung sowie auch des vorliegenden Bandes standen bzw. stehen unterschiedliche Herangehensweisen an die dänischen EufemiaviserEufemiaviser (dän.), wobei sich die Mehrzahl der Vorträge Fragen der textuellen Überlieferung widmete; vornehmlich wurden Aspekte wie Variation und produktive Veränderungen der Eufemiaviser in ihrer zeittiefen Überlieferungsgeschichte diskutiert. Eine wichtige Rolle spielen dabei die unterschiedlichen, komplexen Interferenzen von Manuskriptkultur und frühem Buchdruck – so ist beispielsweise eine der drei Eufemiaviser (nur) in Dänemark auch im Druck, sogar bis ins 18. Jahrhundert, überliefert, die anderen beiden existierten jedoch nur in handschriftlicher Form. In der schwedischen Tradierung bestehen aufschlussreiche Überlieferungsverbünde in (adligen) Sammelhandschriften, aber kein Fortleben der Texte in Form von gedruckten Fassungen. Darüber hinaus bieten sprachhistorische Aspekte der Versromane und die Nutzung von Datenbanken zur Erforschung der Sprache im renaissancezeitlichen Dänemark verschiedene theoretische Ansätze und neue Verknüpfungsmöglichkeiten. Sie verweisen nicht zuletzt auf die Bedeutung der Mehrsprachigkeit im vormodernen Skandinavien, wo Latein, Hoch- und Niederdeutsch selbstverständlich neben Schwedisch und Dänisch gebraucht wurden. Die Diskussionen im Laufe der Tagung ließen schließlich auch die in den Eufemiaviser inszenierten Erscheinungsformen und Funktionen des Cultural Memory deutlich werden. Dies ist insbesondere für die dänische Literatur dieser Zeit von Interesse, da es hier insgesamt nur sehr wenige schriftliche Zeugnisse einer höfischen Literatur gibt.

Auch übersetzungswissenschaftliche Perspektiven auf die EufemiaviserEufemiaviser (dän.) nehmen eine wesentliche Rolle in diesem Band ein. Für die vorliegende Publikation entfielen zwei auf der Tagung gehaltene Vorträge, doch dafür konnte ein Beitrag zur Transmission der Karl MagnusKarl Magnus (schwed.)’ KrønikeKarl Magnus’ Krønike (dän.) im Kontext der nordischen Karlsepik gewonnen werden, welcher das Textkorpus sinnvoll ergänzt, handelt es sich doch hierbei um eine etwa zeitgleich entstandene Adaption eines kontinentaleuropäischen Erzählstoffes in Skandinavien.

 

Eine Einführung in die Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), die den zentralen Mittelpunkt der Tagung und die Schnittstelle der gesamten Diskussion präsentierte, bietet der Beitrag von Jürg Glauser, welcher zunächst den Überlieferungsverbund der sechs Verserzählungen vorstellt und das Manuskript als einen ‚Schnittpunkt der Diskurse‘ in mehrfacher Hinsicht beschreibt, nämlich, wie er selbst formuliert, thematisch, stilistisch, metrisch, literatur-, genre-, medien-, transmissions- und erinnerungshistorisch. Glauser betont auch den internationalen Hintergrund der Texte und die Tatsache, dass die Romane mit dem Knittelvers noch in der Zeit um 1500 bewusst ein älteres metrisches Konzept aufgreifen. Neben der Erläuterung der materiellen Besonderheiten der Handschrift geht Glauser darauf ein, wie rhetorische Strategien und narratologische Termini in Paratexten der Handschrift – etwa Prologen oder Epilogen – verwendet werden und auf diese Weise das Geschriebene und Erzählte metafiktional reflektieren. Auch in dieser Hinsicht stehen die Texte in K 47 in Beziehung zueinander. Glauser rundet seine Ausführungen mit einem Ausblick auf die frühneuzeitliche gedruckte Überlieferung von drei der sechs Versromane ab (Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin, Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis). Dass das gedruckte Buch ebenso wie die Handschrift von Unfestigkeit geprägt ist, bildet einen weiteren Aspekt der frühneuzeitlichen Weiterführung dieser spätmittelalterlichen Erzählungen.

Die Anfänge des Buchdrucks in Dänemark und Schweden beleuchtet eingehend der Beitrag von Jonatan Pettersson, der zugleich auch den literatur- und kulturhistorischen Hintergrund der Transmission weltlicher Erzähltexte im spätmittelalterlichen Skandinavien reflektiert. Die dänischen EufemiaviserEufemiaviser (dän.) rücken damit in einen größeren Verständnishorizont der skandinavischen Manuskriptüberlieferung von (spät)mittelalterlichen Erzähltexten (zu denen etwa die schwedischen Erzählungen von Namnlös och ValentinNamnlös och Valentin [Namenlos und Valentin], Riddar Paris och jungfru ViennaRiddar Paris och jungfru Vienna [Ritter Paris und Jungfrau Vienna] u.a. gehören). Pettersson zeigt, dass von den ‚alten‘, mittelalterlichen Erzähltexten in Dänemark nur wenige Texte, wie etwa Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), noch nach 1500 gedruckt wurden, während gleichzeitig mit der Einführung des Buchdrucks ein neues Repertoire an Popularität gewann (die Historienbücher, Frühromane/Prosaromane), das ebenfalls häufig aus dem europäischen Mittelalter stammende Erzählstoffe (neben anderen Traditionen) tradierte. Am Beispiel von Flores og Blanseflor als eine der drei Eufemiaviser erläutert Pettersson, warum gerade dieser Text mit seinem vielschichtigen narrativen Angebot geeignet war, auch noch nach 1500 als gedrucktes Buch ein neues, nunmehr primär urbanes Lesepublikum zu begeistern.

Einen anderen Schwerpunkt setzt Fulvio Ferraris Beitrag: Er beschäftigt sich mit einem übersetzungstheoretischen Zugang zu den EufemiaviserEufemiaviser (dän.) auf der Grundlage der Polysystemtheorie von Itamar Even-Zohar und der sog. ‚Schule von Tel Aviv‘, die die Dynamik und Heterogenität von Kulturen, die im Austausch miteinander stehen, aus kulturwissenschaftlicher Perspektive analysiert. Ferrari erläutert den Prozess des kulturellen Transfers von Texten vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und (kultur-)historischen Verhältnisse in Dänemark und Schweden im Übergang von Mittelalter zu früher Neuzeit. Der polysystemtheoretische Ansatz erweitert den Blick auf die in diesem Band präsentierten Erzähltexte um eine theoriegelenkte Perspektive, welche kulturwissenschaftliche wie auch historische Aspekte von Übersetzungen literarischer Texte untersucht.

Während damit die ersten drei Beiträge in diesem Band die dänischen EufemiaviserEufemiaviser (dän.) als übersetzte Literaturzeugnisse an der Schwelle zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit in einem größeren theoretischen und überlieferungshistorischen Kontext betrachten, setzen sich die nun anschließenden Artikel mit einzelnen Narrativen in der Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) auseinander und fokussieren den Blick auf Phänomene spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Textualität und Materialität.

