Die Familie Schroffenstein - Heinrich Von Kleist - E-Book

Die Familie Schroffenstein E-Book

Heinrich Von Kleist

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Beschreibung

Heinrich von Kleists anonymes Debüt "Die Familie von Schroffenstein" beginnt sehr düster: und zwar mit einem Sarg im Fokus. Diese erste Szene spiegelt die in die Brüche gegangene Beziehung zweier verfeindeter Familienhäuser Rossitz und Warwand wieder. Inspiriert von Shakespeare's Romeo und Julia, inszeniert Kleist die Liebe zwischen Ottokar (Rossitz) und Agnes (Warwand). Die beiden Liebenden versuchen die entzweiten Familienzweige zu vereinen. Doch sind sie in der Lage die Rachlust und den Hass zu stoppen?-

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Heinrich Von Kleist

Die Familie Schroffenstein

Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Saga

Die Familie Schroffenstein

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1804, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728015360

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Personen:

Rupert, Graf von Schroffenstein, aus dem Hause Rossitz Eustache, seine Gemahlin Ottokar, ihr Sohn Johann, Ruperts natürlicher Sohn Sylvius, Graf von Schroffenstein, aus dem Hause Warwand Sylvester, sein Sohn, regierender Graf Gertrude, Sylvesters Gemahlin, Stiefschwester der Eustache Agnes, ihre Tochter Jeronimus von Schroffenstein, aus dem Hause Wyk Aldöbern, Santing und Fintenring, Vasallen Ruperts Theistiner, Vasall Sylvesters Ursula, eine Totengräberswitwe Barnabe, ihre Tochter Eine Kammerjungfer der Eustache Ein Kirchenvogt Ein Gärtner Zwei Wanderer Ritter, Geistliche, Hofgesinde (Das Stück spielt in Schwaben)

Erster Aufzug

Erste Szene

Rossitz. Das Innere einer Kapelle. Es steht ein Sarg in der Mitte; um ihn herum Rupert, Eustache, Ottokar, Jeronimus, Ritter, Geistliche, das Hofgesinde und ein Chor von Jünglingen und Mädchen. Die Messe ist soeben beendigt.

Chor der Mädchen(mit Musik).

Niedersteigen,

Glanzumstrahlet,

    Himmelshöhen zur Erd herab,

Sah ein Frühling

Einen Engel.

    Nieder trat ihn ein frecher Fuß.

Chor der Jünglinge.

Dessen Thron die weiten Räume decken,

Dessen Reich die Sterne Grenzen stecken,

Dessen Willen wollen wir vollstrecken,

Rache! Rache! Rache! schwören wir.

Chor der Mädchen.

Aus dem Staube

Aufwärts blickt' er

    Milde zürnend den Frechen an;

Bat, ein Kindlein,

Bat um Liebe.

    Mörders Stahl gab die Antwort ihm.

Chor der Jünglinge(wie oben).

Chor der Mädchen.

Nun im Sarge,

Ausgelitten,

    Faltet blutige Händlein er,

Gnade betend

Seinem Feinde.

    Trotzig stehet der Feind und schweigt.

Chor der Jünglinge(wie oben).

(Während die Musik zu Ende geht, nähert sich die Familie und ihr Gefolge dem Altar.)

Rupert.

Ich schwöre Rache! Rache! auf die Hostie,

Dem Haus Sylvesters, Grafen Schroffenstein.

(Er empfängt das Abendmahl.)

Die Reihe ist an dir, mein Sohn.

Ottokar.                                             Mein Herz

Trägt wie mit Schwingen deinen Fluch zu Gott.

Ich schwöre Rache, so wie du.

Rupert.                                             Den Namen,

Mein Sohn, den Namen nenne.

Ottokar.                                         Rache schwör ich,

Sylvestern Schroffenstein!

Rupert.                                     Nein irre nicht.

Ein Fluch, wie unsrer, kömmt vor Gottes Ohr

Und jedes Wort bewaffnet er mit Blitzen.

Drum wäge sie gewissenhaft. - Sprich nicht

Sylvester, sprich sein ganzes Haus, so hast

Dus sichrer.

Ottokar.             Rache! schwör ich, Rache!

Dem Mörderhaus Sylvesters.

(Er empfängt das Abendmahl.)

Rupert.                                           Eustache,

Die Reihe ist an dir.

