Die Erzählungen des Folio Club - Edgar Allan Poe - E-Book
SONDERANGEBOT

Die Erzählungen des Folio Club E-Book

Edgar Allan Poe

0,0
16,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 16,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Erstmals auf Deutsch: ein unvollendetes Frühwerk des großen US-Klassikers!

Der große Edgar Allan Poe als literarischer Stimmenimitator und Erzschelm: In seinem hier erstmals auf Deutsch erscheinenden Geschichtenreigen «Tales of the Folio Club» brilliert der US-Klassiker mit extravaganten Teufelsburlesken, schrägen Gothic Novels, spleenigen Piratenabenteuern und launigen Gruselmärchen.

Parodistisch nimmt der hochbegabte Jungautor sämtliche Schreibmoden seiner Zeit auf die Schippe und zettelt ein doppelbödiges, zwischen Hommage und Satire angesiedeltes Spiel an. Die bekanntesten «Opfer» seines jugendlich-genialen Übermuts sind die Größen der angloamerikanischen Literatur im frühen 19. Jahrhundert: Thomas Moore, ein Freund Lord Byrons, Washington Irving oder Samuel Taylor Coleridge. Und auch einen selbstironischen Cameo-Auftritt gönnt sich Mr. Poe. Dank Herausgeber Rainer Bunz, der die «Tales of the Folio Club» kundig rekonstruiert und kommentiert hat, lässt sich das Debüt des amerikanischen Kultautors in seinem Anspielungsreichtum erstmals auf Deutsch entdecken.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 245

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der große Edgar Allan Poe als literarischer Stimmenimitator und Erzschelm: In seinem hier erstmals auf Deutsch erscheinenden Erzähldebüt «Tales of the Folio Club» brilliert er mit extravaganten Teufelsburlesken, schrägen Gothic Novels, spleenigen Piratenabenteuern und launigen Gruselmärchen.

Edgar Allan Poe parodiert im «Folio Club» Schreibmoden und Literaturgenres seiner Zeit, zettelt ein doppelbödiges, zwischen Hommage und Satire angesiedeltes Spiel an, spießt die Marotten der Platzhirsche auf und treibt ihre Manier auf die Spitze. Die bekanntesten «Opfer» seines jugendlich-genialen Übermuts sind die Größen der angloamerikanischen Literatur im frühen 19. Jahrhundert: Thomas Moore, ein Freund Lord Byrons, Washington Irving oder Samuel Taylor Coleridge. Und auch einen selbstironischen Cameo-Auftritt gönnt sich Mr. Poe.

Dank Herausgeber Rainer Bunz, der die «Tales of the Folio Club» kundig rekonstruiert und kommentiert hat, lässt sich das Debüt des amerikanischen Kultautors in seinem Anspielungsreichtum erstmals auf Deutsch entdecken.

Edgar Allan Poe (1809–1849), in Boston geboren, wurde im Alter von zwei Jahren zur Waise und wuchs im Haus eines Ziehvaters auf. Er studierte in Charlottesville, Virginia, ging für vier Jahre zur Armee und wurde schließlich Journalist. Seit seiner Entdeckung durch Charles Baudelaire gilt er als eine der faszinierendsten Dichtergestalten des 19. Jahrhunderts, als «Erfinder der Detektivgeschichte, Großmeister des Horrors, Ahnherr der phantastischen Literatur und der Science Fiction» (Hans-Dieter Gelfert).

Edgar Allan Poe

DIE ERZÄHLUNGEN DES FOLIO CLUB

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt, herausgegeben und mit einem Nachwort von Rainer Bunz

MANESSE VERLAG

I. Der Folio Club

Von Macchiavell ein Plan liegt in der Luft, doch keine Nase riecht den üblen Duft.

Butler1

Der Folio Club, das muss ich leider sagen, ist bloß eine Clique von Schwachköpfen. Ich meine auch, die Mitglieder sehen ebenso hässlich aus, wie sie dumm sind. Zudem glaube ich, es ist ihre feste Absicht, die Literatur abzuschaffen, die freie Presse zu untergraben und die Herrschaft von Nomen und Pronomen über den Haufen zu werfen. Dies sind meine privaten Ansichten, die öffentlich zu machen ich mir hiermit gestatte.

Als ich aber vor etwa einer Woche erstmals diesem Teufelsbund beitrat, hätte niemand tiefere Empfindungen der Bewunderung und Achtung hegen können als ich. Warum meine Gefühle in dieser Angelegenheit einen Wandel durchgemacht haben, wird in der Folge überdeutlich zutage treten. Bis dahin werde ich meinen guten Ruf und die Würde der Literatur verteidigen.

