Die Einsamen - Paul Heyse - E-Book

Die Einsamen E-Book

Paul Heyse

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 54

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Paul Heyse

Die Einsamen

Novelle

Paul Heyse

Die Einsamen

Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962811-43-3

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Die Einsamen

(1857)

Meh­re­re Tage lang hat­ten hef­ti­ge Süd­stür­me das Meer er­schüt­tert, auf dem ho­hen Fel­se­nu­fer Sor­rents mit Früh­lings­un­ge­stüm den Saft in den Fei­gen­bäu­men auf­ge­rüt­telt und den Bo­den mit frucht­ba­ren Re­gen­schau­ern ge­pflügt. Man­che woll­ten ein gä­ren­des Mur­ren im In­nern des Ve­suv ver­nom­men ha­ben und weis­sag­ten einen na­hen Aus­bruch. Auch schie­nen öf­ters die Häu­ser bis in die Grund­fes­ten zu wan­ken, und nachts hör­te man ein dro­hen­des Klir­ren der Gerä­te, die im Schrank nahe bei­ein­an­der stan­den. Als aber am letz­ten April die Son­ne end­lich über den Aufruhr Herr wur­de, stan­den die klei­nen Städ­te auf der Ebe­ne von Sor­rent un­ver­sehrt zwi­schen ih­ren Wein- und Oran­gen­gär­ten, der Fel­sen­grund hat­te sich nicht auf­ge­tan, sie zu ver­schlin­gen, und dem to­sen­den Meer war das Ufer den­noch zu hoch ge­we­sen, um hin­auf­bran­dend al­les, was Men­schen seit Jahr­hun­der­ten ge­pflanzt, in die Tie­fe zu rei­ßen.

Am Nach­mit­tage die­ses letz­ten April, der zu­gleich ein Sonn­tag war, ver­ließ ein deut­scher Poet – sein Name tut nichts zur Sa­che – das Haus, in dem er sehr wi­der sei­ne Nei­gung durch den Sturm war ge­fan­gen ge­hal­ten wor­den. Ta­ge­lang hat­te er vom Fens­ter aus über das Meer ge­st­arrt, den Man­tel um die Knie ge­schla­gen, denn der Stein­bo­den sei­nes Zim­mers hauch­te eine emp­find­li­che Käl­te aus, den Hut auf dem Kopf, ein Glas Wein nach dem an­de­ren hin­ab­schlür­fend, ohne ein Wär­me­ge­fühl in sich er­we­cken zu kön­nen. Der klei­ne Bü­cher­vor­rat, der ihn auf der Rei­se be­glei­te­te, war in Nea­pel zu­rück­ge­blie­ben, und im Hau­se sei­nes Wirts war au­ßer dem Ka­len­der und ei­nem Mess­buch kein ge­druck­tes Blatt auf­zu­trei­ben. Wie oft hat­te er sich ver­mes­sen, dass ihn in der Ein­sam­keit Lan­ge­wei­le nie an­wan­deln sol­le. Aber so viel und sehn­süch­tig er die Muse zur Ge­sell­schaft her­an­fleh­te, der Wind ver­schlang sei­nen Ruf, und die Käl­te ließ end­lich kei­nen an­de­ren Ge­dan­ken in ihm auf­kom­men als den Wunsch, die Son­ne wie­der­zu­se­hen.

Sie war denn auch durch­ge­bro­chen, und er hat­te die Hälf­te die­ses ge­seg­ne­ten Ta­ges red­lich da­mit ver­bracht, auf dem Al­tan sit­zend sie sich auf die Haut schei­nen zu las­sen. Und als er vollends nach Ti­sche den Berg­weg hin­auf­stieg, wur­den alle er­starr­ten Ge­füh­le in ihm mit Macht wie­der le­ben­dig. So groß, so gol­den und ge­wal­tig hat­te er die sieg­rei­che Früh­lings­son­ne nie ge­se­hen, so er­fri­schend war ihm der Hauch des Mee­res nie ins Mark ge­drun­gen. Die­se Blät­ter da an den Fei­gen­bäu­men wa­ren in ei­ner Nacht fin­ger­lang her­vor­ge­schos­sen. Die Bü­sche dort hat die Son­ne ei­nes hal­b­en Ta­ges in wei­ße Blü­ten ge­bracht. Und wo nur der Wan­de­rer, vom Duft ge­lockt, den Bo­den nä­her un­ter­sucht, dun­keln ihm un­ab­seh­li­che Veil­chen­bee­te ent­ge­gen. Die Luft wim­melt von Schmet­ter­lin­gen, die nicht äl­ter sind als die­ser Tag; alle Pfa­de rings­um sind von Men­schen zu Fuß oder in sau­sen­den klei­nen Wa­gen be­lebt. Dazu die Glo­cken­stim­men der Kir­chen und Ka­pel­len auf vier Stun­den Wegs, das Jauch­zen der Bur­schen, die bergan zo­gen, um ein Kir­chen­fest in Sant’ Aga­ta, ei­nem Dor­fe auf dem Grat des Ber­ges, mit­zufei­ern, und die lang ge­zo­ge­nen Ri­tor­nel­le der Wei­ber, die Hand in Hand zur Ve­s­per wan­del­ten, oder auf den son­ni­gen Dä­chern ste­hend ins Meer hin­aus­blick­ten.

