Die Falle | Ein spannungsgeladener Thriller mit einer unvorhersehbaren Wendung - Gregg Dunnett - E-Book
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Die Falle | Ein spannungsgeladener Thriller mit einer unvorhersehbaren Wendung E-Book

Gregg Dunnett

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Beschreibung

Ein tödliches Spiel zwischen Gut und Böse, in dem nichts ist, wie es scheint – und der Einsatz ist höher als je zuvor
Der nervenaufreibende Thriller, der tief in die düsteren Abgründe der menschlichen Seele führt

Detective Erica Sands trägt ein dunkles Geheimnis mit sich: Ihr Vater, ein verurteilter Serienmörder, fristet sein Dasein in einem Hochsicherheitsgefängnis. Als in einer abgelegenen Hütte die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, wird Erica unweigerlich in die düstere Welt ihrer Vergangenheit zurückgezogen. Entgegen ihrem Wunsch, diese hinter sich zu lassen, meldet sich ihr Vater und behauptet, entscheidende Informationen zu besitzen, die den Fall lösen könnten. Doch der Gedanke, ihm erneut gegenüberzustehen, erfüllt Erica mit Abscheu und Angst.
Die Ermittlungen nehmen eine drastische Wendung, als zwei Zwillingsmädchen vor der Schule spurlos verschwinden. Erica steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Kann sie ihrem Vater trauen, um das Leben der Mädchen zu retten? Die Uhr tickt, und die Wahrheit könnte sie alles kosten …

Weitere Titel in der Reihe
Die Bucht (ISBN: 9783989983441)

Erste Leser:innenstimmen
„Ein düsterer, komplexer und cleverer Thriller, der einen bis zum Ende miträtseln lässt.“
„Spannend! Ich konnte nicht aufhören zu lesen, weil ich einfach wissen musste, wie es weitergeht.“
„Großartige, gut ausgearbeitete Charaktere erwecken den Psychothriller zum Leben und machen ihn zu einem echten Pageturner.“
„Wer einen fesselnden und rasanten Thriller mit unerwarteten Twists sucht, wird nicht enttäuscht“

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 450

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Über dieses E-Book

Detective Erica Sands trägt ein dunkles Geheimnis mit sich: Ihr Vater, ein verurteilter Serienmörder, fristet sein Dasein in einem Hochsicherheitsgefängnis. Als in einer abgelegenen Hütte die Leiche einer jungen Frau gefunden wird, wird Erica unweigerlich in die düstere Welt ihrer Vergangenheit zurückgezogen. Entgegen ihrem Wunsch, diese hinter sich zu lassen, meldet sich ihr Vater und behauptet, entscheidende Informationen zu besitzen, die den Fall lösen könnten. Doch der Gedanke, ihm erneut gegenüberzustehen, erfüllt Erica mit Abscheu und Angst. Die Ermittlungen nehmen eine drastische Wendung, als zwei Zwillingsmädchen vor der Schule spurlos verschwinden. Erica steht vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Kann sie ihrem Vater trauen, um das Leben der Mädchen zu retten? Die Uhr tickt, und die Wahrheit könnte sie alles kosten …

Impressum

Deutsche Erstausgabe Dezember 2024

Copyright © 2025 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98998-350-2

Copyright © 2023, Gregg Dunnet Titel des englischen Originals: The Trap

Übersetzt von: Verena Wirtenberger Covergestaltung: Anne Gebhardt unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Janis Smits, © Bits and Splits und Adobe Firefly 3 Korrektorat: Katrin Gönnewig

E-Book-Version 06.03.2025, 10:41:17.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Die Falle

Eins

Eine heftige Windböe rüttelte am Auto. Draußen reckten sich die Äste der bereits blätterlosen Bäume wie verkümmerte Arme von Ghulen gierig nach den Wolken. Weiter vorne fiel die Straße in eine Senke ab. Detective Chief Inspector Erica Sands schaltete das Fernlicht ein und beleuchtete die schmierige Nässe draußen.

Sie war noch ein paar Minuten vom Mordhaus entfernt, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie einen zweiten Beamten der Mordkommission hätte mitnehmen sollen. Aber im MID – dem South West Murder Investigation Department – herrschte Personalmangel, und es wäre reine Ressourcenverschwendung gewesen, zwei Leute eine Kleinigkeit wie diese überprüfen zu lassen. Sie wischte den Gedanken beiseite wie die Scheibenwischer den Regen auf der Windschutzscheibe.

Außerdem hatte diese Kleinigkeit etwas an sich, weshalb sie sich lieber allein darum kümmern wollte.

Der Anruf war von Commander Black gekommen, dem ranghöchsten Polizeibeamten der South West Police Force. Zunächst hatte er gesagt, sein Interesse sei reiner Routine geschuldet – eine Behauptung, die so offensichtlich falsch war, dass sie sich gefragt hatte, ob er wollte, dass sie misstrauisch wurde, aber wenn ja, wusste sie nicht, warum. Dann hatte er sie nach dem Jane-Smith-Fall gefragt.

Der wuchtige Wagen schoss über den Rand der Senke und war für einen Moment schwerelos, als die Straße abfiel. Ganz unten fühlte Sands, wie sie in den Sitz gedrückt wurde. Automatisch lockerte sie den Griff um das Lenkrad, während der starke Motor das Auto auf der anderen Seite wieder nach oben rauschen ließ. In Gedanken ging sie den Fall noch einmal durch.

Jane Smith war drei Monate zuvor im Alter von fünfundfünfzig Jahren gestorben. Sie hatte allein gelebt, mit nur wenigen unmittelbaren Nachbarn, und ihr Cottage lag in einer besonders versteckten Ecke des ohnehin schon sehr ländlichen Blackmore Vale in Dorset. Ein Automechaniker aus dem Ort hatte ihre Leiche entdeckt, nachdem Smith ihr Auto nicht abgeholt hatte. Als Teil eines persönlichen Service, der immer mehr aus der Mode kam, hatte der Mechaniker aus Sorge bei ihr vorbeigeschaut, um nachzusehen, ob es ihr gut ging. Durch ein Fenster hatte er gesehen, dass es ihr ganz und gar nicht gut ging – ihre Leiche lag am Fuße der Treppe.

Die anschließende polizeiliche Untersuchung deckte schnell die grundlegenden Fakten auf: Ms Smiths Cottage wies deutliche Anzeichen eines Einbruchs auf. Ein einfach verglastes Fenster in der Küche war von außen eingeschlagen worden, und wer auch immer es eingeschlagen hatte, hatte dann vermutlich hineingegriffen und die Küchentür geöffnet, die zwar unbeschädigt, aber unverschlossen vorgefunden wurde. Das Haus war geplündert worden – Schubladen und Schränke waren leer geräumt und deren Inhalt auf dem Boden verteilt worden. Es sah nicht danach aus, als hätten der oder die Täter nach etwas Bestimmtem gesucht, aber einige Gegenstände höheren Werts fehlten. Die Obduktion von Smith ergab Blutergüsse am Oberarm, ein gebrochenes Genick und eine tiefe Platzwunde am Hinterkopf.

Das Bild, das dadurch entstand, war das eines Einbruchs, der aus dem Ruder gelaufen war. Da kein Auto in der Einfahrt gestanden hatte, hatte das Haus leer ausgesehen und ein leichtes Ziel geboten. An einem so abgelegenen Ort war der Dieb vielleicht nicht einmal darauf bedacht gewesen, leise vorzugehen, was wiederum Smith geweckt haben könnte. Da sich das einzige Festnetztelefon des Hauses unten im Flur befand und sie ihr Handy offenbar in der Küche liegen gelassen hatte (wie die Position des Ladekabels nahelegte; das Handy selbst war verschwunden), hatte sie keine Möglichkeit gehabt, um Hilfe zu rufen. Vielleicht hatte sie vor ihrem Angreifer flüchten wollen oder vielleicht hatte sie sich ihm entgegenstellen wollen. Das war nicht eindeutig festzustellen. Ebenso schwer zu sagen, war, ob ihr Sturz die Treppe hinunter das absichtliche Werk des Eindringlings gewesen war oder einfach ein Unfall. Klar war nur, dass ihre Verletzungen ausgereicht hatten, um sie zu töten – der Genickbruch hatte sie auf der Stelle getötet.

Im Haus wurden keine unbekannten Fingerabdrücke gefunden. Im Garten draußen wurden zwar Fußabdrücke gefunden, doch sie waren schlecht definiert, was darauf hindeutete, dass derjenige, der sie hinterlassen hatte, sich die Mühe gemacht hatte, eine Plastiktüte über seine Stiefel zu ziehen. Die einzigen wirklichen Hinweise waren die Reifenspuren, die vermutlich vom Fahrzeug des Einbrechers stammten, aber auch das half nicht, den Kreis der möglichen Täter einzugrenzen. Die Reifen waren groß, gehörten wahrscheinlich zu einem Kastenwagen oder einem Geländewagen und waren auf eine Weise abgenutzt, die darauf schließen ließ, dass das Fahrzeug alt und wahrscheinlich schlecht gewartet war.

