Die falsche Hostess - Pea Jung - E-Book

Die falsche Hostess E-Book

Pea Jung

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Beschreibung

Die falsche Hostess Humorvolle Liebesgeschichte mit prickelnder Erotik Was passiert, wenn die eigene Nachbarin unverhofft ein Herpes bekommt? Kein Problem? Nicht für Raffaela. Sie darf ihre Nachbarin in deren Job als Hostess vertreten und lernt dabei den smarten Rick kennen. Zwischen den beiden sprühen sofort leidenschaftliche Funken, die sich in Form eines One-Night-Stands entladen. Ebenfalls kein Problem? Weit gefehlt. Schließlich war Raffaela offiziell als ihre Nachbarin unterwegs, was zu weiteren Verwicklungen führt. Und sie sieht Rick schneller wieder als erwartet.

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PEA JUNG (Jahrgang 1977) lebt mit ihrem Mann und vier Kindern in der Nähe von München. Neben der Arbeit als Sozialpädagogin schreibt sie Liebesgeschichten mit Happy End, wobei der Erotikfaktor von Geschichte zu Geschichte variiert. Mit ihrem Debütroman DIE FALSCHE HOSTESS gelang der Überraschungserfolg – das Buch entwickelte sich in kurzer Zeit zum Bestseller. Seither begeisterte jedes ihrer Bücher die stetig wachsende Leserschaft. Mittlerweile ist sie mit ihren eBooks eine erfolgreiche Self-Publisher-Autorin.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 1

Ahhhh«, schreit mir meine Nachbarin Doris entgegen, als ich ihr die Tür meiner kleinen Wohnung öffne. Hektisch betritt sie die Wohnung, indem sie sich, wild mit den Armen fuchtelnd, den nötigen Platz verschafft. Ich schließe meine Tür und verschränke erwartungsvoll die Arme.

»Sieh’s dir an, Ela. Eine Katastrophe!«, schimpft sie verzweifelt und dreht sich zu mir um.

»Was denn?«, frage ich, weil ich ihr Problem nicht auf Anhieb erkenne. Sie kommt ganz nah an mich heran und deutet auf ihre Lippe.

Ihre Oberlippe ist auf einer Seite dick geschwollen. »Oh! Warst du beim Einspritzen?«, frage ich unbedarft, da ich weiß, dass sie ihr Geld gerne in kleinere Schönheitsmaßnahmen umsetzt.

»Nein«, kreischt sie entnervt, »das ist ein Herpes und oberhalb meiner Lippe bilden sich im Moment noch mehr Bläschen.«

»Das geht doch wieder weg. Du solltest dir die andere Seite der Lippe einspritzen lassen, dann sieht’s wieder gleich aus.«

»Lach du nur. Ich hab heute Abend einen Job, noch dazu bei einem Erstkunden«, schluchzt Doris und klingt ehrlich verzweifelt.

»Mit viel Schminke fällt das doch überhaupt nicht auf.«

»Doch. Außerdem, was mach ich, wenn er mich küssen will?«, fragt Doris mehr sich selbst und lässt sich auf meine Couch plumpsen. Ich setze mich neben sie.

»Ich dachte, du hast keine körperlichen Kontakte zu deinen Kunden?«

»Nicht einmal einen Kuss auf die Wange kann ich ihm geben. Und außerdem, wenn er gut aussieht, dann hab ich ja gar nichts gegen weitere körperliche Kontakte.«

Doris hätte diesen Job nicht nötig. So gut wie sie aussieht, könnte sie jede Menge Männer haben. Aber sie scheint mit sehr wenig Aufwand viel Geld zu verdienen, wie sie immer wieder betont. Außerdem, sagt sie, lernt sie viele interessante Männer mit gepflegtem Äußerem und guten Manieren kennen. Wie ich zugeben muss, genau das Gegenteil von der Sorte Mann, mit der ich bisher das Vergnügen hatte. Doris ist Hostess. Sie arbeitet in einer der wenigen seriösen Agenturen der Stadt, jedenfalls behauptet sie das. Sie geht mit den Kunden gemeinsam aus oder zu offiziellen Anlässen. Eine Zeitlang war sie die Begleitung für einen schwulen Mann, der oft in der Öffentlichkeit steht und mit ihrer Hilfe seine Homosexualität vertuscht hat.