Massimiliano Bampi setzt die philologischen Besonderheiten von Ivan løveridderIvan løveridder (dän.), der mitteldänischen Bearbeitung von ChrétiensChrétien de Troyes de Troyes YvainYvain ou le Chevalier au lion, in Beziehung zur altschwedischen Vorlage, Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren (eine der drei altschwedischen EufemiavisorEufemiavisor (schwed.)). Die dänische Variante ist in zwei Fassungen überliefert, einerseits in der Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), die auch im Mittelpunkt der Tagung stand, sowie andererseits im Manuskript K 4, welches auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert werden kann. Für diese Periode verortet Bampi die Produktion, Adaption und Rezeption des Textes in den engen sozialen, dynastischen und politischen Beziehungen zwischen Dänemark und Schweden – insbesondere im Adel.

Auch Karl G. Johansson beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Erzählung von Ivan løveridderIvan løveridder (dän.), und zwar mit einem bisher nur wenig untersuchten Manuskript aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, Ms. E 8822 (früher Ms. Skokloster 156), das neben zahlreichen religiösen Texten auch eine Variante von Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) enthält, die im sog. birgittinnorsk (Birgittinernorwegisch) verfasst ist und die Johansson mit derjenigen in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket) (siehe Massimiliano Bampis Beitrag) vergleicht. Sein Artikel fokussiert nicht nur die sprachlichen und kodikologischen Besonderheiten dieser Textvariante, sondern auch die Entwicklung der Literarizität im spätmittelalterlichen Skandinavien und den Status von Schriftlichkeit und Verschriftlichung von Texten in dieser Epoche.

Anne Mette Hansen präsentiert in ihrem Artikel ein dänisches Manuskript aus der Arnamagnäanischen Sammlung: AM 151 bAM 151b 8vo (Den Arnamagnæanske Samling, Kopenhagen) 8vo in Kopenhagen, welches auf die Zeit um 1600 zu datieren ist und eine fragmentarische Fassung der Erzählung von Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis enthält. Sie setzt dieses Fragment in Beziehung zur handschriftlichen Version in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) sowie zu den drei erhaltenen dänischen Drucken – Kopenhagen 1572; o.O. (vermutlich Norddeutschland), o.J. (wohl etwas jünger als 1572); Kopenhagen 1700. Dabei kann sie relevante Verbindungen des kleinen Fragments, das nur 126 zusammenhängende Verszeilen der Erzählung enthält, zum Druck von 1572 aufzeigen und erweitert damit die frühneuzeitliche dänische Transmissionsgeschichte des Persenober um ein in der Forschung bisher kaum beachtetes Textzeugnis.

Ähnlich wie Johansson und Bampi widmet sich Louise Faymonville in ihrem Beitrag einem Text, welcher sowohl in den schwedischen EufemiavisorEufemiavisor (schwed.) als auch in deren dänischer Bearbeitung enthalten ist, nämlich Hertug Frederik af NormandiHertug Frederik af Normandi (dän.) resp. schwedisch Hertig Fredrik af NormandieHertig Fredrik af Normandie (schwed.). Die kodikologische Ausgangslage der beiden Traditionen unterscheidet sich beträchtlich – während es sechs verschiedene spätmittelalterliche Manuskripte der altschwedischen Variante gibt, ist der Text nur in einer einzigen Handschrift im Mitteldänischen (K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket)) überliefert. Wie Faymonville zeigt, ist die Anordnung der Texte innerhalb der Handschrift und damit ihre Rezeption kontextabhängig. Dieser Kontext ist in K 47 eindeutig ein höfischer und (in Anbetracht der textuellen Veränderungen im Gegensatz zur schwedischen Vorlage) zugleich ein auf ein möglicherweise weibliches Publikum ausgerichteter (und/oder von einer weiblichen Schreiberin verfasst), während der schwedische Hertig Fredrik als Teil von thematisch weniger kongruenten Sammelhandschriften einen sehr viel offeneren Rezeptionshorizont aufweist.

Betrachtet man das offensichtlich große Interesse der dänischen Adelsschicht im ausgehenden 15. Jahrhundert an höfischen Stoffen, also gerade in der Umbruchszeit zwischen Mittelalter und früher Neuzeit, zwischen Handschrift und Buchdruck, ist es auffällig, dass – wie Elena Brandenburg in ihrem Artikel ausführt – andere Texte zwar in einem höfischen Kontext gelesen und rezipiert wurden, selbst jedoch kaum von höfischen Sujets erzählen. Dies trifft etwa auf die dänische Karl MagnusKarl Magnus (schwed.)’ KrønikeKarl Magnus’ Krønike (dän.) zu, welche in der um 1480 entstandenen Handschrift Vu 82Codex Holmiensis Vu 82 (Stockholm, Kungliga biblioteket) überliefert ist. Aus dem 16. Jahrhundert sind zwei dänische Drucke der Karl Magnus’ Krønike belegt (1509, 1534). Dieser Text ist also ähnlich wie Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) aus den EufemiaviserEufemiaviser (dän.) einer derjenigen, die in Dänemark sowohl in Handschriften als auch in Frühdrucken tradiert sind. Brandenburg präsentiert den dänischen Text vor dem Hintergrund der Transmission der altnordischen Karlamagnús sagaKarlamagnús saga (Saga von Karl dem Großen) sowie des altschwedischen Karl Magnus (von ca. 1400). Im Gegensatz zu diesen beiden Texten ist die dänische Adaption, wie Brandenburg ausführt, historiographisch geprägt und betont religiös ausgerichtet.

Regina Jucknies diskutiert in ihrem Beitrag die Terminologie ‚höfischer Farben‘ im mitteldänischen Vokabular der sechs Versromane im Manuskript K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket). Nach einer knappen Forschungsübersicht, die auch Ergebnisse der Colour Studies in den Nachbarphilologien (Altwestnordisch, Mittelhochdeutsch) einschließt, bietet der Artikel eine Frequenzanalyse der am häufigsten gebrauchten Farben in ihrem jeweiligen narrativen Kontext. Jucknies zeigt dabei auf, inwiefern die Art und Weise, wie über Farben in den mitteldänischen Erzähltexten gesprochen wird, auch den Konzepten von Farben in theologischen oder religiösen Texten entsprechen. Farben werden bewusst eingesetzt, um bestimmte Erzählmomente zu verstärken und zu ‚illuminieren‘– im Gegensatz zur zeitgenössischen medizinischen oder auch ökonomischen Literatur des mittel- und nordeuropäischen Spätmittelalters, wo die Farbterminologie noch eine ganz andere Rolle spielt.

Den Abschluss des vorliegenden Bandes stellt Simon Skovgaard Boecks Beitrag dar, welcher die Ortsnamen und spatialen Referenzen resp. Denotate in den Texten der Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) analysiert. Ein Teilprojekt des an der Universität Uppsala angesiedelten interdisziplinären Infrastruktur-Forschungsprojekts Norse World: The Norse perception of the world: A mapping and analysis of foreign place names in medieval Swedish and Danish texts (https://www.uu.se/en/research/infrastructure/norseworld/project) bildet den Hintergrund der Untersuchung. Der Artikel beleuchtet die Bedeutung des erzählten Raumes in den Texten von K 47 und die im Projekt ausgebauten Möglichkeiten, Belege für einen realen oder fiktiven Ortsnamen in unterschiedlichen schwedischen und dänischen Texten des nordischen Spätmittelalters ausmachen und kontextuell ‚verorten‘ zu können, was für die Betrachtung sprachwissenschaftlicher, (literatur-)historischer, philologischer wie auch kartographischer Aspekte dieser Epoche gleichermaßen aufschlussreich ist.