Handschuhe, mit Plastikbeutel überzogene feste Stiefel, ein alter Kastenwagen – alles Standardausrüstung für einen Einbrecher oder ein Einbrecherteam. Wahrscheinlich hatte der Einbrecher auch eine Sturmhaube getragen – ein beängstigender letzter Anblick für Smith.

Sands hatte ihren Stellvertreter, Detective Inspector John Lindham, mit dem Fall beauftragt. Und obwohl sie über die Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten worden war, hatte sie dem Fall nicht viel Aufmerksamkeit gewidmet. Sie stimmte mit Lindhams Hypothese überein, dass sie es mit einem oder mehreren Einbrechern zu tun hatten, die in Bedrängnis oder bei einer Überraschung allerdings auch gewalttätig werden konnten. Und sie teilte seinen Pessimismus, was die Hoffnung auf eine Identifizierung des Täters anging. Budgetkürzungen bedeuteten, dass Einbrüche heutzutage kaum noch untersucht wurden und die Listen mit möglichen Verdächtigen hoffnungslos veraltet waren. Außerdem hatte sich die professionelle Einbruchsbranche in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt. Einbrecherteams waren oft im ganzen Land oder sogar international unterwegs. Es war sehr wahrscheinlich, dass Jane Smiths Mörder bereits außer Landes war, sei es in Rumänien oder Russland oder sonst wo. Bei so wenigen Anhaltspunkten und so geringen Erfolgsaussichten ging es in diesem Fall mehr darum, die Fakten genau zu erfassen und auf einen Durchbruch zu hoffen, als aktiv zu ermitteln. Das einzige Familienmitglied von Smith, das Lindham hatte finden können, war eine Schwester, die seit vielen Jahren in Kanada lebte, und sie drängte nicht sehr darauf, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wurde.

All das sagte Sands, dass dies kein Fall war, der normalerweise Commander Blacks Interesse wecken würde. Und doch war er nicht nur interessiert daran, sondern anscheinend auch bereit, deswegen zu lügen, wenn man seinen Vorwand bedachte, seine Frage sei reine Routine. Das allein hätte Sands schon genug beunruhigt, um sofort zum Mordhaus zu fahren, selbst bei dem aufziehenden Sturm. Aber das, was er im Anschluss daran gesagt hatte, hatte die Sache besiegelt.

Der Wald um sie herum hatte sich gelichtet, und vor ihr erstreckte sich die Straße in einer geraden Linie. Der nasse Asphalt reflektierte das wenige Licht, das der Himmel noch bot. Sands war schon einmal beim Haus gewesen, als die Spurensicherung sich durch das Chaos in Smiths Cottage gearbeitet hatte. Sie hatte zugesehen, wie Lindham seine Anweisungen gab, sie hatte die Leiche untersucht und sich überlegt, wie sich die letzten Momente der toten Frau abgespielt haben könnten, aber dann war sie zu ihren eigenen Aufgaben zurückgekehrt, zufrieden damit, dass Lindham den Fall nach bestem Wissen und Gewissen untersuchte – mehr konnte sie von ihren Mitarbeitern nicht verlangen.

Ihre Gedanken lenkten sie so sehr ab, dass sie fast die Abzweigung verpasste, einen schmalen Weg, der ein paar Hundert Meter von der Hauptstraße wegführte und hinter einem bereits winterlichen Baumbestand versteckt war. Doch sie bremste scharf ab, kriegte gerade noch die Kurve und folgte dem mit Pfützen und Schlaglöchern übersäten Weg. Die Scheinwerfer des Alfas fielen auf das kleine Cottage.

Ein schleichendes Gefühl der Verwahrlosung ging bereits von dem Häuschen aus. Smiths Verwandte waren offenbar wohlhabend genug – oder einfach zu weit weg –, dass sie das Haus noch nicht verkauft hatten. Tatsächlich hatten sie noch nicht einmal dafür gesorgt, dass das Cottage aufgeräumt wurde, obwohl sie schon vor vielen Wochen grünes Licht dafür bekommen hatten. Das blaue Polizeiband war immer noch über die Eingangstür gespannt, und das zerbrochene Fenster, durch das der Mörder eingedrungen war, war notdürftig mit einem Stück Karton zugeklebt, das ganz durchweicht war von diesem Sturm und denen, die zuvor in der Gegend gewütet hatten.

Es war so dunkel, dass Sands die Scheinwerfer anließ, als sie zur Haustür ging. Nachdem sie aufgeschlossen hatte, betätigte sie den Lichtschalter im Flur, musste jedoch feststellen, dass der Strom abgeschaltet worden war. Wahrscheinlich waren die Rechnungen nicht bezahlt worden, oder vielleicht hatte der Sturm die Stromleitungen beschädigt. Was auch immer der Grund war, sie würde sich im Dunkeln zurechtfinden müssen. Sands kehrte leise vor sich hin fluchend zu ihrem Auto zurück, um die Taschenlampe zu holen, die sie immer im Kofferraum hatte. Dann schaltete sie widerwillig die Scheinwerfer aus, da sie keine leere Autobatterie riskieren wollte.

Zuallererst ging sie in die Küche. Links von ihr war das Fenster, durch das sich der Eindringling Zugang verschafft hatte. Die durchweichte Pappe wurde vom Wind mal nach innen geblasen, mal an den Fensterrahmen gesaugt, als würde irgendeine Kreatur versuchen hereinzukommen. Sie beobachtete das Spiel eine Weile, dann ließ sie den Lichtstrahl durch den Raum wandern. Er war ein einziges Durcheinander. Zerbrochenes Geschirr und aufgerissene Lebensmittelpackungen lagen auf dem Boden verstreut. Die meisten Küchenschränke standen offen, und auch die Schubladen hingen offen und leer aus den Theken, manche waren sogar so heftig herausgezogen worden, dass sie kaputtgegangen waren. Auf den Wänden waren Flecken des weißen Pulvers zu sehen, das zum Abziehen von Fingerabdrücken verwendet wurde. Sie schnupperte – obwohl das kaum nötig gewesen wäre. Der faulige Geruch von Verwesung hing schwer in der Luft. Sie leuchtete in die Spüle und warf dann einen Blick in den Kühlschrank. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, musste sie würgen. Es befanden sich immer noch Lebensmittel von Jane Smiths letztem Einkauf darin. Einen Moment lang hatte Sands ein Bild von Smith im Supermarkt im Kopf, wie sie die Produkte sorgfältig auswählte, vielleicht ein knappes Budget einhielt. Die Lebensmittel waren in den Verpackungen verfault. Alle versiegelten Packungen waren durch den Verwesungsprozess aufgequollen, und mehrere Produkte – eines konnte sie als Packung Hühnerkeulen identifizieren – waren aufgeplatzt und wimmelten nur so vor Maden. Sands schloss den Kühlschrank und zog ein Taschentuch aus der Tasche, um sich die Nase zuzuhalten.

Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch die Unordnung in das kleine Wohnzimmer, das weniger verwüstet war. Ein Sofa stand gegenüber der leeren Wand, an der einst ein Fernseher gehangen hatte. Der Eindringling hatte ihn entweder entwendet, bevor er Smith getötet hatte, oder er hatte keine Skrupel gehabt, sein Werk zu vollenden, während sie tot am Fuße der Treppe lag. Sands interessierte sich jedoch mehr für den Flur, in dem Smiths Leiche gefunden worden war.

Dort lag ein anderer Geruch in der Luft. Der schale Geruch nach altem Blut. Sie richtete die Taschenlampe auf den Boden und sah den Blutfleck, der in den Teppich eingesickert war. Sie machte einen Bogen darum und hob den Blick zu den Wänden, um sich endlich mit der seltsamen Frage zu befassen, die Black ihr an diesem Tag gestellt hatte.

Gibt es im Flur irgendetwas, das mit Schach zu tun hat? Mit Schach und Tieren?

Sie hatte ihn gefragt, wie er darauf kam, aber er hatte es ihr nicht sagen wollen. Das war sein gutes Recht – sie hatte angenommen, dass es eine Verbindung zu einer anderen Ermittlung gab, mit der sie nicht vertraut war –, doch er war ihrer Frage absichtlich ausgewichen und hatte versucht, sie mit anderen Details zum Fall Smith abzulenken. Mit unwichtigen Details. Ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich um alles andere als eine Routinefrage handelte.