Wieder schaue ich sie mir genauer an. Ich kann das Herpes nicht schönreden. Es sieht echt übel aus. Deshalb schlage ich vor, dass sie den Termin absagt.

»Damit eine der anderen meinen Auftrag bekommt? Nie im Leben!«

Wir sitzen eine ganze Weile schweigend nebeneinander und grübeln. Irgendwann seufze ich: »Ich würde dir ja gerne helfen, aber mir fällt auch nichts ein.«

Auf einmal beginnt Doris glückselig zu lächeln und schaut mich strahlend an. »Du gehst für mich zu dem Termin.«

Ich stehe abrupt auf und schnauze sie an: »Ja genau. Ganz tolle Idee!« Dann gieße ich mir ein Glas Wasser ein.

»Warum denn nicht, Raffaela?«

Wütend drehe ich mich um. »Sag mal, spinnst du? Ich kann so etwas nicht. Ich mache so etwas nicht.«

»Ich bin keine Nutte, Ela«, sagt Doris mit drohendem Unterton und steht ebenfalls auf. »Bitte, du musst nur mit dem Kunden zum Essen gehen. Er hat in einem Fünf-Sterne-Hotel reserviert. Du quatschst eine Weile gepflegt mit ihm und dann seilst du dich ab.«

Ich lache, weil mir ihre Idee so absurd erscheint. »Es gibt da ein paar Schlagwörter in deinem Text, die nicht zu mir passen: Fünf-Sterne-Hotel, gepflegte Unterhaltung.«

»Mach dich nicht dümmer, als du bist! Komm schon. Ich übernehme auch den Treppendienst für dich.«

Ich hasse den Treppenputzdienst und sie weiß das nur zu genau. Ich zögere, warum auch immer. Aber ich merke, wie ich zögere, und Doris bemerkt das auch. Sie redet weiter auf mich ein. »Du kannst auch das Geld haben. 230 Euro – pro Stunde!«

Ich verschlucke mich an dem Wasser, das ich gerade trinke. Doris lächelt siegessicher. Nachdem ich mich beruhigt habe, hake ich nach. »Wirklich?«

»Wirklich!«

Sie hat mich an der Angel. »Ich muss nur mit dem Kerl gemeinsam essen?« Doris nickt. »Ich weiß nicht. Ich kann das nicht.«

Da spielt sie ihr Ass aus. »Ich kann eigentlich nicht mit Kindern umgehen und trotzdem habe ich es gemacht. Schon vergessen, Ela?«, säuselt sie und damit holt sie die Angel ein.

Sie hat mir einmal aus der Patsche geholfen, als ich erkrankt war und meinen Nebenjob als Babysitterin nicht wahrnehmen konnte. Als sie nach Hause kam, sah sie damals wirklich sehr erschöpft und müde aus. Sie hatte den ganzen Nachmittag mit den Kindern Brettspiele gespielt, obwohl sie das hasst.

»Also gut.« Ich schnaufe tief durch und kann es selbst nicht glauben, was ich da sage.

»Wunderbar! Komm in zwei Stunden zu mir in die Wohnung, dann bekommst du alles, was du brauchst.«

Nachdem sich der erste Schock über meine Zusage gelegt hat, gehe ich ausgiebig duschen. Meine kleine Einzimmerwohnung hat kein eigenes Bad. Ich teile mir das Etagenklo mit drei anderen Hausbewohnern. Alle sind Studenten wie ich. Doris studiert Psychologie, während ich mich für Wirtschaftswissenschaften entschieden habe. Keine Ahnung, warum. Ich bin da eigentlich alles andere als richtig aufgehoben, vor allem, weil es in den ersten Semestern hauptsächlich um Mathematik ging. So ähnlich muss sich Joschka Fischer gefühlt haben, als er in den Bundestag eingezogen ist: Ich passe eigentlich überhaupt nicht zu den typischen Wiwi-Studenten. Aber egal. Und heute tu ich auch etwas, was überhaupt nicht mein Fall ist.

