Die dunkle Stunde des Jägers - Davide Morosinotto - E-Book

Die dunkle Stunde des Jägers E-Book

Davide Morosinotto

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Beschreibung

Mitreißende Abenteuer- und Freundschaftsgeschichte mit spannendem Setting in der Steinzeit. Brillant erzählt von Bestseller-Autor Davide Morosinotto

Seit Stunden schon durchstreift Roqi die Wildnis. Er muss herausfinden, worin seine größte Stärke besteht. Denn nur wer besondere Fähigkeiten besitzt, darf an der Großen Jagd teilnehmen. Tatsächlich gelingt Roqi etwas Außergewöhnliches: Er tötet ein riesiges Tier. Doch dieses Talent scheint ihm kein Glück zu bringen. Als ein Feuer im Wald ausbricht, verliert Roqi alles, was ihm lieb und teuer ist. Ein harter Kampf ums Überleben beginnt ...

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Das Buch

Nordamerika 12.000 vor Christus. Heftig hat das Feuer gewütet. Roqi und Ama, sowie vier ihrer Freunde haben alles verloren, was ihnen lieb und teuer war. Ihren Stamm, ihre Familien, ihre Behausung. Mutterseelenallein streifen sie durch die Wildnis, auf der Suche nach Nahrung und Schutz vor Raubtieren. Sie müssen einen neuen Stamm finden, nur so können sie überleben. Da stoßen sie auf das Lager von Stammesoberhaupt Hiti. Noch ahnen Roqi und seine Freunde nicht, dass sie dort eine noch viel größere Herausforderung erwartet …

Der Autor

© Tamara Casula

Davide Morosinotto wurde 1980 in Norditalien geboren. Bereits mit 17 Jahren schrieb er seine erste Kurzgeschichte, die auf der Auswahlliste des renommierten italienischen Literaturpreises »Premio Campiello« stand. Seitdem hat er über 30 Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, für die er zahlreiche Preise erhalten hat. Davide Morosinotto lebt als Autor, Journalist und Übersetzer in Bologna.

Der Verlag

Du liebst Geschichten? Wir bei Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor*innen und Übersetzer*innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator*innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.

Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer*in erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.

Mehr über unsere Bücher, Autor*innen und Illustrator*innen auf:www.thienemann-esslinger.de

Thienemann auf Instagram:https://www.instagram.com/thienemannesslinger_booklove

Viel Spaß beim Lesen!

EINS

Die Welt endete an dem Tag, an dem ich den Herrn des Waldes tötete.

Es war Ama, die ihn als Erste entdeckte. Sie war die Älteste von uns und auch die Schnellste, deshalb führte immer sie unsere Jagdexpeditionen an. Ich dagegen musste ganz hinten gehen, tausend Schritt hinter den anderen, zusammen mit Hona, Amas kleiner Schwester (die drei Jahre jünger war als wir).

Hona machte viel Krach, und Krach ist schlecht: Er vertreibt die Tiere, die wir essen, und lockt jene an, die uns essen wollen. Er blockiert die Botschaften des Stammes.

Deshalb liefen wir beide allein durch eine Ebene voller Klingengras. Das Gras war gelb und ausgedörrt, da es beinahe einen Monat lang nicht geregnet hatte, und die Halme waren so hoch, dass wir kaum über sie drüberschauen konnten.

Hona blieb stehen, riss ein paar Halme aus und bedeutete mir durch Zeichen: »Lass uns daraus Seile flechten.«

Ich schüttelte den Kopf und schob sie weiter, zu einem Klingengrasbüschel, dessen Halme schon alle abgerissen worden waren. Ocho, der die Gabe der Seile besaß, hatte bereits die brauchbarsten Halme gefunden und mitgenommen.

Gleich darauf zeigte ich mit meinem Wurfstock auf ein paar Pusteblumenpflanzen. Großmutter Chila könnte daraus eine Medizin für meine Mutter machen, die ständig Bauchschmerzen hatte.

»Pflück sie!«, bedeutete ich Hona.

Mit Zeichensprache antwortete sie: »Warum? Wenn die anderen sie nicht mitgenommen haben, heißt das, dass sie zu nichts nütze sind.«

Ich erklärte ihr, dass die anderen die Pflanzen nur deshalb stehen gelassen hatten, damit wir sie mitnahmen.

Oh, wie ich es hasste, immer der Letzte der Gruppe zu sein! Schließlich war ich genauso alt wie die anderen. Doch sie alle hatten ihre Begabung bereits entdeckt. Bei einer Feier im Beisein aller war diese Gabe von Yabo von den Geistern, dem Schamanen des Stammes, besiegelt worden. Das bedeutete, dass die anderen nun keine Kinder mehr waren und sich auf das Leben als Erwachsene vorbereiteten. Dieses neue Leben würde beginnen, sobald sie an einer Großen Jagd teilgenommen hatten.