Eustache.                         Verschone mich,

Ich bin ein Weib –

Rupert.                           Und Mutter auch des Toten.

Eustache.

O Gott! Wie soll ein Weib sich rächen?

Rupert.                                                           In

Gedanken. Würge

Sie betend. (Sie empfängt das Abendmahl.)

(Rupert führt Eustache in den Vordergrund. Alle folgen.)

Rupert.

Ich weiß, Eustache, Männer sind die Rächer –

Ihr seid die Klageweiber der Natur.

Doch nichts mehr von Natur.

Ein hold ergötzend Märchen ists der Kindheit,

Der Menschheit von den Dichtern, ihren Ammen,

Erzählt. Vertrauen, Unschuld, Treue, Liebe,

Religion, der Götter Furcht sind wie

Die Tiere, welche reden. – Selbst das Band,

Das heilige, der Blutsverwandtschaft riß,

Und Vettern, Kinder eines Vaters, zielen,

Mit Dolchen zielen sie auf ihre Brüste.

Ja sieh, die letzte Menschenregung für

Das Wesen in der Wiege ist erloschen.

Man spricht von Wölfen, welche Kinder säugten,

Von Löwen, die das Einzige der Mutter

Verschonten. – Ich erwarte, daß ein Bär

An Oheims Stelle tritt für Ottokar.

Und weil doch alles sich gewandelt, Menschen

Mit Tieren die Natur gewechselt, wechsle

Denn auch das Weib die ihrige – verdränge

Das Kleinod Liebe, das nicht üblich ist,

Aus ihrem Herzen, um die Folie,

Den Haß, hineinzusetzen.

                                        Wir

Indessen tuns in unsrer Art. Ich biete

Euch, meine Lehensmänner, auf, mir schnell

Von Mann und Weib und Kind, und was nur irgend

Sein Leben lieb hat, eine Schar zu bilden.

Denn nicht ein ehrlich offner Krieg, ich denke,

Nur eine Jagd wirds werden, wie nach Schlangen.

Wir wollen bloß das Felsenloch verkeilen,

Mit Dampfe sie in ihrem Nest ersticken,

– Die Leichen liegen lassen, daß von fernher

Gestank die Gattung schreckt, und keine wieder

In einem Erdenalter dort ein Ei legt.

Eustache.

O Rupert, mäßge dich! Es hat der frech

Beleidigte den Nachteil, daß die Tat

Ihm die Besinnung selbst der Rache raubt,

Und daß in seiner eignen Brust ein Freund

Des Feindes aufsteht wider ihn, die Wut –

Wenn dir ein Garn Sylvester stellt, du läufst

In deiner Wunde blindem Schmerzgefühl

Hinein. – Könntst du nicht prüfen mindestens

Vorher, aufschieben noch die Fehde. – Ich

Will nicht den Arm der Rache binden, leiten

Nur will ich ihn, daß er so sichrer treffe.

Rupert.

So, meinst du, soll ich warten, Peters Tod

Nicht rächen, bis ich Ottokars, bis ich

Auch deinen noch zu rächen hab – Aldöbern!

Geh hin nach Warwand, kündge ihm den Frieden auf.

– Doch sags ihm nicht so sanft, wie ich, hörst du?

Nicht mit so dürren Worten – Sag daß ich

Gesonnen sei, an seines Schlosses Stelle

Ein Hochgericht zu bauen. – Nein, ich bitte,

Du mußt so matt nicht reden – Sag ich dürste

Nach sein und seines Kindes Blute, hörst du?

Und seines Kindes Blute.

(Er bedeckt sich das Gesicht; ab, mit Gefolge, außer Ottokar und Jeronimus.)

Jeronimus.

Ein Wort, Graf Ottokar.

Ottokar.                                 Bist dus, Jerome?

Willkommen! Wie du siehst, sind wir geschäftig,

Und kaum wird mir die Zeit noch bleiben, mir

Die Rüstung anzupassen. – Nun, was gibts?

Jeronimus.

Ich komm aus Warwand.

Ottokar.                                 So? Aus Warwand? Nun?

Jeronimus.

Bei meinem Eid, ich nehme ihre Sache.

Ottokar.

Sylvesters? Du?

Jeronimus.                 Denn nie ward eine Fehde

So tollkühn rasch, so frevelhaft leichtsinnig

Beschlossen, als die eur'.