»Du hast Glück«, sagt Doris, als ich in ihrer Wohnung bin.

»Warum?«

»Naja, der Bekannte, der mich für seinen Bekannten gebucht hat, kennt nur mein seriöses Ego.«

»Seriöses Ego?«

»Ich bin in der Agentur mit mehreren Set-Karten vertreten. Da gibt es zum Beispiel die blonde Michelle, die grundsätzlich nur mit tiefem Ausschnitt und High Heels aus dem Haus geht. Das ist die Sorte Frau, die über jeden noch so schlechten Witz lacht und eigentlich sind die Herren nicht daran interessiert, dass ich als Michelle viel rede. Nur zuhören muss ich können und an den richtigen Stellen lachen.«

»Und ich bin diese Michelle?«

»Nein, ich sage doch: Du hast Glück. Mein Bekannter kennt mich unter dem Namen Sophia. Das ist eher der Typ Begleitung, der für eine gute Unterhaltung sorgt und dem einsamen Mann eine angenehme Ablenkung bietet.«

»Ach herrje, kann ich nicht als dumme Michelle gehen und in den stillen Momenten blöd kichern? Das lenkt doch den einsamen Mann auch ab, oder etwa nicht?«

»Raffaela! Ich fürchte, du bist die brünette Sophia«, sagt Doris resolut und zeigt mir eine braune Langhaarperücke mit Pony. »Glaube mir, es ist wesentlich anstrengender, als Michelle unterwegs zu sein. Sophia ist zwar auch sexy, aber nicht gar so auffällig wie Michelle.«

»Ich bin aber Raffaela!«

»Sieh das Ganze einfach als eine Art Experiment, wie eine Faschingsveranstaltung. Du darfst heute Abend ein anderer Mensch sein.«

»Jetzt wird mir schon klar, warum ausgerechnet du als Psychologiestudentin in diesem Job gelandet bist.«

Mein Blick fällt wieder auf die Perücke. Es ist mir ein Rätsel, wie ich meine rote Lockenpracht da drunter-quetschen soll. Doris hat meinen zweifelnden Blick bemerkt und zeigt mir eine Art Haube. »Das ist extra für Perücken. Du kannst deine Haare darunter verstecken.« Sie mit ihren kurzen Haaren hat gut reden!

Eine Stunde später bin ich eine brünette Schönheit geworden. Doris hat es tatsächlich geschafft, all meine sichtbaren Sommersprossen zu überschminken. Ich sehe völlig verändert aus und das beruhigt mich. Doris hat mir ein schwarzes Abendkleid geliehen, das ich wahrscheinlich besser ausfülle als sie, aber es passt. Eigentlich fühle ich mich sogar sehr wohl in dem Kleid, weil es nicht zu knapp geschnitten und auch nicht zu kurz ist.

Doris ruft ein Taxi für mich und redet in einer Tour auf mich ein. »Also, du bist jetzt Sophia. Vergiss das nicht. Ich habe dir in deine Tasche alles eingepackt, was du brauchst, auch Kondome, für den Fall…«

»Doris!«

»Du musst für alles gerüstet sein.«

»Meinst du etwa, ich gehe mit irgendeinem gelangweilten einsamen Kerl ins Bett, der wahrscheinlich alt und dick ist?«

Doris geht nicht auf mich ein. »Heb auf jeden Fall den Taxibeleg auf und bestell dir für die Heimfahrt auch ein Taxi. Ruf mich an, wenn das Treffen vorbei ist, dann organisiere ich alles. Denk daran: Dieser Mann zahlt ein Vermögen für deine Anwesenheit. Es gibt nur ihn für dich, egal, wie alt, hässlich oder langweilig er auch sein mag. Deine Aufmerksamkeit darf nie auf andere Leute fallen, egal wie knackig, jung oder interessant diese im Vergleich zum Kunden auch sein mögen. Gib ihm das Gefühl, dass er der einzige Mensch im Raum ist. Unterbrich ihn nicht, sei höflich, beantworte keine privaten Fragen… «

»Über was soll ich denn mit dem reden?«

»Wenn er etwas Privates wissen will, rede dich heraus. Sei kreativ, aber lass dich nicht als Lügnerin entlarven.«