Ich dagegen war noch ein Kind, denn ich hatte keine Gabe. Das Alter spielte keine Rolle: Ein Junge ohne Gabe musste stets hinten gehen, bei den Kleinen.

Irgendeine besondere Begabung musste ich aber doch haben! Schließlich hatten alle eine. Doch soviel ich auch darüber nachdachte, ich kam einfach nicht darauf. Ich konnte ziemlich schnell Seile flechten, aber bei mir wurden sie nie so fest und stabil wie bei Ocho, der tatsächlich die Gabe der Seile besaß. Und ich war durchaus in der Lage, Feuer zu machen, nur dauerte es bei mir ungefähr dreimal so lange wie bei Beri, der erwiesenermaßen die Gabe des Feuers hatte.

Ama hatte die Gabe der Geschichten, Cato die des Steins. Aber was war mit mir?

Ich war noch in Gedanken vertieft, als mich eine Botschaft von Ama erreichte. Die Botschaft war wie ein Bild: Es zeigte mir die anderen, wie sie sich in einen Breitkronenwald hineinschlichen, dort in Richtung Sonnenuntergang liefen und sich plötzlich einem großen Blattfresser gegenübersahen.

Ich drehte mich zu Hona um und raunte: »Hast du es auch gesehen?«

»Was?«, fragte sie in Zeichensprache, indem sie die Finger einer Hand hin und her schüttelte.

»Die Botschaft.«

Sie verneinte. Das überraschte mich nicht, ich wusste, dass die Kleinen die Botschaften meist nicht mitbekamen, sie waren noch nicht in der Lage, so zu denken wie der Stamm. Hona fragte mich, was ich gesehen hatte, und ich bog meine Hand nach unten und krümmte gleichzeitig zwei Finger.

Das Zeichen des Blattfressers.

Hona strahlte, als hätte ich ihr etwas ganz Wunderbares verraten, und gemeinsam rannten wir los, zwischen den harten, messerscharfen Grashalmen hindurch. Wir erreichten den Breitkronenwald, der genauso aussah wie in der Botschaft, und …

»Still!«, signalisierte Ama.

Sie sprang hinter einem Baum hervor, dessen Stamm so dick war, dass sie ihn mit den Armen nicht hätte umfangen können. Ich hatte nicht gesehen, dass sie sich dort versteckt hatte, wich überrascht zurück und trat mit der Ferse auf einen trockenen Zweig.

»Roqi ist so ungeschickt wie immer«, signalisierte Cato grinsend. »Er macht mehr Lärm als ein wühlender Grunzer.«

Ama erwiderte nichts darauf, doch ich sah ihr an, dass sie sich ärgerte.

Ama war wunderschön, die Schönste von allen. Eigentlich gab es im Stamm ja auch nur zwei Mädchen, sie und Hona, doch selbst wenn bei uns tausend Mädchen gelebt hätten, wäre Ama immer noch die Schönste von ihnen gewesen.

Sie war die Tochter von Paraqui, unserem Häuptling, und von Aqe, die Geschichten erzählte. Ama hatte dieselbe Gabe wie ihre Mutter, deshalb sang sie manchmal abends am Feuer. Ich könnte ihr bis in alle Ewigkeit zuhören.

Sie hatte dunkles Haar und große mandelförmige Augen und trug nur Ledersandalen und einen Lendenschurz, der sich mit seiner hellen Farbe stark von Amas dunkler und jetzt, nach dem Laufen, schweißglänzender Haut abhob.

»Große Schwester, ist wirklich ein Blattfresser hier?«, fragte Hona in Zeichensprache.

»Komm«, sagte Ama zu ihr und bedeutete mir mit einem Blick, dass ich mitkommen dürfe, falls ich das unbedingt wolle. Also folgte ich ihnen.

Es war ein wirklich großer Blattfresser, zweieinhalbmal so hoch wie ein erwachsener Mann. Er lief auf allen vieren und stützte sich vorn auf den Handgelenken ab, um die unglaublich langen Krallen nicht abzunutzen. Er hatte ein langes graues Fell und winzige Augen und Ohren. Seine dicke schwarze, feuchte Nase ragte wie ein Pilz aus dem Pelzgewirr der Schnauze.

Extrem langsam bewegte er sich quer über die Lichtung auf eine große Breitkrone zu. Vor ihrem Baumstamm hockte er sich auf die Hinterbeine, stützte sich mit dem Schwanz ab, um nicht umzukippen, und zog mit einer Vorderpfote einen Zweig zum Maul. Mit der langen dunklen Zunge, die wieder und wieder aus dem Maul herausschnellte, riss er Blatt um Blatt fein säuberlich ab.

»Wie schön er ist!«, bedeutete mir Hona. »Er ist der Herr des Waldes.«

Ich war mit ihr einer Meinung. Blattfresser sind gewaltig und schön, und dieser hier war wirklich herrlich anzuschauen.