Danksagung

Die Tagung The EufemiaviserEufemiaviser (dän.) and the Reception of Courtly Culture in Late Medieval Denmark wurde großzügig finanziell unterstützt durch den Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) und die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) sowie durch das Deutsche Seminar der Universität Zürich und die Schweizerische Gesellschaft für Skandinavische Studien (SGSS). Der Redaktion der Reihe Beiträge zur Nordischen Philologie und dem Narr Francke Attempto Verlag, Tübingen, danken wir für die freundliche Aufnahme unserer Tagungspublikation als Jahresgabe in diese Reihe. Die Drucklegung dieses Bandes wurde ermöglicht durch die Zulassung als Jahresgabe der Schweizerischen Gesellschaft für Skandinavische Studien und durch einen großzügigen Beitrag der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften. Allen diesen Institutionen gebührt daher unser ausdrücklicher Dank. Schließlich bedanken wir uns auch bei Bond West, MA (Oxford), für die Durchsicht einiger der englischsprachigen Beiträge.

 

Venedig und Zürich, im Juli 2021    Massimiliano Bampi

    Anna Katharina Richter

Literaturhinweise zu den EufemiaviserEufemiaviser (dän.) / EufemiavisorEufemiavisor (schwed.)

Digitalisierte Fassung der Handschrift Codex Holmiensis K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) (Königliche Bibliothek Stockholm)

https://tekstnet.dk/manuscript-descriptions/stockholm-k47

(abgerufen am 2.7.2021)

 

Ivan løveridderIvan løveridder (dän.)

https://tekstnet.dk/ivan-loeveridder/metadata

(abgerufen am 2.7.2021)

 

Hertug Frederik af NormandiHertug Frederik af Normandi (dän.)

https://tekstnet.dk/hertug-frederik-af-normandi/metadata

(abgerufen am 2.7.2021)

 

Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.)

https://tekstnet.dk/flores-og-blanseflor/metadata

(abgerufen am 2.7.2021)

 

Bampi, Massimiliano (2019). „YvainYvain ou le Chevalier au lion i dansk språkdräkt: hövisk litteratur i det senmedeltida Danmark“. In: Boeck, Simon Skovgaard/Vrieland, Seán (Hg.). A Copenhagen Miscellany. Studies in East Norse Philology. Kopenhagen und Odense: Universitets-Jubilæets danske Samfund und Syddansk Universitetsforlag, Bd. 3, S. 215–234. 

Dahlerup, Pil (1998). Dansk Litteratur. Middelalder. Bd. 1: Religiøs litteratur. Kopenhagen: Gyldendal.

EufemiavisornaEufemiavisor (schwed.) (2018). Textredigering, kommentarer och ordförklaringar av Henrik Williams. Introduktion av Bo Ralph (Svenska Akademiens klassiker). Stockholm: Atlantis.

Ferm, Olle u.a. (Hg.) (2015). The EufemiavisorEufemiavisor (schwed.) and Courtly Culture. Time, Texts and Cultural Transfer. Papers from a symposium in Stockholm 11–13 October 2012 (= KVHAA Konferenser 88). Stockholm: Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien.

Fredriksen, Britta Olrik (1999). „Ridderromaner“. In: Petersen, Erik (Hg.). Levende ord & lysende billeder. Den middelalderlige bogkultur i Danmark. Kopenhagen: Det Kongelige Bibliotek und Mosgård Museum, S. 48–49.  

Glauser, Jürg (1986). „Höfisch-ritterliche Epik in Dänemark zwischen Spätmittelalter und Frühneuzeit“. In: Naumann, Hans-Peter/von Platen, Magnus/Sonderegger, Stefan (Hg.). Festschrift für Oskar Bandle. Zum 60. Geburtstag am 11. Januar 1986 (= Beiträge zur Nordischen Philologie 15). Basel und Frankfurt am Main: Helbing & Lichtenhahn, S. 191–207. 

Jucknies, Regina (2015). „Through an Old Danish Lens? Precious Stones in the Late Medieval Danish Reception of Courtly Literature“. In: Ferm, Olle u.a. (Hg.). The EufemiavisorEufemiavisor (schwed.) and Courtly Culture. Time, Texts and Cultural Transfer. Papers from a symposium in Stockholm 11–13 October 2012 (= KVHAA Konferenser 88). Stockholm: Kungl. Vitterhets Historie och Antikvitets Akademien, S. 162–173.

Kværndrup, Sigurd (2014). Den nordiske løveridder. En ridderromance af Chrétien de TroyesChrétien de Troyes. Bearbejdet, med noter, indledning og efterskrift af Sigurd Kværndrup. Kopenhagen: Museum Tusculanums Forlag.

Richter, Anna Katharina (2018). „Zur Überlieferung der Historie von Flores oc BlantzeflorFlores og Blanseflor (dän.) in Dänemark zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit“. In: TijdSchrift voor Skandinavistiek 36:1, S. 38–53.

K 47: Eine spätmittelalterliche dänische Handschrift im Kontext

Bampi/Richter (Hrsg.), Die dänischen Eufemiaviser, BNPH 68 (2021): 15–55 DOI 10.24053/9783772057502-005

Jürg Glauser (Basel / Zürich) https://orcid.org/0000-0002-8956-0412

Abstract: The present essay analyses the Danish manuscript Codex Holmensis K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) (Royal Library, Stockholm), written around 1500. The codex consists of six medieval verse epics which belong to the genre of romance. Three of them – Ivan the Lion Knight, Duke Frederick of Normandy, and FloresFlores og Blanseflor (dän.) and Blanzeflor – are Danish versions of the Old Swedish EufemiavisorEufemiavisor (schwed.), written in the early fourteenth century and usually attributed to the Norwegian queen EufemiaEufemia, Königin von Norwegen. Of the remaining three – The Dwarf King LaurinDværgekongen Laurin, PersenoberPersenober oc Constantianobis and Konstantianobis, and The Chaste Queen –, the first two are translations, while no foreign-language model can be found for The Chaste Queen. Part I describes the narratives in their literary and medial contexts; Part II deals with K 47 as a material object and focusses on specific phenomena of the manuscript such as its narratological terminologies, prologues and epilogues; Part III investigates the post-medieval transmission of the three narratives in K 47 which were printed in popular editions from the early sixteenth to the late eighteenth centuries, Flores, Persenober, and Laurin; here the focus is on the print transmission of Flores and Blanzeflor (1504–1745).