Mir wird ganz schlecht. »Ich glaube, ich hätte auch Psychologie belegen sollen.«

»Du schaffst das schon. Es ist nur ein Essen.«

Es klingelt an der Tür. Das Taxi! Doris schiebt mich zur Tür und ich stemme mich leicht dagegen. »Wie erkenne ich ihn denn?«

»Treffpunkt Restaurant. Es ist ein Tisch reserviert, auf den Namen Meyer. Das ist aber der Name meines Bekannten, der den Kunden vermittelt hat.«

Und schon sitze ich in dem Taxi auf dem Weg zu einem Blind Date mit einem Mann, dessen Namen ich nicht einmal kenne.

Kapitel 2

Zögernd betrete ich das große Hotel und frage nach dem Restaurant. Die Mitarbeiter sind höflich und ich nehme mir vor, genauso höflich zu dem Mann zu sein, dessen Gesellschaft ich die nächsten Stunden genießen darf. Ich bin überpünktlich, als ich den Mitarbeiter erreiche, der eigens dafür angestellt ist, neu ankommende Gäste zu empfangen.

»Guten Abend, Madame«, säuselt der Mann und ich erstarre ehrfürchtig vor dem noblen Ambiente.

»Guten Abend«, erwidere ich.

»Haben Sie eine Reservierung?«

Ich schlucke. »Ja, auf den Namen Meyer.«

»Zwei Personen? 19 Uhr?«

Als ich nicke, winkt er einen Kollegen heran und sagt: »Tisch 17.« Der Kellner geht voran und ich folge ihm in das Lokal, das gut besucht ist. Er steuert auf einen Tisch zu, an dem ein Mann sitzt, der mich stark an Alfred Hitchcock erinnert. Nein! Gerade als ich beginne, Doris zu verfluchen, gehen wir an dem Tisch vorbei. Ich schnaufe durch und bin erleichtert, zu sehen, dass Tisch 17 leer ist. Der Kellner wartet tatsächlich, bis ich mich setze und rückt mir den Stuhl zurecht. Sofort zückt er ein Feuerzeug und die unberührte Kerze auf dem Tisch fängt Feuer.

»Darf ich Ihnen schon etwas bringen, Madame?«, fragt er freundlich.

»Nein danke, ich warte noch auf meinen Begleiter.«

Glücklicherweise kann ich von meinem Platz aus den Eingang des Lokals beobachten. Die nächsten Minuten verbringe ich damit, jeden Neuankömmling unter die Lupe zu nehmen, vor allem die Männer, die alleine erscheinen.

Da sehe ich einen Jüngeren am Eingang, der zwar sehr klein ist und wenig Haare auf dem Kopf hat, aber alleine ist. Er wird in meine Richtung gebracht und ich bemühe mich um ein freundliches Lächeln, als er näherkommt. Der Kellner führt ihn allerdings an meinem Tisch vorbei und mein Lächeln kommt mir auf einmal übertrieben und peinlich vor. Ich drehe mich um und schaue dem Gast nach. Er setzt sich an einen Tisch, an dem bereits mehrere Personen sitzen, und wirft mir einen interessierten Blick zu. Schnell wende ich mich wieder ab und sehe am Eingang ein offensichtlich frisch verliebtes Paar stehen, das von einem Mann begleitet wird.

Die Dreiergruppe sehe ich mir genauer an, hauptsächlich deshalb, weil ich mir ihr Verhalten abschauen möchte. Alle drei sehen aus, als wären sie der Serie »Reich & Schön« entsprungen. Die Frau ist brünett wie ich (zumindest heute) und trägt ein rotes Abendkleid. Ihr blonder Freund trägt einen Smoking. Der dazugehörige Mann ist wahrscheinlich etwas älter als das Paar. An seinen Schläfen sind einige graue Strähnen zu sehen, die sich deutlich von seinem dunklen fülligen Haar abheben. Der Mann trägt ebenfalls einen eleganten schwarzen Anzug, allerdings mit Krawatte und mir fällt die Uhr auf, die sündhaft teuer aussieht. Passt auf jeden Fall zu dem Schmuck der Dame im roten Abendkleid, der bestimmt ebenfalls teuer ist.

