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Elin gefällt ihr Leben als Aussteigerin auf einer Insel im wilden Nordwesten Irlands. Von der Liebe will sie nichts mehr wissen - und auf gar keinen Fall will sie etwas mit dem attraktiven Aaron anfangen, der ihr in einer stürmischen Frühsommernacht buchstäblich vor die Füsse fällt. Der geheimnisvolle Besucher scheint etwas zu verbergen - und niemand ahnt, dass mit ihm auch das Dunkle nach Grainne's Island zurückgekehrt ist.
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Seitenzahl: 626
Veröffentlichungsjahr: 2022
Die Autorin
C. H. S. Fahlbusch ist in der Schweiz aufgewachsen. Sie arbeitete unter anderem als Pflegefachfrau in der Psychiatrie sowie als Texterin, Journalistin, Kommunikationsberaterin und Dozentin an einer Schreibschule. Sie ist Mutter eines Sohnes und lebt mit drei Katern auf dem Land. Ihre Vorfahren waren Wikinger.
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TALL DARK HANDSOME STRANGER
Der 1. Tag, an welchem zu nächtlicher Stunde Besuch kommt und eine Feuerprobe bestanden wird.
DER TORWÄCHTER
Der 2. Tag, an welchem es sehr viel regnet und Elin und Hogan sich in Geduld üben müssen.
FIEBER
Der 3. Tag, an welchem viel gelitten, gezweifelt und geschlafen wird.
PIRATEN DER KARIBIK
Der 4. Tag, an welchem Hogan einen Entschluss fasst, Aaron eine dringende Bitte äußert und eine himmlische Verschwörung tagt.
SELTSAME VORGÄNGE BEIM HOLUNDER
Der 5. Tag, an welchem Aaron eine beunruhigende Feststellung macht und Elin ein Geschenk erhält.
SEEMANNSGARN
Der 6. Tag, an welchem Elin über Brenda spricht, Aaron unbequeme Fragen stellt und Ernie sich aufregt.
SISTER OF MERCY
Der 7. Tag, an welchem Aaron Gefühle zeigt und Elin sich selbst überrascht.
DIE REVANCHE
Der 8. Tag, an welchem Hogan mit Aaron ein Gespräch unter Männern führt und Elin ungeahntes Glück erfährt.
HIGHWAY TO HELL
Der 9. Tag, an welchem Aaron sich über Elin ärgert und Don Miguel ein sehr unangenehmes Gespräch führt.
KAIN UND ABEL
Der 10. Tag, an welchem Elin über ihr Zwerchfell spricht, Don Miguel beunruhigende Andeutungen macht und beinahe eine Grenze überschritten wird.
GESPENSTER SEHEN
Der 11. Tag, an welchem Elin erst in der Klemme sitzt und dann eine Entscheidung trifft.
AARON TRÄUMT
Der 12. Tag, an welchem Elin ein Ping hört, Aaron einen Alptraum hat und Don Miguels Karriere einen empfindlichen Knick erleidet.
LUMBER JACK
Der 13. Tag, an welchem Aaron sich in Schwierigkeiten bringt und sich für Elin eine Tür öffnet.
EIN ENGEL ERSCHEINT
Der 14. Tag, an welchem Aaron eine Begegnung der besonderen Art hat und Don Miguel eine Überraschung erlebt.
MEMORIES
Der 15. Tag, an welchem Aaron in der Vergangenheit kramt und Don Miguel am dunklen Kiosk steht.
GRACE
Der 16. Tag, an welchem Elin eine wunderbare Welt entdeckt und Don Miguel einen Glückstreffer landet, der ihn aber etwas kostet.
EIN VERHÄNGNISVOLLER PLAN
Der 17. Tag, an welchem Aaron sich an die Wurzel des Übels erinnert und die himmlische Verschwörung mit einem Verbündeten spricht.
DIE GROSSE KORREKTUR
Der 18. Tag, an welchem Elin etwas über die kosmische Ordnung erfährt und überraschender Besuch vor der Tür steht.
MANN ÜBER BORD
Der 19. Tag, an welchem Aaron in zwielichtiger Gesellschaft in See sticht und ein alter Bekannter auftaucht.
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
Der 20. Tag,an welchem Aaron ein Puzzle vervollständigt und die himmlische Verschwörung allen Grund zum Feiern hat.
AUFBRUCH
Der 21. Tag, an welchem Mara spricht und Elin eine Entdeckung macht.
»Alles, was du sehen kannst, hat seine Wurzeln in der unsichtbaren Welt. Es mögen sich die Formen ändern, das Wesen bleibt dasselbe.«
Rumi
Der 1. Tag, an welchem zu nächtlicher Stunde Besuch kommt und eine Feuerprobe bestanden wird.
Obwohl sein Körper so zerschunden war, sah er auffallend gut aus. Elin strich ihm die dunklen Locken aus der Stirn und musterte sein Gesicht. Es war praktisch unversehrt, bis auf die blutverklebte Beule, halb unter dem Haaransatz verborgen. Vom Hals abwärts sah er dagegen aus, als sei er von den Cliffs of Moher gefallen. Er rührte sich nicht, doch er atmete.
»Jesses!«, brummte Hogan und kratzte sich den kahlen Kopf.
Elin hob die Augenbrauen. »Das kannst du laut sagen.«
Sie hatten Kerzen angezündet und den Ofen eingeheizt, eine betagte, aber rüstige Brennhexe aus dunklem, starkem Eisenblech, die ihnen als Herd und Heizung diente. Das Feuer erwärmte den Raum und vertrieb die Feuchtigkeit.
Elin mochte den erdigen Geruch von brennendem Torf aus den Bogs, den Mooren, der in Irland immer noch zum Heizen verwendet wurde. Der lange Arm der Europäischen Union, die die Moore unter Schutz stellen wollte, reichte nicht bis Gráinne’s Island, ebenso wenig wie die Leitungen von Electric Ireland und Irish Water. Elin war das recht: Je weniger sie mit der Außenwelt zu tun hatte, desto besser, und ihr kauziger Onkel sah das genauso. Nach der furchtbaren Sache mit Brenda hatten sie sich zusammengerauft und das Beste daraus gemacht. Es war kein perfektes, aber ein leidlich gutes Leben, das sie sich hier eingerichtet hatten, fernab von überflüssigem Komfort, behördlicher Einmischung und, soweit es Elin betraf, unerfreulichen Herzensangelegenheiten. Alles war in bester Ordnung – und dann fiel ihnen dieser Mann mitten in der Nacht praktisch vor die Tür.
»Das gibt’s doch gar nicht«, sagte Hogan zum wiederholten Mal und schüttelte den Kopf. »Das ist doch … Ich meine, was machen wir denn jetzt mit ihm?«
Sie standen einander gegenüber, auf beiden Seiten der Liege, und schauten auf den Mann herab, der vor ihnen lag wie ein gefällter Baum.
»Er muss aus den nassen Sachen raus«, entschied Elin, »sonst holt er sich den Tod.« Beherzt löste sie die Knöpfe der dunklen Cargo-Hose, die der ungebetene Besucher am Leib trug. Zum Glück war sie nicht besonders eng, so dass sie den Stoff nach unten zerren konnte, über den Hintern und die Beine, mit vorsichtigen Bewegungen, und Hogan half ihr dabei.
Sie ließ die nasse Hose auf den Boden fallen und sah sich nach etwas um, mit dem sie den armen Kerl zudecken konnte. »Wir müssen ihn unbedingt aufwärmen. In meiner Kommode liegen saubere Laken und eine Wolldecke. Sei so gut und hol sie her – und bring auch gleich meine Bettdecke mit!« Hogan machte sich auf, das Gewünschte zu holen, und Elin betrachtete den nackten Körper, der vor ihr lag.
Der Fremde war gut gebaut. Sehr gut sogar. Die langen, definierten Muskeln ließen auf regelmäßiges Training schließen. Kein Bodybuilding – er war kein Muskelberg –, eher ein Sport, der den Körper athletisch gestaltete. Schwimmen, Klettern oder Rudern vielleicht.
Durch Elins Temporallappen geisterten auf einmal Visionen, die ebenfalls nackte Haut beinhalteten, mit Wund- und Krankenpflege aber nicht das Geringste zu tun hatten. Seit dem Debakel mit Aidan dem Schrecklichen hatte sie keinen Mann mehr angefasst, abgesehen von Hogan, wenn er ihre Hilfe brauchte. Visionen hatte sie dabei nicht gehabt. Jedenfalls nicht solche.
Sie gähnte und schüttelte energisch den Kopf. Ihr Verstand war hellwach, doch ihr Körper fand es ungeheuerlich, mitten in der Nacht aus dem Bett gerissen worden zu sein. Nolene hatte angeschlagen und sie geweckt. Elin war aus ihrer Kammer in den Wohnraum gestürzt, wo die Hündin wie verrückt die Haustür anbellte. Gleich darauf erschien Hogan, und gemeinsam sahen sie nach, Elin mit der Taschenlampe in der Hand und Hogan mit der gusseisernen Bratpfanne.
Vor der Tür war niemand, außer Olaf, Thor und Bronski natürlich, die auf der Brüstung der Veranda herumalberten, weil sie, wie alle Trolle, nicht regelmäßig schliefen. Doch Nolene schoss wie ein Pfeil hinaus ins Dunkle und bellte dort weiter. Auf dem Platz vor dem Haus lag im strömenden Regen ein junger Mann, nur mit einer Hose bekleidet und kaum noch am Leben. Mit vereinten Kräften schafften sie ihn ins Haus und hievten ihn auf Brendas Massageklappliege, die sie eilig aufgebaut hatten.