Bezugnehmend auf die Urkunden stelle ich fest, dass der Folio Club als solcher am … im … des Jahres … gegründet wurde. Ich fange gern mit dem Anfang an, und für Zeitangaben habe ich eine gewisse Schwäche. Eine Klausel in den damals verabschiedeten Statuten verlangte von den Mitgliedern einzig, gelehrsam und geistreich zu sein, und als erklärte Ziele des Bundes galten «die Belehrung der Gesellschaft und das eigene Ergötzen». Zu letzterem Zweck findet allmonatlich im Haus eines Mitglieds ein Treffen statt, zu dem jeder Einzelne mit einer selbst erfundenen kurzen Prosaerzählung erscheinen soll. Jeden solchermaßen produzierten Beitrag trägt der jeweilige Autor der versammelten Gesellschaft bei einem Glas Wein während des Abendessens vor. Natürlich hat dies manche Rivalität zur Folge – umso mehr, als der Verfasser des «Besten Stücks» zum Präsidenten des Clubs pro tempore ernannt wird: ein mit vielen Ehren und geringem Aufwand dotiertes Amt, das seinem Inhaber so lange erhalten bleibt, bis ein besseres morceau2 ihn davon befreit. Auf der anderen Seite ist der geistige Vater jener Erzählung, der die wenigsten Meriten zugesprochen wurden, verpflichtet, beim nächsten derartigen Treffen der Gesellschaft für Abendessen und Wein zu sorgen. Dies hat sich als ausgezeichnete Methode erwiesen, der Körperschaft hin und wieder ein neues Mitglied zuzuführen, anstelle jenes Unglücklichen, der zwei oder drei Veranstaltungen hintereinander verpatzt hatte und nun natürlich sowohl «höchster Ehre» als auch der Vereinigung eine Absage erteilte. Die Zahl der Clubmitglieder ist auf elf beschränkt. Wofür es viele gute Gründe gibt, welche hier zu erwähnen sich erübrigt, da sie sich jedem denkenden Menschen gewiss von selbst aufdrängen. Einer dieser Gründe ist jedoch, dass sich am ersten April des Jahres dreihundertfünfzig vor der Sintflut genau elf Flecken auf der Sonne befunden haben sollen.

Wie man sieht, habe ich bei dieser rasch skizzierten Beschreibung der Gesellschaft meine Empörung weitestgehend gezügelt, um mit ungewöhnlicher Offenheit und Freiheit reden zu können. Das Exposé, das ich zu verfassen beabsichtige, wird die Vorgänge am vergangenen Dienstagabend hinreichend schildern, da ich mein Debüt als Mitglied jener Körperschaft gab, zu dem man mich anstelle des zurückgetretenen Ehrenwerten Augustus Scratchaway kurzerhand erwählt hatte.

Um fünf Uhr nachmittags begab ich mich verabredungsgemäß zum Haus von Mr. Rouge-et-Noir, einem Bewunderer Lady Morgans3, dessen Erzählung beim letzten monatlichen Treffen keine Gnade gefunden hatte. Ich traf die Gesellschaft schon im Speisezimmer versammelt an und muss gestehen, dass mich das prachtvolle Feuer, die komfortabel anmutende Wohnung und die exzellente Bestückung der Tafel in gleichem Maß wie das gebührende Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten fürs Erste zu manch köstlicher Betrachtung ermunterten. Man hieß mich aufs Allerherzlichste willkommen, und während ich speiste, beglückwünschte ich mich vielfach dazu, Teil einer so gescheiten Gesellschaft geworden zu sein.

Die Mitglieder waren überhaupt höchst bemerkenswerte Männer. An erster Stelle ist da Mr. Snap, der Präsident, zu nennen, ein sehr hagerer Mann mit Hakennase, der vormals im Dienst der «Down-East Review» stand.4

Dann war da Mr. Convolvulus Gondola, ein junger, ziemlich weit gereister Gentleman.

Dann war da De Rerum Naturâ, Esqr., der ein wirklich einzigartiges Paar grüner Augengläser trug.

Dann war da ein sehr kleiner Mann im schwarzen Anzug mit sehr schwarzen Augen.

Dann war da Mr. Solomon Seadrift, der gänzlich wie ein Fisch aussah.

Dann war da Mr. Horribile Dictu5, der weiße Wimpern hatte und in Göttingen graduiert worden war.

Dann war da Mr. Blackwood Blackwood, Verfasser gewisser Artikel für ausländische Zeitschriften.

Dann war da der Gastgeber Mr. Rouge-et-Noir, der Lady Morgan bewunderte.

Dann war da ein dicker Gentleman, der Sir Walter Scott6 bewunderte.

Schließlich war da Chronologos Chronology, der Horace Smith7 bewunderte und eine sehr große Nase hatte, die in Kleinasien gewesen war.

Nachdem man das Tischtuch entfernt hatte, sprach Mr. Snap zu mir: «Ich sehe eigentlich keinen Grund, Ihnen, mein Herr, die Statuten unseres Clubs noch näher zu erläutern. Ich denke, Ihnen ist unsere Absicht bekannt, die Gesellschaft zu belehren und uns selbst zu ergötzen. Heute Abend aber schlagen wir vor, nur das Letztere zu tun, und rufen Sie auf, sich Ihrerseits entsprechend zu beteiligen. Unterdessen werde ich die Verhandlung eröffnen.» An dieser Stelle zog Mr. Snap, nachdem er die Flasche weggeschoben hatte, ein Manuskript hervor und las wie folgt.

