Die falsche Geliebte - Honoré de Balzac - E-Book

Die falsche Geliebte E-Book

Honore de Balzac

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Beschreibung

Eine romantische Novelle. Balzacs Hauptwerk ist der Romanzyklus La Comédie humaine (dt.: Die menschliche Komödie), dessen Romane und Erzählungen ein Gesamtbild der Gesellschaft im Frankreich seiner Zeit zu zeichnen versuchen.

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Die falsche Geliebte

Honoré de Balzac

Inhalt:

Honoré de Balzac – Biografie und Bibliografie

Die falsche Geliebte

Die falsche Geliebte, Honoré de Balzac

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849605988

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Honoré de Balzac – Biografie und Bibliografie

Franz. Romandichter, geb. 20. Mai 1799 in Tours, gest. 18. Aug. 1850 in Paris, übernahm, da seine ersten Romane, die er unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte (30 Bde.), durchaus nicht beachtet wurden, eine Buchdruckerei, die er aber infolge schlechter Geschäfte bald wieder aufgeben mußte, kehrte dann zur Literatur zurück und schwang sich mit dem Roman »Le dernier Chouan, ou la Bretagne en 1800« (1829, 4 Bde.), den er unter seinem eignen Namen erscheinen ließ, mit einemmal zur Berühmtheit des Tages empor. Von nun an erschienen Schlag auf Schlag eine Unmasse von Romanen, in denen er die allmählich entstandene Idee, alle Seiten des menschlichen Lebens darzustellen, zu verwirklichen suchte. Bis zu einem gewissen Grad ist ihm dies gelungen; in der »Comédie humaine«, wie er selbst die Gesamtheit seiner Schriften bezeichnete, vereinigte er: »Scènes de la vie privée« (im ganzen 27 Werke); »Scènes de la vie de province« (»Eugénie Grandet« etc.); »Scènes de la vie parisienne« (»La dernière incarnation de Vautrin«, »Le père Goriot«, »Grandeur et décadence de César Birotteau«, »La cousine Bette«); »Scènes de la vie politique«; »Scènes de la vie militaire«; »Scènes de la vie de campagne«; »Etudes philosophiques« (»La peau de chagrin«, »Louis Lambert«); »Études analytiques« (»La physiologie du mariage«). Dazu kommen noch einige Dramen, die aber keinen Beifall fanden, und einige Komödien, von denen »Mercadet, ou le faiseur« (1851) sehr gefiel. Sein letztes Werk, der Roman »Les parents pauvres«, ist auch wohl sein reifstes. Balzacs Romane zeigen eine vorzügliche Schilderung des bürgerlichen Lebens, dem er den Glanz des Reichtums und die eleganten Formen und hochtönenden Namen der Aristokratie andichtet, ohne daß darum seine Personen in Manier und Gesittung ihre Parvenunatur verleugnen. Deshalb fällt auch Balzacs Erfolg mit dem Bürgerkönigtum zusammen. Mit der Julirevolution ging sein Stern auf, in der Februarrevolution, die den vierten Stand zur Herrschaft brachte, erblich er. Eine andre, wesentliche Stütze seines Ruhmes hatte er in der Frauenwelt gefunden, deren Herz er gewann durch »La femme de trente ans« (1831). Seinen Erfolg in Frankreich übertraf bei weitem der in Europa; überall wurde B. gelesen, man kopierte das Leben seiner Helden und Heldinnen und möblierte sich á la B. In seinen »Contes drolatiques« (30 Erzählungen im Stile Rabelais'), der »Physiologie du mariage« etc. ist er dem nacktesten Realismus verfallen, und mit Recht nennen ihn die Zola und Genossen ihren Herrn und Meister. Wenige Schriftsteller haben es verstanden, so treu die Sitten der Zeit und des Landes zu schildern, so tief in die Herzen der Menschen einzudringen und das Beobachtete zu einem lebendigen, überraschend wahren Bilde zu vereinigen. Aber seine Schilderungen sind jedes idealen Elements bar, die letzten Gründe menschlicher Handlungen führt er auf die Geldsucht und den gemeinsten Egoismus zurück, besonders seine Schilderungen des weiblichen Herzens sind oft von empörendem Naturalismus. Dazu kommen häufig große Flüchtigkeit in der Anordnung des Stoffes, Geschmacklosigkeit im Ausdruck und viele Mängel im Stil. Balzacs Werke erscheinen in einzelnen Ausgaben noch jedes Jahr und sind auch mehrmals gesammelt worden, z. B. 1856–59, 45 Bde., 1869–75, 25 Bde. (der letzte enthält Balzacs Briefwechsel von 1819–50), 1899 ff. (noch im Erscheinen); eine Ergänzung bilden die »Histoire des œuvres de H. de B.« von Lovenjoul (1879, 2. Aufl. 1886) und dessen »Études balzaciennes« (1895). Vgl. Laura Surville (Balzacs Schwester), B., sa vie et ses œuvres (1858); Th. Gautier, Honoré de B. (1859); de Lamartine, B. et ses œuvres (1866); Champfleury, Documents pour servir à la biographie de B. (1876); E. Zola, Über B. (in »Nord und Süd«, April 1880); H. Favre, La Franceen éveil. B. et le temps présent (1887); Gabr. Ferry (Bellemarre d. jüng.), B. et ses amies (1888); Barrière, L'œuvre de B. (1890); Lemer, B., sa vie, son œuvre (1892); Wormeley, Life of B. (Boston 1892); Lie, Honoré de B. (Kopenh. 1893); Cerfberr und Christophe, Répertoire de la Comédie humaine de B. (1893); Flat, Essais sur B. (1893–95, 2 Bde.); Biré, Honoré de B. (1897). Balzacs Büste ist im Foyer des Théâtre-Français aufgestellt; ein Denkmal (von Fournier) ist ihm in Tours errichtet.