Brenda hätte bestimmt gewusst, was zu tun war, läge sie nicht, zu Asche verbrannt, unter dem Holunderstrauch, wo Hogan sie verstreut hatte.
Hogan erschien mit den Laken, der Wolldecke und Elins Bettdecke, und sie packten den reglosen Mann ein, bis nur noch sein Kopf herausschaute. Dann schüttelte Hogan die Taschenlampe, damit sie sich wieder auflud, und richtete den Lichtstrahl auf das Gesicht des Fremden.
»Kommt er dir bekannt vor?«, fragte er.
»Nein«, sagte Elin. »Dir vielleicht?«
Ihr Onkel schüttelte den Kopf. »Kann mich nicht erinnern, ihn schon mal irgendwo gesehen zu haben. Ich hoffe bloß, wir handeln uns mit ihm keinen Ärger ein.«
»Der Einzige, der hier Ärger hat, ist er«, gab Elin zurück.
»Na, ich meine ja bloß, er könnte ein Prominenter sein, der verschwunden ist und nach dem jetzt im ganzen Land gesucht wird. Oder er hat etwas ausgefressen und ist auf der Flucht vor dem Gesetz.«
»Was du nicht sagst.«
»Er könnte ein Agent sein, oder ein Spion«, ereiferte sich Hogan. »Vielleicht spielt er nur Theater, um sich bei uns einzuschleichen.«
»Im Ernst? Also, wenn er wirklich nur Theater spielt, dann hat er es verdammt gut drauf. Und sein Maskenbildner ebenfalls. Und überhaupt: Warum sollte sich jemand bei uns einschleichen wollen?«
Bei ihnen gab es nichts zu holen. Keinen Goldschatz, keine geheime Formel für die Herstellung eines Elixiers für das ewige Leben und auch keine millionenschwere Erbin, mit deren Entführung sich ein fettes Lösegeld erpressen ließe. Es gab hier nur sie beide. Und eine Horde unsichtbarer Wesen, die, außer Elin, niemand sehen konnte. Nichts, wofür es sich einzuschleichen lohnte.
»Wahrscheinlich ist er einfach ein verunglückter Wanderer, der irgendwo ins Wasser gefallen ist und bei uns angeschwemmt wurde«, fuhr sie fort. »Vielleicht hatte er einen Bootsunfall oder wurde beim Schwimmen von dem Unwetter überrascht. Oder er ist betrunken von einer Klippe gestürzt. So oder so ist er jetzt hier und wir müssen uns um ihn kümmern.«
Hogan legte den Kopf schief. »Du kennst dich doch sicher damit aus, oder? Ich meine, Brenda hat dir bestimmt gezeigt, wie man jemanden wieder zusammenflickt, nicht wahr?«
Elin hob die Schultern. »Brenda war Heilpraktikerin, keine Unfallchirurgin. Wir hatten es mit Rückenschmerzen, Ausschlägen und chronischer Verstopfung zu tun, mit Kopfschmerzen, Zahnweh und Alpträumen, aber nie mit einem Mann, der aussieht, als sei er unter einen Bus geraten.«
»Aber du bist doch Krankenschwester und hast im Krankenhaus gearbeitet«, bohrte Hogan weiter. »Da sieht man doch jeden Tag solche Fälle, nicht wahr?«
»Im Rettungsdienst vielleicht, oder auf der Notfallstation, aber dort war ich nicht lange, und selbst wenn, würde uns das jetzt wenig nützen, weil wir kein Material haben. Wir haben noch nicht einmal ein Heftpflaster im Haus.« Das war leider die unbequeme Wahrheit. Alles, was ihr zur Verfügung stand, waren die Naturheilmittel, in deren Herstellung ihre Tante Brenda sie unterwiesen hatte; Salben, Öle und Tinkturen. Und ein Rest von dem Mullpolster, mit dem Elin letztes Jahr Hogans Abszess behandelt hatte.
»Tja, also«, sagte Hogan, »wenn du hier nichts tun kannst, dann müssen wir ihn ins Krankenhaus schaffen, oder wenigstens zu einem Arzt. Wenn er hier stirbt, haben wir jede Menge Ärger am Hals.«
Elin wusste genau, was er meinte. Nur zu gut erinnerte sie sich an die Hölle, die damals wegen Brenda losgebrochen war. Die Nationalpolizei war gekommen, und der Gerichtsmediziner. Sie hatten Fragen gestellt und Hogan behandelt, als sei er derjenige gewesen, der seine Frau vom Leben in den Tod befördert hatte. Dabei hatte Brenda, störrisch wie ein alter irischer Esel, das ganz allein geschafft.
»Ein Krankenhaus«, sagte sie, »das ist eine fabelhafte Idee. Vielleicht verrätst du mir auch, wie wir das anstellen sollen? Es ist stockdunkel, es stürmt und wir haben nur das Boot.«
In der Tat war es unmöglich, den Mann zu evakuieren, wohin auch immer. Das hätte Hogan eigentlich klar sein müssen. Immerhin wohnte er schon deutlich länger als sie auf Gráinne’s Island, nämlich zweiundzwanzig lange Jahre, in denen er mehr als einmal wegen Wetter wie diesem auf der Insel festgesessen hatte.
»Außerdem habe ich nicht gesagt, dass ich nichts tun kann«, fuhr sie fort. »Ich muss nur erst überlegen.«
»Dann überleg mal nicht zu lange. So, wie der Junge aussieht, pfeift er aus dem letzten Loch.«
Elin legte beide Hände auf den Rand der Liege und streckte die Arme durch. Panikmache konnte sie jetzt am allerwenigsten gebrauchen. »Ich bin ja schon dabei, und jetzt hör auf, den Teufel an die Wand zu malen! Wir brauchen warmes Wasser und Kamillentee. Und die Taschenlampe.«
Hogan brummte etwas, das nicht besonders freundlich klang, und schlurfte in die offene Küche, um Wasser aufzusetzen. Elin fasste unter die Decke und legte ihre Hand auf den Unterleib des Mannes. Seine flache Bauchdecke hob und senkte sich einige Male, ohne dass etwas geschah. Und dann, auf einmal, verband sich ihre Energie mit seiner. Es war, als rinne die Kraft aus ihr heraus und in ihn hinein, und umgekehrt. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. War das normal?
Sie hatte noch nicht sehr viel Übung im Umgang mit ihrer Gabe und wenig Gelegenheit gehabt, sie am lebenden Objekt einzusetzen, außer an Hogan und manchmal an Brendas Patienten, wenn sie ihre bärbeißige Tante hatte überreden können, sie zu ihren Sprechstunden nach Newport mitzunehmen. Mit Bäumen, Pflanzen, Steinen und Nolene zu experimentieren war nicht dasselbe, doch es war besser als gar nichts, und nun wünschte Elin, sie hätte mehr auf diese Weise geübt, als Brenda noch da war.
Von ihrer Tante hatte Elin erfahren, dass sie nicht verrückt war, weil sie kleine Männer und Frauen sah, zarte, ätherische Wesen mit Flügeln, flüchtige, manchmal mächtige Gestalten in Flammen, Steinen, Baumkronen und Hölzern. Dass es kein Zeichen von Geisteskrankheit war, wenn sie Bewegung in Dingen wahrnahm, die als unbelebt galten. Dass sie kein Freak war, sondern eine Feuerleserin, genau wie Brenda selbst und all die anderen Frauen in ihrer weiblichen Ahnenreihe, in jeder Generation eine.
»Das Wasser kocht«, rief Hogan aus der Küche. »Was soll ich damit machen?«
»Gieß es in eine Schüssel und gib etwas kaltes Wasser dazu. Und ich brauche ein paar saubere Lappen, möglichst weiche.«
»Weiche Lappen, weiche Lappen«, brummte Hogan und riss die Türen des Küchenschranks auf.
»Unter der Ablage, links«, rief Elin ihm zu. Hogan bückte sich ächzend und förderte einen Stapel Wäsche zutage. »Die hier? Das sind Geschirrtücher. Die sind aber nicht besonders weich.«
»Nicht die«, sagte Elin ungeduldig, »die daneben, und nun mach bitte, bevor das Wasser kalt wird!«
Hogan kam mit der Schüssel in den Händen und den Lappen unter dem Arm und stellte alles auf den kleinen Tisch neben der Liege. Elin faltete die Decke zurück und legte den Oberkörper des Mannes frei. Dann tauchte sie einen Lappen in das warme Wasser und wrang ihn aus. Sie hatte schon lange keinen Patienten mehr gepflegt, doch sie musste gar nicht über das Waschen, Abtrocknen, Abdecken und Zudecken nachdenken. Ihre Hände taten alles Nötige wie von selbst.
Zügig befreite sie den Körper des Mannes von Blut und Schmutz, und Hogan half ihr, ihn zu bewegen, vorsichtig, damit sein Kopf beim Drehen nicht hin und her kippte. Was dabei zum Vorschein kam, war nichts für schwache Nerven.