Ihre Gedanken hatten sich zuerst Smiths Cottage zugewandt und allem am Tatort, worauf diese Frage zutreffen könnte. Doch dann waren sie woandershin abgeschweift – zum Kinderzimmer, in dem sie bis zu ihrem zwölften Lebensjahr gewohnt hatte. Zum Schachspiel, das sie so geliebt und mit dem sie täglich gespielt hatte, bis sich ihre Lebensumstände geändert hatten. Jede Figur hatte ein anderes afrikanisches Tier dargestellt. Am besten hatte ihr die Dame gefallen, eine stolze, breitgesichtige Löwin, die aus goldbraunem Padouk-Holz geschnitzt war. Schach und Tiere?

Kaum hatte Black aufgelegt, hatte sie die Fallakte herausgesucht und sich die Tatortfotos angesehen, aber es war ihr nichts ins Auge gestochen. Doch während sie dies tat, war ein schleichendes Gefühl in ihr aufgestiegen, eine bruchstückhafte Erinnerung, die ihr nicht mehr ganz einfallen wollte. Deshalb war sie anschließend sofort zum Cottage aufgebrochen.

Sie ließ den Lichtstrahl der Taschenlampe umherwandern und versuchte, den Flur in seiner Gesamtheit zu betrachten, bevor sie sich auf das Detail konzentrierte, dessentwegen sie gekommen war. An den wenigen Kleidungsstücken auf dem Kleiderständer und dem Schuhregal war deutlich zu erkennen, dass Smith allein gelebt hatte. Sands eigener Flur bot einen ähnlich spärlichen Anblick. Auf einem kleinen Beistelltisch stand ein ausgesprochen alt aussehendes Telefon. Nichts davon wirkte ungewöhnlich, also wandte sie sich dem Foto an der Wand zu. Während der Fahrt hierher war ihre Erinnerung daran schärfer geworden, aber einige Details fielen ihr zum ersten Mal auf. Es war das größte Bild im Gang, mit einfachem Rahmen, aber prominent platziert. Nichts deutete darauf hin, dass es irgendetwas mit dem Verbrechen zu tun hatte, das hier stattgefunden hatte; deshalb war es auch nicht in die Akte aufgenommen worden. Sie hatte keine Ahnung, warum es ihr selbst eigentlich aufgefallen war, außer vielleicht, weil es ein so einprägsames Motiv war. Jedenfalls verspürte sie eine seltsame Befriedigung bei seinem Anblick. Es war fast genau so, wie sie es im Kopf gehabt hatte.

Smith hatte zwei Katzen gehabt, eine schwarze und eine weiße. Die Wahl der Fellfarbe war vermutlich ihrem Interesse am Schachspiel geschuldet gewesen. Zumindest legte das Foto dies nahe. Es zeigte die beiden Tiere, wie sie sich an einem Schachbrett gegenübersaßen, als würden sie eine Partie spielen. Sands bemerkte nun die Schachmattstellung der berühmten „Opernpartie“, die Paul Morphy 1858 in der Pariser Oper gegen Karl von Braunschweig und Graf Isoard de Vauvenargue gespielt hatte. Irgendwie hatte Smith – oder wer auch immer das Foto gemacht hatte – es geschafft, dass die weiße Katze ihre Pfote auf den dem Untergang geweihten schwarzen König legte, und es sah tatsächlich so aus, als würde sie ihn gleich umstoßen. Es hätte ein verspieltes, unbeschwertes Foto sein sollen, das die romantische Blütezeit des Spiels zelebrierte, aber irgendetwas daran – vielleicht die Andeutung, dass Smith ihren Haustieren viel mehr Aufmerksamkeit schenkte als anderen Menschen – verlieh dem Bild einen traurigen Unterton.

Sands hielt die Taschenlampe auf das Foto gerichtet, während Blacks Frage in ihrem Kopf widerhallte.

Gibt es im Flur irgendetwas, das mit Schach zu tun hat? Mit Schach und Tieren?

Ihre Entdeckung löste nur anhaltendes Unbehagen in ihr aus, aber sie konnte nicht genau sagen, warum. Sie versuchte, es zu verdrängen, und konzentrierte sich stattdessen auf das Foto und jedes noch so kleinste Detail. Es war im Wohnzimmer des Cottage vor dem mit Zimmerpflanzen dekorierten Fenster aufgenommen worden. Das Foto war auch nicht das Einzige im Bilderrahmen. In der rechten unteren Ecke steckte ein Zeitungsausschnitt mit der Schlagzeile: Einheimische gewinnt Fotowettbewerb. Der Artikel war kurz, aber er bestätigte, dass Jane Smith den Wettbewerb gewonnen hatte, und zwar mit diesem Foto. Das Originalfoto und der Zeitungsausschnitt waren zusammen gerahmt worden und hatten einen Ehrenplatz im Flur erhalten.

Alles schön und gut. Aber woher wusste Commander Black davon? Und warum spielte es eine Rolle?

Sands ließ den Lichtstrahl über die anderen Bilder an der Wand schweifen, hauptsächlich Bleistiftzeichnungen von Blumen und Aquarelle von Häfen mit Booten vor Anker. Sie wandte sich wieder den Katzen zu. Dann platzierte sie die Taschenlampe so auf dem Telefontischchen, dass sie ungefähr in die richtige Richtung schien, zog sich ein Paar forensische Handschuhe über und nahm vorsichtig das Bild von der Wand. Dahinter befand sich nichts. Sie drehte es hin und her und untersuchte es von allen Seiten. Dabei entdeckte sie ein winziges Stückchen von etwas Weißem zwischen dem Rahmen und der Rückwand, als wäre etwas hineingesteckt worden. Mit den Handschuhen war es schwer zu greifen, also bog sie die kleinen Metallzungen auf, die den Rahmen zusammenhielten, und entfernte dann vorsichtig die Kartonrückwand. Dabei rutschte etwas heraus und flatterte zu Boden.

Zuerst dachte sie, es sei der Zeitungsausschnitt, aber als sie den Rahmen umdrehte, sah sie, dass dieser noch an seinem Platz war. Das war etwas anderes. Sie richtete die Taschenlampe auf den Boden, wo ein Stück Papier auf dem Blutfleck gelandet war. Als sie es aufhob, meinte sie, dass der Teppich sich sogar durch die Handschuhe hindurch immer noch feucht anfühlte, aber das war wahrscheinlich bloß Einbildung.

Sie musste sich leicht bücken, um das Stück Papier in das Licht der Taschenlampe zu halten – es war nur ein einzelner Zettel, offenbar aus einem kleinen Notizbuch gerissen. Die Worte waren hastig hingekritzelt und verschmiert, daher war die schwarze Tinte schwer zu lesen:

Der Scheideweg der Zeit naht.

Die ewige Reise beginnt mit dem Vergießen von unschuldigem Blut.

Sie wird erst enden, wenn Blut in Strömen fließt wie der Nil bei Flut.

Ich töte, um zu retten! Die Welt wird wiedergeboren werden!

Als Sands den Papierfetzen näher ans Licht hielt, sah sie, dass die Worte nicht in Schwarz geschrieben waren, sondern in einem dunklen Kastanienbraun, und dann erkannte sie, dass es überhaupt keine Tinte war.

Die Nachricht war mit Blut geschrieben.

Zwei

Am nächsten Morgen um 7:38 Uhr fuhr Sands vor dem Haus von DI John Lindham vor und wählte seine Nummer, während sie durch das Küchenfenster einen Blick auf seine Familie erhaschte, die gerade in den Tag startete. Sie sah Kinder herumrennen und Lindhams Frau an der Spüle, die so tat, als würde sie den auffälligen roten Alfa Romeo, der draußen wartete, nicht bemerken. Sands war Sarah Lindham schon ein paarmal begegnet, hatte aber eigentlich nichts an ihr interessant gefunden. Sie hatte ihr gegenüber eher frostig gewirkt, was vermutlich auf die vielen Klagen ihres Ehemanns über Sands zurückzuführen war. Diesen Gedanken fand Sands noch weniger interessant.

Schließlich trat Lindham durch die Haustür, gefolgt von Sarah und zwei kleinen blonden Jungen in Schuluniform. Sands beobachtete, wie ihr Kollege sich bückte, um ihnen zum Abschied einen Kuss auf die Wange zu drücken.

„Entschuldigen Sie bitte, Ma’am“, sagte Lindham, als er endlich ins Auto stieg. „Elliot hat es gerade nicht leicht in der Schule. Sie wissen ja, wie das ist.“

Sands fragte sich kurz, welcher der beiden Elliot war, bevor sie Gas gab. Die bevorstehende Fahrt dauerte für gewöhnlich anderthalb Stunden, wobei sie beide wussten, dass Sands sie schneller ans Ziel bringen würde.