Die falsche Geliebte

I.

Im September 1835 heiratete eine der reichsten Erbinnen des Faubourg Saint-Germain, Fräulein du Rouvre, einzige Tochter des Marquis du Rouvre, einen jungen polnischen Verbannten, den Grafen Adam Mizislas Laginski. Man gestatte mir, die Namen so zu schreiben, wie sie gesprochen werden, denn ich möchte den Lesern den Anblick der Verschanzungen von Konsonanten ersparen, mit denen die slawische Sprache ihre Vokale umgibt, sicherlich damit sie bei ihrer geringen Zahl nicht verloren gehen. Der Marquis du Rouvre hatte eins der schönsten Adelsvermögen, dem er seine Verbindung mit einem Fräulein von Ronquerolles verdankte, fast völlig vergeudet. Durch sie hatte Clementine du Rouvre mütterlicherseits den Marquis von Ronquerolles zum Onkel und Frau von Sérizy zur Tante. Väterlicherseits besaß sie noch einen Onkel in der wunderlichen Gestalt des Chevalier du Rouvre. Das war der jüngere Sohn des Hauses, ein alter Junggeselle, der zu Gelde gekommen war und mit seinen Gütern und Häusern Geschäfte machte. Der Marquis du Rouvre hatte das Unglück gehabt, eins seiner beiden Kinder an der Cholera zu verlieren. Der einzige Sohn der Frau von Sérizy, ein junger, sehr hoffnungsvoller Offizier, fiel in Afrika im Kampf an der Macta. Heutzutage schweben die reichen Familien ja in der Gefahr, durch zu viele Kinder zu verarmen oder bei ein bis zwei Kindern auszusterben: eine merkwürdige Wirkung des bürgerlichen Gesetzbuches, an die Napoleon nicht gedacht hat. Durch eine Laune des Zufalls wurde Clementine also zur Erbin, trotz der unsinnigen Ausgaben des Marquis du Rouvre für Florine, eine der reizendsten Pariser Schauspielerinnen. Der Marquis von Ronquerolles, ein sehr geschickter Diplomat der neuen Dynastie, seine Schwester, Frau von Sérizy, und der Chevalier du Rouvre taten sich nämlich zusammen, um ihr Vermögen aus den Klauen des Marquis zu retten und es für ihre Nichte sicherzustellen, der sie am Tag ihrer Verheiratung je 10 000 Franken Rente auszusetzen versprachen. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß der geflüchtete Pole der französischen Regierung keinen Heller kostete. Graf Adam gehörte einem der ältesten und erlauchtesten Geschlechter Polens an, das mit den meisten deutschen Fürstenhäusern und mit den Sapieha, Radziwill, Rzewuski, Czartoriski, Leszinski, Jablonowski, Cubomirski und allen großen sarmatischen kis verwandt war. Aber heraldische Kenntnisse sind nicht das Merkmal für das Frankreich Louis Philippes, und jener Adel konnte bei der damals herrschenden Bourgeoisie keine Empfehlung sein. Im übrigen führte Adam im Jahre 1833, wenn er sich auf dem Boulevard des Italiens, im Frascati, im Jockei-Club zeigte, das Leben eines jungen Mannes, der seinen politischen Hoffnungen entsagt hatte und sich auf seine Laster und seinen Vergnügungstrieb besann. Man hielt ihn für einen Studenten. Die polnische Nationalität war damals dank der häßlichen Reaktion der Regierung so tief gesunken, wie sie nach dem Wunsche der Republikaner hochstehen sollte. Der eigenartige Kampf zwischen Fortschritt und Stillstand, zwei Worte, die in dreißig Jahren unverständlich sein werden, machte etwas, das so achtbar hätte sein sollen, zum Spielball: den Namen eines niedergeworfenen Volkes, dem Frankreich Gastfreundschaft gewährte, für das man Feste erfand, für das man Subskriptionsbälle und Konzerte veranstaltete, kurz, eines Volkes, das 1796, im Kampfe Europas gegen Frankreich, diesem 6000 Männer gestellt hatte, und was für Männer! Man ziehe daraus nicht den Schluß, Zar Nikolaus solle gegen Polen ins Unrecht gesetzt werden oder Polen gegen den Zaren