   

Keywords: Arthurian literature, chivalric literature, Codex Holmiensis K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), Danish literature, late medieval, Den kyske dronningDen kyske dronning, EufemiaviserEufemiaviser (dän.)/EufemiavisorEufemiavisor (schwed.), Floire et BlanchefleurFloire et Blanchefleur, Hertug Frederik af NormandiHertug Frederik af Normandi (dän.), LaurinDværgekongen Laurin, manuscript transmission, mediality, Partonopeus de BloisPartonopeus de Blois, print transmission, Queen EufemiaEufemia, Königin von Norwegen, text transmission, translation, YvainYvain ou le Chevalier au lion ou le Chevalier au lion

I Die Handschrift als Schnittpunkt der Diskurse

Die vermutlich in Jütland entstandene Handschrift Cod. Holm. K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) von etwa 1500 ist die herausragendste dänische Sammlung sogenannter EufemiaviserEufemiaviser (dän.) und anderer spätmittelalterlicher Vertreter von „romantisk Digtning“ (Brandt 1869), „höfisch-ritterlich[er] Epik“ (Glauser 1986), „Versroma[nen]“ (Richter 2017) oder „ridderromaner“ (Akhøj Nielsen online).1 Da kaum vergleichbare Manuskripte existieren, basiert unser Wissen über die weltliche Literatur in Dänemark am Übergang vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit zu wesentlichen Teilen auf dieser Handschrift K 47.2 Es handelt sich bei diesem Kodex um einen Überlieferungsverbund der folgenden sechs Verserzählungen:

1 Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) (Ivan der Löwenritter), 6345 Zeilen, 1r-111v1

Die erste und weitaus längste Erzählung des Kodex, Ivan løveridderIvan løveridder (dän.), ist Teil der Artus-Tradition. Die schwedische Adaptation ist im Text auf 1303 datiert und wird allgemein als älteste der drei EufemiavisorEufemiavisor (schwed.) angesehen; die Erzählung ist in vier schwedischen (1430–1450 bis Beginn 16. Jahrhundert) und zwei dänischen Handschriften überliefert. Der in zwei Varianten bezeugte dänische Text beruht auf der altschwedischen Eufemiavisa Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren, die u.a. auf eine altnorwegische Prosaversion (Ívens sagaÍvens saga/Ívents saga, ca. 1250, 16 bewahrte norwegische und isländische Handschriften ab ca. 1400 bis 19. Jahrhundert) von ChrétiensChrétien de Troyes de Troyes altfranzösischer Verserzählung YvainYvain ou le Chevalier au lion ou le Chevalier au lion (ca. 1180–1190), zurückgeht. Neben der Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) (in den Ausgaben der Eufemiavisor/EufemiaviserEufemiaviser (dän.) F) ist der dänische Text von Ivan løveridder in einer weiteren Handschrift, Cod. Holm. K 4 (in den Ausgaben E), bewahrt. E ist rund 1000 Zeilen kürzer als F und wurde wahrscheinlich ca. 1480–1485 in Seeland geschrieben. Weder der schwedische Herr Ivan noch der dänische Ivan løveridder fanden Eingang in die frühneuzeitliche Drucküberlieferung.2

2 Hertug Frederik af NormandiHertug Frederik af Normandi (dän.) (Herzog Friedrich aus der Normandie), 2359 Zeilen, Bll. 112r-153r

Die dänische Verserzählung Hertug FrederikHertug Frederik af Normandi (dän.) ist lediglich in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) überliefert. Sie gehört ebenfalls zu den drei EufemiaviserEufemiaviser (dän.) und hat ihre Grundlage im altschwedischen Hertig Fredrik av Normandie. Diese wird auf der Grundlage der Eigendatierung in den Handschriften allgemein zwischen Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) und FloresFlores og Blanseflor (dän.) och BlanzeflorFlores och Blanzeflor (schwed.) auf 1308 datiert. Die sechs bewahrten schwedischen Handschriften stammen aus dem Zeitraum von ca. 1430 bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. Daneben finden sich keinerlei weitere Überlieferungszeugen. Eine direkte Vorlage des altschwedischen Textes ist nicht erhalten, obwohl es gewisse Anzeichen für eine deutsche Verserzählung gibt, von der aber keinerlei Handschriftenbelege existieren.1

3 Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin (Der Zwergenkönig Laurin), 882 Zeilen, Bll. 153v-169r

Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin ist mit nur 882 Zeilen der kürzeste Text in der Handschrift. Die Erzählung hat keine Entsprechungen in der schwedischen Literatur. Sie unterscheidet sich genremäßig von den anderen Texten in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), indem sie dem deutschen Heldensagen-Kreis um Dietrich, genauer der sogenannten aventiurehaften Dietrichepik zuzuordnen ist. Ihr liegt als Quelle eine Handschrift aus der mitteldeutschen Laurin-Gruppe zugrunde, wobei unklar ist, ob es ein zusätzliches niederdeutsches Zwischenglied zwischen dem mitteldeutschen und dem dänischen Laurin gab; ein solches kann jedoch nicht mit dem erhaltenen, niederdeutschen Lorin (Druck Hamburg: Joachim Löw, um 1565) identisch sein (vgl. Dahlberg 1950; Hoffmann 1974; Heinzle 1999). Entsprechend der Textgruppe der aventiure- oder märchenhaften Dietrichtexte weist der Laurin stark zauberhaft-übernatürliche Elemente auf, wie sie sich auch in Hertug FrederikHertug Frederik af Normandi (dän.) und Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis vorfinden. In diesen Texten treibt eine Faszination für übernatürliche Zustände (Unsichtbarkeit, Feenhaftigkeit usw.) und Objekte (Ringe, Tarnkappen) immer wieder die Handlung voran. Es sind insgesamt 15 dänische Laurin-Drucke von 1588 bis ca. 1800 erhalten. Die in zwei Versionen (Version A: drei Aufzeichnungen ab ca. 1800; Version B: eine Aufzeichnung B von 1904) überlieferte färöische Ballade Larvin dvørgakongur, CCF 212, ist vermutlich eine Bearbeitung eines dieser aus dem 18. Jahrhundert stammenden dänischen Drucke. Auch andere Texte in K 47, wie beispielsweise Den kyske dronningDen kyske dronning weisen enge thematische und mediale Parallelen mit nordischen Balladen auf. Zudem existiert ein isländischer Zyklus von Rímur af Laurín dverg von Salomón Björnsson (1757–1834).1

4 Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis (Persenober und Konstantianobis), 1590 Zeilen, Bll. 169v-196r

Auch für Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis ist keine schwedische Entsprechung vorhanden. Die Erzählung hat ansonsten einen ähnlichen Überlieferungs- und Transmissionsverlauf wie Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.): Sie geht auf die französische Verserzählung Partonopeus de BloisPartonopeus de Blois (spätes 12. Jahrhundert) zurück, die vermutlich im 13. Jahrhundert in Norwegen oder in Island übersetzt wurde (Partalopa sagaPartalopa saga, 32 Handschriften, frühes 15. bis spätes 19. Jahrhundert). Diese altnordische Fassung bildet zusammen mit einer englischen und einer spanischen Bearbeitung eine Gruppe, während Konrads von Würzburg bekannte mittelhochdeutsche Verserzählung Partonopier und Meliur sowie niederländische und niederdeutsche Fragmente zu einer anderen, enger mit dem französischen Text verwandten Fassung gehören. Die Eigendatierung des Textes in der Handschrift lautet 1484. Erneut spielt die Unsichtbarkeitsthematik in dieser Feenerzählung, die auf interessante Weise Geschlechterrelationen durchspielt, eine große Rolle. Auf der stofflichen Grundlage der altnordischen Saga wurden im 17. und im 19. Jahrhundert zwei isländische Zyklen Rímur af Partalópa og Marmoríu (fünf bzw. eine erhaltene Handschrift) von Þorvaldur Rögnvaldsson und Helga Þórarinsdóttir verfasst.1