Ottokar.                                   Erkläre dich.

Jeronimus.

Ich denke, das Erklären ist an dir.

Ich habe hier in diesen Bänken wie

Ein Narr gestanden,

Dem ein Schwarzkünstler Faxen vormacht.

Ottokar.                                                             Wie?

Du wüßtest nichts?

Jeronimus.                       Du hörst, ich sage dir,

Ich komm aus Warwand, wo Sylvester, den

Ihr einen Kindermörder scheltet,

Die Mücken klatscht, die um sein Mädchen summen.

Ottokar.

Ja so, das war es. – Allerdings, man weiß,

Du giltst dem Hause viel, sie haben dich

Stets ihren Freund genannt, so solltest du

Wohl unterrichtet sein von ihren Wegen.

Man spricht, du freitest um die Tochter – Nun,

Ich sah sie nie, doch des Gerüchtes Stimme

Rühmt ihre Schönheit! Wohl. So ist der Preis

Es wert. –

Jeronimus.         Wie meinst du das?

Ottokar.                                           Ich meine, weil –

Jeronimus.

Laß gut sein, kann es selbst mir übersetzen.

Du meinest, weil ein seltner Fisch sich zeigt

Der doch zum Unglück bloß vom Aas sich nährt,

So schlüg ich meine Ritterehre tot,

Und hing' die Leich an meiner Lüste Angel

Als Köder auf –

Ottokar.                     Ja, grad heraus, Jerome!

Es gab uns Gott das seltne Glück, daß wir

Der Feinde Schar leichtfaßlich, unzweideutig,

Wie eine runde Zahl erkennen. Warwand,

In diesem Worte liegts, wie Gift in einer Büchse;

Und weils jetzt drängt, und eben nicht die Zeit,

Zu mäkeln, ein zweideutig Körnchen Saft

Mit Müh herauszuklauben, nun so machen

Wirs kurz, und sagen: du gehörst zu Warwand.

Jeronimus.

Bei meinem Eid, da habt ihr recht. Niemals

War eine Wahl mir zwischen euch und ihnen;

Doch muß ich mich entscheiden, auf der Stelle

Tu ichs, wenn so die Sachen stehn. Ja sieh,

Ich spreng auf alle Schlösser im Gebirg,

Empöre jedes Herz, bewaffne, wo

Ichs finde, das Gefühl des Rechts, den frech

Verleumdeten zu rächen.

Ottokar.                                 Das Gefühl

Des Rechts! O du Falschmünzer der Gefühle!

Nicht einen wird ihr blanker Schein betrügen;

Am Klange werden sie es hören, an

Die Tür zur Warnung deine Worte nageln. –

Das Rechtgefühl! – Als obs ein andres noch

In einer andern Brust, als dieses, gäbe!

Denkst du, daß ich, wenn ich ihn schuldlos glaubte,

Nicht selbst dem eignen Vater gegenüber

Auf seine Seite treten würde? Nun,

Du Tor, wie könnt ich denn dies Schwert, dies gestern

Empfangne, dies der Rache auf sein Haupt

Geweihte, so mit Wollust tragen? – Doch

Nichts mehr davon, das kannst du nicht verstehn.

Zum Schlusse – wir, wir hätten, denk ich, nun

Einander wohl nichts mehr zu sagen?

Jeronimus.                                                 – Nein.

Ottokar.

Leb wohl!

Jeronimus.       Ottokar!

Was meinst du? Sieh, du schlägst mir ins Gesicht,

Und ich, ich bitte dich mit mir zu reden –

Was meinst du, bin ich nicht ein Schurke?

Ottokar.                                                             Willst

Dus wissen, stell dich nur an diesen Sarg.

(Ottokar ab. Jeronimus kämpft mit sich, will ihm nach, erblickt dann den Kirchenvogt.)

Jeronimus.

He, Alter!

Kirchenvogt.     Herr!

Jeronimus.                 Du kennst mich?

Kirchenvogt.                                       Warst du schon

In dieser Kirche?

Jeronimus.                   Nein.

Kirchenvogt.                         Ei, Herr, wie kann

Ein Kirchenvogt die Namen aller kennen,

Die außerhalb der Kirche?

Jeronimus.                                 Du hast recht.

Ich bin auf Reisen, hab hier angesprochen,

Und finde alles voller Leid und Trauer.