Aus einer tiefen Wunde unter dem linken Schlüsselbein sickerte frisches Blut, und es machte den Anschein, als sei dort etwas hineingestoßen und herausgerissen worden. Weiter unten sah es nicht viel besser aus: Die linke Seite des Mannes war großflächig verklebt mit einer Schicht aus Blut, Gewebeflüssigkeit und Fremdkörpern. Sand vielleicht, oder Erde, und Elin legte dort etwas frei, das einer Schnittwunde mit dunkel verfärbten Rändern ähnelte. Dazu kamen ein übel geschwollenes Knie, Blutergüsse, Schnitte, Schürfungen und Prellungen am ganzen Körper. Seine Haut fühlte sich jetzt unnatürlich warm an. Offenbar hatte er Fieber. Auch das noch.
Elin legte den nassen Lappen in die Schüssel und deckte den Mann wieder zu. Langsam bewegte sie ihren Kopf nach links und rechts, dehnte sanft ihre Halswirbelsäule, lockerte die Schultern und schüttelte die Arme aus. Sie tat einen tiefen Atemzug, ließ ihren Blick frei, indem sie ihn auf nichts Bestimmtes richtete, und tauchte in die besondere Energie ein, so wie Brenda es ihr gezeigt hatte. Der Trick war, dass man dabei nicht nachdachte. Sie hatte einige Zeit gebraucht, bis sie ihrer Intuition vertraute, und es gelang am besten, wenn sie sich vorstellte, ihr Körper sei eine nicht konkret begrenzte Gestalt, amorph sozusagen, durchlässig und porös, im ständigen Austausch mit der Umgebung und mit ihr verbunden, so wie alles Leben verbunden war.
Sie war bereit für ihre Feuerprobe, im wahrsten Sinne des Wortes.
Erneut schob sie ihre Hand unter der Decke auf den Unterleib ihres Patienten und widerstand dem Impuls, sie zurückzuziehen, als ihre Energie sich mit seiner verband. Kein Muskel zuckte in seinem schönen Gesicht, seine Augen blieben geschlossen. Sein Atem ging flach, aber regelmäßig, während Elin sein Feuer, die Energie in seinem Körper, las.
Sie konnte nicht sagen, woher ihre Informationen stammten, ob es Eindrücke von außen waren oder ob sie aus ihrem Inneren kamen, eingeschleust durch einen geheimnisvollen Kanal. Sie sah den Fluss und die Qualität der Energie im Körper des Mannes, und ebenso sah sie die Blockaden, die den Fluss behinderten oder abreißen ließen. Genau genommen war es mehr ein Wissen als ein Sehen. Oder, ganz genau genommen, beides zusammen: Sie sah den Fluss der Energie und wusste gleichzeitig, was er bedeutete.
Sie konzentrierte sich auf das Bild, das sich vor ihrem geistigen Auge entfaltete, während sie im Körper des Fremden las. Schädelknochen, Rückgrat, Brustkorb, Arme, Beine, innere Organe. Drei Rippen waren gebrochen, doch alle anderen Knochen waren heil, und er hatte keine inneren Blutungen erlitten. Sein Zustand, so jämmerlich er auch sein mochte, war nicht lebensbedrohlich – doch das konnte sich ändern. Eine schwer einzuschätzende Bedrohung war die Infektion, die das Fieber verursachte. Ihren Ursprung hatte Elin noch nicht bestimmt, doch sie vermutete ihn in der Wunde auf der linken Seite, etwa auf der Höhe der Milz, wo etwas loderte wie ein Feuer, heiß und pulsierend.
In seiner Schulter hatte sich die Energie ausgebreitet wie das endlos verästelte Delta eines Flusses, war regelrecht zerfleddert, und es war schwierig, in dem Durcheinander überhaupt etwas zu erkennen. Die Schlüsselbeinarterie war intakt, und ebenso das Schlüsselbein selbst, doch das Gewebe war vollständig durchstoßen und die Energiebahnen waren wie Fäden durchtrennt worden, und nun hingen ihre Enden orientierungslos um etwas herum, das Elin an einen Meteoritenkrater erinnerte. Sie zog ihre Hand zurück und trennte die mentale Verbindung.
Besorgt dachte sie an die wenigen Mittel, die ihr zur Verfügung standen. Sie würde improvisieren müssen, wie der Held im Fernsehen, dieser MacGyver – eine Mischung aus Geheimagent, Abenteurer und Nothelfer, der sich und die ihm Anvertrauten mit einem Schweizer Taschenmesser, Klebeband, Streichhölzern und Propangasflaschen aus den unmöglichsten Situationen rettete.
Sie würde ihre Ressourcen nutzen. Von Brenda hatte sie viel über Naturheilkunde gelernt, und aus ihrer Zeit im Krankenhaus wusste sie einiges über Krankenpflege und Wundversorgung. Sie hatte ihre Gabe, ihren besonderen Röntgenblick, und sie hatte ihren kühlen Kopf. Und dann war da noch Lewis, ihr Vertrauter aus der geistigen Welt. Er würde ihr helfen, wenn sie nicht mehr weiterwusste. Entschlossen holte sie Luft.
»Hast du noch etwas von dem Whiskey?«, fragte sie Hogan, der in der Küche stand und im Kamillentee rührte.
»Wozu brauchst du meinen Whiskey?«, wollte er wissen, die Kelle in der Hand.
»Zur Desinfektion.« Elin machte sich an dem Schrank in der Stube zu schaffen, wo Brenda ihr medizinisches Arsenal aufbewahrt hatte. Sie benötigte jede Menge Tücher, Tinkturen, eine Pinzette, eine Schere und gläserne Spatel zum Auftragen der Salben. Kamille, Lavendel, Ringelblume und eine Salbe aus zerkleinertem Birkenkork sowie Sonnenblumenöl standen ihr für die Behandlung der offenen Wunden zur Verfügung; Beinwell und Arnika brauchte sie für die stumpfen Verletzungen, Weidenrinde zur Schmerzlinderung. Die tiefen Wunden würde sie vermutlich tamponieren müssen. Auf dem Herd in der Küche stand dafür ein weiterer Topf mit Kochsalzlösung.
Der Duft von Kamille mischte sich mit dem von Leder, Torf und Lagerfeuer, nachdem Elin sich unter Hogans bekümmertem Blick mit dessen kostbarem Connemara Peated Single Malt Whiskey die Hände eingerieben hatte.
Hogan besah sich die Flasche mit dem kümmerlichen Rest des guten Tropfens.
»Das reicht ja noch nicht einmal mehr für die Fairies«, sagte er betrübt. Er konnte sie nicht sehen, die Feen, Leprechauns, Meerjungfrauen, Riesen, Fomorians, Changelings und wie sie alle hießen. Doch er kannte natürlich die Geschichten über die magischen Kreaturen, welche die Britischen Inseln bevölkerten und, unsichtbar für die meisten Sterblichen, mitten unter ihnen lebten. Insbesondere auf dem Land genossen sie ein gewisses Maß an Ansehen und Respekt, auch bei denen, die sie nicht sahen. Man wusste einfach, dass sie da waren. Das wusste auch Hogan, und deshalb goss er vor jedem Drink, den er sich genehmigte, einen winzigen Schluck vor die Tür, als Opfer für die Fairies, damit sie zufrieden waren und ihn in Ruhe ließen.
Nolene, die Border-Collie-Dame, fläzte sich in ihrem Korb neben dem Herd. Sie hatte den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt und äugte zu der Liege hinüber, auf der ein wildfremder Mann lag. Neben dessen Ohr thronte, ganz in Grün, Lewis, der Leprechaun, und beobachtete Elin aufmerksam. Er hatte in etwa die Größe eines vierjährigen Kindes, war von gedrungener Gestalt und in gesetztem Alter. Elin schätzte ihn auf mindestens zweihundert Jahre, nach allem, was er zu erzählen wusste. Unter seinem grünen Zylinder stand buschiges graues Haar nach allen Seiten ab, und aus den Ärmeln seiner Jacke lugten weiße Rüschen hervor.
Als Leprechaun war Lewis ein Erdwesen und hütete ein großes Wissen über die Heilkräfte von Pflanzen, Steinen und Energien, die, wie er selbst, Teile der Natur waren. Elin war froh, dass er in der Nähe war. Er würde sie darauf aufmerksam machen, wenn sie etwas falsch machte.
»Und?«, fragte Hogan. »Wie sieht es aus?«
»Er hat ein Loch in der Schulter«, informierte sie ihn, »und einen tiefen Schnitt in der Seite. Drei gebrochene Rippen, ein verdrehtes Knie und eine ordentliche Gehirnerschütterung. Und eine Infektion, von der ich noch nicht genau weiß, woher sie kommt.«
Mit einem sauberen Baumwolltuch und Kamillentee reinigte sie die Schulterwunde so gut es ging. Dass diese immer noch blutete, war grundsätzlich nicht schlecht, weil so Fremdkörper und Keime herausgespült wurden, doch sie erkannte an der Qualität des Energieflusses im Körper des Mannes, dass er schon viel Blut verloren hatte. Sie musste die Blutung stoppen, bevor sein Kreislauf zusammenbrach.
Mit Kamillenblütentinktur betupfte sie die offenen Stellen und legte einen Druckverband an. Steriles Verbandsmaterial stand ihr nicht zur Verfügung, die sauberen Baumwolltücher mussten daher genügen. Sie deckte die Schulter des Patienten damit ab, schlug ein etwas gröberes Leinentuch drumherum und formte zwei Tücher zu Druckpolstern, die sie mit einem weiteren Tuch umwickelte.
»Wir brauchen ein Kopfkissen, um seinen Oberkörper hochzulagern«, informierte sie ihren Onkel. Wenn die Wunde über der Höhe des Herzens gehalten wurde, verringerte die Schwerkraft den Blutstrom.