II. Wie man Geld auftreibt oder: Schwindeln als eine der exakten Wissenschaften betrachtet1

He, schwindel, schwindel, Die Katz’ und das Kindel.

Aus einem Epos von «Flaccus»2

Seit Anbeginn kennt die Welt zwei Jeremiasse. Der eine schrieb eine Jeremiade über den Wucher und hieß Jeremy Bentham.3 Er wurde von Mr. John Neal4 sehr bewundert und war ein großer Mann im Kleinen. Der andere, welcher der wichtigsten der exakten Wissenschaften den Namen gab, wurde Jeremy Diddler tituliert. Er war ein großer Mann im Großen – ja, ich darf in der Tat sagen, im Allergrößten.

Das Schwindeln beziehungsweise die durch das Verb «schwindeln» vermittelte abstrakte Idee ist hinreichend bekannt. Doch der Tatbestand, die Handlung, das Schwindeln an sich, ist etwas schwieriger zu definieren. Wir können uns aber eine ziemlich deutliche Vorstellung von der in Rede stehenden Angelegenheit machen, wenn wir nicht die Sache, also das Schwindeln an sich, sondern den Menschen definieren: als ein Tier, das schwindelt. Wäre Platon nur auf diesen Einfall gekommen, so wäre ihm die Blamage mit dem gerupften Huhn erspart geblieben.

Man wollte nämlich von Platon wissen, warum es sich bei einem gerupften Huhn, eindeutig «ein Zweibeiner ohne Federn», denn nicht um einen Menschen gemäß seiner Definition handle.5 Mit solchen Fragen soll man mir aber nicht kommen. Der Mensch ist ein Tier, das schwindelt, und außer dem Menschen gibt es kein Tier, das schwindelt. Um mir das auszureden, braucht es einen ganzen Stall voll gerupfter Hühner.

Bezeichnend für das Wesen, die Sache, das Prinzip des Schwindelns ist, dass es in der Tat der Klasse jener Geschöpfe eigentümlich ist, die Mantel und Hose tragen. Eine Krähe stiehlt, ein Fuchs betrügt, ein Wiesel überlistet, ein Mensch schwindelt. Schwindeln ist seine Bestimmung. «Der Mensch ist zum Trauern geboren», sagt der Dichter.6 Aber nicht doch – er ist zum Schwindeln geboren. Das ist sein Streben, sein Ziel, sein Ende. Und deswegen sagen wir über einen Menschen, der beschwindelt wurde, er sei «völlig am Ende».

Recht betrachtet, ist das Schwindeln ein Konglomerat, dessen Bestandteile Genauigkeit, Interesse, Ausdauer, Einfallsreichtum, Kühnheit, Nonchalance, Originalität, Unverschämtheit und Grinsen sind.

Genauigkeit: Der Schwindler ist genau. Er operiert in kleinem Maßstab. Sein Geschäft ist der Kleinhandel gegen Barzahlung oder sichere Wechsel auf Sicht. Sollte er jemals zu größeren Spekulationen versucht sein, so verliert er sogleich seine eigentümlichen Merkmale und wird zu dem, was wir einen «Finanzier» nennen. Letzteres entspricht der Idee des Schwindelns in jeder Hinsicht – mit Ausnahme der Größe. Ein Schwindler kann demnach als klammheimlicher Bankier gelten, eine «Finanzoperation» als ein Brobdignag7-Schwindel. Das eine verhält sich zum andern wie ein Mastodon zur Maus, wie ein Kometenschweif zum Schweineschwänzchen, wie Homer zu Flaccus, wie die «Ilias» zu Sam Patch8.

Interesse: Der Schwindler wird von Eigeninteresse geleitet. Seine Verachtung gilt dem, der bloß um des Schwindelns willen schwindelt. Er hat ein Ziel vor Augen: seine Tasche – und deine. Er hat immer die beste Gelegenheit im Blick. Er bringt seine Schäflein ins Trockene, um deine eigenen musst du dich schon selber kümmern.

Ausdauer: Der Schwindler lässt nicht locker. Er ist nicht so leicht zu entmutigen. Sollten Banken zusammenbrechen, kümmert ihn das kein bisschen. Unbeirrt verfolgt er sein Ziel, und ut canis a corio nunquam absterrebitur uncto9 lässt er nie von seiner Beute ab.

Einfallsreichtum: Der Schwindler ist genial. Er hat einen ausgeprägten Hang zur Konstruktion. Er versteht es, Ränke zu schmieden. Er findet Wege und Umwege. Wäre er nicht Alexander, so würde er Diogenes sein.10 Wäre er nicht, was er ist, so würde er Patentrattenfallen herstellen oder Forellen angeln.