Unglaublich dünkts mich, was die Leute reden,

Es hab der Oheim dieses Kind erschlagen.

Du bist ein Mann doch, den man zu dem Pöbel

Nicht zählt, und der wohl hie und da ein Wort

Von höhrer Hand erhorchen mag. Nun, wenns

Beliebt, so teil mir, was du wissen magst,

Fein ordentlich und nach der Reihe mit.

Kirchenvogt.

Seht, Herr, das tu ich gern. Seit alten Zeiten

Gibts zwischen unsern beiden Grafenhäusern,

Von Rossitz und von Warwand einen Erbvertrag,

Kraft dessen nach dem gänzlichen Aussterben

Des einen Stamms, der gänzliche Besitztum

Desselben an den andern fallen sollte.

Jeronimus.

Zur Sache, Alter! das gehört zur Sache nicht.

Kirchenvogt.

Ei, Herr, der Erbvertrag gehört zur Sache.

Denn das ist just als sagtest du, der Apfel

Gehöre nicht zum Sündenfall.

Jeronimus.                                       Nun denn,

So sprich.

Kirchenvogt.     Ich sprech! Als unser jetzger Herr

An die Regierung treten sollte, ward

Er plötzlich krank. Er lag zwei Tage lang

In Ohnmacht; alles hielt ihn schon für tot,

Und Graf Sylvester griff als Erbe schon

Zur Hinterlassenschaft, als wiederum

Der gute Herr lebendig ward. Nun hätt

Der Tod in Warwand keine größre Trauer

Erwecken können, als die böse Nachricht.

Jeronimus.

Wer hat dir das gesagt?

Kirchenvogt.                           Herr, zwanzig Jahre sinds,

Kanns nicht beschwören mehr.

Jeronimus.                                       Sprich weiter.

Kirchenvogt.                                                           Herr,

Ich spreche weiter. Seit der Zeit hat der

Sylvester stets nach unsrer Grafschaft her

Geschielt, wie eine Katze nach dem Knochen,

An dem der Hund nagt.

Jeronimus.                           Tat er das!

Kirchenvogt.                                           Sooft

Ein Junker unserm Herrn geboren ward,

Soll er, spricht man, erblaßt sein.

Jeronimus.                                             Wirklich?

Kirchenvogt.                                                           Nun,

Weil alles Warten und Gedulden doch

Vergebens war, und die zwei Knaben wie

Die Pappeln blühten, nahm er kurz die Axt,

Und fällte vorderhand den einen hier,

Den jüngsten, von neun Jahren, der im Sarg.

Jeronimus.

Nun das erzähl, wie ist das zugegangen?

Kirchenvogt.

Herr, ich erzähls dir ja. Denk dir, du seist

Graf Rupert, unser Herr, und gingst an einem Abend

Spazieren, weit von Rossitz, ins Gebirg;

Nun denke dir, du fändest plötzlich dort

Dein Kind, erschlagen, neben ihm zwei Männer

Mit blutgen Messern, Männer, sag ich dir

Aus Warwand. Wütend zögst du drauf das Schwert

Und machtst sie beide nieder.

Jeronimus.                                     Tat Rupert das?

Kirchenvogt.

Der eine, Herr, blieb noch am Leben, und

Der hats gestanden.

Jeronimus.                     Gestanden?

Kirchenvogt.

Ja, Herr, er hats rein h'raus gestanden.

Jeronimus.                                                   Was

Hat er gestanden?

Kirchenvogt.                 Daß sein Herr Sylvester

Zum Morde ihn gedungen und bezahlt.

Jeronimus.

Hast dus gehört? Aus seinem Munde?

Kirchenvogt.                                             Herr,

Ich habs gehört aus seinem Munde, und die ganze

Gemeinde.

Jeronimus.       Höllisch ists! – Erzähls genau.

Sprich, wie gestand ers?

Kirchenvogt.                         Auf der Folter.

Jeronimus.                                                   Auf

Der Folter? Sag mir seine Worte.

Kirchenvogt.                                         Herr,

Die hab ich nicht genau gehöret, außer eins.

Denn ein Getümmel war auf unserm Markte,

Wo er gefoltert ward, daß man sein Brüllen

Kaum hören konnte.

Jeronimus.                       Außer eins, sprachst du;

Nenn mir das eine Wort, das du gehört.