Der Kellner hat die Gruppe nun erreicht, um sie an ihren Tisch zu bringen und ich sehe mich im Raum um, weil ich nicht mehr viele freie Tische vermute. Gerade als ich feststelle, dass die Frau und der blonde Mann sich an einen Tisch für zwei Personen setzen, höre ich den Kellner fragen: »Tisch 17, Monsieur. Darf ich Ihnen schon etwas bringen?«

Ich sehe auf und blicke in die blau-grauen Augen des zweiten Mannes, der erwartungsvoll neben mir steht. Die Luft zwischen uns scheint für einen Moment zu vibrieren.

»Zwei Gläser Champagner bitte«, sagt der Mann mit samtiger Stimme zu dem Kellner, der sich sofort zurückzieht. Dann wendet er sich mir zu.

»Guten Abend!«

Ich ertappe mich dabei, wie ich den Mann immer noch erstarrt ansehe. Vor lauter Schreck stehe ich auf. Er schmunzelt über diese Geste, reicht mir aber seine Hand.

»Guten Abend«, flüstere ich und muss mich räuspern, weil mir etwas im Hals zu stecken scheint. Das ist also ein Mann, der für die Gesellschaft einer Frau bezahlt? Ich kann es gar nicht glauben. Jemand wie er dürfte doch keine Probleme haben, eine Begleitung zu finden!

»Wollen wir uns nicht setzen?« Was für eine Stimme!

»Natürlich.« Ich lasse endlich seine Hand los.

Er nimmt mir gegenüber Platz und betrachtet mich so intensiv, dass mir ganz heiß wird. »Sie sind also Sophia?«

»Öhm, ja, Sophia, richtig.« Innerlich mahne ich mich zur Ruhe.

»Ich bin Richard, aber Sie können mich auch Rick nennen.«

Leider kann ich nur dämlich lächeln, wie peinlich. Ich hätte doch als Michelle kommen sollen. Er mustert mich immer noch und ich lenke mich ab, indem ich mich im Raum umsehe. Da fällt mir wieder ein, dass mich Doris instruiert hat, meine Aufmerksamkeit ganz dem Kunden zu widmen. Mit dem Gedanken an 230 Euro pro Stunde zwinge ich mich, dem Mann in die Augen zu sehen. Da ist es wieder, dieses elektrisierende Gefühl, das mir durch Mark und Bein geht. Wie ein Fausthieb in die Magengrube fühle ich eine Verbindung zu diesem fremden Mann. Ich bin mit der Situation mehr als überfordert.

Bis der Champagner serviert ist, habe ich nicht ein Wort von mir gegeben und Rick macht auch nicht den Anschein, als wäre er an einem Gespräch interessiert. Er scheint sich damit zu begnügen, mich anzustarren. Es ist eine Erlösung für mich, in die Speisekarte zu sehen. Allerdings nur so lange, bis ich merke, dass alles in Französisch geschrieben ist. Ich bemühe mich, irgendetwas zu verstehen, habe aber letztendlich keine Ahnung, was ich mir bestellen soll. Nach einer Weile legt Rick seine Karte zur Seite und ich mache das Gleiche.

Der Kellner erscheint und wendet sich an mich: »Madame haben gewählt?«

»Ich würde gerne dem Herrn den Vortritt lassen«, sage ich einfach und ernte dafür den erstaunten Blick des Kellners und meines Begleiters.

Rick bestellt. »Wir nehmen eine Flasche Le Pin bitte. Außerdem hätte ich gerne die Bouillabaisse, das Filet de sandre grillé und als Nachtisch Crème brûlée.«

»Sehr wohl. Und Sie, Madame?«

»Ich nehme das Gleiche.«

»Sehr wohl.«

Rick fügt hinzu: »Und bitte bringen Sie uns eine Portion Cuisses de grenouille zum Probieren.«

»Cuisses de grenouille, einmal. Sehr wohl.«

Der Kellner geht weg und Rick sieht mich schon wieder ernst an. Schließlich fragt er: »Sie kennen also Herrn Meyer?«