»Er ist nicht der Herr des Waldes«, widersprach Cato. »Das hier ist nur ein dummer Blattfresser.«

»Er ist nicht dumm«, protestierte Hona.

»Doch, ist er. Eines der dümmsten Tiere der Welt.«

»Das ist nicht wahr!«

»Nein? Dann pass mal auf!«

Cato nahm aus seiner Tasche einen spitz zulaufenden Stein, den er sicherlich aufgehoben hatte, um später eine Messerklinge oder etwas Ähnliches daraus zu machen. Er warf damit nach dem Tier und traf es genau am Kopf. Wir konnten sogar den Aufschlag hören.

Der Blattfresser hörte zu fressen auf und kratzte sich mit einer Pfote am Ohr. Er sah wie unser Schamane Yabo von den Geistern aus, wenn er über irgendein schwerwiegendes Problem nachdenkt, und wirkte dabei sehr komisch.

Ocho musste lachen. »Was für ein dummes Tier. Gibst du mir auch einen Stein, Cato?«

Dieser nickte und reichte ihm einen Stein. Ocho zielte und traf den Blattfresser an der Nase.

Das riesige Tier bäumte sich auf und stieß einen Schrei aus. Mir lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter.

»Wisst ihr, was mein Vater sagt?«, bedeutete uns Cato in Zeichensprache. »Dass man Blattfresser einfach so töten kann, indem man sie mit Steinen bewirft. Sie begreifen nicht, was los ist, deshalb laufen sie nicht weg. So dumm sind sie!«

»Jetzt will ich es versuchen«, signalisierte Beri.

Rotierend flog sein Wurfstock durch die Luft, traf den Blattfresser aber nur auf dem dicken Hintern. Das Tier merkte es nicht einmal.

»Dummkopf«, erwiderte Cato. »Ich habe gesagt: mit Steinen. Was soll ihm dein kleiner Wurfstock schon anhaben können?«

Hona drückte meine Hand. »Er ist der Herr des Waldes, sie sollten ihm nicht wehtun.«

Ich fand, dass sie eigentlich recht hatte, doch ich wusste auch, dass ich, Roqi, der Letzte der Gruppe, es niemals schaffen würde, sie zum Aufhören zu bewegen.

»Können wir weitergehen?«, bedeutete ich Ama trotzdem.

Sie verneinte. »Wir vier müssen uns auf die Große Jagd vorbereiten«, sagte sie. »Seit vielen Monden suchen wir nach einem Giganten … Eines Tages werden wir ihn finden und dann müssen wir bereit sein. Überleg mal, was die Erwachsenen sagen werden, wenn wir mit einer derartig großen Beute zum Lager zurückkehren.«

»Das Fleisch des Blattfressers ist hart und schmeckt nicht gut«, wandte ich ein.

»Aber die Leber ist köstlich und das Herz auch«, erwiderte Ama. »Wir können das Mark aus den Knochen saugen, und aus seinen Sehnen können wir Seile flechten …«

Lächelnd reichte Cato ihr einen Stein. Ama wog ihn in der Hand und kniff ein Auge zu, um besser zu zielen. Ein ausgezeichneter Wurf, der Stein traf den Blattfresser ebenfalls am Kopf.

»Sehr gut, Ama«, gratulierte Ocho ihr. »Du bist eine hervorragende Jägerin, genauso geschickt wie dein Vater.«

Geschmeichelt nahm Ama das Lob entgegen. Beri hob einen ziemlich großen Stein vom Boden auf, zielte und traf den Blattfresser damit an der Vorderpfote.

Das Tier schrie, verängstigt und verwirrt. Sofort warf Ocho einen weiteren Stein, und im nächsten Augenblick kamen die Steine von allen Seiten. Die Schreie des Blattfressers hallten im Wald wider und waren so durchdringend, dass es mir vorkam, als würde ich seine Schmerzen am eigenen Leib spüren.

Plötzlich stand Cato neben mir. »Schau mal, was für ein hübscher Stein. Scharfkantig und gut ausbalanciert. Warum wirfst du ihn nicht?«

»Ja«, stimmte Beri ihm zu. »Warum wirfst du ihn nicht, Roqi?«

»Du bist der Einzige, der nicht mitgemacht hat«, stachelte Ocho mich an.

»Ich habe auch nicht mitgemacht!«, rief Hona aus. »Roqi wird keinen Stein werfen und ihr solltet ebenfalls damit aufhören. Seht ihr denn nicht, dass der Herr des Waldes Angst bekommen hat?«

»Er ist nicht der Herr des Waldes, er ist dumm«, sagte Cato erneut. »Also, Roqi, was ist los, fürchtest du dich davor, einen Stein zu werfen?«

»Er fürchtet sich, weil er noch ein Kind ist!«, spottete Ocho.

»Er fürchtet sich, weil er noch keine Gabe hat«, hakte Beri nach.