Nikolaus. Es wäre zunächst ziemlich töricht, politische Erörterungen in eine Erzählung einzuflechten, die unterhalten oder fesseln soll. Zudem hatten Rußland und Polen beide recht, das eine wollte die Einheit seines Reiches und das andere die Wiedererlangung seiner Freiheit. Bemerkt sei hierbei, daß Polen Rußland moralisch erobern konnte, anstatt es mit den Waffen zu bekämpfen. Es hätte die Chinesen nachahmen können, denen es schließlich gelang, die Tartaren zu Chinesen zu machen, und die, man muß es hoffen, auch die Engländer zu Chinesen machen werden. Polen mußte Rußland polonisieren. Poniatowski hatte es in der am wenigsten gemäßigten Gegend des Zarenreiches versucht, aber dieser König blieb unverstanden, zumal er sich wahrscheinlich selbst nicht recht verstand. Wie hätte man diese armen Teufel nicht hassen sollen, als die Urheber der grauenhaften Lüge, die während der Revue begangen wurde, damals, als ganz Paris wünschte, den Polen beizustehen! Man tat, als betrachte man die Polen als Verbündete der republikanischen Partei, und bedachte dabei nicht, daß Polen eine Adelsrepublik war. Seitdem verfolgte das Bürgertum die Polen, die man kurz zuvor noch vergöttert hatte, mit seinem schäbigen Haß. Das Sturmzeichen eines Aufruhrs hat die Pariser noch stets und unter allen Regierungen vom Norden zum Süden umschlagen lassen. Diesen Wechsel der öffentlichen Meinung muß man sich vor Augen halten, will man verstehen, wie das Wort Pole im Jahre 1835 zur lächerlichen Bezeichnung bei einem Volke werden konnte, das sich für das geistreichste und gebildetste auf Erden hält und sich im Mittelpunkte der Aufklärung wähnt, in einer Stadt, die heute das Zepter der Kunst und der Literatur führt. Es gibt indes zwei Sorten polnischer Flüchtlinge: den polnischen Republikaner, den Sohn Lelevels, und den adligen Polen der Partei, an deren Spitze Fürst Czartoriski steht. Diese beiden Sorten von Polen sind wie Feuer und Wasser – aber warum soll man ihnen deshalb grollen? Solche Spaltungen haben sich noch stets bei Flüchtlingen gezeigt, welcher Nation sie auch angehören, einerlei, in welches Land sie auswandern. Man bringt eben sein Land und seinen Haß mit. In Brüssel offenbarten zwei Emigranten, französische Priester, tiefen Abscheu vor einander, und wenn man den einen nach dem Warum fragte, wies er auf seinen Leidensgefährten und antwortete: »Er ist ein Jansenist.« Dante hätte in seiner Verbannung gern einen Gegner der »Weißen« erdolcht. Da liegt auch der Grund für die Angriffe der französischen Radikalen gegen den ehrwürdigen Fürsten Adam Czartoriski und für die Mißstimmung, die die Cäsaren vom Kramladen und die Alexander der Gewerbescheine gegen einen Teil der polnischen Auswanderer verbreiteten. Im Jahre 1837 hatte Mizlslas Laginski also die Pariser Spöttereien gegen sich.

»Er ist nett, obgleich er Pole ist,« sagte Rastignac von ihm.

»Alle diese Polen halten sich für große Herren,« sagte Maxime de Trailles. »Aber der bezahlt seine Spielschulden; ich glaube beinahe, er hat Güter besessen.«

Ohne den Verbannten zu nahe zu treten, darf man doch darauf hinweisen, daß der Leichtsinn, die Sorglosigkeit und die Unzuverlässigkeit des sarmatischen Charakters Ursache waren für das boshafte Gerede der Pariser, die übrigens unter gleichen Umständen den Polen völlig gleich sein würden. Der französische Adel, der während der Revolution vom polnischen Adel so bewundernswert unterstützt wurde, hat den ausgewiesenen Polen von 1832 wahrlich nicht Gleiches mit Gleichem vergolten. Gestehe man es doch traurigen Mutes: das Faubourg Saint-Germain ist noch immer der Schuldner der Polen.