***

Das Meeting fand in einem Raum mit vollständig verglasten Wänden im dritten Stock des beeindruckenden neuen Polizeireviers von Yeovil statt. Commander Black kam zehn Minuten zu spät. Er war groß, und mit seiner wuchtigen Statur füllte er seine makellose Uniform gut aus. Der Mann, der ihn begleitete, trug einen grauen Anzug, der locker an seinem schmalen Körper hing und diesen dadurch noch betonte. Sands brauchte einen Moment, um ihn einzuordnen, aber als sie ihn erkannte, vertiefte sich ihr Stirnrunzeln noch mehr.

Bevor Black sich setzte, drückte er auf einen Knopf an der Wand, und augenblicklich wurden die Glaswände undurchsichtig.

„DCI Sands, vielen Dank, dass Sie gekommen sind“, begann Black, hielt mit einem Blick auf Lindham jedoch direkt wieder inne. „Und das ist …?“

„DI John Lindham, Sir“, erwiderte dieser.

Black nickte nachdenklich, dann wandte er sich wieder an Sands. „Ich hatte nicht erwartet, dass Sie jemanden mitbringen.“

„Ich auch nicht“, gab Sands mit einem vielsagenden Blick auf den Mann im Anzug zurück.

Weder er noch Black erwiderten etwas darauf, aber sie warfen sich gegenseitig einen Blick zu.

Sands seufzte und fuhr fort. „Detective Lindham leitet die Ermittlungen im Mordfall Jane Smith. Er sollte hier dabei sein. Und wir sollten weitermachen mit dem, wofür auch immer wir hier sind.“ Sie warf einen demonstrativen Blick auf die Uhr an der Wand und öffnete dann ihre Tasche. Sie zog die versteckte Nachricht ebenso wie das Foto heraus, das nun wieder in seinem Rahmen steckte. Beide Gegenstände waren in Plastiktüten für Beweismittel verstaut.

„Ich weiß nicht, woher Sie von dem hier wussten, aber es ist für Lindhams Ermittlungen höchst relevant.“

Black atmete tief ein. „Was wir zu besprechen haben, ist äußerst … vertraulich. Ihnen wäre es vielleicht lieber, wenn er draußen warten würde.“

„Wenn es für die Aufklärung des Verbrechens relevant ist, sollte ich es nicht vor meinen Beamten geheim halten müssen. Mir ist lieber, wenn er bleibt. Sir.“

Black wechselte erneut einen Blick mit dem dürren Zivilisten, dann zuckte er leicht mit den Schultern. „Wie Sie wollen.“ Er streckte eine Hand nach dem Zettel aus. „Darf ich?“ Sands schob die kleinere der zwei Tüten zu Black hinüber, der sich erst die eine, dann die andere Seite des Zettels genau ansah.

„Woher wussten Sie davon?“, fragte Sands ungeduldig, als Black endlich aufblickte.

Er antwortete nicht, stattdessen las er die Worte mit einem Stirnrunzeln laut vor. „Der Scheideweg der Zeit naht. Die ewige Reise beginnt mit dem Vergießen von unschuldigem Blut. Sie wird erst enden, wenn Blut in Strömen fließt wie der Nil bei Flut. Ich töte, um zu retten! Die Welt wird wiedergeboren werden!“ Er hielt inne. „Sehr viel Blut. Und es ist auch in Blut geschrieben? Ist es von ihr? Von Jane Smith?“

„Nein“, antwortete Sands. „Laut Labor stammt es von einem Vogel, höchstwahrscheinlich von einem Huhn.“

„Lässt sich daraus irgendetwas schließen? Irgendetwas Hilfreiches?“

Sands schüttelte den Kopf. „Nein. Das Labor meint, wer auch immer das geschrieben hat, könnte sich einen Vogel aus einem beliebigen Supermarkt geholt haben.“

„Was ist mit dem Text selbst? Für mich klingt es ehrlich gesagt nach den Worten eines Verrückten.“ Black reichte den Zettel an den dünnen Mann.

Nach einigen Augenblicken der Stille antwortete Lindham im Namen von Sands. „Ja, wir sind nicht sicher, worauf es sich bezieht. Das ‚Vergießen von unschuldigem Blut‘ könnte als Schuldbekenntnis für den Mord an Smith gewertet werden. Und dann die Zeile darüber, dass es erst enden wird, wenn Blut in Strömen fließt wie der Nil bei Flut – das klingt eindeutig, als würde noch mehr folgen. Sehr viel mehr.“

„Warum ausgerechnet der Nil?“, fragte Black, aber niemand antwortete.

„Woher wussten Sie, dass wir das dort finden würden, oder etwas in der Art?“, fragte Sands erneut, aber Black tat so, als hätte sie nichts gesagt. Er fuhr fort, Lindham zu befragen. „Fingerabdrücke? Fasern?“

Lindham schüttelte den Kopf.

„Schien sonst noch irgendetwas am Tatort fehl am Platz? Vor allem jetzt, wo das hier gefunden wurde?“

„Nein, Sir. Wir dachten, es sei ein schiefgelaufener Einbruch gewesen.“ Lindham räusperte sich. „Bis wir das gefunden haben.“

Black lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Das könnte es immer noch sein. Die Nachricht könnte vor dem Mord dort platziert worden sein. Oder nachher. Vielleicht ist sie überhaupt nicht relevant.“

„Aber Sie wussten offensichtlich, dass sie dort war“, warf Sands ein. „Oder etwas in der Art. Woher wussten Sie das?“

„Genau genommen wusste ich es nicht direkt …“, setzte Black an.

„Sie haben mich angerufen und gefragt, ob es im Flur etwas gibt, das mit Schach und Tieren zu tun hat. Diese Nachricht war hinter einem Foto von zwei Katzen an einem Schachbrett versteckt. Das ist kein Zufall.“

„Da stimme ich Ihnen zu.“

„Also, wer hat Ihnen davon erzählt?“

Aufs Neue wechselte Black einen Blick mit dem Mann im Anzug. Sands warf ihm ebenfalls einen Blick zu, und Black schüttelte den Kopf.

„Ich habe Sie noch gar nicht vorgestellt. Das ist James Mc…“

„Ich weiß, wer das ist. Das ist James McDonald.“ Sands wandte sich dem Mann zu. „Der Generaldirektor des Highmoor-Gefängnisses.“

McDonald lächelte matt.

„Also war es ein Hinweis? Von einem Insassen?“, fragte Lindham, wobei sein Stirnrunzeln deutlich machte, dass er wusste, dass ihm hier irgendetwas entging.

Blacks Augen waren auf Sands gerichtet. „Sind Sie sicher, dass Sie dieses Gespräch nicht lieber ohne DI Lindham fortsetzen möchten?“

Sands holte tief Luft und wandte sich dann ihrem Stellvertreter zu. „Wie Sie wahrscheinlich wissen, ist Highmoor das oberste Hochsicherheitsgefängnis des Landes, in dem die gefährlichsten männlichen Gefangenen untergebracht sind. Aus diesem Grund ist auch Charles Sterling, der Mann, der mein Vater war, seit fünfundzwanzig Jahren dort inhaftiert – seit er für den Mord an acht Frauen, darunter meine Mutter und meine Schwester, verurteilt wurde.“ Sie drehte sich zu Black um. „Ich nehme an, das betrifft ihn in irgendeiner Weise?“

„Ja. In der Tat.“

„Und?“, hakte Sands nach. „Was genau hat Sterling hiermit zu tun?“ Sie hielt die Nachricht hoch.

Black zögerte kurz, bevor er zur Erklärung ansetzte. „Detective Sands, Ihr Vater behauptet, über Informationen zu verfügen, die bei der Identifikation des Täters dieses Verbrechens helfen könnten. Und er will sie uns geben.“

„Was für Informationen?“, fragte Sands.

„Leider will er uns das nicht verraten.“

Das darauffolgende Schweigen wurde diesmal von Lindham gebrochen. „Ich verstehe nicht. Sie sagten doch gerade, er wolle …“

„Vielleicht sollte das besser der Direktor erklären“, fiel Black ihm ins Wort. „Er ist mit der Situation besser vertraut.“

Nach einigen Augenblicken übernahm McDonald das Wort. Nach Blacks tiefer Stimme klang seine ganz rau. „Wie Ihnen zweifellos bewusst ist, hat Ihr Vater im Laufe der Jahre immer wieder versucht, Kontakt zu Ihnen herzustellen …“

„Bitten nennen Sie ihn nicht so.“

„Wie bitte?“

„Meinen Vater. Ich betrachte ihn nicht mehr als solchen. Sein Name ist Charles Sterling, und mir wäre es lieber, wenn Sie ihn so nennen würden.“

„Natürlich. Ich verstehe, wie Sie sich fühlen müssen“, fuhr McDonald beschwichtigend fort. „Aber Tatsache bleibt, dass er Ihr Vater ist. Und während seiner gesamten Inhaftierung hat er versucht, eine familiäre Beziehung zu Ihnen, seiner einzigen überlebenden Verwandten, aufrechtzuerhalten. Er hat wiederholt versucht, Sie dazu zu überreden, ihn zu besuchen oder seine Briefe zu beantworten …“

„Die ich mich alle geweigert habe anzunehmen oder ungelesen weggeworfen habe, wenn Sie erlaubt haben, dass sie abgeschickt werden“, erwiderte Sands. Sie lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und funkelte den Direktor wütend an.