Kühnheit: Der Schwindler ist kühn und wagemutig. Er trägt den Krieg nach Afrika. Er erobert alles im Sturm. Er hätte keine Angst vor den Dolchen der Frey-Herren11. Mit ein wenig mehr Umsicht hätte Dick Turpin einen guten Schwindler abgegeben, mit etwas weniger Flunkerei Daniel O’Connell und mit einem Pfund oder zwei mehr Gehirn auch Karl XII.12

Nonchalance: Der Schwindler ist nonchalant. Er ist überhaupt nicht nervös. Er kennt gar keine Nerven. Er lässt sich nie in Aufregung versetzen. Er gerät nie außer sich – außer man setzt ihn vor die Tür. Er ist kalt – die Kaltblütigkeit selbst. Er ist entspannt – «entspannt wie ein Lächeln von Lady Bury13». Er ist locker – locker wie ein alter Handschuh oder die Jungfrauen im antiken Baiae14.

Originalität: Der Schwindler ist originell – aufs Gewissenhafteste. Er hat seine eigenen Gedanken. Er würde es verächtlich ablehnen, sich derjenigen eines andern zu bedienen. Abgenutzte Tricks sind ihm ein Gräuel. Er würde eine Geldbörse zurückgeben, da bin ich mir sicher, wenn er entdeckte, dass er sie durch einen unoriginellen Schwindel an sich gebracht hätte.

Unverschämtheit: Der Schwindler ist unverschämt. Er schwadroniert. Er stemmt die Arme in die Hüfte. Er stößt die Hände in die Hosentaschen. Er lächelt dir höhnisch ins Gesicht. Er tritt dir auf die Hühneraugen. Er verzehrt dein Abendessen, trinkt deinen Wein, borgt dein Geld, zieht dich an der Nase, tritt deinen Pudel und küsst deine Frau.

Grinsen: Der echte Schwindler wickelt alles mit einem Grinsen ab. Aber das sieht keiner, nur er selbst. Hat er sein Tagewerk vollbracht und erledigt, was er sich vorgenommen hatte, dann grinst er, bei Nacht und im eigenen Kämmerlein, nur zu seinem eigenen Vergnügen. Er kommt nach Hause, schließt seine Tür, entledigt sich seiner Kleider, löscht die Kerze, steigt ins Bett und platziert sein Haupt aufs Kissen. Ist dies alles getan, grinst der Schwindler. Das ist keine Hypothese, sondern eine Tatsache. A priori argumentiert, wäre ein Schwindel ohne Grinsen ja gar kein Schwindel.

Der Schwindel hat seinen Ursprung in der Kindheit des Menschengeschlechts. Vielleicht war ja Adam der erste Schwindler. Auf jeden Fall finden wir bereits in einer sehr frühen Epoche der Antike Spuren dieser Wissenschaft. Die modernen Vertreter haben selbige aber zu einem Grad der Vollkommenheit gebracht, den sich unsere dickköpfigen Vorfahren nie hätten träumen lassen. – Ohne länger bei alten Sprichwörtern zu verweilen, werde ich mich deshalb darauf beschränken, kurz und knapp einige Fallbeispiele aus moderner Zeit zu schildern.

Ein sehr guter Schwindel ist folgender. Nehmen wir an, eine Haushälterin ist auf der Suche nach einem Sofa, und wir beobachten sie, wie sie mehrere Möbelmagazine betritt und wieder herauskommt. Endlich gelangt sie zu einem, das mit einer ausgezeichneten Auswahl aufwartet. Ein höfliches, redegewandtes Individuum am Eingang spricht sie an und bittet sie einzutreten. Sie findet ein Sofa ganz nach ihren Vorstellungen und ist angenehm überrascht, als ihr eine Summe genannt wird, die wenigstens zwanzig Prozent unter dem liegt, was sie erwartet hat. Sie beeilt sich, den Kauf zu tätigen, bekommt eine Rechnung mit Quittung, hinterlässt ihre Adresse mit der Bitte, den Gegenstand so schnell wie möglich zu liefern, und zieht unter den nicht enden wollenden Verbeugungen des Ladenbesitzers von dannen. Der Abend kommt, jedoch kein Sofa. Ein Dienstbote wird geschickt, den Grund für die Verzögerung zu erkunden. Dort will man von der ganzen Transaktion nichts wissen. Niemand hat ein Sofa verkauft, niemand Geld erhalten – außer dem Schwindler, der für einen Augenblick den Ladenbesitzer spielte.

In unseren großen Möbelgeschäften gibt es ja keinerlei Aufsicht, was einen derartigen Trick in jeder Beziehung begünstigt: Besucher treten ein, schauen sich die Möbel an und gehen unbemerkt und ungesehen wieder fort. Will jemand etwas kaufen oder sich nach dem Preis eines Artikels erkundigen, so ist eine Glocke zur Hand, und diese erachtet man als völlig ausreichend.

Auch der folgende ist ein ganz respektabler Schwindel: Ein gut gekleidetes Individuum betritt einen Laden, tätigt einen Kauf im Wert von einem Dollar und entdeckt, sehr zu seinem Ärger, dass er seine Brieftasche in der Tasche eines anderen Mantels hat stecken lassen, und so sagt er zu dem Ladenbesitzer: «Lieber Herr, das ist ja kein Beinbruch! Hätten Sie vielleicht die Freundlichkeit, mir das Paket nach Hause zu schicken? Aber halt!, da fällt mir ein, dass ich auch dort kein Kleingeld habe, nur einen Fünfdollarschein. Sie könnten jedoch zusammen mit dem Paket gleich vier Dollar Wechselgeld schicken, ja?»