»Öhm, ja, flüchtig«, gebe ich zu und lüge nicht, da ich ja wirklich einen Herrn Meyer kenne, wenn vielleicht auch nicht gerade den, der Kunde von Doris ist. Jetzt wäre es wohl an mir, etwas zu sagen. Aber mir fällt nichts ein, das heißt fast nichts: »Schräges Wetter heute, was?«

»Wie bitte?«

»Das Wetter war heute überraschend wechselhaft, finden Sie nicht?«

Rick sieht genervt aus. »Sie wollen jetzt mit mir über das Wetter reden?«

»Ja, warum nicht?«

»Das ist wirklich das Letzte«, höre ich Rick murmeln.

Ich sage schnell, als ob ich ein Tonband abspulen würde: »Am Vormittag war es so nebelig, ich dachte schon, der Tag ist gelaufen. Aber dann ist glücklicherweise doch noch die Sonne herausgekommen.«

Er legt seine Serviette zur Seite. »Hören Sie. Wir beenden das jetzt an dieser Stelle, wenn Sie nur über das Wetter sprechen können. Es war eine unglückliche Idee von Herrn Meyer, mich hier mit Ihnen zu verabreden. Auf Wiedersehen.« Und er macht Anstalten, aufzustehen.

»Nein, bitte…« Ich schaue ihn flehend an. »Bitte bleiben Sie. Sie bringen mich in große Schwierigkeiten, wenn Sie jetzt gehen.«

Er setzt sich wieder und die Suppe wird serviert.

»Was ist das?«, frage ich Rick, als der Kellner weg ist.

»Das ist Bouillabaisse.«

Wunderbar, denke ich mir, jetzt bin ich informiert. Ich sehe mir die vielen Dinge an, die da in dieser undefinierbaren Suppe schwimmen. »Sind das Muscheln?«

Rick sieht mich streng an, ohne zu antworten. Es sind Muscheln und ich hasse Muscheln. Konzen-triert löffele ich in meiner Suppe herum und versuche, nur die Sachen zu erwischen, die ich essen möchte. Das sind natürlich nicht viele Dinge, da ich Fisch auch nicht besonders gerne mag.

Nachdem ich die Hälfte der Suppe gegessen habe, entschuldige ich mich für einen Moment. Verwirrt stelle ich fest, dass Rick kurz aufsteht, als ich mich vom Tisch erhebe. Das hat noch nie ein Mann in meiner Gegenwart getan. Ich bin ehrlich überrascht und eile auf die Toilette, wo ich Doris anrufe. Sie meldet sich sofort. »Ela? Wie läuft es?«

»Es ist die Hölle.«

»Sieht er so schlimm aus?«

»Nein, er sieht aus wie ein Filmstar, aber er hasst mich. Er wollte schon gehen – stell dir das vor! – und es würde mich nicht wundern, wenn er jetzt die Flucht ergreift, während ich mit dir rede.«

»Sofort zurück an den Tisch!«

Aber ich muss noch eine Weile jammern. »Hier gibt es nur so komisches Essen. Die Suppe war der reinste Horror und ich kann mir nicht vorstellen, sie jetzt noch zu essen, wenn ich zurück bin.«

»Augen zu und durch. Denk daran, du bist Sophia und du wirst dafür gut bezahlt, diese Suppe zu essen.«

»Ich kann das nicht. Er mag Sophia nicht, jedenfalls mag er nicht die Sophia, die ich bin. Was soll ich mit ihm reden? Mir fällt nichts ein.«

»Solange du nicht über das Wetter redest, kannst du eigentlich nicht viel falsch machen.« Aha!

Erleichtert stelle ich fest, dass meine Suppe bereits verschwunden ist, als ich an den Tisch zurückkehre. Rick ist wider Erwarten noch an seinem Platz und dafür schenke ich ihm ein kleines Lächeln, während ich mich wieder setze.

Der Kellner serviert etwas und ich sage zum Scherz: »Das sieht ja aus wie Froschschenkel!«

Der Kellner teilt mir leise mit: »Das sind Froschschenkel, Madame!«

»Oh.« Augenblicklich bin ich satt. »Ich denke, die überlasse ich Ihnen!« Mit gestreckten Armen und abgewandtem Gesicht schiebe ich den Teller weg.