5 Den kyske dronningDen kyske dronning (Die keusche Königin), 1238 Zeilen, Bll. 196v-218v

Den kyske dronningDen kyske dronning ist der einzige der sechs Texte in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), für die nie eine fremdsprachige Quelle identifiziert oder mehr als in vagen Vermutungen in Erwägung gezogen werden konnte. Die neuere Forschung tendiert, allerdings ohne weitere Abklärungen, dazu, in Den kyske dronning den einzigen originalen, dänischen Text der Handschrift zu sehen. Die Erzählung existiert lediglich in dieser einen Handschrift und ist somit auch überlieferungsmäßig ein Solitär. Literatur- und medienhistorisch ist sie jedoch stark vernetzt. Ihr Stoff ist das populäre Thema der zu Unrecht der Untreue angeklagten Königin, die zum Schluss von einem Helden gerettet wird, also ein Plot, der im mittelalterlichen Norden nicht zuletzt in der Karlsdichtung (z.B. Af frú Ólif og Landrés syni hennar [Von Frau Ólif und ihrem Sohn Landrés] in der Karlamagnús sagaKarlamagnús saga) und den frühneuzeitlichen skandinavischen Balladen weit verbreitet ist.1

6Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) (Flores und Blanseflor), 2085 Zeilen, Bll. 219r-255v

Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) als die letzte Erzählung in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) gilt als jüngste Eufemiavisa. Der Text gibt als Entstehungszeit der Niederschrift „kurz bevor sie starb“ an; aus Eufemias Todesjahr 1312 schließt die Forschung allgemein auf um 1310. Die handschriftliche Überlieferungssituation von Flores og Blanseflor ist im Altschwedischen (fünf Handschriften von ca. 1350–1476) wie im Mitteldänischen vergleichbar der von Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) und Hertug FrederikHertug Frederik af Normandi (dän.), jedoch ist der dänische Flores als einzige Eufemiavisa auch in dänischen Drucken überliefert. Da sich der erste, fragmentarisch erhaltene dänische Druck auf 1504 datieren lässt, liegen Handschrift und früheste Ausgabe zeitlich nicht wesentlich voneinander entfernt. Inwieweit die altschwedische Eufemiavisa Flores och BlanzeflorFlores och Blanzeflor (schwed.) und damit die jüngere mitteldänische Eufemiavise Flores og Blanseflor hauptsächlich bzw. ausschließlich auf der altnorwegischen Flóres saga ok BlankiflúrFlóres saga ok Blankiflúr (vermutlich zweite Hälfte 13. Jahrhundert) beruhen oder auch andere, etwa eine altfranzösisch-anglonormannische oder sogar eine spanische Vorlage benutzten, ist ungeklärt. Die Erzählung von Floire und Blanchefleur gehörte zu einer der beliebtesten und weitverbreitetsten mittelalterlichen romances. Neben knapp 30 norwegischen und isländischen Saga-Handschriften (ca. 1450–um 1900) sind zwei isländische Zyklen von Rímur af Flóres og Blanseflúr von Níels Jónsson und Magnús Grímsson aus dem 19. Jahrhundert erhalten (acht Handschriften und ein Druck von 1858 bzw. eine Handschrift).1

 

Die Hälfte der Texte in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) sind also dänische Fassungen der drei schwedischen EufemiavisorEufemiavisor (schwed.), womit das – zugegebenermaßen kleine – Gesamtkorpus dieser Gattung vollständig in beiden Sprachen vertreten ist. Interessant an K 47 ist zudem die Tatsache, dass hier die drei dänischen Fassungen der EufemiaviserEufemiaviser (dän.) in einen größeren Kontext vergleichbarer Erzählungen eingebettet sind, die jedoch keine schwedischen Vorlagen oder Entsprechungen haben. Mit Ausnahme von LaurinDværgekongen Laurin, der thematisch aus der deutschen Dietrich-Epik stammt und damit zur Gattung des Heldenepos zu zählen ist, gehören die Texte in K 47 dem ubiquitären Genre der romance an (vgl. Glauser 2020). Mit Laurin, PersenoberPersenober oc Constantianobis und FloresFlores og Blanseflor (dän.) enthält K 47 international weitverbreitete Texte, die die Medienschwelle von der Handschrift zum Druck überschritten und bis ins 18. Jahrhundert überliefert wurden. Bemerkenswerterweise wurde aber nur eine der drei Eufemiavisor / Eufemaviser gedruckt.

Die Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) befindet sich also in mehrfacher Hinsicht an einem Schnittpunkt der Diskurse: thematisch, stilistisch, metrisch, literatur-, genre-, medien-, transmissions-, erinnerungshistorisch. Kodexinterne wie handschriftenübergreifende Intertextualitätsrelationen definieren K 47. Im Kontext der dänischen Literatur etabliert sie erstmals wichtige Gattungstraditionen am Übergang von der Handschriftlichkeit zum Buchdruck und legt, wie spätere Rezeptionsstufen der Erzählungen deutlich machen, Grundlagen für die literarische Erinnerung an zentrale Narrative. Was mindestens fünf der sechs ihrer Texte charakterisiert, ist die Tatsache, dass sie nicht nur – aus dem Schwedischen und Deutschen – übersetzt sind, sondern in jeder Hinsicht internationale Phänomene darstellen. Dazu gehört u.a. auch die metrische Form, der Knittelvers, in dem alle Texte abgefasst sind; noch die letzte gedruckte Ausgabe von Flores ogBlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) von 1745 ist „Paa Riim“ (Titelblatt) gehalten. Die Prosaauflösung, die in der deutschen, englischen, französischen, westnordischen und vielen anderen Literaturen ein sehr verbreitetes Transmissionsphänomen ist, ist in den Erzählungen in K 47, aber auch den darauf basierenden Drucken dagegen kein Thema. So werden allein schon durch den Griff zu einem bestimmten metrischen Konzept ältere, mindestens bis um 1300 zurückreichende Traditionen im späten 15. / frühen 16. Jahrhundert aufgegriffen und bis in die Mitte und zum Ende des 18. Jahrhunderts fortgesetzt und damit eine konservative Konstanz bewahrt. Diese Stabilität des Knittelverses hat ihre Entsprechung in den skandinavischen Balladen.

II Die Handschrift als materielles Phänomen

Der Kodex K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) weist keinerlei Illustrationen auf. Einige wenige Seiten haben Initialen, die größte darunter ist gleich auf der ersten Seite zu finden, auf der sich das rote I („I Naffn“) beim Beginn von Herr IvanIvan lejonriddaren (schwed.) über 19 von 24 Zeilen erstreckt. Zudem sind hier die ersten Buchstaben auf jeder Zeile mit kleinen roten Strichen hervorgehoben (vgl. Abb. 1). Diese Seite stellt jedoch eine Ausnahme dar. Bei den anderen Erzählungen wird der Beginn durch eine kleine Initiale in Zeile 7 (vgl. Abb. 5) oder einen leergelassenen Raum für eine später nicht ausgefüllte Initiale markiert (vgl. Abb. 3 und 6) bzw. ganz unmarkiert gelassen (vgl. Abb. 2 und 4).