„Genau, es ist, wie Sie sagen. Aber Ihr Vater – Verzeihung, Sterling – hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Scheinbar schlägt er einen Tausch für die Informationen über die Identität des Mörders vor. Aber nur, wenn Sie zustimmen, ihn persönlich zu besuchen. Er wird die Informationen nur Ihnen geben.“

Sands wusste, dass sie ihre Wut zügeln sollte, aber sie fühlte sich, als wäre sie in einen Hinterhalt gelockt worden. Sie starrte den Gefängnisdirektor an, hasste ihn für seine Verbindung zu diesem Mann, auch wenn sie wusste, dass dieser Hass irrational war. Ungerecht. Stattdessen wandte sie sich dem Commander zu.

„Bei allem Respekt, Sir, Sie müssen doch wissen, dass das alles völliger Blödsinn ist.“ Black schien verblüfft, aber Sands ließ nicht locker. „Sie können ihm unmöglich glauben. Er wird uns nichts Brauchbares liefern. Das ist ein Trick. Reine Zeitverschwendung.“

„Das mag seine Absicht sein. Aber offensichtlich weiß er tatsächlich etwas. Er hat uns von der Nachricht erzählt.“

Sands hielt inne. Da hatte er recht. Sie blinzelte und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. „Was genau hat er Ihnen gesagt? Wie hat er es Ihnen gesagt?“

Wieder war es McDonald, der die Erklärung übernahm. „Vor zwei Wochen bat Ihr Vater, mir eine Nachricht zu übermitteln, in der er behauptete, den Täter eines kürzlich begangenen Verbrechens zu kennen. Des Mordes an einer Frau namens Jane Smith. So etwas kommt hin und wieder vor – Gefangene hoffen, Informationen gegen eine Strafminderung zu tauschen. Natürlich ist das im Fall Ihres Vaters ausgeschlossen …“

„Würden Sie bitte seinen Namen verwenden?“

McDonald schenkte ihr ein schwaches, entschuldigendes Lächeln. „Natürlich.“ Er fuhr fort. „In solchen Fällen verlangen wir die Information im Voraus, aber Ihr …“ – er hob entschuldigend die Hände – „Sterling hat sich geweigert. Er sagte, er würde es nur Ihnen verraten, und aufgrund Ihrer ausdrücklichen Weigerung, irgendetwas mit ihm zu tun zu haben, hielten wir es für unangebracht, Sie zu kontaktieren. Als wir Sterling dies mitteilten, sagte er, er würde uns als Beweis für den Wahrheitsgehalt seiner Behauptung ein Detail verraten. Er sagte, wir sollen im Flur nach etwas mit Schach und Tieren suchen.“

„Nur das?“

„Nur das.“

Sands verfiel in Schweigen. Black wandte sich Lindham zu. „Haben wir irgendetwas darüber bekanntgegeben, dass Smith eine Schachspielerin war? Hätte er das irgendwoher wissen können?“

Lindham überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. „Das schien nie relevant zu sein. Smith war Hobbyspielerin. Mitglied eines örtlichen Schachclubs, aber wir haben nichts darüber veröffentlicht; dazu gab es keinen Grund.“

„Wir haben vielleicht nichts darüber veröffentlicht, aber sie schon.“ Sands schob das Foto über den Tisch zu Black und tippte auf den Zeitungsausschnitt mit der Schlagzeile Einheimische gewinnt Fotowettbewerb. „Ich nehme an, Sterling erhält immer noch eine großzügige Auswahl an Zeitungsabonnements?“ Sie warf McDonald einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Er hat ein Recht darauf“, erwiderte der Direktor. „Wir halten es für wichtig, dass allen unseren Insassen die grundlegenden Menschenrechte zugesprochen werden. Absolut allen. Außerdem ist es gesetzlich vorgeschrieben.“

„Sie sagen also“ – Black schien die Feindseligkeit zwischen McDonald und Sands nicht zu bemerken – „dass Sterling diesen Artikel gesehen und daher gewusst haben könnte, dass Smith dieses Foto besaß. Aber woher hätte er von der Nachricht hinter dem Bild wissen sollen?“

Sands setzte zu einer Antwort an, hatte aber keine darauf. Ebenso wenig wie alle anderen.

McDonald brach das Schweigen. „Es gibt einen einfachen Weg, das Rätsel zu lösen.“ Er zuckte leicht mit den Schultern. „Sterlings psychiatrische Gutachten besagen schon seit einiger Zeit, dass er ein völlig anderer Mann ist als bei seiner Inhaftierung. Ich glaube, er wird es Ihnen sagen. Wenn Sie zu ihm gehen.“ Erneut legte sich Stille über den Raum.

„Nein. Ich gehe nicht zu ihm.“ Sands war selbst ein wenig überrascht, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte. „Ich will ihn nicht sehen.“

„Ich kann Ihre Vorbehalte verstehen“, erwiderte McDonald. Seine Stimme hatte wieder ihre frühere butterweiche Klangfarbe angenommen. „Aber meiner Meinung nach sind seine Beweggründe, weshalb er mit Ihnen sprechen möchte, vollkommen menschlich und positiv. Ein Bedürfnis nach Heilung. Er hat eine große Veränderung durchgemacht …“

„Nein, hat er nicht.“ Sands Stimme war heiser und leise. „Er hat sich überhaupt nicht geändert.“

Der Direktor schüttelte den Kopf. „Bei allem Respekt, Detective, ich wüsste nicht, woher Sie das wissen könnten, angesichts der Tatsache, dass Sie ihn nicht mehr gesehen haben, seit …“

„Nein“, unterbrach Sands ihn, nun wieder aufbrausend. „Das ist ein Trick. Eine Betrugsmasche. Wie auch immer er an diese Information gelangt ist, er verwendet sie, um mich zu erpressen, damit ich ihn besuche. Das klingt exakt wie der Mann, an den ich mich erinnere.“

McDonald zuckte leicht zusammen. „Er versucht, ein Druckmittel einzusetzen, das stimmt. Aber Sie müssen verstehen, dass er nur sehr begrenzte Möglichkeiten hat. Sie antworten nicht auf seine Briefe, Sie haben ihn in den fast fünfundzwanzig Jahren nicht ein einziges Mal besucht …“

„Ach, verschonen Sie mich bitte. Der Mann hat meine Mutter und meine Schwester ermordet. Er hat darauf gewartet, dass ich nach Hause komme und sehe, was er getan hat, nur um mir zu sagen, dass er mich nur deshalb nicht umgebracht hat, weil er dachte, ich sei wie er. Warum sollte ich ihn besuchen? Sagen Sie mir, warum sollte ich das bitte tun wollen?“

Lange Zeit herrschte Schweigen. Black brach es schließlich. „Haben Sie zurzeit irgendwelche Verdächtigen im Fall Jane Smith?“

In der darauffolgenden Stille versuchte Sands, sich zu beruhigen. Sie ging mit dieser Situation nicht gerade gut um.

„Nein, Sir“, antwortete Lindham an ihrer Stelle. „Wir konzentrieren uns auf Personen, die wegen Einbruchs vorbestraft sind. Wir versuchen, jemanden ausfindig zu machen, der zu jener Zeit in der Gegend war.“

„Und wie kommen Sie damit voran?“

Lindham fuhr sich mit der Hand durch das schüttere Haar. „Ungefähr so gut, wie zu erwarten ist. Mit den Budgetkürzungen … haben wir kein vollständiges Bild, auf dem wir unsere Arbeit aufbauen können.“ Er zuckte mit den Schultern.