Rick grinst. Wenigstens hat er keine schlechte Laune mehr! Er isst die beiden Frösche, beziehungsweise deren Schenkel und ich verleibe mir in der Zwischenzeit mehr Wein ein, als mir guttut.

»Sie sollten den Wein genießen!«, höre ich Rick sagen.

»Er schmeckt aber recht lecker.«

»Das kann man für weit über tausend Euro pro Flasche auch erwarten.«

Ich reiße mich zusammen, da mir bewusst ist, dass er meine Reaktion beobachtet. »Wissen Sie, ich finde, es gibt auch billige Weine, die sehr gut schmecken. Vielleicht sogar noch besser als der hier«, plappere ich munter drauf los.

»Sind Sie also eine verkannte Weinkennerin? Ich dachte schon, Sie wären auf dem Gebiet der Wettervorhersage eine Koryphäe.« Endlich scheine ich sein Interesse an einem Gespräch geweckt zu haben.

»Nicht direkt«, gebe ich zu. »Aber jemand wie ich kommt immer wieder in den Genuss, den ein oder anderen Billigwein zu probieren.« Ich denke dabei an die vielen Studentenfeten, auf denen ich bereits war.

»Sie sind die Erste Ihrer… Art, die behauptet, häufig Billigwein angedreht zu bekommen.«

»Gehen Sie häufiger mit Frauen aus, die zu… meiner Art gehören?«

»Um ehrlich zu sein: Ja. Immer, wenn ich geschäftlich unterwegs bin, was häufig vorkommt. Dann bin ich froh, dass die Gesellschaft vor Ort gesichert ist.«

Der Kellner räumt den leeren Teller ab, um kurz darauf das Hauptgericht zu servieren. Es handelt sich um Fisch, aber glücklicherweise um das Filetstück, das mir keine Probleme bereitet. Dazu gibt es Kartoffeln und das Essen riecht köstlich.

Rick wünscht mir einen guten Appetit und ich schließe mich seinem Wunsch an.

»Darf ich Sie etwas fragen?«, sage ich mit vollem Mund.

»Aber sicher«, sagt Rick relativ locker.

»Warum buchen Sie sich die Gesellschaft? Jemand wie Sie hat doch sicherlich keine Probleme damit, Frauen kennenzulernen.«

Er sieht mich eine Weile an, bevor er antwortet: »Ich lege Wert auf ein gewisses Niveau. Es geht mir nicht darum, irgendwo irgendeine Frau kennenzulernen. Das ist kompliziert, langwierig und die Art und Weise der Gesellschaft entspricht nicht unbedingt den Erwartungen, die ich habe.«

»Aha.«

»Aber trotzdem vielen Dank für das Kompliment!«

Ich sehe ihn kurz überrascht an und er lächelt. Wow, was für ein Lächeln! Ich bin in seinem Bann gefangen und hoffnungslos verloren.

Rick redet weiter: »Wie ich heute feststellen musste, kann ich mir bei der Vermittlung durch eine Agentur allerdings auch nicht sicher sein, wie der Abend für mich verlaufen wird. Es wundert mich schon etwas, da mein Freund Meyer eigentlich einen eindeutigen Geschmack hat, was Frauen angeht.«

»Aha«, sage ich wieder, bin aber verletzt und sofort ernüchtert. Bleib jetzt bloß Profi, sage ich zu mir selbst. Du stehst das einfach durch und dann siehst du diesen Mann nie wieder.

»Wollen Sie denn gar nicht wissen, welchen Geschmack er hat?«

»Nein, ehrlich gesagt nicht.«

Ricks Augenbrauen schießen in die Höhe. Er geht allerdings nicht weiter auf das Thema ein und nachdem der Hauptgang abgeräumt ist, schweigen wir uns eine Weile an. Ich sehe mir seine Hände an, die vor ihm auf dem Tisch ruhen und da sehe ich ihn, den Ring an seinem Finger. Er folgt meinem Blick und lächelt mich an. »Ja, ich bin verheiratet.«

»Doris, ich bringe dich um.«