«Sehr wohl, mein Herr», antwortet der Ladenbesitzer, der sogleich eine hohe Meinung von der edlen Gesinnung seines Kunden gewinnt. «Ich kenne Leute», sagt er sich, «die hätten die Ware einfach unter den Arm geklemmt und wären fortgegangen, mit dem Versprechen, den Dollar zu bezahlen, wenn sie am Nachmittag wieder vorbeikämen.»

Ein Laufbursche wird mit Paket und Wechselgeld losgeschickt. Unterwegs, welch ein Zufall, begegnet ihm der Käufer, der ausruft: «Ah, ich sehe, da ist mein Paket. Ich dachte, du hättest es schon längst bei mir abgeliefert. Na, lauf weiter! Mrs. Trotter, meine Gattin, wird dir die fünf Dollar aushändigen. Ich habe sie bereits entsprechend instruiert. Das Wechselgeld könntest du mir aber gleich jetzt herausgeben, ich brauche nämlich etwas Silber auf der Post. Sehr gut! Eins, zwei … soll das ein guter Vierteldollar sein? … drei, vier … stimmt genau! Sag Mrs. Trotter, du seist mir unterwegs begegnet. Jetzt aber los und lass dich nicht weiter aufhalten.»

Der Laufbursche lässt sich durch nichts aufhalten, aber er braucht doch sehr lange, bis er von seinem Botengang zurückkehrt – denn eine Dame namens Mrs. Trotter hat er nirgends ausfindig machen können. Er tröstet sich jedoch damit, dass er nicht so töricht war, die Ware gratis herzugeben. Mit selbstzufriedener Miene wieder zurück im Laden, fühlt er sich empfindlich verletzt durch die empörende Frage seines Chefs, was aus dem Wechselgeld geworden sei.

Ein wirklich sehr simpler Schwindel ist folgender. Dem Kapitän eines Schiffs, das gerade lossegeln will, wird durch eine amtlich dreinblickende Persönlichkeit eine ungewöhnlich moderate städtische Gebührenrechnung präsentiert. Froh, so billig davonzukommen, und abgelenkt von hundert anderen Dingen, die alle auf einmal erledigt sein wollen, begleicht er unverzüglich die Forderung. Etwa fünfzehn Minuten später wird ihm eine andere, gar nicht so moderate Rechnung von jemandem überreicht, der ihm schnell deutlich macht, dass der erste Geldeintreiber ein Schwindler war und die erste Geldeintreibung ein Schwindel.

Ganz ähnlich der folgende Streich. Ein Dampfer macht am Pier die Leinen los. Da taucht, den Koffer in der Hand, ein Reisender auf, der in höchster Eile zur Anlegestelle rennt. Abrupt hält er inne, bückt sich und hebt mit Zeichen höchster Erregung etwas vom Boden auf. Es ist eine Brieftasche, und laut ruft er: «Hat einer der Herren seine Brieftasche verloren?» Zwar kann keiner sagen, er vermisse eine solche Brieftasche, doch macht sich große Erregung breit, als sich das Fundstück als wertvoll erweist. Das Schiff darf indes nicht aufgehalten werden.

«Zeit und Gezeiten warten auf keinen», sagt der Kapitän.

«Um Gottes willen, so gedulden Sie sich doch noch ein paar Minuten», sagt der Finder der Brieftasche, «der rechtmäßige Eigentümer muss ja gleich auftauchen.»

«Kann nicht warten!», entgegnet die Autoritätsperson. «Leinen los, ham Sie das nicht gehört?»

«Was soll ich bloß tun?», fragt der Finder in großer Bedrängnis. «Ich bin im Begriff, das Land auf einige Jahre zu verlassen, und kann doch nicht guten Gewissens eine so große Summe einfach für mich behalten. Ich bitte um Verzeihung, mein Herr» – dies ruft er einem Gentleman an Land zu – «aber Sie machen auf mich den Eindruck eines ehrlichen Mannes. Wollen Sie mir einen Gefallen erweisen und diese Brieftasche an sich nehmen – ich weiß, ich kann Ihnen vertrauen – und den Fund annoncieren? Es handelt sich, wie Sie sehen, bei den Scheinen um eine sehr beträchtliche Summe. Der Besitzer wird ohne Zweifel darauf bestehen, Sie für Ihre Mühe angemessen zu belohnen …»

«Mich …? Nein, Sie – Sie haben doch die Brieftasche gefunden!»

«Nun, wenn Sie durchaus wollen und um Ihre Skrupel zu zerstreuen, werde ich mir eine kleine Belohnung herausnehmen. Schauen wir mal … aber das sind ja lauter Hundertdollarscheine … Du liebe Güte!, ein Hunderter wäre ja viel zu viel – fünfzig sind mehr als genug, will ich meinen …»

«Leinen los!», ruft der Kapitän.

«Aber einen Hunderter kann ich gar nicht wechseln, und überhaupt wäre es besser, wenn Sie …»

«Ablegen!», ruft der Kapitän.