»Das von Brenda könnte ich entbehren«, bot Hogan an. Ebenso wie Elin dachte er praktisch. Er hatte Brendas Kleider kurz nach ihrem Tod nach Newport gebracht und der Wohlfahrt gespendet, doch ihr Kissen hatte er behalten, aus Gründen, die niemanden außer ihm etwas angingen.
Gemeinsam hoben sie nun den Körper des Mannes an, damit Elin das Kissen darunter stopfen konnte. Sein Kopf fiel gegen ihre Schulter und die fiebrige Hitze, die er ausstrahlte, drang durch ihre Kleidung. Er war immer noch bewusstlos, doch in seinem Energiefeld bemerkte Elin eine Unruhe, die sich regte wie der Schwanz einer Katze, die allmählich nervös wurde. Die gnädige Ohnmacht würde nicht mehr lange anhalten, und sie hoffte die Erstversorgung abschließen zu können, solange ihr Patient keine Schmerzen spürte.
Die Trolle draußen auf der Fensterbank kratzten mit ihren dürren Hakennasen an der Scheibe. Sie durften nicht ins Haus, und so rangelten sie auf dem Fensterbrett um den besten Platz. Als Elin das Loch in der Schulter erwähnte, warf Olaf, der sich gern als Anführer der Trolle aufspielte, die Arme in die Luft, verdrehte die Augen und sank mit üppigem Pathos zu Boden, begeistert beklatscht von seinen Kumpanen.
›Schleicht euch!‹, zischte Elin gedanklich in Richtung der drei Nervensägen, die ihr prompt die Zungen herausstreckten und den Vogel zeigten. Falls sie jemals so etwas wie eine gute Kinderstube gehabt hatten, ließ diese sehr zu wünschen übrig.
Entnervt ließ sie das Tuch in die Schüssel fallen, schritt zum Fenster und riss die Vorhänge zu.
»Was ist?«, fragte Hogan, der die drei Plagegeister nicht sehen konnte.
»Trolle«, sagte Elin säuerlich. »Sie stehen auf der Fensterbank und gaffen, als wäre das hier ein Kabarett.«
Hogan kicherte und hielt weiter die Taschenlampe, während Elin die Verletzung in der Seite des Mannes untersuchte. Das Bild, das sich ihr bot, bestätigte ihre Vermutung: Hier war der Entzündungsherd, der Ursprung der Infektion, die den Körper zum Glühen brachte. Die Wunde war nicht nur verschmutzt, es befand sich auch ein Gegenstand darin, vielleicht ein Holzsplitter oder eine Scherbe aus Ton oder Glas.
Mit einem kamillenteegetränkten Tuch weichte sie das verklebte Gewebe auf und sah das Ende von dem herausragen, was darin steckte. Als sie daran zog, erwachte ihr Patient.
Ihm war, als bohrte sich ein glühender Schürhaken in seine Seite. Er bekam die Augen nicht auf, aber er spürte den schrecklichen Schmerz und versuchte in panischer Angst, sich aufzubäumen, den Peiniger abzuwehren, doch er hatte nicht die Kraft dazu. Den linken Arm konnte er überhaupt nicht heben und den rechten nur ganz wenig. Ein gequältes Stöhnen war alles, was er zustande brachte.
Jemand nahm seine Hand. Er blinzelte und sah undeutlich die Gestalt eines Mannes – doch er war es nicht, der seine Hand hielt. Er kniff die Augen zusammen, als ihn ein Lichtstrahl traf. Das Licht tat weh. Alles tat weh. Warum tat es weh? Warum konnte er sich nicht bewegen? Schmerzen. Dunkelheit. Gefahr! Er musste fliehen, sofort! Er wollte sich aufrichten, doch sein Körper gehorchte ihm nicht.
»Hey«, hörte er eine Stimme, »sieh mich an!«
Eine Frau? Warum konnte er sie nicht sehen? Andere Seite. Drehen. Er musste den Kopf drehen, in die andere Richtung, aus der die Stimme kam. Drehen, jetzt. Aber wie? Unmöglich, sein Schädel war zu schwer. Eine Hand legte sich an seine Wange. Schmerz. Schwindel. Übelkeit. Er sah Sterne tanzen und Blitze zucken, in seinem Kopf, der zu explodieren schien, während er gedreht wurde. Dann hörte die Bewegung auf, sein Kopf lag still, auf der anderen Seite, und wieder hörte er die Stimme, die sagte:
»Spürst du meine Hand auf deinem Bauch?«
Wärme, in der Gegend seines Bauchnabels. Druck. Ein Gewicht.
»Atme gegen meine Hand«, sagte die Stimme, »in den Schmerz hinein!«
Atmen, in den Schmerz hinein. Einatmen, ausatmen. Gut so. Weiter atmen. Der Schmerz ließ nach, und der Schwindel ebenfalls. Er schaffte es erneut, die Augen zu öffnen, und sah die Frau, die seine Hand hielt. Eine Frau, die er nicht kannte.
»Wie heißt du?«, fragte Elin, die Hand des Mannes in ihrer, heiß und trocken.
Er sah sie aus dunkelbraunen Augen an.
Donnerwetter, dachte Elin und schluckte.
Männer mit seinem Aussehen erfreuten einen auf der Titelseite von Lifestyle-Magazinen oder als Model in Katalogen für Herrenbekleidung, einschließlich Bademode. Elin wusste nicht viel über Statistik und Wahrscheinlichkeiten, aber bestimmt wurde man hier draußen, im Reich der Wichtel, Baumgeister und Trolle, eher auf dem Weg zum Klohäuschen vom Blitz erschlagen, als dass man einem solchen Mann begegnete. Wichtel, Baumgeister und die lästigen Trolle waren für Elin nichts Ungewöhnliches. Ein attraktiver und noch dazu unbekleideter Mann auf einer Massageliege, der sie aus sehr dunklen Augen ansah, hingegen schon.
»Aaron«, flüsterte er schließlich.
»Mein Name ist Elin.«
Namen auszutauschen mochte eine Formalität sein, doch es schaffte auch Vertrauen, wenn man wusste, mit wem man es zu tun hatte, auch wenn es nur ein Name war.
Aaron folgte ihren Anweisungen, und sein Atem wurde leichter und ruhiger. Erschöpft schloss er die Augen.
Lewis, der Leprechaun, nickte und zeigte mit dem Daumen nach oben.
Elin behielt ihre Hand auf Aarons Bauch, wo sie sich im Rhythmus seiner Atmung gleichmäßig hob und senkte, als Schmerzmittel sozusagen, denn genau das konnte sie mit ihrer Kraft: Schmerzen lindern und bewirken, dass Wunden und Krankheiten schneller heilten. Früher hatte sie diese Gabe unbewusst angewandt, an den Patienten im Krankenhaus, an Tieren, die ihre Nähe suchten, oder an lebensmüden Topfpflanzen, die ihre Mutter in ihr Zimmer stellte, weil sie sich dort schneller erholten. Erst Brenda hatte sie darüber aufgeklärt, dass diese Fähigkeit Teil ihrer Gabe war – und dass nicht alle Feuerleserinnen sie hatten. Brenda zum Beispiel hatte sie nicht besessen. Ihre Spezialität war der Umgang mit dunklen Energien gewesen, ein gefährliches Geschäft – wie gefährlich, hatten sie damals beide nicht geahnt.
Aaron blinzelte, als sie sagte: »Wir müssen deine Wunden versorgen. Und hier in deiner Seite steckt etwas, das ich entfernen muss.« Sie drückte seine Hand. »Ich werde sehr vorsichtig sein, aber es ist wichtig, dass du dich nicht bewegst. Dann geht es ganz schnell. Verstehst du mich?«
Sie wusste nicht, ob ihre Worte bei ihm angekommen waren, doch die Sache duldete keinen weiteren Aufschub. Sie fasste den Gegenstand mit Daumen und Zeigefinger und zog ihn heraus. Aaron stöhnte auf und griff mit der rechten Hand ins Leere. Hogan hielt sie fest, während Elin mit einem sauberen Tuch das Blut auffing, das nun reichlich aus der Wunde floss.
»Alles okay«, beruhigte sie den keuchenden Aaron, dem Tränen aus den Augenwinkeln liefen, »es ist raus, gleich wird es besser.«
Ihre Prophezeiung erfüllte sich in dem Sinne, dass er erneut das Bewusstsein verlor, und das war in seiner Situation das Beste, was ihm passieren konnte, denn so spürte er nichts von der Behandlung, die sie ihm nun angedeihen ließ, als sie die Wunde mit Kochsalzlösung und dem Mullpolster tamponierte. Vorsichtig schob sie im Licht der Taschenlampe die Tamponade mit der Pinzette in die klaffende Wunde, damit diese von innen heraus heilen und sich neues Gewebe bilden konnte. Mit sauberen Baumwolltüchern legte sie einen feuchten, lockeren Verband an und schlug ein Tuch aus festem Leinen darüber. Sie löste den Druckverband an der Schulter und verfuhr dort nach dem gleichen Prinzip. Es war wichtig, dass die Wunden vorerst feucht blieben, damit das Wundsekret austreten konnte. Verschorften sie zu früh, kam der Heilungsprozess ins Stocken. »Geschafft«, sagte sie und trat einen Schritt zurück, um ihre Arme auszuschütteln und den Nacken zu dehnen. Sie hatte so konzentriert gearbeitet, dass sie die Anspannung in ihrem eigenen Körper gar nicht bemerkt hatte. Bis zu dem Debakel mit Aidan dem Ignorierenswerten hatte sie unter Druck stets gut funktioniert – und nun stellte sie fest, dass sie es immer noch konnte, wenn es darauf ankam.