„So ist es.“ Black sah Sands an. „Sie haben es mit einer aufwendigen Untersuchung zu tun. Und falls das hier doch relevant ist“ – er tippte mit dem Finger auf den Zettel – „dann suchen Sie womöglich an der völlig falschen Adresse.“

Einen Moment lang waren alle Blicke auf die Nachricht gerichtet, die noch immer in der Plastiktüte steckte, bis Sands sie plötzlich aufhob, noch einmal durchlas und dann umdrehte, um die Rückseite zu inspizieren, indem sie sie gegen das Licht hielt. Schließlich schüttelte sie den Kopf. „Vielleicht muss er es uns gar nicht verraten“, sagte sie. „Vielleicht können wir selbst herausfinden, woher er die Informationen hat. Das Foto und der Zeitungsartikel sind drei Jahre alt. Und Sterling sitzt seit fast fünfundzwanzig Jahren im Gefängnis, also war es eindeutig nicht er, der die Nachricht dort platziert hat. Das bedeutet, dass es jemand anderes war, der ihm davon erzählt hat. Oder ihm zumindest gesagt hat, er solle dort nach etwas suchen.“ Sie schaute von einem zum anderen. „Die Frage ist, wie hat derjenige ihm das gesagt. Er wird in einer schalldichten, isolierten Umgebung in einem Hochsicherheitsgefängnis festgehalten, ohne Kontakt zu anderen Gefangenen.“ Sands wandte sich McDonald zu. „Ich nehme an, das ist immer noch so? Wenn nicht, hätte ich darüber informiert werden müssen.“ In ihren Worten lag ein anklagender Ton.

„Natürlich ist das immer noch so.“ McDonald nickte hastig. „Ihr Vater wurde zu lebenslanger Einzelhaft verurteilt. Daran hat sich nichts geändert.“

„Also ist er vollkommen isoliert.“ Sands’ Stimme hatte nun einen bitteren Unterton. „Gut. Dann sind es höchstwahrscheinlich die Briefe.“

Lindham sah sie verständnislos an, und auch Blacks Blick wirkte verwirrt. Nur McDonald schien zu verstehen.

Sands richtete ihre Erklärung an Lindham. „Als Sterling gefasst wurde, schämte er sich nicht für seine Taten – ganz im Gegenteil. Er hat sich während des gesamten Prozesses mit ihnen gebrüstet, und das hat ihm Publicity verschafft. Er wurde zu einer Art makaberer Berühmtheit. Seitdem wurden viele Bücher geschrieben und Filme über seine Taten gedreht. So viel wissen Sie bereits. Weniger bekannt ist, was für ein Opportunist er ist. Wie der Direktor gesagt hat, hat er ein Recht auf Korrespondenz, also macht er das auch. Er korrespondiert. Und es hat sich herausgestellt, dass es eine Menge Verrückte da draußen gibt, die nur zu gern einen eingesperrten Soziopathen als Brieffreund wollen.“ Sie presste die Lippen zusammen. „Und dann sind da natürlich noch die anderen Briefe.“ Sie ging nicht weiter darauf ein, sondern fragte stattdessen an McDonald gewandt: „Wie viele bekommt er heutzutage? Immer noch Dutzende pro Woche?“

Nach kurzem Zögern nickte McDonald. „Er bekommt regelmäßig Post, ja.“

„Und Sie leiten sie immer noch an ihn weiter?“

„Wie Sie gerade gesagt haben, sind wir gesetzlich dazu verpflichtet, den Gefangenen den Empfang von Post zu ermöglichen.“

„Und wie Sie wissen, kann dieses Recht unter bestimmten außergewöhnlichen Umständen eingeschränkt werden, was – wie ich Ihnen bereits mehrfach dargelegt habe – auf Sterlings Fall zutrifft.“ Sands seufzte. „Wenn der Hinweis in seiner Post ist, gehen Sie doch einfach die Briefe durch und finden Sie ihn. Dann muss ich nicht mit ihm sprechen.“

McDonald rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. „Natürlich öffnen und kopieren wir alle Briefe, die er schreibt und empfängt. Aber wie Ihnen sicher bewusst ist, ist das aufgrund der Art der Korrespondenz keine leichte Aufgabe …“

„Aber Sie haben alles? Sie haben Kopien von allem, was er erhalten und abgeschickt hat?“

„Ja.“

„Und Sie haben es auch gelesen?“

Eine Pause entstand. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Hinweis von seiner Post stammt.“

Sands atmete schwer aus und sagte dann mehr zu sich selbst: „Er ist definitiv in seiner Post.“

„Hören Sie“, sagte Black. „Schlussendlich haben wir Sie hierhergebeten, weil wir Ihnen die Situation erklären wollten. Jetzt liegt es an Ihnen, wie Sie weiter vorgehen wollen. Wie Mr McDonald hier sagt, ist Charles Sterling nun einmal Ihr Vater, und letztendlich tragen Sie die Verantwortung für diesen Fall.“ Er warf einen Blick auf Lindham, wie um auch seine Rolle anzuerkennen. „Wenn Sie einen Besuch bei ihm ausschließen oder wenn Sie der Meinung sind, dass es für Ihr Team nicht von Nutzen wäre, dann ist das Ihre Entscheidung.“ Er lehnte sich zurück, als würde er erwarten, dass Sands sich Zeit zum Nachdenken nahm. Doch sie überraschte ihn.

„Wenn das so ist, ist es eine einfache Entscheidung. Ich werde ihn nicht besuchen.“

Sie stand auf und nickte Lindham zu. „Kommen Sie. Wir sind hier fertig.“

Drei

„Wir könnten irgendwo anhalten, wenn Sie Hunger haben“, meinte Sands auf der Rückfahrt. „Ich will die Stunden, die wir durch das hier verloren haben, wiedergutmachen, also können wir genauso gut gleich etwas essen.“

„Klar, wieso nicht“, erwiderte Lindham, der gerade sein Handy auf Nachrichten überprüfte, dann verfiel er in Schweigen. Sands beschleunigte auf einer langen Geraden, bevor sie zu schnell in eine Kurve fuhr.

„Gut“, sagte sie. Ein Stück weiter vorn lag ein Dorf, und sie erinnerte sich, gelesen zu haben, dass dort vor Kurzem ein neuer Feinkostladen mit Café eröffnet hatte. Es sah ein wenig kitschig aus, aber es war wahrscheinlich die beste Option. Wenn sie dort aßen, könnte sie länger arbeiten und hätte dann mehr oder weniger ihren Rückstand wieder aufgeholt. Eine weitere Kurve nahte, daher schaltete sie einen Gang zurück und ließ den Motor lauter als nötig aufheulen.

„Ma’am.“ Lindhams Stimme ein paar Minuten später überraschte sie. Sands’ Aufmerksamkeit war vollkommen von dem Genuss eingenommen worden, den Alfa etwas zu schnell um die Kurven der Landstraße zu lenken.

„Was ist?“

„Ich muss wissen, wie ich den Fall jetzt weiterführen soll.“ Er klang niedergeschlagen. „Soll ich immer noch nach vorbestraften Einbrechern suchen? Soll ich mir die Nachricht anschauen? Ich bin mir einfach nicht sicher.“

Sands schaute zu ihm hinüber, dann zurück nach vorne auf die Straße. Sie antwortete nicht.

„Es fühlt sich nämlich an, als wäre da dieses schwarze Loch, und ich weiß nicht, ob ich hineinschauen oder es einfach in Ruhe lassen soll. Ich weiß nicht, ob es relevant ist. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt versuchen darf, das herauszufinden.“

„Wovon reden Sie da? Sie folgen den Ermittlungen, wo immer sie hinführen.“

„Genau das … meine ich eigentlich.“

Sands erwiderte nichts.

„Hören Sie, ich weiß, dass das hart für Sie ist. Es war hart, als wir alle herausgefunden haben, wer Ihr Vater ist, und das hier … Ich kann mir gar nicht erst vorstellen, wie hart das für Sie sein muss. Aber es kommt mir vor, als würden Sie einfach so tun, als ob nichts passiert wäre. Und so einen Fall kann ich nicht leiten.“

Sands spürte seinen Blick auf sich, ließ ihren jedoch auf die Straße gerichtet. Sie merkte, wie ihre Fingerknöchel weiß wurden, weil sie das Lenkrad zu fest umklammerte. Sie zwang sich, ihre Finger zu entspannen. Lindham seufzte, als ob er bereits aufgegeben hätte.

„Okay“, setzte er an, „diese Nachricht stammt vielleicht, vielleicht aber auch nicht von demjenigen, der Jane Smith getötet hat, das wissen wir nicht. Aber offensichtlich konnte irgendjemand, der sie entweder dort platziert hat oder der wusste, dass sie dort war, Charles Sterling mitteil…“

„Also gut“, schnitt Sands ihm das Wort ab. „Ich verstehe schon.“

Ein paar Herzschläge lang war nur der Motor zu hören, die Reifen, der Fahrtwind um das Auto.