Mit einem Mal hatte ich einen Stein in der Hand.

Hona bedeutete mir, ihn fallen zu lassen, doch das brachte ich nicht fertig. Ich schaute Ama an. Sie hatte nichts gesagt, aber an ihrem Gesicht konnte ich ihre Gedanken ablesen. Sie war überzeugt davon, dass ich den Blattfresser nicht einmal dann treffen würde, wenn ich es unbedingt wollte. Sie hielt mich für viel zu ungeschickt. Mein Stein, dachte sie, würde gegen den Baum prallen oder im Gras landen und nicht auf diesem dicken, riesigen Blattfresser, der vor uns stehen geblieben war, als wolle er sich als Ziel anbieten.

»Sieh mal, was ich kann«, bedeutete ich ihr.

Ich entfernte mich von den anderen und lief hinter einen runden Felsblock. Dort war ich in genau der richtigen Position, ich konnte dem Tier direkt ins Gesicht sehen, auf sein sabberfeuchtes Maul.

»Blattfresser, es tut mir leid«, sagte ich.

Dann holte ich aus und schleuderte den Stein. Dabei dachte ich gar nicht mehr nach, ich tat es einfach, und fertig.

Schnell und präzise wie ein Blitz beschrieb der Stein in der Luft zischend einen Bogen und flog mitten in das geöffnete Maul des Blattfressers hinein.

Dieser hustete, gab einen erstickten Laut von sich und blieb regungslos stehen. Dann stürzte er zu Boden. Er fiel in sich zusammen und blieb halb aufgerichtet hocken, mit weit aufgerissenen Augen. Seine lange dunkle Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul.

Er war … Ich wusste gar nicht, wie ich es beschreiben sollte.

Er war tot.

»Du hast ihn erlegt!«, rief Ocho laut und sprang aus dem Gebüsch hervor. »Wahnsinn, Roqi, du hast ihn wirklich getötet!«

»Was für ein mörderischer Wurf«, sagte Beri. »Nicht einmal Paraqui hätte es besser hinbekommen. Einfach perfekt!«

Cato ging zu dem Blattfresser und berührte mit seinem nackten Fuß dessen Schwanz. »Er ist wirklich tot.« Er lachte. »Du hast ihn umgelegt, Roqi! Er ist sofort umgefallen.«

Auch Ama und Hona kamen aus der Deckung und blieben respektvoll vor dem stehen, was vorhin ein lebendiges Tier gewesen war und jetzt nur noch eine Masse von Fleisch und Fell darstellte.

»Gut gemacht, Roqi«, sagte Ama zu mir. »Weißt du was? Vielleicht haben wir soeben deine Gabe entdeckt.«

»Ja, stimmt«, rief Ocho aus. »Roqi besitzt die Gabe des Tötens!«

»Die Gabe des Tötens ist gut für den Stamm«, stellte Beri fest. »Diese Gabe ist sehr ehrenhaft.«

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich eine solche Gabe überhaupt haben wollte.

»Cato, hast du in deiner Tasche Steine mit Schneiden, die sich zum Häuten eignen?«, erkundigte sich Ama. »Wir müssen uns sofort an die Arbeit machen … Wir müssen ihm die Krallen herausreißen und aus dem Fell machen wir einen Teppich für das große Zelt.«

»Ich will das Herz essen!«, rief Ocho. »Es schmeckt köstlich …«

Mit einer Handbewegung unterbrach Ama ihn. »Nein, das Herz steht Roqi zu. Er ist der Jäger.«

Sie schaute mich an, und weil ich nicht wusste, was ich darauf sagen sollte, schwieg ich.

Dann geschah die Tragödie.

Wir hörten einen Donner, wie ein furchtbar lautes Brüllen.

Gleich darauf endete die Welt.

ZWEI

Ein Schwarm Langhälse flog auf, zog über die Baumwipfel hinweg und verschwand in Richtung Sonnenaufgang.

Ein Rauschen war zu hören und wurde lauter, und auf einmal war der Himmel voller Vögel, voller Flügel und Schnäbel und Federn. Es waren so viele, dass sie den Himmel verdunkelten. Über unseren Köpfen wurde es Nacht, und Vogelkot regnete auf uns herab.

»Was passiert gerade?«, fragte Hona.

Ich hatte keine Ahnung. Sie solle sich keine Sorgen machen, wollte ich ihr gerade sagen, als die Botschaft eintraf.

Sie kam von Yabo, dem Schamanen unseres Stamms, und sie war so mächtig, dass sie uns alle wie ein Faustschlag traf. Sogar Hona fiel auf die Knie und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Die Botschaft zeigte uns eine von einer Feuerwolke umhüllte Welt. Es war ein glühendes, wirbelndes und wütendes Bild. Der Brand hatte die Farbe der Sonne und raste über die Ebene hinweg. Die von der Dürre erzürnten Sommerflammen verschlangen die Wälder. Die Vögel flogen davon, und auch alle anderen Tiere versuchten, sich in Sicherheit zu bringen.