Nachdem die offenen Wunden versorgt waren, legte sie einen Umschlag mit Arnikatinktur über die gebrochenen Rippen, und verfuhr ebenso mit Aarons geschwollenem Knie.
»Hat er sich dort was gebrochen?«, wollte Hogan wissen.
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich denke eher, dass er sich die Kniescheibe geprellt hat. Der Schleimbeutel scheint verletzt zu sein, und ein Kreuzband ist gezerrt, oder angerissen.«
»Ich hab mir mal das Knie verdreht. Hat auch ungefähr so ausgesehen«, sagte Hogan. »Üble Sache. Wurde dick wie ein Kürbis. Ich musste wochenlang humpeln.«
»Ihm wird es ähnlich ergehen. Einen Marathon wird er bis auf weiteres jedenfalls nicht laufen.«
Ob er jemals Marathon gelaufen war? Er war kräftig und in guter Verfassung, wenn man von seiner augenblicklichen Situation absah, und seine robuste Konstitution würde ihm hoffentlich bei der Heilung helfen.
»Denkst du, dass er wieder ganz in Ordnung kommt?«, wollte ihr Onkel wissen.
»Eigentlich spricht nichts dagegen. Es sind keine inneren Organe verletzt. Sein Zustand ist ernst, aber nicht lebensbedrohlich. Es kommt jetzt ganz darauf an, wie er mit der Infektion fertig wird. Allerdings sieht er fit aus, und außerdem ist er wohl noch relativ jung.« Elin schätzte ihn auf Ende Zwanzig, ein paar Jahre jünger als sie selbst. »Er hat eine ziemlich schwere Gehirnerschütterung. Wenn er aufwacht, wird er vermutlich Kopfschmerzen haben. Und es kann sein, dass ihm schlecht ist.« Sie legte eine Stoffkompresse mit Arnikatinktur auf die Beule an der Stirn, damit die Schwellung zurückging.
Aaron stöhnte leise und bewegte den Kopf. Seine Augen öffneten sich einen Spaltbreit.
»Kannst du etwas trinken?«
Ohne seine Antwort abzuwarten, griff sie nach dem Becher auf dem Tisch. Er brauchte dringend Flüssigkeit. Später würde sie für ihn Tee kochen, eine Mischung aus Kamillen- und Lindenblüten, fiebersenkend und schmerzlindernd. Doch vorerst war schon etwas gewonnen, wenn er ein wenig Wasser zu sich nahm. Sie stützte seinen Kopf und führte den Becher an seine Lippen. Er trank in kleinen Schlucken, bis er den Kopf etwas zur Seite drehte und signalisierte, dass er genug hatte.
»Versuch ein bisschen zu schlafen«, riet sie ihm. Sie hatte getan, was sie konnte, und nun war Schlaf für ihn die beste Medizin. Betäubt und erschöpft von den Strapazen der letzten Stunden murmelte er etwas, das sie nicht verstand. Seine Augen fielen zu, während Elin neben ihm saß, ihre Hand auf seinem Bauch, und nach wenigen Atemzügen schlief er ein.
Mit dem Handrücken strich sie sich eine rotblonde Strähne aus dem Gesicht.
Ihre Augen brannten vor Müdigkeit und ihr Nacken war verkrampft. Ein Vermögen hätte sie gegeben für eine anständige Massage – oder wenigstens für ein warmes Bad mit ein paar Tropfen Fichtennadelöl, Melisse oder Mandarine. Eine Badewanne war der einzige Luxus, den sie vermisste. Und eine Waschmaschine. Und den Vitamix, der mitsamt ihren wenigen Besitztümern, die sie zurückgelassen hatte, in einer Garage in Inverness auf ihre Rückkehr in die Zivilisation wartete – bisher vergeblich, denn Elin dachte nicht im Traum daran, das kleine Glück, das sie im wilden Westen Irlands gefunden hatte, gegen die laute Welt da draußen einzutauschen.
Sie verschloss die Gefäße mit den Tinkturen und die Glastiegel mit den Salben. Die Tücher, an denen Aarons Blut klebte, weichte sie in kaltem Wasser ein, damit sich das Blut herauslöste, und den Verbandsstoff würde sie morgen auskochen. Der Vorrat an sauberem Material reichte sicher noch für einen weiteren Tag.
Beim Aufräumen fiel ihr Blick auf den Gegenstand, den sie aus Aarons Wunde entfernt und auf den Tisch hatte fallen lassen. Im Eifer des Gefechts hatte sie nicht erkannt, was es war. Nun nahm sie ihn zwischen Daumen und Zeigefinger, und Hogan beleuchtete ihn mit der Taschenlampe. Er war dünn und brüchig, hatte annähernd die Form und Größe von Elins Daumen und war von dunkler Farbe.
»Was ist das denn?«, fragte Hogan und beugte sich vor, um besser sehen zu können.
»Das steckte in seiner Seite. Sieht aus wie die Schale einer Miesmuschel. Oder ein Teil davon. Seltsam.«
Sie legte den Gegenstand zurück auf den Tisch und betrachtete ihren schlafenden Patienten. Die dunklen Locken, feucht vom Fieberschweiß, klebten an seinem Kopf und die langen Wimpern warfen im Licht der Kerzen flüchtige Schatten auf die hohen Wangenknochen. Gedankenverloren beobachtete Elin das gleichmäßige Auf und Ab seiner Hand, die unter der Wolldecke auf seinem Bauch lag.
Trotz seines Zustands ging eine große Kraft von ihm aus, wie ein Ruf, den ihre Seele vernahm, eine Schwingung, mit der sie instinktiv in Resonanz ging. Es beunruhigte sie, dass ein ihr völlig fremder Mann solche Reaktionen bei ihr hervorrief. Elin Armstrong, dachte sie, sieh dich vor! Aidan der Verachtenswerte hatte sie gelehrt, wohin es führte, wenn sie sich von Gefühlen leiten ließ. Ein zweites Mal würde ihr das nicht passieren. Aber neugierig war sie schon.
Wer war er? Was war ihm zugestoßen? Wie war er hierher gelangt?
Zwar konnte Elin nicht die Gedanken anderer Menschen lesen, doch sie konnte ihr Unterbewusstsein anzapfen, ähnlich wie beim Feuerlesen, nur dass sie dabei keine Energieströme sah, sondern Bilder, die einen Seelenzustand ausdrückten. Sie waren meist sinnbildlich zu verstehen, und Elin musste sie interpretieren, um etwas damit anfangen zu können. Ihr eigener Körper half ihr dabei: Er spiegelte ihr die Empfindungen anderer Menschen – nicht jedes Detail, aber sie konnte verschiedene Gefühle unterscheiden, Angst zum Beispiel, Trauer, Leere und Schmerz, aber auch Frieden und innere Ruhe. Außerdem war sie ein wandelnder Lügendetektor: Ihr Körper sagte ihr, ob jemand die Wahrheit sprach oder nicht. Ihr Zwerchfell reagierte mit Kontraktion auf eine Lüge und mit Ausdehnung, wenn die Wahrheit gesprochen wurde. Sie hatte diese Reaktionen lange nicht bewusst wahrgenommen. Erst allmählich war ihr klar geworden, dass nicht alle Menschen solche Empfindungen hatten – und dass auf ihr Zwerchfell meistens Verlass war. Warum es sie bei Aidan dem Gefühllosen so schmählich im Stich gelassen hatte, war ihr immer noch ein Rätsel.
Sie versuchte mehrmals, mit Aarons Unterbewusstsein Verbindung aufzunehmen, jedoch vergeblich. Es war, als stünde sie vor einer verschlossenen Tür.
Wasser tropfte von der Dachkante und sammelte sich in kleinen Pfützen auf dem naturbelassenen Platz vor dem Haus. Ab und zu fuhr ein Windstoß in die Kronen der Bäume, doch ansonsten hatten die Elemente sich beruhigt. Die Luft roch frisch und sauber und erschien Elin trotz der Dunkelheit glasklar. Sie schätzte die Zeit auf etwa eine oder zwei Stunden nach Mitternacht. Bevor sie sich schlafen legte, brauchte sie noch einen Moment, um ins Gleichgewicht zu kommen, und so saß sie auf der kleinen Veranda vor dem Haus, hielt ihre Knie umarmt und lehnte den Kopf gegen die Hauswand.
Hier hatte sie mit Brenda gesessen, als diese ihr erzählte, wie es mit dem Feuerlesen angefangen hatte, nämlich mit Grace O’Malley, hierzulande besser bekannt als Gráinne Ní Mháille oder schlicht Granuaile, die legendäre Piratenkönigin von Connacht, die um 1530 herum auf Clare Island das Licht der mittelalterlichen Welt erblickte. Die O’Malleys waren ein mächtiger Clan von Seefahrern und eine der herrschenden Familien an Irlands stürmischer Westküste, wo sie die Gewässer der Clew Bay und die Küste der heutigen Grafschaft Mayo kontrollierten.