„Vielleicht könnte ich versuchen, mit ihm zu sprechen?“, schlug Lindham vor. „Vielleicht würde er mit mir sprechen an Ihrer Stelle?“

Sands krallte sich wieder am Lenkrad fest, ignorierte ihre weißen Knöchel diesmal.

„Vielleicht denkt er ja, wenn er mit mir spricht, ändern Sie Ihre Meinung.“

Ein paar Hundert Meter weiter lag ein kleiner Rastplatz. Sands schätzte seine Größe ab.

„Oder vielleicht sollten wir alle Briefe durchsehen, die er erhalten hat, wie Sie gesagt haben. Versuchen herauszufinden, woher er die Information hat.“

Sands überprüfte alle Spiegel und schätzte den Untergrund des Rastplatzes ein.

„Sonst weiß ich nämlich nicht, wie … Hey! Was zum Teufel?“ Lindhams Frage wandelte sich in einen panischen Schrei, als das Auto plötzlich die Straße verließ und herumwirbelte. Sands war mit hoher Geschwindigkeit auf den Rastplatz eingebogen und hatte das Lenkrad herumgerissen.

„Was zum Teufel machen Sie da?“

Obwohl das Auto nicht vollständig zum Stehen gekommen war, schaute es nun in die entgegengesetzte Richtung. Sands beschleunigte so, dass die Reifen nur kurz auf dem Kies durchdrehten, bevor das schwere Auto wieder Fahrt aufnahm, nun wieder in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

„Ich wende.“

„Was? Wieso?“

Sands wog ihre Antwort ab. „Weil ich keine andere Wahl habe. Der Bastard wird uns nichts verraten. Er wird dumme Spielchen spielen wollen und unsere Zeit verschwenden. Aber ich bin die Einzige, die das weiß, also habe ich keine andere Wahl, als es zu versuchen. Am besten bringe ich es so schnell wie möglich hinter mich. Und in diesem Fall würde ich es lieber gleich heute erledigen, und zwar sofort. Damit wir nicht noch mehr Zeit verschwenden.“

Sie warf Lindham ihr Handy zu. „Blacks Nummer ist irgendwo da drin.“ Sie beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, wie er durch die Kontakte scrollte und ab und zu einen ängstlichen Blick aus dem Fenster warf, während die Hecken regelrecht vorbeiflogen. Als er Blacks Nummer gefunden hatte, rief er direkt an. Der Anruf wurde automatisch an die Freisprechanlage des Autos weitergeleitet.

„Hier ist DCI Sands“, sagte sie, sobald die Verbindung hergestellt war. „Ich werde ihn besuchen. Aber ich will es sofort tun. Ich will es hinter mich bringen.“

Black bestätigte, dass er es arrangiert hatte. Dann legte Sands auf und drückte das Gaspedal durch.

Vier

Nur die obersten Etagen des roten Backsteingebäudes waren über die neun Meter hohe, mit Stacheldraht gekrönte Gefängnismauer zu sehen, auf der Überwachungskameras wie hässliche Raubvögel auf Masten hockten. Sands folgte den Schildern zu einem Pförtnerhaus, das mit zwei bewaffneten Wachen besetzt war. Sie ließ das Fenster herunter und zeigte ihren Ausweis vor. Lindham tat es ihr gleich.

Der Wachmann bestand darauf, die Ausweise mit in sein Häuschen zu nehmen, wo er sie genauestens unter die Lupe nahm, bevor er das Schiebefenster schloss und einen Anruf tätigte. Dann öffnete er das Fenster wieder.

„Sie können nicht mit dem Fahrzeug hinein. Aber wenn Sie es dort drüben abstellen, wird man Sie hineinbegleiten.“

Er reichte ihnen die Ausweise zurück und schloss das Fenster. Als sie das Auto abgestellt hatten, wartete bereits ein Beamter beim Tor auf sie.

„Hier entlang.“ Der Mann führte sie zu einer Tür, wo sie warteten, bis eine Sicherheitskamera sie erfasst hatte, und dann mit einem surrenden Geräusch der entriegelten Schlösser eingelassen wurden. Drinnen versperrte ihnen eine zweite Tür den Weg sowie ein Ganzkörperscanner wie auf dem Flughafen, bedient von einem weiteren Wachmann. Sands und Lindham leerten ihre Taschen und gingen hindurch, dann warteten sie, während ihre Habseligkeiten untersucht wurden.

„Warten Sie hier. Direktor McDonald ist auf dem Weg herunter.“

Der Wachmann wartete mit ihnen, bis sich eine weitere Tür öffnete und der Direktor erschien. Er war größer, als er beim Meeting vorhin gewirkt hatte.

„Ich bin froh, dass Sie es sich anders überlegt haben, Detective.“ Er lächelte dasselbe schmale Lächeln. „Gehen wir in mein Büro. Dort können wir die Details Ihres Besuchs durchgehen.“ Er hielt kurz inne. „Und gegen einen Kaffee haben Sie sicher auch nichts einzuwenden?“

Sie folgten ihm durch zwei weitere schwere Eisentüren bis zu seinem Büro. Es war groß mit einer geschmackvollen Einrichtung, bestehend aus einem Bücherregal an einer Wand und einem großen antiken Schreibtisch. Ein Foto stand darauf, das den Direktor und vermutlich seine Familie zeigte, drei Kinder auf den Basaltsäulen des Giant’s Causeway in Irland. Sands warf einen Blick aus dem Fenster, das den Hof überblickte, in dem die Gefangenen Freigang hatten und der von einem Drahtzaun eingegrenzt war und anschließend von derselben neun Meter hohen Mauer, die sie von außen gesehen hatten. Nun, da sie innerhalb der Mauer waren, wirkte sie noch imposanter, noch beständiger, wie sie sie vollkommen umschloss und mit ihren massiven Armen festhielt.

„Es verändert einen“, sagte McDonald mit einem Lächeln, „wenn man jeden Tag diese Aussicht sieht.“

Sands wollte sich gerade vom Fenster abwenden, als ein Alarm ertönte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs begann über einer Tür ein rotes Licht zu blinken, dann ging die Tür auf. Drei Männer kamen heraus, zwei in Gefängniswärteruniform und einer in einem grün-gelben Overall mit gefesselten Händen und zusammengeketteten Knöcheln, sodass er nur kleine Schritte machen konnte. Sands sah zu, wie einer der Wärter dem Mann die Fußfesseln abnahm. Langsam begann der Gefangene im Kreis zu gehen, die beiden Wachen folgten ihm mit zwei Schritten Entfernung.

Der Direktor stellte sich zu ihnen ans Fenster. „Das ist Gary Hassenbach; er hat vier Menschen ermordet. Sein letztes Opfer war sein Zellengenosse in Broadmoor. Er hat einen Löffel von der Kantine gestohlen und ihn durch das Ohr des Mannes in sein Gehirn gestoßen.“

Sands erschrak, wie nahe ihr McDonald gekommen war. Sie konnte seinen Atem riechen: schaler Kaffee. Sie wich einen Schritt zurück. „Hat er jeden Tag Hofgang?“

„Nein.“ McDonalds Tonfall war neutral. „Sollte er eigentlich. Aber dafür sind wir viel zu überfüllt und zu unterbesetzt. Hassenbach ist ein gutes Beispiel für jemanden, der praktisch keine Gefahr für andere Menschen darstellt, den wir aber wie eine Art Monster behandeln müssen. In einer guten Woche kommt er zweimal an die frische Luft. Die restliche Zeit sitzt er in einer fensterlosen unterirdischen Zelle. Genau wie Ihr Vater.“

Sands warf ihm einen Blick zu, entschied sich jedoch gegen eine wiederholte Forderung, Sterling nicht als ihren Vater zu bezeichnen. „Sie haben gerade gesagt, dass er seinen Zellengenossen mit einem Löffel getötet hat. Inwiefern klingt das nicht nach einem Monster?“