»Der Stamm … Der Stamm ist in Gefahr«, sagte Ama mit brechender Stimme, während das Bild vor unserem inneren Auge verschwamm.

Das Lager befand sich einen halben Tagesmarsch von uns entfernt, am sandigen Ufer eines Bachs, der durch einen Langnadelwald floss. Es war ein provisorisches Lager, ein Reiselager: Unsere eigentlichen Jagdgründe lagen viele Marschmonate weiter in Richtung der Kälte. Unser gesamter Stamm hatte es verlassen, um sich auf die Suche nach Giganten zu machen.

Es war nämlich so: Nur eine Jagd auf Giganten war eine Große Jagd, und um zum Erwachsenen zu werden, musste man eine Große Jagd mitgemacht haben. Weil Ama, Cato, Ocho und Beri schon so weit waren, hatte Paraqui zwei ganze Jagdzeiten lang in unserer Gegend erfolglos nach diesen Tieren gesucht. Schließlich aber hatte er aufgegeben und beschlossen, mit dem Stamm in Richtung der Wärme zu ziehen, in eine unwirtliche Region, durch die noch nie zuvor Menschen gestreift waren. Viele, viele Tage lang waren wir gelaufen. Der Sommer war eigentlich die Regenzeit, doch je weiter wir gekommen waren, desto trockener und dürrer wurde es, bis die Flüsse nur noch schlammige Rinnsale waren und wir überall gelbes Gras sahen.

Und nun kam das Feuer.

»Was machen wir denn jetzt?«, flüsterte Cato atemlos.

»Wir müssen zum Lager zurück«, antwortete Ocho. »Der ganze Stamm ist in Gefahr, wir müssen ihnen helfen …«

»Stimmt«, bestätigte Ama. »Das gesamte Lager könnte zerstört werden.«

Hona ergriff meine Hand. Ihre war eiskalt. »Ich habe Angst.«

»Yabo hat uns die Botschaft nicht geschickt, damit wir zum Lager zurückkehren«, widersprach Beri. »Habt ihr seinen verzweifelten Schrei nicht gehört? Er will, dass wir fliehen. Unsere Chancen stehen besser als die der anderen im Lager, wir sind vom Feuer weiter entfernt …«

»Du willst sie im Stich lassen?«, schrie Ocho.

»Die Erwachsenen brauchen unsere Hilfe nicht, um gegen das Feuer zu kämpfen. Sie wissen, was sie zu tun haben … Und wir haben die Möglichkeit, uns in Sicherheit zu bringen.«

»Sie brauchen uns. Sie sind unser Stamm!«

Verwirrt blieben wir wie angewurzelt neben dem Kadaver des Blattfressers stehen, unfähig, etwas zu unternehmen.

Ich betrachtete die Bäume, die uns von allen Seiten umgaben. Warum helft ihr uns nicht?, dachte ich. Warum sagt ihr uns nicht, was wir tun sollen?

Doch der Wald hüllte sich in Schweigen, sodass Ama für uns alle entscheiden musste. Sie benutzte keine Wörter, sondern hob den Kopf und lief los, in die Richtung des Sonnenuntergangs. Dorthin, wo unsere Zelte und unsere Familien waren.

Wir folgten ihr, wohl eher aus Gewohnheit als aus anderen Gründen. Hinter Ama lief Cato, hinter ihm Beri, dann kam Ocho. Ich folgte mit einigem Abstand und zerrte Hona hinter mir her, die ständig stolperte und strauchelte.

»Ich habe Angst«, bedeutete sie mir.

»Lauf einfach weiter.«

Wir hatten wieder die Ebene mit dem Klingengras erreicht. Jetzt war der Himmel voller Vögel und alle flogen in die entgegengesetzte Richtung, nicht in unsere. Sie kamen mir wie unheilschwere schwarze Wolken vor.

Ein riesiges Tier mit schweren Ästen auf dem Kopf sprang uns entgegen, ein Ästeschädel, der von einem Rudel Graufelle verfolgt wurde. Der Anführer des Rudels machte einen furchtbaren Satz. Einen Wimpernschlag lang blitzte sein dichtes Fell am Himmel auf und ich war mir sicher, dass er im nächsten Augenblick auf dem Genick des Ästeschädels landen würde, um ihm die Kehle durchzubeißen. Stattdessen aber überholte er den Ästeschädel einfach nur. Die anderen Graufelle taten es ihm nach und rannten weiter, wesentlich schneller als er.

Nun erst fiel mir auf, dass sich Unmengen von Tieren durch das hohe Gras bewegten, Rotfelle und Weißbüschelschwänze, Windläufer und Messerzahnkatzen, Weitspucker und Häuptlingskatzen. Beute und Jäger rasten Seite an Seite nebeneinanderher, mit dem einzigen Ziel, der Gefahr zu entrinnen.