Von Grace O’Malley hatte Elin vor ihrer Ankunft auf Gráinne’s Island noch nie etwas gehört, und natürlich hatte sie ihre Tante gefragt, ob es Beweise dafür gab. Existierten vielleicht Aufzeichnungen über das Feuerlesen? War etwas dokumentiert? Brenda hatte nur mit den Schultern gezuckt und gesagt, sie wisse von keinen Aufzeichnungen. Sie gab nur weiter, was sie selbst von ihrer Tante Iris erfahren hatte, nämlich, dass Grace auf geheimnisvolle Weise Kranke und Verwundete heilen konnte, indem sie ihr Feuer las – und die Legende lebte, solange eine Feuerleserin das Wissen an die nächste weitergab. Nun war dieses Wissen bei Elin angekommen, Endstation, denn sie hatte keine Nachkommen. Also war sie wohl die Letzte ihrer Art. Hier ruht Elin Armstrong, die letzte Feuerleserin, vermisst von wenigen, Friede ihrer Asche.
Sie seufzte und rieb sich das Gesicht. Der schwache Lichtstrahl einer Taschenlampe kam näher. Hogan hatte mit Nolene das Ufer abgesucht, für den Fall, dass dort noch mehr Leute herumlagen. Vielleicht hatte es ja in dem Sturm ein Bootsunglück gegeben und Aaron war einer von mehreren Überlebenden, die ebenfalls Hilfe brauchten.
»Und?«, fragte Elin, als die beiden aus dem Dunkel auf die Veranda traten. »Habt ihr etwas gefunden?«
Hogan schüttelte den Kopf und knipste die Taschenlampe aus. »Am Strand ist nichts. Kein Mensch und auch kein Boot, mit dem er hergekommen sein könnte. Wir suchen morgen die Insel ab, soweit es geht, aber heute können wir nichts mehr tun.«
Er verschwand im Haus und kam kurze Zeit später wieder heraus, dicht gefolgt von Nolene. Ächzend setzte er sich zu Elin auf die Bank, und die Hündin ließ sich ihm zu Füßen plumpsen. Die Tür stand halb offen, damit sie Aaron hörten, falls er erwachte.
»Er glüht wie unser Ofen«, sagte Hogan. »Einer von uns sollte wohl aufbleiben.«
Elin nickte gähnend und rieb sich die Augen.
»Ruh dich aus, ich bleibe bei ihm«, bot ihr Onkel an, und sie war ihm dankbar dafür.
»Mach ihm kalte Umschläge und deck ihn nicht zu sehr zu, aber achte darauf, dass er nicht friert«, bat sie ihn. Die Nächte im Nordwesten Irlands waren jetzt, Anfang Juni, oft noch ziemlich kühl. Genau genommen waren sie das meistens, auch im Sommer.
»Und lass ihn etwas trinken, immer wenn er wach ist. Er braucht viel Flüssigkeit.«
»Wie heißt er nochmal?«
»Aaron. Er heißt Aaron«, sagte Elin. Der Name gefiel ihr. Er passte zu ihm.
»Ich finde trotzdem, dass er nicht hierhergehört, in seinem Zustand«, sagte Hogan vorwurfsvoll.
»Das mag ja sein, aber wir haben im Moment keine Möglichkeit, ihn woanders hinzubringen, oder wie siehst du das?«
Ihren Standort als abgelegen zu bezeichnen, war keine Übertreibung. Gráinne’s Island war einer von zahlreichen Drumlins in der Clew Bay, stromlinienförmige Hügel, die in der Eiszeit entstanden waren und wie Walrücken aus dem Wasser ragten. Abgesehen von dem bisschen Solarstrom, den sie für den Wasserkocher und für Elins elektronisches Lesegerät produzierten, gab es hier keine Elektrizitätsversorgung. Sie hatten kein Telefon und keine Nachbarn. Weit und breit war niemand außer ihnen. Weil Aaron nicht ansprechbar war, konnten sie ihn nicht fragen, wie mit ihm verfahren werden sollte, und deshalb mussten sie tun, was sie für richtig hielten. Oder was Elin für richtig hielt, denn wäre es nach ihrem Onkel gegangen, hätte man Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um den ungebetenen Besucher schleunigst wieder loszuwerden, und sie kannte auch den Grund dafür.
»Hast du gesehen, ob er etwas bei sich hatte? Einen Ausweis, ein Handy oder sonst etwas?«, fragte sie.
Hogan schüttelte den Kopf.
»Seine Taschen sind leer und außer der Hose hatte er ja nichts am Leib. Ich frage mich, wie er hierher geraten ist.«
Elin fragte sich das auch.
»Vielleicht war er auf einer Pilgerwanderung zum Croagh Patrick«, sinnierte Hogan weiter. »Die gehen da oft ohne Schuhe hoch.«
»Ohne Schuhe meinetwegen, aber doch nicht ohne Hemd und ohne Jacke«, gab Elin zu bedenken.
Außerdem lag Croagh Patrick, der heilige Berg der Iren, etliche Kilometer Luftlinie von ihnen entfernt, und Elin konnte sich nicht vorstellen, wie ihr Patient, wenn er denn ein Pilger war, in seiner Verfassung von dort nach hier gelangt sein könnte.
Hogan ging wieder hinein, um Tee zu kochen, wie Elin es ihm aufgetragen hatte. Sie folgte ihm ins Haus, trat an Aarons Lager und legte ihre Hand auf seine Hüfte. Er rührte sich nicht. Ihre Energie verband sich mit seiner, und sie sah am Fluss und an der Qualität seiner Energieströme, dass der Heilungsprozess bereits im Gange war.
›Danke‹, sagte sie in Gedanken zu Lewis, der neben ihr stand und den schlafenden Patienten betrachtete.
›Keine Ursache‹, antwortete der Leprechaun.
›Weißt du, was mit ihm passiert ist?‹
›Natürlich.‹
›Aber du wirst es mir nicht sagen, stimmt’s?‹
›Natürlich nicht. Das dürft ihr ganz allein herausfinden.‹
Elin seufzte. Sie hatte keine andere Antwort erwartet. Lewis gab ihr Hinweise und stellte unbequeme Fragen, doch er nahm ihr die Arbeit nicht ab, die sie tun musste, um das Mysterium des Lebens zu ergründen. Oder das Mysterium des Mannes, der scheinbar vom Himmel vor ihre Tür gefallen war.
»Kommst du klar hier?«, fragte sie Hogan, der dabei war, sich eine Pfeife zu stopfen, damit er besser wach blieb. Sie konnte kaum noch die Augen offenhalten.
»Mach, dass du in die Koje kommst!«, brummte ihr Onkel. »Ich halte hier die Stellung. Ich rufe dich, wenn der Junge seine Krankenschwester braucht.«
Elin nickte und gähnte herzhaft. Hundemüde fiel sie auf ihr Bett und schlief augenblicklich ein.
Auch in der Stube war es still geworden. Hogan hatte die Haustür angelehnt und paffte draußen auf der Bank vor sich hin. Dann und wann gelang ihm ein perfekter Rauchkringel, was die Trolle auf der Brüstung der Veranda jeweils mit Applaus quittierten. Aarons flache Atemzüge waren die einzigen Geräusche im Haus. Neben ihm auf der Liege saß Lewis, der Leprechaun, und lächelte.
Keiner der Sterblichen hörte das leise Summen, das sich mit einem Mal erhob, draußen, beim Holunderstrauch, dunkel und drängend, wie ein unheilvoller Gesang. Und keiner sah die dunkle, flüchtige Gestalt, die sich mit wehendem Mantel lautlos über den Vorplatz bewegte, auf das Haus zu und die Treppenstufen hinauf.
Auf der Schwelle blieb sie stehen.
Nolene winselte, zog den Schwanz ein und verzog sich unter die Bank.
Lewis hob den Kopf. Und nun lächelte er nicht mehr.
Der 2. Tag, an welchem es sehr viel regnet und Elin und Hogan sich in Geduld üben müssen.
»Wie aufregend!», rief Diana, Elins früh verstorbene Freundin aus Kindertagen, und klatschte in die Hände. »Du musst mir unbedingt alles über ihn erzählen!«
Hinter ihr erschien Brenda in der Tür, verschränkte die Arme und sagte mürrisch: »Von Herrenbesuch war aber nicht die Rede, als wir dich hier aufgenommen haben.«
Elin versuchte ihrer Tante zu erklären, dass Aaron nicht ihr Herrenbesuch war, dass sie überhaupt nicht wusste, wer er war, während Diana verzückt auf und ab sprang, wie früher, bevor sie krank geworden war. Auf der Liege lag Aaron, der auf einmal verdächtige Ähnlichkeit mit Aidan dem Abtrünnigen hatte, und dann mischte sich auch noch Hogan ein, der sagte: »Der Tee ist fertig.«
Elin schlug die Augen auf.
Ihr Onkel saß an ihrem Bett, in der Hand eine Schale mit dem Kräutertee, den sie morgens immer trank.
»Danke«, sagte sie, nahm Hogan die Schale aus der Hand und sah aus dem Fenster. Es regnete in Strömen, und ein aufmüpfiger Wind zerzauste die Kronen der Bäume. Eindeutig kein Wetter für eine Bootsfahrt, zu welchem Zweck auch immer.
»Wie geht es ihm?«, fragte sie und rieb sich verschlafen das Gesicht.
Hogan kratzte sich den Bart und hob die Schultern. »Er lebt noch, wenn du das meinst.«
»Hat er etwas getrunken?«
»Schon, aber ich bezweifle, dass es viel genützt hat. Er hat sich übergeben.«
Elin seufzte.