«Schon gut!», schreit der Gentleman an Land, der eben noch einen langen, prüfenden Blick in seine eigene Brieftasche getan hat. «Schon gut! Ich erledige das – hier ist ein Fünfziger von der Bank of North America – werfen Sie mir die Brieftasche herüber.»

Daraufhin nimmt der übertrieben gewissenhafte Finder den Fünfziger mit merklichem Widerstreben entgegen und wirft wie gewünscht dem Gentleman die Brieftasche zu, während der Dampfer sich qualmend und zischend entfernt. Eine halbe Stunde nach der Abfahrt schließlich entpuppt sich die «beträchtliche Summe» als glatte «Vorspiegelung falscher Tatsachen» und die ganze Angelegenheit als kapitaler Schwindel.

Und nun zu einem kühnen Schwindel: Ein Camp-Meeting15 oder eine ähnliche religiöse Veranstaltung soll an einer bestimmten Stelle abgehalten werden, die nur über eine Brücke zu erreichen ist. Ein Schwindler postiert sich nun auf der Brücke und macht alle Passanten respektvoll auf eine neue Verordnung aufmerksam, wonach für jeden Fußgänger eine Maut von einem Cent, für Pferde und Esel von zwei Cent und so weiter und so weiter erhoben werden. Einige meckern zwar, aber alle fügen sich, und der Schwindler geht um einige fünfzig oder sechzig wohlverdiente Dollar reicher nach Hause. Allerdings ist die Einnahme der Maut bei einer so großen Menschenmenge eine ausgesprochen mühsame Angelegenheit.

Ein hübscher Schwindel ist folgender. Ein Freund besitzt einen akzeptierten Wechsel des Schwindlers, ordnungsgemäß ausgefüllt und unterschrieben auf einem der üblichen rot bedruckten Formulare. Der Schwindler kauft sich nun ein oder zwei Dutzend dieser Vordrucke, taucht jeden Abend beim Dinner einen in seine Suppe, lässt seinen Hund danach springen und gibt ihn dem Tier als bonne bouche16. Als besagter Wechsel fällig wird, sucht der Schwindler seinen Freund in Begleitung seines Hundes auf und bringt die Sprache auf das Zahlungsversprechen. Der Freund holt den Wechsel aus seinem escritoire17 und will ihn gerade dem Schwindler überreichen, als dessen Hund hochspringt und ihn umgehend verschlingt. Der Schwindler ist nicht nur überrascht, sondern verärgert, ja erzürnt über das absurde Benehmen seines Hundes und erklärt seine entschiedene Bereitschaft, sein Zahlungsversprechen jederzeit einzulösen – sobald der Beleg dafür wieder zum Vorschein käme.

Ein recht unbedeutender Schwindel geht so: Eine Dame wird auf der Straße von einem Komplizen des Schwindlers beleidigt. Der Schwindler selbst eilt ihr zu Hilfe. Er verpasst seinem Freund eine hübsche Tracht Prügel und besteht darauf, die Dame bis zu ihrer Haustür zu begleiten. Dort verbeugt er sich, die Hand auf dem Herzen, und verabschiedet sich aufs Höflichste. Sie bittet ihn als ihren Retter herein, um ihn ihrem großen Bruder und dem Herrn Papa vorzustellen. Mit einem Seufzer lehnt er ab. «Gibt es denn keine Möglichkeit», säuselt sie, «womit ich Ihnen meine Dankbarkeit bezeugen könnte?»

«Aber ja doch, Madam, die gibt es. Hätten Sie vielleicht die Güte, mir ein paar Shilling18 zu leihen?»

Im Schreck des ersten Augenblicks entscheidet sich die Dame ohne Umschweife für eine Ohnmacht. Ihr zweiter Gedanke bewegt sie jedoch dazu, ihre Börse zu öffnen und die Münzen hervorzuholen. Wie gesagt, dies ist ein unbedeutender Schwindel – zumal die Hälfte der geborgten Summe an jenen Gentleman abzuführen ist, der sich mit der Beleidigung abmühte und dann stillhalten musste, um sich verprügeln zu lassen.

Ein eher kleiner, aber doch ausgeklügelter Schwindel ist dieser. Der Schwindler geht in einer Kneipe an die Theke und verlangt ein paar Rollen Kautabak. Man gibt sie ihm, dann, nach kurzer Prüfung, sagt er: «Diesen Tabak mag ich nicht besonders. Hier, nehmen Sie ihn zurück und geben Sie mir stattdessen einen Brandy mit Wasser.»

Der Brandy mit Wasser wird bereitgestellt und getrunken, der Schwindler begibt sich zur Tür. Doch die Stimme des Kneipenwirts hält ihn auf: «Ich glaube, mein Herr, Sie haben vergessen, Ihren Brandy mit Wasser zu bezahlen!»

«Meinen Brandy mit Wasser bezahlen …! Ich habe Ihnen für den Brandy mit Wasser doch den Tabak gegeben! Was wollen Sie denn noch?»

«Aber wenn Sie erlauben, mein Herr, ich kann mich nicht entsinnen, dass Sie den Tabak bezahlt hätten.»