 

Abb. 1: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 1r, Ivan løveridderIvan løveridder (dän.), Incipit

Abb. 2: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 112r, Hertug Frederik afNormandiHertug Frederik af Normandi (dän.), Incipit

Abb. 3: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 153v, Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin, Incipit

Abb. 4: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 169v, Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis, Incipit

Abb. 5: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 196v, Den kyske dronningDen kyske dronning, Incipit

Abb. 6: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 219r, Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Incipit

Abb. 7: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 218v, Den kyske dronningDen kyske dronning, Explicit

Abb. 8: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 255r, Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Explicit

Abb. 9: K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), 255v, Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), obere Hälfte: Schluss des Explicit, untere Hälfte: spätere Besitzereinträge

Drucke aus späteren Zeiten stellen die eindeutigsten Belege für die Rezeption der einzelnen Texte dar; auf sie wird unten ausführlicher eingegangen. Daneben finden sich in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) aber einige interessante Marginalien, die ebenfalls frühe Spuren der Beschäftigung mit den Erzählungen beinhalten. Eine Hand, die von ca. 1700 stammen dürfte, also rund 200 Jahre jünger als der allgemein angenommene Zeitpunkt der Niederschrift der Handschrift ist, fügte bei fünf der sechs Erzählungen in den Marginalien beim Beginn eines neuen Textes eine Art von Titeln ein (vgl. Abb. 1–4, 6). Diese später hinzugefügten Titel zeigen deutlich, dass der nachmittelalterliche Leser Gattungszuschreibungen vornahm und drei der betreffenden Erzählungen in die großen und gut bekannten Sagenkreise um Artur, Karl den Großen und Dietrich einordnete, sie also vor dem Hintergrund von Ritter- und Heldenepik sah. Die einschlägigen Überschriften lauten:

Ivan løveridderIvan løveridder (dän.): „Om kong Artus og Keyser Karolus Magnus“ (Über König Artur und Kaiser Karl den Großen)

Hertug FrederikHertug Frederik af Normandi (dän.): „Om Kong Artus i Engeland“ (Über König Artur in England)

Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin: „Om Thidrik af Bern“ (Über Dietrich von Bern)

Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis: „Om Jomfrú Constancianobis“ (Über die Jungfrau Konstantianobis)

Den kyske dronningDen kyske dronning weist keine Überschrift auf.

Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.): „Flores Bok“ (Das Buch von Flores)

Während die Handschrift ursprünglich ohne Titel und nur mit Initialen zur Gliederung auskam, bestand im frühen 18. Jahrhundert offenbar das Bedürfnis oder die Notwendigkeit, die Narrative einerseits thematisch deutlicher voneinander abzuheben, also den Kodex zu strukturieren, und sie mit groben Inhalts- und Gattungsangaben zu versehen. Indem sie die einzelnen Erzählungen bestimmten Traditionen zuweisen, übernehmen diese paratextuellen Marginalien neben gliedernden somit auch literaturhistorische Funktionen.

,Originale‘, also mit dem Text zusammen verfasste Paratexte vom Typ des Incipit oder Explicit, der Prologe oder Epiloge, Kolophone, Vor- oder Nachwörter vermitteln demgegenüber ausgeprägter textinterne Aussagen zu den Intentionalitäten. Vor allem die Prologe und Epiloge weisen in den vorliegenden Texten ein bemerkenswertes Spektrum an relevanten Kriterien wie Terminologie, Transmission, Intertextualität, Performativität, Datierung, Angaben zu den Übersetzungs-, Schreib-, Aufführungsprozessen auf.1 Einige Beispiele aus K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) können dies illustrieren.

Der am meisten verwendete narratologische Terminus in Paratexten und allgemein metafiktionalen Selbstbezeichnungen ist „bog“ (Buch). Der Begriff ist weit und kann sowohl das Narrativ, das der Erzähler zu erzählen beginnt oder soeben abgeschlossen hat, wie auch das physische Manuskript als ein materielles Objekt umfassen. Aus diesem Grund kann man ein Buch machen, es in eine bestimmte Form wie etwa Reime setzen, es sehen oder hören, aus ihm vorlesen, ein Buch kann aber auch geschrieben und übersetzt werden: „war thenne bogh giordh til rimæ“ (wurde dieses Buch zu Reimen gemacht), Ivan løveridderIvan løveridder (dän.), V. 6397; „thenne bog, som i hawer hørdh“ (dieses Buch, das ihr gehört habt), Hertug FrederikHertug Frederik af Normandi (dän.), V. 2401; „førræ æn bogen ær læst til ændhe“ (bevor das Buch zu Ende gelesen ist), Den kyske dronningDen kyske dronning, V. 6; „Thenne bog worte dickt oc giord for snyme“ (dieses Buch wurde vor Kurzem gedichtet und gemacht), Den kyske dronning, V. 1221; „then som bogen satte i ryme“ (der, welcher das Buch in Reime setzte), Den kyske dronning, V. 1229; „Thenne bogh worte dikt i rym“ (dieses Buch wurde in Reimen gedichtet), PersenoberPersenober oc Constantianobis, V. 1587; „[S]om jech i bogen skrewet saa“ (wie ich im Buch geschrieben sah), FloresFlores og Blanseflor (dän.), V. 1; „Ewfemia droningh, thet mowe I tro, / lodh thenne bogh om windhæ saa / aff walske twnge och pa wort mall.“ (Königin EufemiaEufemia, Königin von Norwegen, das sollt ihr glauben, ließ dieses Buch so wenden [übersetzen] aus der wälschen Zungen und in unsere Sprache), Ivan løveridder, V. 6398–6400. Den zweifachen Übersetzungsprozess referiert Hertug Frederik besonders ausführlich:

Thenne bog, som i hawer hørdh,

then hawer kieszer Otte giord

och wenden aff walskæ i tyskæ maal.

Gud nade then edlæ fyrstæ hans siel.

Nw ær hwn wend i staked timæ,

jen anen tid sat i rymæ

aff tysk och i danskæ twnge,

henne maa for staa bode gamlæ och vnge. (Hertug Frederik, V. 2401–2408)

 

Dieses Buch, das ihr gehört habt, das hat Kaiser Otto gemacht und gewendet aus der wälschen Zungen in die deutsche Sprache. Gott sei der Seele des edlen Fürsten gnädig. Nun ist es übersetzt vor kurzer Zeit, ein anderes Mal in Reime gesetzt aus deutscher und in die dänische Zunge, verstehen sollen es sowohl Alte wie Junge.2

Andere relevante narratologische Termini beziehen sich auf Stoffe und Inhalte („sag“, Sache), („ewentyr“, die Entsprechung zum französischen und deutschen aventure / aventiure als Inbegriff der zentralen Handlung der Ritterdichtung, in den späteren Ausgaben wird „ewentyr“ jedoch allgemein für Erzählung, Geschichte verwendet und unten auch so übersetzt), die metrische Form („dikt“, Gedicht), Gattung („spil“, Spiel): „ffromme saghe fram ath føre“ (tapfere Sachen [Erzählungen über tapfere Taten] vorzutragen), Ivan løveridderIvan løveridder (dän.), V. 3; „[I]eth ewentyr tha begynes heræ“ (eine aventiure, die beginnt hier), Hertug FrederikHertug Frederik af Normandi (dän.), V. 1; „[I]eth ewentyr wil jech seye fra“ (eine aventiure will ich erzählen), PersenoberPersenober oc Constantianobis, V. 1; „nw hawer thennæ dickt jen ændæ“ (jetzt hat dieses Gedicht ein Ende), FloresFlores og Blanseflor (dän.), V. 2188; „[Ie]th lidhet spel acther jech ath skriwe“ (ein kleines Spiel beabsichtige ich zu schreiben), Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin, V. 1.