»Was macht das Fieber?«
»Unverändert, würde ich sagen. Man verbrennt sich fast die Hand an ihm.« Hogan sah sie an und schob seine Häkelmütze zurück. »Also ich finde, wir sollten ihn nach Newport bringen, am besten gleich.«
Elin wollte gerade ihre Schale zum Mund führen und hielt mitten in der Bewegung inne. »Das ist nicht dein Ernst, oder?« Sie stellte die Teeschale neben sich auf den Nachttisch und setzte sich auf. »Du kannst ihn doch in seinem Zustand nicht ins Boot schleifen und stundenlang herumfahren, noch dazu bei diesem Wetter! Sieh doch!«
Aufgebracht zeigte sie zum Fenster, wo die Trolle auf der Fensterbank standen. Sie spielten »Supertroll«, mit leuchtend roten, vom Wind geblähten Umhängen, und stürzten sich mit Gebrüll in die Tiefe.
Hogan erhob sich und stemmte beide Hände in die Seiten.
»Aber wenn er hier abkratzt? Weißt du denn nicht mehr, wie das damals bei Brenda war? Was die hier für einen Zirkus veranstaltet haben?«
Der Zirkus, den er meinte, war das Auftauchen der Garda Síochána, der irischen Nationalpolizei, und des Gerichtmediziners, nachdem Hogan in Newport gemeldet hatte, dass seine Frau überraschend verstorben war, auf einem Stuhl im Schuppen, inmitten eines Kreises aus Salz. Letzteres hatten sie den Beamten verschwiegen, ebenso wie die Umstände, die zu Brendas Tod geführt hatten. Sie konnten ja nicht sagen, dass Brenda sich mit dunklen Mächten eingelassen und dafür mit dem Leben bezahlt hatte. Die Geschichte hätte ihnen kein Mensch geglaubt.
Elin seufzte. »Natürlich weiß ich das noch.«
»Den Fehler mache ich nicht noch einmal, dass ich danebenstehe und nichts unternehme, solange noch Zeit ist!«, wetterte Hogan und stach mit seinem Zeigefinger Löcher in die Luft. Elin wusste, dass er sich immer noch Vorwürfe machte, obwohl er nicht darüber sprach. Es war öfter vorgekommen, dass Brenda sich im Schuppen verkrochen hatte, um etwas mit sich auszumachen, mit sich und mit den ungebetenen Besuchern, die sie an sich heranließ, weil sie helle und dunkle Kräfte nicht klar trennte. Sie hatten nicht ahnen können, dass es dieses Mal anders war, dass Brenda sich mit einer Kraft eingelassen hatte, die stärker war als sie.
»Du hättest nichts tun können, das weißt du doch«, versuchte Elin ihn zu besänftigen.
»Wir hätten sie zu einem Arzt bringen können, anstatt sie in diesem Schuppen hocken zu lassen, bis …«
Wütend brach er ab, riss sich die Häkelmütze vom Kopf und knetete sie in seinen Händen – ein deutliches Zeichen dafür, wie aufgeregt er war.
»Das hätte doch nichts genützt. Wir hätten einen Exorzisten gebraucht, oder eine weiße Hexe, und abgesehen davon war es zu diesem Zeitpunkt sowieso schon zu spät. Brenda hatte keine Chance. Sie hätte sich vorher überlegen müssen, mit wem –«
»Papperlapapp!«, fiel Hogan ihr ins Wort. »Jetzt komm mir bloß nicht damit! Ich sage, er verschwindet, und zwar sofort!«
Elin schoss aus dem Bett, stand in Unterwäsche vor ihrem Onkel und stemmte ebenfalls die Hände in die Seiten.
»Und ich sage, er bleibt hier, bis er transportfähig ist! Und außerdem: Wenn wir bei dem Wetter mit dem Boot rausfahren, hat die Nationalpolizei demnächst drei Leichen am Hals – und da wir gerade davon sprechen: Aaron wird nicht sterben, das weiß ich genau!«
»Ach ja? Und woher weißt du das so genau?«, giftete Hogan. »Sieh ihn doch mal an, er steht doch schon mit einem Bein im Grab! Ich muss es ja wissen, schließlich saß ich die ganze Nacht neben ihm, und ehrlich gesagt wundert es mich, dass er es überhaupt bis heute früh geschafft hat!«
»Ich weiß es einfach. Ich bin eine Feuerleserin, falls du es vergessen hast, und wir –«
»Ja, ja«, maulte Hogan, »ihr Feuerleserinnen wisst immer alles besser, das war bei Brenda genau so, da konnte ich sagen, was ich wollte, und jetzt liegt sie dort drüben«, er zeigte in die Richtung, »unter dem Holunderstrauch, und das hat sie jetzt davon. Und ich auch.«
Unglücklich brach er ab, und Elin holte tief Luft. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm.
»Ich kann deine Bedenken verstehen, aber dir ist doch klar, dass wir bei dem Wetter nicht aufs Wasser können, ohne uns alle in Gefahr zu bringen. Lass uns wenigstens abwarten, bis es aufklart, und dann sehen wir weiter. So lange kümmere ich mich um ihn. Bitte vertrau mir! Ich weiß, was ich tue.«
Hogan faltete seine Mütze auseinander, setzte sie auf und rückte sie umständlich zurecht.
»Bestimmt wird er vermisst, und seine Leute machen sich Sorgen um ihn.«
Damit hatte er allerdings recht. Vermutlich wurde nach Aaron gesucht, und besorgte Freunde oder Verwandte hofften verzweifelt auf ein Lebenszeichen. Doch so lange Regen und Wind anhielten, war nichts zu machen. Sie konnten mit der Außenwelt keine Verbindung aufnehmen.
»Ich mache dir einen Vorschlag. Wir fragen ihn, wenn er wach ist und sprechen kann. Das dauert sicher nicht mehr lange.«
Hogan kratzte sich am Kopf. »Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir kein bisschen.«
»Mir gefällt es auch nicht, aber wir können im Moment nichts anderes tun. Lass uns einfach abwarten, einverstanden?«
»Meinetwegen«, knurrte er, »dann warten wir eben.« Er hob den Zeigefinger. »Aber wenn er hier stirbt, dann –«
»Er wird nicht sterben«, wiederholte Elin.
»Wenn du dich da bloß nicht irrst«, sagte Hogan und schlurfte aus der Tür.
»Ganz bestimmt nicht!«, rief Elin ihm hinterher, erleichtert darüber, dass die Schlacht geschlagen war. Sie kannte ihren Onkel gut genug, um zu wissen, dass er zwar ein aufbrausendes Temperament, aber auch ein gutes Herz hatte. Er stand zu seinem Wort und würde ihr wegen Aaron keine Schwierigkeiten machen. Jedenfalls nicht, solange das schlechte Wetter anhielt. Und danach würde man weitersehen.
Sie stieg in die Hose, die am Fußende ihres Bettes lag. In ihrer Kommode wühlte sie nach frischer Kleidung. Die wenigen Stücke, die sie besaß, passten leidlich gut zusammen, waren zeitlos in Farbe und Schnitt, pflegeleicht und langlebig.
Mit ihren Kleidern und einem Handtuch unter dem Arm trat sie aus der Kammer – und blieb wie angewurzelt stehen.
An der Wand neben dem Fenster lehnte eine Gestalt, ganz in schwarz gekleidet, mit einem ebensolchen Umhang, weißer Halskrause und einem Morion, einem Helm, wie ihn die spanischen Eroberer getragen hatten. Er hielt eine Art Lanze in der Hand, die Elin als Hellebarde identifizierte. Das Gesicht war scharf geschnitten und durchaus attraktiv: Hohe Wangenknochen, kräftiger Kiefer und markante, gerade Brauen über den dunklen Augen. Die Gestalt sah Aaron nicht unähnlich, doch sie wirkte älter. Wäre sie ein Mensch gewesen, hätte Elin sie auf zirka Mitte bis Ende Dreißig geschätzt.
»Euer Wetter ist die reinste Zumutung«, schnarrte die Gestalt und rollte dabei das r auf eine Weise, wie manche Spanier es taten, wenn sie Englisch sprachen. »Regen, Regen, nichts als Regen. Es ist in der Tat in keiner Weise verwunderlich, dass so viele von euch der Schwermut anheimfallen, bei dem Wetter. Was für eine Plage.«
Elin zog die Augenbrauen zusammen.
»Wer bist du?«, fragte sie das Wesen. »Und was bist du?« Es war nicht ungewöhnlich, dass sie Besuch aus der unsichtbaren Welt erhielt, von Verstorbenen zum Beispiel, die sich ihr ganz oder teilweise zeigten. Doch diese Erscheinungen hatten für gewöhnlich eine andere energetische Qualität, waren flüchtiger und von geringerer Dichte. Es war auch kein Naturwesen, so wie Lewis und die Trolle, die Elfen, Feen, Wasser-, Luftund Feuergeister. Es war …
»Gestatten, señorita, Don Miguel del Arroyo y Gloriosamente. Ihr dürft mich mit Don Miguel ansprechen, wenn Ihr die Güte haben wollt.«
»Don Miguel«, sagte sie mechanisch und versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging. Ihr Blick ging zur Liege und zu Aaron, der dort schlief und sich nicht rührte.
»Ganz recht, señorita, der caballero und ich, wir gehören zusammen. Ich bin sein Torwächter.«
»Torwächter«, echote Elin.