„Das Gefängnis hat einen Fehler gemacht. Hassenbach wurde von Geburt an von seinen Eltern missbraucht. Prügel, Zigaretten, die auf seinem Arm ausgedrückt wurden, angeschrien, beleidigt … und so weiter. Im Alter von sechs Jahren wurde er von einem katholischen Waisenhaus in Obhut genommen. Wenn er dortgeblieben wäre, wäre er vielleicht nie hier gelandet, aber leider wurde dem Antrag seiner Eltern, ihn zurückzubekommen, stattgegeben. Zur Strafe haben sie ihn noch stärker verprügelt. Sie haben ihn täglich vergewaltigt. Einmal war er neun Monate in seinem Zimmer mit geschwärzten Fenstern eingesperrt. Sein einziger menschlicher Kontakt war mit seinem Vater, wenn dieser hereinkam, um ihn zu misshandeln.“ Der Direktor lächelte sein schmales Lächeln. „Er ist nicht davongelaufen. Erst als er im Alter von achtzehn Jahren legal ausziehen konnte. Danach geriet er in ein Leben voller Drogen und Prostitution. Sein erstes Opfer war ein Mann, der ihn für Sex bezahlte, dann jedoch damit prahlte, dass er gerne Kinder vergewaltigte. Hassenbach hat den Mann mit seinem eigenen Schuh zu Tode geprügelt. Aber können wir Hassenbach angesichts seiner Kindheit wirklich verübeln, dass er in so einer Situation die Beherrschung verloren hat?“ McDonald schien eine Antwort zu erwarten, doch Sands blieb still. Also fuhr der Direktor fort. „Jedes von Hassenbachs Opfern war ein Kinderschänder. Sie haben ihn alle provoziert. Der Mann, den er in seiner Zelle getötet hat, war ein Pädophiler; er hätte nie mit ihm in eine Zelle gesteckt werden dürfen. Hassenbach hat nie eine Gefahr für die Allgemeinheit dargestellt. Und doch wurde er für den Rest seines Lebens zu Einzelhaft verurteilt, fast so, als wäre er immer noch in seinem Schlafzimmer eingesperrt.“

Sands beobachtete Hassenbach, wie er den Drahtzaun erreichte und automatisch um die Ecke bog. Die Gefängniswärter folgten ihm mit gelangweilter Miene.

„Sagen Sie mir, Detective, klingt das für Sie nach Gerechtigkeit?“

Sands ignorierte die Frage. „Darf Sterling so in den Hof?“

Der Direktor holte tief Luft. „Eigentlich hätte er heute Hofgang, aber wir haben ihn wegen Ihres Besuchs abgesagt. Ich glaube nicht, dass es ihm etwas ausmacht. Kann ich Ihnen einen Kaffee anbieten?“

Sands nickte, den Blick immer noch auf Hassenbach geheftet. Ein Mann, der noch mehr Pech gehabt hatte als sie.

McDonald zählte eine große Auswahl an Getränken auf, als wäre er Leiter eines Cafés anstatt des obersten Hochsicherheitsgefängnisses des Landes. Lindham bestellte einen Cappuccino, und Sands unterdrückte ihren Ärger lange genug, um es ihm gleichzutun. McDonald drückte eine Taste auf seinem Festnetztelefon und wiederholte ihre Wünsche für die Person am anderen Ende, während er für sich selbst „das Übliche“ bestellte. „Oh, und schicken Sie bitte Barney hoch.“

McDonald ließ die Taste los. „Kommen Sie. Setzen Sie sich doch bitte.“ Mit einem breiten Lächeln, als wäre Sands’ und Lindhams Anwesenheit eine freudige Überraschung, ließ er sich hinter seinem Schreibtisch nieder.

„Sie sind mit den Bedingungen, unter denen Ihre Gefangenen untergebracht sind, nicht einverstanden?“, fragte Sands, als sie Platz nahm.

„In manchen Fällen schon. In manchen Fällen nicht. Was Ihren Vater angeht, so hat er einer Reihe von Psychologen bewiesen, dass er sich geändert hat. Er hält sich seit über zwanzig Jahren an jede einzelne Regel, die wir ihm auferlegen. Ich sehe keinen Grund, weshalb er nicht in den normalen Zellen mit den anderen Insassen untergebracht werden sollte. Und doch wird er in Isolationshaft gehalten, weil seine Verbrechen so viel Aufmerksamkeit erregt haben. Es ist einfach Pech, dass seine Verbrechen in den Zeitungen gelandet sind und andere ähnliche Verbrechen nicht.“ Wieder dieses schmallippige Lächeln.

„Was ist mit seinen Täuschungen? Der vorgetäuschten Krankheit? Seinen rechtlichen Anfechtungen?“

McDonald wischte ihre Worte mit einer Handbewegung beiseite. „Vielleicht war er tatsächlich krank, wir wissen es nicht. Und er hat jedes Recht, einen Anwalt – oder mehrere – anzuheuern, um seine Rechte sicherzustellen. Der Staat hat ihm seine Freiheit genommen, und ihm wurde es verwehrt, sie jemals wiederzuerlangen.“

„Sie wissen, warum. Sie wissen, was er getan hat“, erwiderte Sands.

„Natürlich. Aber ich weiß von vielen anderen, die das Gleiche getan haben oder sogar noch Schlimmeres, aber sich trotzdem noch auf ein Leben danach freuen können. Die eine Chance auf Wiedergutmachung haben, wenn sie sie ergreifen wollen.“ Dieses Mal blieb Sands still. „Detective Sands, Sie müssen doch verstehen, dass es eine politische Entscheidung war, Ihren Vater dort einzusperren, wo er nun ist. Sein eigentlicher Fehler war es, sich selbst so aufzuspielen, dass er quasi zum Paradebeispiel eines mörderischen Psychopathen wurde. Zum Beispiel, an dem alle anderen Mörder gemessen werden. Deswegen bleibt er nun hier eingesperrt, bis er stirbt, weil kein Innenminister jemals den Mut haben wird, sich der Gegenreaktion der Boulevardzeitungen zu stellen, wenn er jemals auf Bewährung rauskäme.“ In seiner Stimme schwang eine gewisse Traurigkeit mit, und Mitgefühl stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Sands musterte ihn und überlegte, ob sie ihn zurechtweisen und ihm sagen sollte, dass Sterlings eigentlicher Fehler seine Entscheidung gewesen war, acht Frauen zu ermorden, einschließlich seiner Frau und jüngsten Tochter. Sie beschränkte sich darauf, ihn zum wiederholten Male mit eisiger Stimme aufzufordern, den Mann nicht als ihren Vater zu bezeichnen.

McDonald hob die Hände, als könnte er nichts dagegen tun. Dann klopfte es an der Tür. Eine Frau mittleren Alters betrat das Büro, stellte ein Tablett ab und ging wieder. McDonalds übliche Bestellung stellte sich als Espresso heraus. Er nippte daran, bevor er fortfuhr. „Ich bitte um Entschuldigung, Detective. Wie Sie sehen, ist mir Familie sehr wichtig.“ Er deutete auf das Foto seiner Kinder. „Wie sie für uns alle wichtig ist, glaube ich. Ich bin überzeugt, dass es für Sterling förderlich sein wird, Sie zu sehen. Es könnte sogar für Sie förderlich sein.“

Sands trank einen Schluck Kaffee. Sie hatte schon öfter Leute wie den Direktor getroffen – sie waren erstaunlich häufig im Strafvollzug anzutreffen –, aber sie hatte noch nie eine solche Meinung von jemandem gehört, der ihren Vater tatsächlich kannte.

„Jedem Gefangenen der Kategorie A in Einzelhaft weisen wir einen leitenden Beamten zu, der in erster Linie für seine Sicherheit und sein Wohlergehen verantwortlich ist“, erklärte McDonald. „Für Ihren Vater ist ein Mann namens Barney Atkinson zuständig. Er wird Sie in die Sicherheitsmaßnahmen einweisen, die befolgt werden müssen.“ McDonald nippte erneut an seinem Espresso. „Wie gesagt sind im Fall von Sterling die Sicherheitsmaßnahmen größtenteils nur noch reine Formsache, aber wir müssen dennoch darauf bestehen, dass sie strikt eingehalten werden.“

Sands lehnte sich zurück. Sie hatte genug gehört. Sie trank ihren Kaffee, hörte dem Direktor aber nicht mehr wirklich zu. Fast gegen ihren Willen reiste sie gedanklich zurück zu dem Moment, in dem sie ihren Vater das letzte Mal gesehen hatte. Es fühlte sich schwindelerregend an, gleichzeitig als wäre es in einem anderen Leben gewesen – noch dazu in einem harten Leben – und als wäre es erst ein paar Wochen her. Dieselbe schreckliche Scham wie damals überkam sie, als sie herausgefunden hatte, wer er wirklich war. Und dann die Trauer und dann die bodenlose Angst, als sie begriff, dass ihr Leben, wie sie es kannte, in Scherben lag, dass ihr einziges verbliebenes Familienmitglied buchstäblich ein Monster war. Ein Monster, das ihr gesagt hatte, dass sie genauso war. Sie spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde, und die Tasse in ihrer Hand auf der Untertasse zu klappern begann. Es kostete sie große Anstrengung, sie abzustellen, bevor der Direktor es bemerkte.

Die Erinnerung ließ sie nicht los. Plötzlich war sie wieder zwölf Jahre alt. Sie spürte den inneren Konflikt zwischen der Tatsache, dass sie die Klügste in ihrer Schule war – einerseits weil sie diesen Platz ganz natürlich einnahm, andererseits weil es das absolute Minimum war, das er