»Ama!«, rief Beri. »Riechst du denn nicht den Rauch? Siehst du nicht, dass der Himmel dort hinten ganz schwarz ist? Diese Wiese wird bald brennen, du kannst mir das glauben, du weißt, dass ich die Gabe des Feuers habe. Wenn wir uns nicht in Sicherheit bringen, sind wir verloren. Schau nur, wie die Tiere flüchten. Ama!«

Ich hob den Kopf und wirklich war die dunkle Wolkendecke in Richtung des Sonnenuntergangs so dick, dass man die Sonne dahinter nicht mehr sah.

»Wem werden wir noch helfen können, wenn wir tot sind?«, versuchte Beri, Ama zu überzeugen. »Wir müssen einen sicheren Ort suchen und warten, bis das Feuer an uns vorbeigezogen ist. Dann können wir zurück ins Lager laufen, zu den anderen.«

»Wie denkt ihr darüber?«, fragte Ama.

»Mochase wird Angst haben«, sagte Ocho. Mochase war seine Schwester. Sie war noch sehr klein und hatte gerade erst das Laufen gelernt. »Ich will zu ihr, ins Lager.«

»Ich finde, dass Beri recht hat«, meinte Cato.

»Zwei gegen zwei«, zählte Ama ab. »Also muss Roqi entscheiden, was wir jetzt machen.«

Alle sahen mich an.

»Seit wann darf Roqi mitbestimmen?« Cato verzog das Gesicht. »Er ist wie Hona … Er ist noch ein Kind.«

»Ich bin genauso alt wie du«, entgegnete ich.

»Und er hat vorhin seine Gabe entdeckt«, fügte Ama hinzu.

Das stimmte nicht so ganz. Der alte Yabo hatte den Geistern noch nicht von mir erzählt und auch die Zeremonie nicht abgehalten. Doch ich freute mich, dass Ama an meiner Meinung interessiert war. Zum allerersten Mal.

Cato schüttelte den Kopf, während ich gründlich nachdachte.

»Wenn wir dem Feuer weiter entgegenlaufen, wird es uns verbrennen«, sagte ich schließlich. »Ich glaube, dass sich Paraqui und die anderen Erwachsenen bereits an einem sicheren Ort befinden. Ihre Botschaft an uns war eine Warnung. Wir müssen uns eine Zuflucht suchen.«

Ama wich meinem Blick aus, und erst daran merkte ich, dass sie sicher gewesen war, mich auf ihrer Seite zu haben.

»Dann machen wir es so«, stimmte sie seufzend zu. »Wir folgen den Tieren. Sie haben Erfahrung. Sie laufen zum Wasser.«

Wir gingen los, aber Hona weinte, weil sie nicht mithalten konnte. Also blieb ich stehen und lud sie mir auf den Rücken.

Wir machten kehrt und liefen außen um den Breitkronenwald herum, um ihn nicht durchqueren zu müssen. Ich dachte an den Herrn des Waldes, den ich getötet hatte und den wir einfach liegen gelassen hatten, sodass ihn nun das Feuer fressen würde.

Hona war schwer, ich wankte unter ihrem Gewicht und konnte den Steinen und Löchern nicht so gut ausweichen wie sonst. Das Klingengras zerschnitt mir die Haut, und an meinen Beinen bildeten sich lange blutende Striemen.

Der Wind trug uns den Geruch von Rauch zu. An beiden Seiten wurden wir von Tieren überholt, die vor Angst halb wahnsinnig waren. Schlangen krochen eilig dahin, zu sehr mit ihrer Flucht beschäftigt, um uns zu beißen.

»Ich kann nicht mehr«, rief Cato. »Meine Tasche ist voller Steine … Sie ist zu schwer.«

»Gib her, ich trage sie«, rief Ocho. Er war der Größte von uns und so stark wie ein Wollrücken.

»Kannst du nicht lieber mir mit Hona helfen?«, fragte ich.

Um mich anzufeuern, schickte Ama mir eine kleine, kurze Botschaft, ein Bild, das wenig mehr als eine Hoffnung war: ein Sumpfnadelwald ganz in der Nähe mit großen Bäumen, deren Stämme sich direkt über dem Boden verzweigten, wie die Finger einer Hand.

Die Sumpfnadeln stecken ihre Wurzeln immer ins Wasser. Und Wasser schützt vor Feuer.

»Deine Botschaft stimmt nicht«, murrte Cato.

»Lauf weiter, du wirst schon sehen«, bedeutete Ama ihm und verstärkte ihr Tempo.

So liefen wir weiter, einfach nur weil wir ihr vertrauten, und kurze Zeit später sahen wir die Sumpfnadeln tatsächlich. Um die Bäume herum befanden sich Reste von Schlamm. An den halb ausgetrockneten Pfützen konnte man erkennen, dass hier einmal ein Sumpf gewesen war.