»Exactamente«, bestätigte Don Miguel und klopfte zur Bekräftigung mit dem Stiel der Hellebarde auf den Boden.
Elin räusperte sich. »Wozu braucht er einen Torwächter? Und was ist das überhaupt?«
»Alles zu seiner Zeit, señorita. Wir haben mucho trabajo vor uns, viel Arbeit. Wenn Ihr mich also jetzt entschuldigen wollt, ich möchte mich etwas frisch machen.«
Elin starrte auf die Stelle, wo der Torwächter verschwunden war, als hätte man ihn ausgeknipst. Sie sah sich nach Lewis um, in der Hoffnung, er würde ihr erklären, was dieser Auftritt zu bedeuten hatte, doch alles, was sie sah, waren die Trolle draußen auf der Fensterbank. Sie trugen Björn-Borg-Perücken, hielten kleine Tennisschläger in den Pfoten und versuchten, die Elfe zu erwischen, die zwischen ihnen herumflatterte und sie auslachte.
Elin schüttelte sich, um die seltsame Erscheinung aus ihrem Energiefeld zu vertreiben. Das beste Mittel gegen unerwünschten Geisterbesuch war, den Erscheinungen keine Aufmerksamkeit und damit keine Energie zu schenken, unbeirrt voranzuschreiten auf dem Pfad der Klarheit und alles zu ignorieren, was nicht aus dem reinen Licht kam. Hätte ihre Tante das auch getan, wäre sie jetzt vermutlich noch hier.
Sie wandte sich Aaron zu, der jetzt, bei Tageslicht, immer noch schön aussah, aber deutlich mitgenommener als gestern Nacht bei Kerzenschein. Seine Wangen waren vom Fieber leicht gerötet, und erst jetzt sah Elin den Bluterguss unter dem rechten Auge und die Schwellung, die sich dort gebildet hatte. Sie berührte seinen unverletzten Arm. Seine Haut fühlte sich heiß und trocken an. Dann sah sie kurz in seinen Körper hinein, beobachtete den Fluss der Energie und nickte. Der Heilungsprozess, den sie gestern wahrgenommen hatte, schritt weiter fort. Später würde sie die Verbände wechseln, doch vorerst ließ sie Aaron schlafen, solange er konnte.
Sie schlüpfte in ihre Flipflops, griff nach den beiden Wassereimern und ließ Nolene aus der Tür. Draußen spannte sie den Schirm auf und nahm den Trampelpfad zum Waschplatz hinter dem Haus, wo die Schwengelpumpe stand, mit der sie Wasser aus der Zisterne pumpen konnten.
Dort befand sich auch ihr Badezimmer, ein hölzerner Unterstand mit einem Bambusvorhang, ähnlich einer Umkleidekabine. Hogan hatte ihn mit der Rückwand zum Haus erstellt, so dass man sich dort waschen konnte, ohne dass einem jemand dabei zusah – nicht einmal die Trolle, die Elin mit Gold bestochen hatte. Die drei Schwerenöter hatten eine Schwäche für Gold und Glitzerkram und ließen sich auf den Handel ein, den Lewis eingefädelt hatte: Sie hielten sich vom Waschplatz fern und erhielten als Gegenleistung den goldenen, herzförmigen Anhänger mit dem winzigen Diamantenpaar.
Den Preis hatte sie leichten Herzens bezahlt: Der Anhänger war ein Geschenk von Aidan dem Grauenhaften gewesen, von dem sie sich zum Zeitpunkt ihrer Ankunft auf Gráinne’s Island noch nicht hatte trennen mögen. Zum Glück, denn für den Handel mit den Trollen kam der Anhänger wie gerufen, und so war er am Ende doch noch zu etwas nütze.
Elin trug die Wassereimer zurück zum Haus, wo Nolene schwanzwedelnd auf sie wartete. »Braves Mädchen, guter Hund«, gurrte sie und kraulte den Kopf der Hündin, woraufhin Nolenes Schwanz noch heftiger wedelte. Sie schüttete zwei Handvoll Trockenfutter in den Hundenapf und füllte die Trinkschale auf. Dann stellte sie den Wasserkocher an, um Tee zu kochen. Als sie sich umdrehte und zu Aaron sah, fuhr dessen rechte Hand über das Laken und nestelte an der Wolldecke herum. Er ächzte leise und bewegte den Kopf. Sie trat zu ihm, berührte seinen Arm und strich ihm die Haare aus der heißen Stirn.
»Hey, kannst du mich hören?«
Wieder diese Stimme. Aaron vernahm sie wie durch dichten Nebel. Jemand berührte seinen Arm. Er blinzelte. Das Licht bohrte sich durch seine Augen in seinen Kopf, in dem es lärmte wie in einem Sägewerk. Es tat weh, das Licht, doch er behielt die Augen offen, einen Spaltbreit, um die Frau anzusehen, die neben ihm stand. Sie war ihm fremd, und ebenso fremd war ihm der Raum, in dem er sich befand. War er tot? Doch wenn er tot war, warum empfand er diese Schmerzen? Und warum war sein Körper so unendlich schwer?
»Hey«, hauchte er. Er versuchte den Kopf zu heben und bereute es sofort, denn augenblicklich stiegen Schwindel und Übelkeit in ihm auf. Der Brechreiz war gewaltig, und er kämpfte dagegen an, indem er versuchte, einen Punkt zu fixieren, irgendeinen Punkt, doch er konnte sich nicht konzentrieren.
Die Welt vor seinen Augen tanzte auf und ab, war ständig in Bewegung. Der Schwindel wurde schlimmer, und mit ihm die Übelkeit. Gleich würde er sich übergeben müssen, und bestimmt musste man das nicht, wenn man tot war, also war er noch am Leben, und an diesen Gedanken klammerte er sich, während er sich weiter gegen das Erbrechen wehrte.
»Wie fühlst du dich?«, fragte die Stimme. Aaron tat einen tiefen Atemzug und verzog das Gesicht, als die Ausdehnung des Atems gegen seine gebrochenen Rippen stieß.
Und dann wurde ihm schlecht.
Reflexartig drehte er sich auf die rechte Seite und übergab sich unter heftigen Schmerzen, wobei man von Übergeben eigentlich nicht sprechen konnte, denn sein Magen war längst leer. Den Brechreflex hatte er trotzdem, bis ihm Tränen in die Augen schossen und er fast erstickte.
Elin wollte ihn stützen, doch er war zu schwer und sie bekam ihn auf die Schnelle nicht in eine günstige Position. Wie ein Sack nasses Mehl hing er in ihren Armen, keuchend und völlig entkräftet. Sie half ihm, sich hinzulegen und ließ ihn zu Atem kommen, bevor sie den verrutschten Umschlag über seinen Rippen entfernte und einen frischen auflegte.
Die Schwellung unter dem rechten Auge hatte sie als Jochbeinprellung diagnostiziert, bei der vor allem eines half: Kühlen, kühlen und nochmals kühlen – was ohne Eis gar nicht so einfach war, denn natürlich besaßen sie keinen Kühlschrank. Es gab nur kaltes Wasser, und so behalf Elin sich mit kühlen Auflagen, die sie für ein paar Minuten auf die betroffene Stelle legte und mehrmals erneuerte.
»Achtung, kalt!«, warnte sie Aaron, bevor das feuchte Tuch seine Haut berührte. Trotzdem fuhr er erschrocken zusammen und protestierte mit unwilligem Stöhnen.
Sie hatte ihm Tee aus Pfefferminze gekocht und hoffte, dass dieser gegen die Übelkeit helfen würde.
»Wenn ich mich bewege, wird mir schlecht«, flüsterte er.
Sie bestand darauf.
»Dein Körper braucht viel Flüssigkeit, damit er heilen kann, schon allein wegen des Fiebers. Bitte lass es uns versuchen. Wir machen es ganz langsam.«
Behutsam hob sie seinen Kopf an und führte den Becher an seine Lippen. Er schaffte ein paar Schlucke, bevor er den Kopf leicht zur Seite drehte und Elin ihn vorsichtig wieder ablegte.
»Können wir jemanden benachrichtigen? Hast du eine Telefonnummer, oder eine Adresse?«
Aaron hielt die Augen geschlossen und atmete angestrengt. »Weiß nicht«, flüsterte er, »kann nicht … sprechen.«
Elin bedrängte ihn nicht weiter. Wer immer ihn vermisste, würde sich gedulden müssen. Und dasselbe galt für sie.
Hogans Aufklärungsspaziergang vom Vormittag brachte keinerlei neue Erkenntnisse. Weit und breit war kein Mensch zu sehen gewesen, und auch kein Anzeichen eines Schiffsuntergangs oder einer sonstigen Katastrophe. Wenn es weitere Überlebende einer solchen gegeben hatte, dann waren sie allem Anschein nach nicht hier auf der Insel.
Hogan hatte gekocht, Pellkartoffeln mit Sauerkraut aus einem der Gärtöpfe, die er im vergangenen Winter angesetzt hatte, und Elin übernahm den Abwasch, damit Hogan mit Nolene einen kurzen Spaziergang machen konnte.
Sie wusste, wie sehr er es liebte, aufs Wasser zu schauen, das Meer und die Wolken zu beobachten – und dass die Aussicht immer dieselbe war, von den ständig wechselnden Wolkenformationen einmal abgesehen, störte ihn offenbar nicht im Geringsten. Zur Abwechslung fuhr er öfter mit dem Boot zu einer der größeren Inseln oder schipperte in der Bucht herum.