Auch diese und andere Termini sind wie „bog“ offen und weit, so dass sich aus ihnen nur mit Mühe eine ansatzweise systematische Typologie medialer und gattungsmäßiger Konzepte und eine schlüssige historische Semantik entwickeln ließe. Die in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) verwendeten Begriffe, die natürlich Entsprechungen in der zeitgenössischen Literatur haben, zeigen jedoch ein beachtliches Bewusstsein für mediale Kategorien, welche die literarischen Texte und deren Performativität in semi-oralen Kulturen, Inszenierungen von Schrift wie auch mündliche Konstellationen bestimmen. Die Handschrift K 47, kurz und unambitioniert, wie sie ist, stellt in einem weitgefächerten Spektrum Überlegungen zu so wichtigen Fragen darüber zur Diskussion, wie Erzählungen gemacht sind, wie sie entstehen (können), als stabile Einheiten weiter tradiert werden oder sich in Phasen von manchmal sehr kreativen Prozessen fluiden Neuschreibens ändern.

Mit rhetorischen Topoi wird die Zuverlässigkeit des Narrativs unterstrichen, wenn es beispielsweise heißt, „Thet wil jech seye for sannen hæræ“ (Das will ich hier für wahr sagen), PersenoberPersenober oc Constantianobis, V. 10. Oder in einer Art von früher Textkritik wird im Epilog von Ivan løveridderIvan løveridder (dän.) behauptet, dass der Text nicht geändert und im Verhältnis zur Vorlage weder Auslassungen noch Hinzufügungen vorgenommen worden seien:

nw hawer jech sawdh aff iwan

alth hwadh jech aff hanum skrewet fand

och aldiels jnthet lawdh ther til

ladhe veræ how thet ey tro wil

jnthet lodh jech ther effther staa

aff thet jech skrewet for mægh saa (Ivan løveridder, V. 6388–6393)

 

Nun habe ich von Ivan erzählt, alles, was ich über ihn geschrieben fand und gar nichts hinzugefügt. Lasst sein, wer es nicht glauben will. Nichts ließ ich davon stehen [nichts ließ ich aus], von dem, was ich vor mir geschrieben sah.

Der Erzähler des Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin stellt im Prolog das Offensichtliche fest, „jech kan ey heræ alt skriwe“ (Ich kann hier nicht alles schreiben), Laurin, V. 10. Im Epilog sagt er: „Hwad the siden mwn slaa appa, / ther wil jech jnthet seye fra, / pa thenne tid lade thet saa weræ“ (Was sie später trieben, davon will ich nichts erzählen, zu dieser Zeit lasse ich es so sein), Laurin, V. 879–881 – eine narratologische Reflexion, die auch aus der isländischen Sagaliteratur bestens bekannt ist.

In Den kyske dronningDen kyske dronning wird, was in diesem Textkorpus eine große Ausnahme darstellt, der Name des Autors oder zumindest dessen, der die Erzählung versifizierte, angegeben. „hwo hans naffn wil wede / jep jensen mon han hiedhæ / then som bogen satte i ryme“ (Wer seinen Namen wissen will, Jep Jensen wird er heißen, der, welcher das Buch in Reime setzte), Den kyske dronning, V. 1227–1229. Der Forschung ist es nicht gelungen, hinter diesem Namen eine empirische Person ausfindig zu machen (vgl. Abb. 7).

Der Epilog von Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), und damit in gewisser Weise der gesamten Handschrift, skizziert die Produktions- und Aufführungssituation und bietet besonders viele einschlägige metafiktionale Elemente (vgl. Abb. 8–9):

Nw hawer thennæ dickt jen ændæ,

Gud han os sin nadæ sændæ!

Ewfemia dronnigh i then timæ

lodh sættæ thennæ bog [a rimæ]

lidhet føræ hwn døde,

Gud frælsæ hinnæ siel aff møde.

saa och then ther hinnæ giorde,

och allæ the ther hinnæ hørde,

reth anger och skrefftemal,

hemerigs gledæ tha fonge wor sel.

Thet lade os Gud i hemerig hændæ,

ther lewer och styrær for vden ænde!

then hinnæ skreff, hwn maa och saa,

ther til seye wi allæ jaa!

           amen! (Flores og Blanseflor, V. 2188–2202)

 

Nun hat dieses Gedicht ein Ende, Gott sende uns seine Gnade! Königin Eufemia, zu jener Zeit ließ setzen dieses Buch [in Reime], kurz bevor sie starb, Gott erlöse ihre Seele von Kummer. Und auch den/die, welche/r es machte, und alle die, die es hörten, gerechte Reue und Beichte, des Himmelreiches Freude erlange unsere Seele. Das lasse Gott uns im Himmelreich erfahren, der lebt und lenkt ohne Ende! Ihr, die es [das Buch] schrieb, ergehe es auch so, dazu sagen wir alle Ja! Amen!

Dieser Epilog ist in den Einzelelementen typisch für spätmittelalterliche Texte vom vorliegenden Genre und zugleich außergewöhnlich in seiner Ausführlichkeit. Er markiert einleitend explizit das Ende des Narrativs und introduziert darauf zum ersten Mal in diesem Text die Mäzenin, deren Tod, der kurz nach der Niederschrift der Erzählung erfolgt sein soll, eine ungefähre Datierung ermöglicht (auch wenn diese natürlich debattiert werden kann). Die beiden anderen EufemiaviserEufemiaviser (dän.) übernehmen diese Art der Datierung, wenn auch der dänische Hertug FrederikHertug Frederik af Normandi (dän.) Eufemias Namen nicht erwähnt – im Unterschied zu den schwedischen Handschriften, in denen es heißt, „Hona loth wændæ a thetta mall / Eufemiæ drøtning […]“ (Es [dieses Buch] ließ wenden in diese Sprache Königin EufemiaEufemia, Königin von Norwegen), Hertig FredrikHertig Fredrik af Normandie (schwed.), V. 3287–3288. Zuschreibung an die Mäzenin und Datierung erfolgen in allen drei Eufemiaviser-Epilogen nach dem gleichen Muster. Dichter bzw. Übersetzer und vor allem auch die anwesenden und direkt angesprochenen Zuhörenden werden genannt und ihnen wird gedankt. Dass es sich bei der Person, die die Handschrift schrieb, um eine Frau handelte, wird hier in Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.) und auch in Hertug Frederik, V. 2419 („hwn“, sie), ausdrücklich betont, während Ivan løveridderIvan løveridder (dän.), V. 6406, von einem männlichen Schreiber spricht („hanum“). Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin, Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis und Den kyske dronningDen kyske dronning erwähnen die Funktion des Schreibers bzw. der Schreiberin dagegen nicht. Alle am Zustandekommen der Erzählung und des Buches und den Primärrezipienten werden am Schluss toposhaft in eine als anwesend konzipierte Erzähl- und Hörergemeinschaft integriert. So macht der Epilog am Ende mit aller Deutlichkeit nochmals auf die kommunikativen und performativen Aspekte des Erzählens und Vortragens auf der Grundlage von geschriebenen Texten aufmerksam. Wie sich diese Elemente in den nachmittelalterlichen Drucken entwickelten, soll im Folgenden kurz betrachtet werden.