«Was meinen Sie damit, Sie Schuft …? Habe ich Ihnen Ihren Tabak nicht zurückgegeben? Ist das nicht Ihr Tabak, der da liegt? Glauben Sie, ich bezahle für etwas, was ich nicht genommen habe?»

«Aber mein Herr», sagt der Wirt, nun ziemlich um Worte verlegen, «aber mein Herr …»

«Kein ‹aber›, mein Herr», unterbricht ihn der Schwindler, offenbar sehr in Rage, knallt die Tür hinter sich zu und sucht das Weite. «Bei mir gibt’s kein ‹aber›, mein Herr, und auch keine billigen Tricks gegenüber Reisenden.»

Hier ist noch ein sehr schlauer Schwindel, für den nicht zuletzt seine Einfachheit spricht. Jemand hat tatsächlich eine Geldbörse oder Brieftasche verloren und gibt in einer der Tageszeitungen einer Großstadt eine Anzeige mit ausführlicher Beschreibung auf.

Unser Schwindler kopiert daraufhin die Fakten dieser Anzeige und verändert dabei Überschrift, Stil und Adresse. Angenommen, das Original ist lang, weitschweifig und mit «Brieftasche verloren!» überschrieben und enthält die Bitte, der Finder möge den Schatz beim Eigentümer in der Dick Street Nr. 1 abgeben, so ist die Kopie kurz, mit «Verloren!» überschrieben und nennt als Adresse des Eigentümers Tom Street Nr. 2 oder Harry Street Nr. 3. Darüber hinaus erscheint das Inserat in mindestens fünf oder sechs Tageszeitungen, und zwar nur wenige Stunden nach dem Original. Sollte der Verlierer der Geldbörse die Anzeige lesen, würde er kaum einen Bezug zu seinem eigenen Missgeschick vermuten. Aber natürlich stehen nun die Chancen fünf oder sechs zu eins, dass der Finder sich statt an die Adresse des rechtmäßigen Eigentümers an die vom Schwindler angegebene wendet. Der zahlt die Belohnung, heimst den Schatz ein und macht sich aus dem Staub.

Ein vergleichbarer Schwindel ist dieser hier. Einer vornehmen Dame ist irgendwo auf der Straße ein außergewöhnlich wertvoller Diamantring vom Finger geglitten. Dem Finder bietet sie um die vierzig oder fünfzig Dollar Belohnung, auch gibt sie in ihrer Anzeige eine sehr genaue Beschreibung des Edelsteins und seiner Fassung. Sie erklärt, bei Abgabe des Schmucks in der Avenue Daundda, Nummer soundso werde die Belohnung aufderStelle ausbezahlt und keine einzige Frage gestellt. Ein oder zwei Tage später, als die Dame des Hauses gerade einmal ausgegangen ist, läutet die Glocke an der Haustür von Nummer soundso in der Avenue Daundda. Ein Dienstmädchen öffnet, der Besucher erkundigt sich nach der Dame des Hauses und erfährt zu seinem Erstaunen von ihrer Abwesenheit, woraufhin er sein schmerzlichstes Bedauern ausdrückt. Sein Anliegen sei wichtig und betreffe allein die Dame des Hauses, habe er doch tatsächlich das Glück gehabt, ihren Diamantring zu finden. Aber er könne ja ein anderes Mal wiederkommen. «Auf keinen Fall!», sagt das Dienstmädchen, und «Auf keinen Fall!» sagen auch der Dame Schwester und Schwägerin, die sofort herbeigeholt worden sind. Lautstark wird der Ring identifiziert, die Belohnung ausbezahlt und der Finder zur Tür fast hinausgedrängt. Die Dame kehrt zurück und kann eine gewisse Unzufriedenheit mit ihrer Schwester und ihrer Schwägerin nicht ganz unterdrücken, haben diese doch vierzig oder fünfzig Dollar für ein Faksimile ihres Diamantrings bezahlt – ein Faksimile aus echtem Tombak19 und falschen Diamanten.

Da es aber Schwindeleien ohne Ende gibt, käme ich mit dieser Abhandlung nie zu einem solchen, selbst wenn ich nur die Hälfte der Varianten und Abwandlungen dieser dafür anfälligen Wissenschaft skizzieren wollte. Ich muss meinen Aufsatz daher notgedrungen beschließen, und dies tue ich am besten, indem ich in geraffter Form einen recht anständigen, allerdings sehr ausgeklügelten Schwindel schildere, der sich vor Kurzem in unserer Stadt abspielte und der später mit Erfolg in Ortschaften der Union wiederholt wurde, wo die Leute noch etwas grüner hinter den Ohren sind. Ein Herr mittleren Alters und unbekannter Herkunft kommt in die Stadt. Er verhält sich auffallend korrekt, zurückhaltend, seriös und vorsichtig. Seine Kleidung ist makellos sauber, obgleich einfach und schlicht. Er trägt ein weißes Halstuch, einen weiten, ganz auf Bequemlichkeit zugeschnittenen Rock, dick besohlte, behaglich aussehende Stiefel und Beinkleider ohne Hosenträger. Er wirkt in der Tat wie ein wohlsituierter, nüchterner, penibler und respektabler Geschäftsmann par excellence, ein äußerlich strenger, innerlich aber weicher Mensch, wie wir ihn zur Genüge aus Komödien kennen, einer jener Typen, auf deren Worte man bauen kann und die mit der einen Hand wohltätig Guineen20 verteilen, während sie mit der andern um den kleinsten Bruchteil eines Viertelpennys feilschen.