Kirchenvogt.

Das eine Wort, Herr, war: Sylvester.

Jeronimus.

Sylvester! – – Nun, und was wars weiter?

Kirchenvogt.

Herr, weiter war es nichts. Denn bald darauf

Als ers gestanden hatt, verblich er.

Jeronimus.                                             So?

Und weiter weißt du nichts?

Kirchenvogt.                                 Herr, nichts.

(Jeronimus bleibt in Gedanken stehn.)

Ein Diener(tritt auf).                                         War nicht

Graf Rupert hier?

Jeronimus.                   Suchst du ihn? Ich geh mit dir.

(Alle ab. Ottokar und Johann treten von der andern Seite auf)

Ottokar.

Wie kamst du denn zu diesem Schleier? Er

Ists, ists wahrhaftig – Sprich – Und so in Tränen?

Warum denn so in Tränen? So erhitzt?

Hat dich die Mutter Gottes so begeistert,

Vor der du knietest?

Johann.                             Gnädger Herr – als ich

Vorbeiging an dem Bilde, riß es mich

Gewaltsam zu sich nieder. –

Ottokar.                                         Und der Schleier?

Wie kamst du denn zu diesem Schleier, sprich?

Johann.

Ich sag dir ja, ich fand ihn.

Ottokar.                                     Wo?

Johann.                                               Im Tale

Zum heilgen Kreuz.

Ottokar.                         Und kennst nicht die Person,

Die ihn verloren?

Johann.                         – Nein.

Ottokar.                                   Gut. Es tut nichts;

Ist einerlei. – Und weil er dir nichts nützet,

Nimm diesen Ring, und laß den Schleier mir.

Johann.

Den Schleier –? Gnädger Herr, was denkst du? Soll

Ich das Gefundene an dich verhandeln?

Ottokar.

Nun, wie du willst. Ich war dir immer gut,

Und wills dir schon so lohnen, wie dus wünschest.

(Er küßt ihn, und will gehen.)

Johann.

Mein bester Herr – O nicht – o nimm mir alles,

Mein Leben, wenn du willst. –

Ottokar.                                             Du bist ja seltsam.

Johann.

Du nähmst das Leben mir mit diesem Schleier.

Denn einer heiligen Reliquie gleich

Bewahrt er mir das Angedenken an

Den Augenblick, wo segensreich, heilbringend,

Ein Gott ins Leben mich, ins ewge führte.

Ottokar.

Wahrhaftig? – Also fandst du ihn wohl nicht?

Er ward dir wohl geschenkt? Ward er? Nun sprich.

Johann.

Fünf Wochen sinds – nein, morgen sinds fünf Wochen,

Als sein gesamt berittnes Jagdgefolge

Dein Vater in die Forsten führte. Gleich

Vom Platz, wie ein gekrümmtes Fischbein, flog

Das ganze Roßgewimmel ab ins Feld.

Mein Pferd, ein ungebändigt tückisches,

Von Hörnerklang, und Peitschenschall, und Hund-

Geklaff verwildert, eilt ein eilendes

Vorüber nach dem andern, streckt das Haupt

Vor deines Vaters Roß schon an der Spitze –

Gewaltig drück ich in die Zügel; doch,

Als hätts ein Sporn getroffen, nun erst greift

Es aus, und aus dem Zuge, wie der Pfeil

Aus seinem Bogen, fliegts dahin – Rechts um

In einer Wildbahn reiß ich es, bergan;

Und weil ich meinen Blicken auf dem Fuß

Muß folgen, eh ich, was ich sehe, wahr

Kann nehmen, stürz ich, Roß und Reiter, schon

Hinab in einen Strom. –

Ottokar.                                 Nun, Gott sei Dank,

Daß ich auf trocknem Land dich vor mir sehe.

Wer rettete dich denn?

Johann.                                 Wer, fragst du? Ach,

Daß ich mit einem Wort es nennen soll!

– Ich kanns dir nicht so sagen, wie ichs meine,

Es war ein nackend Mädchen.

Ottokar.

Wie? Nackend?

Johann.                     Strahlenrein, wie eine Göttin

Hervorgeht aus dem Bade. Zwar ich sah

Sie fliehend nur in ihrer Schöne – Denn

Als mir das Licht der Augen wiederkehrte,

Verhüllte sie sich. –

Ottokar