Wir liefen weiter und unsere Füße sanken immer tiefer im Boden ein. Plötzlich lag ein Teich vor uns. Obwohl er stank, sprangen wir allesamt hinein. Das Wasser war warm und faulig, wir tauchten unter, damit auch die Haare nass wurden, und immer noch hing Hona an meinem Rücken.

Als ich mich wieder aufrichtete, hatte uns das Feuer erreicht. Es war schneller gewesen als sämtliche Tiere. Kochend heiß wirbelte die Luft um uns herum und die Flammen peitschten den Sumpf.

»Taucht unter!«, schrie Ama.

Das Feuer brüllte so laut, dass ich ihre Stimme kaum hören konnte.

Ich ließ mich ins Wasser sinken.

DREI

Ich dachte, wir müssten sterben.

Ich dachte, das Wasser um uns herum würde zu kochen anfangen, wie der Eintopf, den meine Mutter immer für die Versammlung der Tausend Stämme kochte. Wie viele Stunden hatte ich neben dem Feuer gesessen und zugesehen, wie die Fleischstückchen in der Brühe herumtanzten! Heute aber war ich derjenige in der Brühe.

Die Fische sprangen wieder und wieder aus dem Wasser, als seien sie verrückt geworden. Andere Tiere stürzten sich in den Teich hinein, kleine Großohrnager und dicke Grabnager. Von den vielen Lauten, dem Schreien und Quietschen pfiffen mir die Ohren. Das gleißende Licht tat meinen Augen weh.

Ein brennender Zweig fiel von einem Baum und ins Wasser hinein, Tiere schnellten zur Seite.

Das Feuer fraß alles.

Die Welt endete mit einem grellen Blitz.

Dann ging es allmählich vorbei.

Irgendetwas presste mir den Hals zusammen, drückte mir die Luft ab. Es dauerte, bis ich begriff, dass es Hona war. Anstatt mich aus ihrer Umklammerung zu befreien, schlang ich meine Arme noch fester um sie.

Ich hob den Kopf aus dem Wasser und holte Luft, doch die Luft war voller Rauch und ich musste husten. Ama und die anderen waren zu Schlammmonstern geworden, aus triefenden Augen starrten sie mich an.

»Geht … geht es euch gut?«, fragte ich leise.

Ich konnte sehen, dass sie antworteten, hörte ihre Stimmen aber nicht.

Dann kam Ama zu Hona und mir, umarmte uns beide und presste ihren schlammglitschigen Körper gegen meinen. Cato kam dazu, auch Beri und Ocho, und wir blieben lange so stehen, eng umschlungen, fassungslos darüber, dass wir es geschafft hatten, dass wir noch lebten.

Doch um uns herum war alles anders geworden, endgültig anders.

Die Welt war aschgrau.

Einige Sumpfnadeln waren umgestürzt, andere hatten sich in glühende Holzscheite verwandelt und in ihren Kronen züngelten kleine Flammen. Die Tiere, die sich in den Teich geflüchtet hatten, sahen sich verwundert um. Einem jungen Ästeschädel, der noch keine Äste auf dem Kopf trug, fiel plötzlich auf, dass in der Pfütze neben ihm eine Fleckenkatze hockte. Er erschrak, sprang mit einem einzigen Satz aus dem Wasser und lief, vorsichtig die Brandherde meidend, davon. Anstatt ihn zu verfolgen, beschränkte sich die Fleckenkatze darauf, laut zu brüllen.

Dieses schreckliche und doch vertraute Geräusch erinnerte alle daran, dass es auf der Welt diejenigen gibt, die fressen, und diejenigen, die nicht gefressen werden wollen, und dass sich diese beiden Gruppen normalerweise nicht gut miteinander vertragen.

Mit einem Mal liefen, hüpften, krochen oder flogen die Tiere davon, und auch wir verließen den Teich.

Cato hatte seinen Lendenschurz verloren und stand nun nackt da. Ocho war ein brennendes Stück Holz auf den Kopf gefallen und hatte ihm ungefähr die Hälfte seiner Haare abgesengt.

Aber das war egal.

Wir waren am Leben.

»Wir müssen sofort zum Lager«, bestimmte Ama.

Sie ging los und wir folgten ihr, bemüht, nicht auf brennende Stellen zu treten.

Es war, als hätte der Tod die Farben verschlungen. Das Blau des Himmels war ebenso verschwunden wie das Gelb der ausgetrockneten Wiesen und das Grün der Wälder. Nur Weiß und Grau und Schwarz waren übrig geblieben.

Der Wind blies in die Asche und wirbelte sie auf, sodass sie uns bei jedem Atemzug in Mund und Nase drang. Wir hielten uns die Hände vor den Mund.