Er macht große Umstände, bis er eine Pension gefunden hat, die ihm zusagt. Kinder mag er nicht. Er braucht Ruhe um sich. Seine Gewohnheiten haben Methode. Am liebsten würde er sich bei einer zurückgezogen lebenden, achtbaren und gottesfürchtigen kleinen Familie einquartieren. Die vertraglichen Bedingungen spielen weiter keine Rolle, nur muss er darauf bestehen, seine Rechnung am Ersten jedes Monats (heute ist der Zweite) zu begleichen. Als er schließlich eine Wirtin nach seinem Geschmack gefunden hat, bittet er sie, seine Instruktionen auf gar keinen Fall zu vergessen, ihm vielmehr am Ersten eines jeden Monats um Punkt zehn Uhr Rechnung und Quittung zukommen zu lassen und dies unter keinen Umständen auf den Zweiten verschieben.

Nachdem er diese Vorkehrungen getroffen hat, mietet unser Geschäftsmann ein Büro in einem eher respektablen als eleganten Stadtviertel. Nichts verachtet er so sehr wie leeren Schein. «Wo man viel herzeigt», sagt er, «steckt selten etwas Solides dahinter» – eine Beobachtung, die seine Wirtin so sehr bewegt, dass sie sie unverzüglich mit Bleistift in ihrer großen Familienbibel auf dem breiten Rand der Sprüche Salomos festhält. Der nächste Schritt besteht darin, etwa nach folgendem Beispiel in den wichtigsten Zeitungen für die Geschäftswelt zu inserieren; die billigeren Blättchen gelten als «unseriös» – und verlangen zudem Vorauskasse für alle Inserate. Unser Geschäftsmann hält unbeirrt an dem Grundsatz fest, dass Arbeit erst dann bezahlt werden soll, wenn sie geleistet wurde.

«Gesucht! – Die Inserenten, die in dieser Stadt eine umfangreiche Geschäftstätigkeit zu entfalten beabsichtigen, bedürfen der Dienste von drei oder vier intelligenten, qualifizierten Angestellten. Geboten wird ein großzügiges Gehalt, verlangt werden allerbeste Zeugnisse, weniger bezüglich Berufserfahrung als absoluter Zuverlässigkeit. Da die vorgesehenen Aufgaben mit viel Verantwortung verbunden sind und zwangsläufig große Geldmengen durch die Hände der Angestellten gehen, hält man es für angezeigt, von jedem Stellenbewerber eine Kaution von fünfzig Dollar zu verlangen. Zwecklos sind Bewerbungen ohne Hinterlegung der Kaution bei den Inserenten und ohne tadellose Nachweise moralischer Integrität. Junge Herren mit frommer Gesinnung werden bevorzugt. Bewerber wollen sich vormittags in der Zeit von 10 bis 11 Uhr und nachmittags von 4 bis 5 Uhr melden bei den Herren

Boggs, Hoggs, Logs, Frogs & Co.

Dog Street Nr. 110.»

Bis zum Einunddreißigsten des Monats hat diese Anzeige etwa fünfzehn oder zwanzig junge Herren mit frommer Gesinnung ins Büro der Fa. Boggs, Hoggs, Logs, Frogs & Co. geführt. Doch unser Geschäftsmann hat keine Eile, auch nur mit einem von ihnen einen Vertrag abzuschließen – überstürztes Handeln ziemt sich nicht für einen Geschäftsmann –, und erst nachdem man die Frömmigkeit jedes einzelnen dieser jungen Männer dem strengsten Katechismus unterzogen hat, werden seine Dienste in Anspruch genommen und seine fünfzig Dollar quittiert, die lediglich angemessener Vorsicht halber von der ehrenwerten Firma Boggs, Hoggs, Logs, Frogs & Co. vereinnahmt wurden. Am Morgen des ersten Tages des folgenden Monats präsentiert die Vermieterin nicht wie versprochen ihre Rechnung – eine Nachlässigkeit, für die sie vom gemütlichen Oberhaupt der auf «ogs» endenden Firma gewiss streng getadelt worden wäre, hätte er sich nur bewegen lassen, zu diesem Zweck noch einen weiteren Tag oder zwei in der Stadt zu bleiben.

Nach Lage der Dinge hatten die Polizisten einigen Kummer auszustehen, mussten hierhin und dorthin laufen, doch können sie letztlich nichts weiter tun, als den Geschäftsmann aufs Entschiedenste zu einem «kleinen Licht»21 zu erklären – womit sie, wie manche Leute sich einbilden, andeuten, er sei in Wirklichkeit n. e. i., worunter wiederum die sehr klassische Wendung non est inventus22