Je wei­ter der Deut­sche, ei­ner mä­ßig an­stei­gen­den Stra­ße fol­gend, sich dem Fei­er­tags­ju­bel ent­zog, de­sto mehr be­klemm­te es ihm das Herz, dass er dem Dank für die Fül­le der Wun­der, die auf ihn ein­drang, mit nichts Luft zu ma­chen ver­moch­te. Am liebs­ten hät­te er dort auf dem Fel­sen ste­hend in die wei­te Land­schaft hin­aus­ge­sun­gen, ein Lied ohne Wor­te, einen blo­ßen Wi­der­hall al­ler Früh­lings­stim­men um ihn her. Aber er hat­te ei­ni­gen Grund, sei­ner Stim­me zu miss­trau­en, dass sie eine wür­di­ge He­rol­din sei­nes Ge­fühls sein wür­de. Wie nei­disch dach­te er an je­nen Te­nor zu­rück, der in Rom ihn man­chen Abend ent­zückt hat­te! Mit die­ser Stim­me hier die Wei­te aus­zu­fül­len! Wie arm­se­lig, stumm wie ein Dieb, klang­los wie der Stock in sei­ner Hand kam er sich vor, als er durch alle sin­gen­de und klin­gen­de Won­ne der Na­tur hin­durch­schritt.

Was rüh­men sie die Poe­sie als die höchs­te Kunst? rief er zor­nig aus. Kann sie eine Brust von der Über­macht ei­nes sol­chen Ein­drucks be­frei­en? Ruft mir die Größ­ten her, die je­mals über me­lo­di­sche Wor­te zu ge­bie­ten hat­ten, ob sie nicht dem Uner­mess­li­chen ge­gen­über ver­stum­men gleich mir ar­mem Nach­ge­bo­re­nen. Wo­mit wol­len sie Licht und Äther und Meer und die Düf­te, die aus je­nem Oran­gen­hain her­auf­we­hen, nur von fer­ne wür­dig ver­herr­li­chen? So­gar der letz­te un­ter al­len, die sich noch ei­ner Muse rüh­men, ein Tän­zer selbst könn­te es ih­nen hier zu­vor­tun. Kann er nicht das Stre­ben in den Him­mel hin­auf, ins All hin­ein, we­nigs­tens mit Zei­chen und Ge­bär­den an­deu­ten, mit sei­ner gan­zen Per­son und vom Wir­bel bis zur Zehe sei­ne Trun­ken­heit aus­strö­men? Und nun ein Ma­ler vollends! Der un­be­deu­tends­te und ein­fäl­tigs­te, wenn er nur ge­lernt hat, die Li­nie des Ber­ges dort und das Klos­ter am äu­ßers­ten Ran­de, da­hin­ter den Wald, die Gren­ze des Mee­res, im Vor­der­grun­de den frisch vom Win­de ge­knick­ten Baum auf ein Blatt zu brin­gen – wie glück­lich muss es ihn ma­chen! Und wenn er gar ein Meis­ter ist und die zit­tern­de Hel­le über der gel­ben Berg­wand in Far­ben wi­der­strah­len kann, dort in der Tie­fe die See, die noch im­mer wühlt und die Wel­len wirft wie Fet­zen ei­nes sil­ber­durch­wirk­ten Ge­wan­des, den Duft drü­ben am Ve­suv, die wei­ßen Glock­en­tür­me zwi­schen dem jun­gen Laub der Kas­ta­ni­en – ich könn­te ihn ge­ra­de­zu um­brin­gen vor Neid!