»Ama«, sagte Beri, »hast du versucht, eine Botschaft zu senden?«

»Ja, habe ich.«

»Gab es Antworten?«

»Nein, keine einzige. Versucht es bitte auch.«

Ama besaß die Gabe der Geschichten, deswegen war sie auch sehr gut darin, Bildgedanken zu übermitteln: Die Verständigung über Botschaften funktioniert nur, wenn der gesamte Stamm mit einem einzigen Kopf denkt, mit einem einzigen Herzen fühlt. Und im Grunde sind die Geschichten genau dafür da.

Dennoch versuchte auch ich, eine Botschaft zu senden. Ich konzentrierte mich ganz stark auf meinen Vater, auf seine große Nase, auf die tiefe Narbe, die quer über die glatte Haut seiner Wange verlief.

Schau nur, wo wir sind, dachte ich. Wir sind müde und traurig. Vorhin habe ich meine Gabe entdeckt, aber ich weiß gar nicht, ob ich sie wirklich haben will. Komm her und hol uns!

Man hatte mir beigebracht, dass Botschaften am besten funktionierten, wenn auch Bildgedanken dabei waren. Deshalb versuchte ich, alles, was ich sah, in meinen Kopf hineinzusaugen: Ama und Cato und Ocho, die schwankend vor mir hergingen. Und sofort darauf versuchte ich wieder, an meinen Vater und meine Mutter zu denken.

Würde es funktionieren? Ja? Nein? Meine Botschaften kamen fast nie an. Die anderen sagten, dafür hätte ich zu viel Unsinn im Kopf, aber ich konnte es zumindest versuchen.

Wir erreichten etwas, das vor dem Brand ein Wedelwäldchen gewesen war. Jetzt ragten nur noch hier und da verbrannte Holzstümpfe aus dem Boden.

Ama blieb stehen. »Wir schlagen hier unser Lager auf«, beschloss sie.

Ich hob den Blick zum Himmel und stellte fest, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Sonne unterging.

Mutter Sonne, dachte ich, könntest du nicht noch ein bisschen am Himmel bleiben, wenigstens heute, ausnahmsweise? Lass uns nicht allein, im Dunkeln.

»Ich will nicht hier schlafen«, protestierte Ocho.

»Das will keiner, du Dummkopf«, wies Cato ihn zurecht. »Aber bist du in der Lage, in der Nacht zum Lager zurückzufinden?«

»Wir müssen hier übernachten«, sagte Ama. »Beri kann für uns das Feuer entzünden.«

Ich zuckte zusammen. Nach dem Brand versetzte mich allein schon der Gedanke an Flammen in Panik. Doch ohne Feuer würden wir die Nacht im Dunkeln verbringen müssen, ohne Licht und vor allem ohne Schutz. Sobald sie sich von ihrem Schrecken erholt hatten, würden die Tiere ihre alten Gewohnheiten wiederaufnehmen. Ohne Feuer wären wir für die Raubtiere eine leichte Beute.

Beri hatte wohl etwas Ähnliches gedacht wie ich. Jedenfalls zuckte er mit den Schultern. »Wir müssen kein Feuer entzünden, es genügt, eines zu finden, ein bisschen darauf zu pusten und ihm Holz zu geben, damit es nicht verhungert.«

»Ich gehe sofort Holz suchen«, bot Cato sich an. »Zusammen mit Ama.«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das kann Beri machen. Warum baust du nicht lieber zusammen mit Ocho einen Unterstand?«

Cato streckte ihr die Zunge heraus und verzog das Gesicht. Dann wechselte er einen Blick mit Ocho, und die beiden zogen los.

»Und ich?«, fragte ich Ama.

»Du suchst zusammen mit mir und Hona nach Essbarem.«

Gemeinsam gingen wir zwischen den verbrannten Wedelbäumen hindurch. Die Asche knirschte unter unseren Füßen. Das Feuer hatte nicht überall auf dieselbe Weise gewütet. Hier und da waren Stellen, an denen das Gras überlebt hatte, und wir fanden Zweige, die zwar außen schwarz waren, in denen innen aber noch Leben steckte.

»Es war gut, dass du dafür gestimmt hast, zum Wasser zu laufen«, sagte Ama zu mir. »Wenn wir auf das Feuer zugerannt wären …«

Ich schwieg, weil ich nicht wusste, was ich darauf entgegnen sollte.

Wir fanden einen Wedelbaum, der nur zur Hälfte verbrannt war, und machten uns daran, seinen Stamm zu spalten, um an das Wedelherz darin zu kommen. Wedelherzen sind so zart, dass man sie auch roh essen kann.

Wir fanden auch Ährenkraut und gruben die Wurzeln aus: Sie sind weiß und so köstlich, dass ich gleich in eine hineinbiss.

Hona drehte Steine um und sammelte die Maden, die sich darunter versteckten. Knusprig geröstet würden sie herrlich schmecken.

»Das genügt«, meinte Ama schließlich. »Lasst uns zu den anderen zurückgehen.«