III Die frühneuzeitliche Drucküberlieferung

Wenn die allgemein akzeptierte Datierung der Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) auf um 1500 zutrifft, und es bestehen kaum Gründe, sie anzuzweifeln, entstand die dänische Sammlung von sechs Erzählungen zu einer Zeit, in der sich das neue Medium des Buchdrucks im Norden gerade etabliert hat. Das erste bekannte und erhaltene, in Dänemark hergestellte Buch ist eine Fassung von Guillaume CaoursinCaoursin, Guillaumes lateinischer Schrift De obsidione et bello rhodiano, gedruckt von Johan Snell in Odense 1482 (vgl. Abb. 10–11), also einige wenige Jahre, bevor K 47 geschrieben wurde. Ältester Wiegendruck Dänemarks und prominenteste Anthologie epischer Verserzählungen sind ein weiteres Beispiel für die Simultaneität der Medien Handschrift und Buchdruck. Die Übereinstimmungen der visuellen Merkmale von De obsidione und K 47 liegen ebenfalls auf der Hand und zeigen, wie zeittypisch beide Texte als mediale Ereignisse sind. Wie bereits erwähnt, kam die Überlieferungs- und Transmissionsgeschichte von drei der sechs Erzählungen in K 47 nach Abschluss des Manuskripts nicht zu einem Ende, sondern wurde im Zeitalter der Reformation, des Barock und der Aufklärung weitergeführt, wobei das handschriftliche Medium durch den Frühdruck, die Gattung der mittelalterlichen Versepik durch jene der Frühromane, ,Volksbücher‘, folkebøger, historiebøger, chapbooks usw. abgelöst wurde. Es ist wie erwähnt bemerkenswert, dass es in Dänemark nie zu umfangreicheren Prosifizierungen der spätmittelalterlichen Textbestände kam, wie dies in Deutschland und anderen Ländern der Fall war. Auch die Drucke hielten an der alten Form der Reimdichtung fest.1

Ein Überblick über die spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Transmission und Dissemination der drei einschlägigen Texte – Dværgekongen LaurinDværgekongen Laurin, Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis – ermöglicht es, einige aufschlussreiche Beobachtungen festzuhalten. Sortiert nach dem Datum der ersten Erscheinung, präsentiert sich die chronologische und quantitative Überlieferung der gedruckten Versionen der Texte aus K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) wie folgt:

Flores og Blanseflor: Acht Drucke 1504–1745 (vgl. Abb. 13–28)

 

1. Kopenhagen ca. 1504, fragm.

 

2. Kopenhagen 1509

 

*3. Kopenhagen 1542 (nicht erhalten, nur erschlossen)

 

4. Lübeck 1591

 

5. Lübeck 1605

 

6. Kopenhagen 1684

 

7. Kopenhagen 1695

 

8. ohne Ort 1745

 

 

Persenober og Konstantianobis: Vier Drucke 1560–1700

 

*1. Kopenhagen 1560 (nicht erhalten, nur erschlossen)

 

2. Kopenhagen 1572 (vgl. Abb. 12)

 

3. ohne Ort, ohne Jahr (Ende 16. Jahrhundert?), def.

 

4. Kopenhagen 1700

 

 

Dværgekongen Laurin: 15 Drucke, 1588–ca. 1800

 

1. Lübeck 1588, def.

 

2. Lübeck 1599

 

*3. ohne Ort 1643 (nicht erhalten, nur erschlossen)

 

*4. ohne Ort 1689 (nicht erhalten, nur erschlossen)

 

5. Kopenhagen 1701

 

6. Kopenhagen 1706

 

*7. ohne Ort 1717 (nicht erhalten, nur erschlossen)

 

8. Kopenhagen 1727

 

9. Kopenhagen 1736

 

10. ohne Ort 1737

 

11. ohne Ort, ohne Jahr, def.

 

12. Kopenhagen 1749

 

13. ohne Ort 1774

 

14. Kopenhagen 1782

 

15. Kopenhagen ohne Jahr (1797-1808)

 

Abb. 10: Guillaume CaoursinCaoursin, Guillaume, De obsidione et bello rhodiano, Odense 1482, Drucker Johan Snell, Incipit

Abb. 11: Guillaume CaoursinCaoursin, Guillaume, De obsidione et bello rhodiano, Odense 1482, Drucker Johan Snell, Kolophon

Abb. 12: Persenober og KonstantianobisPersenober oc Constantianobis, Kopenhagen 1572, Drucker Laurentz Benedicht, Titelseite

Abb. 13: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1504 (?), Drucker Gotfred af GhemenGhemen, Gotfred af (Govert van) (?), Holzschnitt

Abb. 14: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1509, Drucker Gotfred af GhemenGhemen, Gotfred af (Govert van), Incipit

Abb. 15: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1509, Drucker Gotfred af GhemenGhemen, Gotfred af (Govert van), Kolophon und Ghemens Wappen

Abb. 16: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Lübeck 1591, Drucker Asswerus Krøger, Titelseite

Abb. 17: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Lübeck 1591, Drucker Asswerus Krøger, Seiten Ajv–Aijr

Abb. 18: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Lübeck 1591, Drucker Asswerus Krøger, Efterskrift

Abb. 19: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Lübeck 1591, Drucker Asswerus Krøger, Kolophon

Abb. 20: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1605, Drucker Laurens Albrecht, Titelseite

Abb. 21: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1605, Drucker Laurens Albrecht, Seiten 2–3: Kolumnentitel

Abb. 22: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1605, Drucker Laurens Albrecht, Kolophon

Abb. 23: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1695, Titelseite

Abb. 24: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1695, Seite Aijr, Incipit

Abb. 25: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1695, Kolophon

Abb. 26: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1745, Titelseite

Abb. 27: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1745, Seite A2r, Incipit

Eine erste überlieferungsbezogene Beobachtung dieser Historienbücher besteht darin, dass die Frühdrucke durchgänging jeweils nur eine Erzählung umfassen, während das Manuskript eine Sammlung verschiedener Narrative darstellt. Mittelalterliche Handschriften sind größtenteils Überlieferungsverbünde, wie das auch bei K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) der Fall ist. Gegenüber alleinstehenden Einzeldrucken sind Texte in Sammelhandschriften in stärkerem Maß Bestandteile eines narrativen Ganzen und damit eines übergeordneten Erzählkomplexes, in dem u.a. die unmittelbaren intertextuellen Verbindungen zwischen den einzelnen Narrativen direkt deutlich werden. Eine Betrachtung solcher Überlieferungsverbünde kann, wie die materielle Philologie in jüngster Zeit durch vermehrte Untersuchungen von Gesamtmanuskripten – im Unterschied zu früheren Beschäftigungen mit Einzeltexten, die aus den jeweiligen Handschriftenkonstellationen losgelöst sind – gezeigt hat, durchaus neue Aspekte und Dimensionen eröffnen.

Abb. 28: Flores og BlanseflorFlores og Blanseflor (dän.), Kopenhagen 1745, Kolophon

K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket)