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Lillith Revenmar war einst eine mächtige Frau, die auf dem schwarzen Thron saß. An einem Einem Tag ändert sich plötzlich alles. Lillith muss darum kämpfen, ihre Emotionen unter Kontrolle zu bringen und lernen ihre finstere Vergangenheit hinter sich zu lassen, da in ihr eine unbrechenbare Macht wütet...
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Seitenzahl: 213
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Teil 1: Fall
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Epilog
Lange bevor Askan überhaupt existierte, gab es eine Welt voller Leere.
Es gab das Nichts.
Und in dieser Welt voller Nichts lebte eine Frau, eine Göttin. Die einzig wahre Göttin, Taron.
Sie war einsam und allein, wandelte durch eine leere Welt voller Schnee und Eis.
Es gab kein anderes Leben als ihres.
Keine Pflanzen.
Keine Tiere.
Nichts.
In ihr schlummerte eine immense Kraft.
Die Kraft alles zu erschaffen und im gleichen Moment alles zu zerstören. Sie brannte in ihr, wie ein blaues Feuer. Diese Kraft hielt sie am Leben.
Und eines Tages, als die Einsamkeit zu ihrem größten Feind wurde, begann sie mit ihrer ersten Schöpfung.
Sie erschuf ein geweihtes Land. Sie ließ das dunkle Meer aufbrausen, teilte das Wasser, in dem sie eine harte Erde erbaute. Inseln schienen auf dem salzigen Meer zu schwimmen, als sie das Land Askan taufte. Es erfüllte sie mit Stolz, Pflanzen und Tiere in diesem Land gedeihen zu sehen.
Doch noch immer war Taron einsam. Sie wollte andere Götter an ihrer Seite sehen.
Der erste, dem sie einen Teil ihrer Kraft gab, war ein Mann, ein Mann, der das gleiche Feuer in der Brust hatte, wie sie. Er nannte sich Pyros, der Gott des Feuers und der Sonne. Daraufhin folgten Galaxeon, der Drachenherr, Hirah, die Mutter der Elben und Vesemir, Leiter der Geflügelten. Zu guter Letzt kam Aslogan, ein zwielichtiger Mann, der sich selbst den Dämonenkönig nannte. Taron gab ihm die Kraft, die er nun hatte, da er ein perfektes Gleichgewicht in all dem Chaos brachte.
Doch bald schon verriet er die mächtige Göttin und zahlte einen bitteren Preis dafür. Sie verbannte ihn aus Askan und schickte ihn in eine ferne Welt.
An diesem Tag schwor Aslogan ihr, dass er eines Tages zurückkäme und durch die Macht, die er von ihr nehme, aufsteigen würde wie ein Phönix, der aus der Asche seiner selbst aufstieg.
Die Flammen des Phönix würden heller brennen als die Sonne am hellsten Tag.
Als sie mit dem noch immer rasenden Herzen die eisigen blauen Augen aufschlug und sich ruckartig und schwer atmend erhob, schien die Welt um sie herum zu schwanken. Als sie zum Stillstehen kam, durchzog sie ein stechender Schmerz in der Bauchgegend. Obwohl um sie herum eine bedrückende Leere herrschte, die eine noch schlimmere Stille mit sich zog. In ihren Ohren jedoch erklang noch immer das Klirren der aufeinanderschlagenden Schwerter und das Toben des Kampfes grollte in ihrem Kopf. Diese riesige Schlacht war längst vorbei, ein verlorener krieg, der über Tage und Wochen gedauert hatte, war nun entschieden und Lillith Revenmar blickte einem schwarzen Schlund entgegen, ein finsterer Abgrund ihrer Niederlage.
Sie wand sich plötzlich durch den aufgewühlten Dreck und rappelte sich hektisch auf. Ihre Beine schmerzten höllisch unter ihrem Gewicht und brannten wie Feuer, ihr Rücken pochte wie wild. Sie zuckte unter einem weiteren Ziehen zusammen. Der Schmerz kroch bis hoch in ihr Genick und wanderte bis in ihren Schädel, wo er auch blieb und weiterhin dumpf pochte. Die Schmerzen klangen etwas ab und sie fühlte, wie sich etwas durch ihren Geist wühlte.
Als sie das gesamte Ausmaß der Zerstörung erblickte, erinnerte sie sich wieder. Sie blickte über eine zerstörte Wehrmauer hinweg zu den hohen Bergen, südlich der Festung. Die Horde war aus dem Süden gekommen und hatte die schneebedeckten Hügel schwarz gefärbt. Sie roch noch den schwefeligen Gestank, den die Biester mit sich brachten. Aus dem Norden her waren die Elfen mit ihren weiß glänzenden Schiffen gekommen und dann kamen König Rorans Truppen aus dem Westen und setzten dem Phönix ein grausames Ende. Sie hatte in diesem Kampf wie ein mächtiger Sturm gewütet und zerstörte den Großteil ihrer Gegner und doch hatte sie den Kampf nicht für sich entscheiden können.
Sie blickte sich genauer um.
Vor diesem Krieg war dies ein wundervoller Ort gewesen. Ein Platz, wo man ruhen konnte. Sie erinnerte sich an die Obstbäume an denen dicke Früchte wuchsen, unzählige Pflanzen, die hier gediehen. Nicht weit von ihr lag eine zersplitterte Bank, ein Elbe hatte diese geschnitzt und sie Lillith als Geschenk überlassen. Sie erinnerte sich daran, dass er einst ein Feind in ihrer Gefangenschaft gewesen war. Er hatte ein großes Talent und schnitzte viele solcher Kunstwerke. Am Ende war er der Tischlermeister Galthas geworden. Sie erkannte beim näheren Hinsehen den Schweif des Phönix, der sich durch die gesamte Länge des Stamms zog, der Kopf des hölzernen Wesens war zerschlagen und verteilt worden.
Die meisten Pflanzen und Bäume, die einst in diesem herzlichen Garten wuchsen, waren verbrannt oder zertrampelt worden und Lillith war sich sicher, dass keine der Blüten jemals wieder gedeihen konnte.
Ihr Blick schweifte zu den dunkelgrauen Mauern, die diesen Garten umgaben, mehrere Brocken hatten sich aus dem Gebilde gelöst und mehrere Soldaten darunter erschlagen. Blut gefleckte das grüne Gras, Fetzen von dunkelblauen Waffenröcken wehten im salzigen Wind.
Lillith beschloss diesen Toten den Rücken zu kehren. Sie wollte ein vertrautes Gesicht suchen, einen Überlebenden. Ihre Befürchtung stellte sich jedoch als wahr heraus und sie fand nur noch weitere Leichen. Das mächtige Bataillon, das Galtha die Treue schwor, war zerschlagen und gebrochen. Bald schon würde all dies in Vergessenheit geraten. Sie fühlte sich leer und ausgelaugt, als sie über das verwüstete Schlachtfeld, das sich ihr Zuhause nannte, taumelte.
Als die Sonne nach Stunden den höchsten Punkt erreichte, begann sie jeden Toten Soldaten einzeln zu begraben. Mit Hilfe einer einfachen Magie, hob sie mehrere tausend Löcher aus. Durch den gesamten Schutt der Mauern, schenkte sie jedem gefallenem Soldaten, jedem Diener, jeder Frau, jedem Mann und auch jedem Kind einen Grabstein. Sie konnte sich nicht an jeden einzelnen Namen erinnern und auch bei manchen Personen, konnte sie nicht einmal die verkohlten Leichen unterscheiden.
Als sie zu einem Mann kam, erinnerte sie sich an seine Kenntnisse, sie wusste nicht, wie alt dieser Mann gewesen war, doch er hatte noch ein junges markantes Gesicht, das fast faltenlos war, sein Bart war nun mit Blut befleckt, doch sie kannte ihn immer als sauber und gepflegt. Gwin war sein Name gewesen und er war ein begabter Magier. Bereits als Lillith sich Galtha vor fast hundert Jahren anschloss, war er so jung gewesen.
Lillith hatte das gesamte Schloss geräumt und sämtliche Toten begraben, bis auf eine. Sie schritt hinaus auf eine flache Ebene, hunderte von Metern weiter auf den Hügeln konnte man die ersten Steine der Gräber sehen. Als sie zu der letzten Toten trat, schwankte sie etwas. Schweigend musterte sie Jana Elvengan, Hüterin der breiten Klinge und Offizier des Bataillons. Sie war die treueste Kameradin gewesen. Ihr silbergrauer Harnisch war mit Blut besudelt und schwer verbeult. Das dunkelbraune Haar mit den bereits ergrauten Strähnen war zerzaust und verklebt, an ihrem Mundwinkel war ein dünnes Rinnsal an Blut getrocknet. Nicht weit von ihr lag das Schwert Aberron. Lillith trat zu dem Breitschwert und hob die machtvolle Klinge hoch. Sie betrachtete die makellose Klinge. Sie drehte sich wieder zu ihrer Gefährtin um und betrachtete, wie ihr Leichnam in die Erde herabgelassen wurde. Sie kontrollierte ihre Magie mit einer solchen Fürsorglichkeit, als versuchte sie, die Tote nicht aufzuwecken. Ihre Hände zitterten und sie wurde schwach, als sich die Erde über ihrem Haupt schloss. Sie vergoss Tränen für ihre Gefährten, sie trauerte um das Schloss und in ihrer tiefen Trauer, stieg etwas auf. Der Verlust brachte etwas Schreckliches mit sich, ein Feuer, das nur durch ihren Zorn brennen konnte. Als die Inschrift ihres Titels auf dem schwarzen Stein erschien, erreichte Lillith ihre geistige Grenze und drehte das Schwert in der Luft. In ihren Armen pulsierte eine fürchterliche Kraft, die bereits drohte, ihre Adern und Muskeln zu zerreißen. Mit aller Kraft rammte sie das Schwert in die Erde vor das Grab. Sie spürte wie die scharfe Klinge in die Erde drang und sogar den härtesten Stein mit Leichtigkeit zerschnitt.
Sie übertrug einen Zauber auf die Klinge, der die Erde der Gräber und des Schlosses bis in alle Ewigkeit versiegelte, sodass jeder ihrer Gefährten unberührt blieb.
Stunden schienen zu vergehen in denen sie schweigend vor den Hügeln stand. Sie fühlte sich leerer und ausgelaugter, ihr Rücken schmerzte bestialisch und am liebsten hätte sie Jahre damit verbracht zu schlafen, doch ihr Geist bereitete ihr eine tiefe Unruhe, sie konnte nicht ruhen, ehe sie ihr Rachegefühl besänftigt hatte. Sie senkte schweigend den Kopf, verharrte in der Position und sprach ein stilles Gebet in Richtung des Himmels. Auch wenn sie nicht gläubig war, war dies doch ein Moment des Respekts an die Toten. Soldaten, Frauen, Mütter, Väter, Kinder, alle, die unter dem blau-schwarzen Banner des Phönix gelebt hatten. Alle fort, gefallen in eine schwarze Welt voller Vergessen. Doch sie würde dieses Opfer niemals vergessen. Sie zitterte, versuchte verkrampft den tobenden Gefühlen Meister zu werden. Doch die Rachsucht übernahm die Kontrolle. Wieder brauste ein eisiger Wind durch den Hof der schwarzen Festung und wirbelte den Gestank von Tod und Verderbnis auf, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
Etwas schien diese Welt auf einen Schlag verändert zu haben.
Die hohen, dunklen Mauern, die diesen Hof umgaben, wirkten tausende Jahre älter, der Stein schien an einigen Stellen zu bröckeln, an anderen sogar schon gerissen zu sein. Der traurige Anblick der einst prächtigen Festung bedrückte sie. Jedoch war dies nichts gegen das tiefe klaffende Loch in ihrer Seele, in Riss, der ihre Gedanken in Zorn und unerträgliche Trauer spaltete. Mit jedem Herzschlag, der verging, wurde der Riss größer.
Es war vorbei.
Der Himmel war dunkler geworden, die Luft unberechenbar kalt. Bald zog ein Sturm auf und bis zu diesem Augenblick würden sie brennen und mit Rauch gegen den Himmel aufsteigen, so wie Lillith es tat. Für sie gab es keinen Grund mehr an diesem Ort zu verweilen, schweren Herzens hatte sie sich betäubt verabschiedet und versprochen denjenigen, die für dieses Chaos verantwortlich gewesen waren büßen zu lassen. In jenem Moment stieg etwas in ihr auf, etwas Schreckliches und fast Undenkbares.
Im Schloss fanden sich nur wenige Dinge, fast jede Kammer war geplündert worden, sie stach wenige Kleider in einen abgetragenen Packen und wollte ein kunstvolles Schwert, das man ihr vor vielen Jahren geschenkt hatte, mitnehmen, doch dieses hatten die siegreichen Soldaten mitgehen lassen, auch in der Rüstkammer suchte sie nach einem Kettenhemd oder ähnliches, doch auch diese war bis auf den Staub leer. Das Schlimmste, das Lillith nun nach dem Tod ihres Bund ereilte, war der Verlust ihres Schwertes. Sie konnte die Klinge nicht mehr spüren und so kam sie zu dem Entschluss, dass diese Klinge eine höchst ansehnliche Trophäe dieses Krieges darstellte.
Nun verließ sie Galtha, der Zeitpunkt war also doch gekommen.
Die Sonne war bereits einige Stunden versunken als Lillith Revenmar vor das zerstörte Fallgitter der schwarzen Festung trat. Die zerrissenen Banner neben dem Tor flatterten wild im Nachtwind. Sie nahm einen leisen, kaum hörbaren Flügelschlag wahr, ihr Blick wanderte hoch in den klaren Nachthimmel und dort erblickte sie eine braune Eule mit Flecken. Das Tier kreiste einige Male um sie hoch oben, bis sie dann zu einem der Wehrtürme des Tors flog und sie von dort aus mit ihren bernsteinfarbenen Augen beobachtete.
Sie schenkte dem Tier keine weitere Beachtung. Ihre Hände fuhren geschickt durch die Luft und sie hielt sich angestrengt an die Formeln, die sie einst erlernte, um ein Portal zu eröffnen. Ihr Ziel lag in der Unterwelt, fern von Askan, dort wollte sie Aslogan erneut herausfordern und töten. Sie wollte Vergeltung für die Taten dieses Mannes. Ihr blick beobachtete, wie sich ein zwei Meter hoher Kreis vor ihr bildete, gebündelt aus den blauen Flammen, die ihrer Macht entsprangen. Doch die Flammen erstarben bald und das Tor blieb verschlossen. Ihr Rücken schmerzte erneut und sie krümmte entsetzt zusammen.
Die Eule drehte amüsiert den Kopf und beobachtete sie noch neugieriger.
Als sie es erneut versuchte, kehrte der Schmerz noch kraftvoller zurück und sie brach mit einem Schrei zusammen.
Nach weiteren zwei Malen, die ebenfalls vergebens waren, gab sie dem Schmerz nach und verharrte kauernd im Wind.
Sie musste diesen Ort einfach verlassen. Auch wenn sie nun, wie eine normale Sterbliche reisen musste.
Er war nun voller schrecklicher Erinnerungen, die Lillith entzweirissen. So viel Blut war vergossen worden und zwischen dem Tod und all dem Leiden, stand sie, völlig unversehrt, die Kleidung jedoch zerrissen und voller Dreck und Blut. Sie wirkte körperlich gesund, trug nicht einen Kratzer, nicht eine Wunde davon, doch sah man ihr in die Augen so sah man Schmerz.
Dies war jedoch nicht immer so. Einst hatten diese Augen gestrahlt, voll Liebe und voller Stolz. Und auch der geheimnisvolle Ort in den Bergen, jenseits des Meeres war ein schöner Ort gewesen. Ein Ort voller Liebe und Schönheit, ein Ort, an dem man sich Zuhause fühlte, beherrscht von Freiheit.
All die schönen Erinnerungen verblassten und verschwanden. Sie fielen in einen tiefen, schwarzen Abgrund, an dessen Rand man die Kälte und den Schwindel spürte. Man spürte am Rande dieses Schwarzen Loches, wenn die Steine hinunter rieselten, die sich lösten, die kalte und herzlose Angst, die einen packte und grausam mit sich zog. Die blanke Angst hineinzufallen und dort in der Schwärze zu verschwinden und einen grausamen Tod zu finden.
Doch war der Tod das Schlimmste bei einem solchen Anblick?
War nicht der Weg bis zum Tode schlimmer?
Ein Fall der in ein unendlich tiefes Loch, das einem den Magen auf den Kopf drehte und in dem man in einem Moment das Leben vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen sah war schlimmer. Man fürchtete auch, dass der Fall lange dauerte, dass man lange darauf warten müsste zu Sterben. Es machte einem auch Angst lange zu Sterben. Die Atemnot nach dem Aufprall auf den harten, kalten Stein, wenn eine sämtliche Luft aus den Lungen gepresst wurde, als würde man Ertrinken. All das Blut, das einem vielleicht aus dem Kopf liefe oder all die gebrochenen Knochen, die nach dem Sturz zerbarsten. All den Schmerz, den man ertragen musste.
Es war nicht der Tod selbst den man fürchtete, sondern das davor.
Oder das danach.
Was geschah mit einem, wenn man jedes Mal, nachdem man starb, wieder aufstehen musste um all das Leid, das über einen kam, weiterhin mitansehen und ertragen musste? All die Liebenden, die man hinter sich ließ, anstelle auch einfach zu Sterben und sich ihnen anzuschließen? Es machte einen kaputt, zerstörte ihn nicht körperlich, sondern psychisch. Solche Wunden konnten nicht mehr heilen.
Sie wusste nicht, wohin dieser Weg der Rache sie führen würde, aber sie war sich sicher, dass es blutig enden würde. In diesem seltsamen Moment war sie sich nicht mehr sicher, was überhaupt geschehen war.
Sie ließ schweren Herzens das Schloss hinter sich, trat in schlappen Schritten durch das zerberste Tor, über viele Steine hinweg.
Der stürmische kalte Wind riss an ihrer zerrissenen und von Blut und anderer Flecken beschmutzter Kleidung, ließ sie frieren und stahl ihr die letzte Hoffnung etwas Gutes zu finden. Sie quälte sich durch den angrenzenden Wald voller Fichten, die sich knarrend die Winde hingaben, achtete nicht auf die vielen Kreaturen, die sich im Schatten des finsteren Waldes herumtrieben.
Sie versuchte es noch einige Male mit dem Tor, doch es gelang ihr nicht. In der Ferne rief eine Eule.
Stunden nachher irrte sie weiterhin durch den Wald, die Nacht brach bald herein, sie wusste nicht, wohin sie gerade lief.
In südlicher Richtung stieg Rauch zwischen den Kiefern auf. In ihren Augen blitzte eine Art Interesse auf.
In der Ferne schrien Männer, dann folgte ein lautes grölendes Lachen. Helles rotes Licht brach zwischen den Stämmen durch als Lillith näherkam. Sie erkannte einen Karren, in der Nähe stand ein Pferd angebunden an einen Baum. Etwas weiter vor brannte ein hohes Feuer, um das einige Männer Platz gefunden hatten. Sie sprachen sehr laut, dennoch undeutlich, nuschelten wegen des vielen Weines. Auf dem Karren saß eine Frau. Ihre Hände und Füße waren gefesselt und der Mund war ihr zugebunden worden. Es befanden sich noch einige Kisten, Säcke und Fässer auf dem Karren, womöglich Handelsware. Sie hatte Lillith bemerkt, sie gab der Frau ein Zeichen, in dem sie ihren Zeigefinger auf die aufgesprungenen Lippen legte, still zu sein.
Lillith schlich weiter nach vorn, hob im Vorbeigehen einen Stein hoch, der etwas größer war als ihre eigene Hand.
Einer der Betrunkenen hob den Kopf.
>Ich glaube da ist etwas<. Er schien noch in der besten Verfassung zu sein. Das war also ihr erstes Ziel.
Er erhob sich, taumelte etwas und ließ gedankenlos seine Flasche fallen. Er hob einen Knüppel hoch, während die anderen weiter tranken und sich darüber belustigten. Er schritt geradewegs auf Lillith zu, schien sie jedoch nicht direkt zu sehen.
Wie hatte er erkennen können, dass sie sich dort aufhielt? Sie hatte nicht einen Mucks von sich gegeben. Dann spürte sie seine Aura, er war so wie sie. Ein Dämon.
Sie warf den Stein zu ihrer Linken.
>Ich falle nicht auf diesen Trick herein. Ich kann deine Anwesenheit fühlen<, rief er ihr zu. Sie überlegte kurz, was sie machen sollte. Dann sah sie den Augenblick wieder in dem sie die Soldaten vor der Kirche angegriffen hatte. Sie hatte die Energie in ihrem Körper genutzt, um die Soldaten zu verbrennen. Sie konzentrierte sich und versuchte diese Energie wiederzufinden. In ihr pulsierte das Herz eines Dämons, doch etwas anderes hatte sich in ihre Seele gegraben. Etwas Mächtiges und Unbezwingbares. Eine immense Kraft, mit der man Welten zerstören konnte, doch wenn man sie richtig einsetzte, konnte man auch Gutes tun. Was in diesem Moment gut oder schlecht war, war vielleicht nicht klar, doch in diesem Moment der Erkenntnis, dass sie nun diese Frau befreien wollte, entlaste ihrer Hand eine blaue Flamme, die Lillith selbst nicht verletzte. Es kribbelte ihr in der Handfläche und in den Fingerspitzen. Der Angreifer schoss nach vorn und holte mit seiner Waffe aus, sie sprang zurück und schien das Feuer wie den Stein zu werfen. Tatsächlich flog der kleine Feuerball auch, jedoch vorbei und erlosch. Er schlug ein zweites Mal zu als er nähergekommen war. Sie hob schützend den linken Arm vor sich. Eine eigentlich lästige Geste, die sie sich vor Jahren angewöhnt hatte. Sein Knüppel prallte ab und brachte den Angreifer ins Stocken.
Verwirrt blickten sich beide an.
Sie ergriff die Möglichkeit, schoss nach vorn und bildete abrupt einen neuen Feuerball in ihrer rechten Hand, dieses Mal umhüllte das Feuer ihre Faust und sie schlug heftig damit zu. Er taumelte und schrie schmerzerfüllt auf, ließ seine Waffe fallen und versuchte das Feuer auf seinem Wams abzuklopfen, was ihm nichts brachte. Sie ergriff den Knüppel und begann wild auf ihn einzudreschen, bis er fiel und Blut hustete.
Er begann nachzulassen und regte sich nicht mehr.
Die anderen beiden waren nun in Alarmbereitschaft und erhoben sich auf die müden Beine. Der Dickere von ihnen taumelte und versuchte sie zu verfluchen, jedoch war er zu betrunken dafür. Der andere hatte sein Schwert gezogen und stürmte torkelnd auf sie zu.
Grässliche Schreie erfüllten die kalte Nacht.
Die blauen Flammen hatten sich nach einer Zeit gelegt, nur das orangefarbene Lagerfeuer leckte noch and den Holzresten.
Lillith hatte die Frau in den zerrissenen Kleidern losgebunden.
Das junge Weib schrie angsterfüllt und voller Entsetzen auf.
Plötzlich vernahm sie ein Zischen, kurz darauf wurde sie nach vorne gestoßen, stechende Schmerzen lösten sich in ihrer rechten Schulter, sie kippte nach vorne und fiel neben die junge Frau, die einen noch panischeren Schrei von sich gab.
Warmes Blut sickerte aus ihrer Schulter den Rücken hinab, verklebte das bereits dreckige und zerrissene Hemd. Also gab es noch einen weiteren der Räuber.
Sie erhob sich krampfhaft. Und versuchte den Pfeil zu ergreifen. Die bohrenden Schmerzen, des Pfeils, der sich tief in das Schulterblatt gegraben hatte und somit den Knochen gebrochen hatte ließen sie Aufschreien. Etwas in ihrem Inneren sagte ihr, sie solle es nicht tun, dennoch hatte sie den Schaft fest umklammert und riss daran.
>Scheiße!<.
Die Augen der Fremden hatten sich angsterfüllt geweitet, ihr Mund stand offen, doch sie brachte keinen Ton heraus. Mehr Blut sprudelte hervor, was sie zum Schaudern brachte. Wieder schoss er einen Pfeil ab, sie ließ sich schnell fallen und befahl ihrer Nachbarin sich geduckt zu halten.
Sie tat, wie ihr befohlen wurde, womöglich aus Angst vor dem Dämon in Form eines Menschen.
Lillith ergriff die Waffe des ersten Angreifers, deren Griff ebenfalls mit Blut beschmiert war und schoss nach vorn, bald schon erkannte sie den Schützen und wich einem weiteren Pfeil aus, der neben ihr im Boden stecken blieb.
Sie holte weit aus, warf den Knüppel mit einem gewaltigen Schwung und freute sich über den mickrigen Sieg, den Schützen getroffen zu haben. Er legte dennoch einen weiteren Pfeil ein, nachdem er sich wieder erhoben hatte und musste zu seinem Bedauern feststellen, dass sie schon zu nahe war.
In der linken Hand hielt sie noch immer den ersten Pfeil, der sie getroffen hatte. In diesem Moment wurde die Welt etwas unklarer, als hätten die Schmerzen sie betäubt. Sie riss die Hand umher, traf seinen Hals und stieß mit einer wahnsinnigen freudigen Erregung noch einmal zu.
Ihr Gegner wehrte sich nicht mehr so heftig, sondern gurgelte etwas Unverständliches und brach unter ihr zusammen. Wie in einem gefährlichen Rausch, ließ sie dennoch nicht ab. Blut befleckte ihr Gesicht und verlieh dem Wahnsinn noch mehr
Ausdruck.
Als sie sich nun bewusst war, dass der Körper unter ihr nicht mehr am Leben war, ließ sie den Pfeil fallen und erhob sich. Die Fremde versuchte das Pferd wieder an den Karren zu spannen, wurde dieser Aufgabe aber nicht Meister, da sie zu aufgeregt war.
Lillith schritt langsam zu ihr um ihr u helfen, da sie irgendwie Mitleid mit ihr hatte, doch das Mädchen ließ alles fallen und wollte die Flucht ergreifen.
>Ich tue Euch nichts<, gab sie leise von sich. Das Mädchen trat dennoch einige Schritte zurück, als Lillith dem Karren näherkam.
>Du bist ein Monster<. Ihre grünen Augen zeigten nicht nur Angst, sondern aus etwas Hass.
>Ich werde Euch nicht töten, wenn ich das wollte, hätte ich es schon längst getan<. Ihr Aussehen und die Handlung vorhin schilderten dennoch etwas anderes.
>Warum sollte ich dir trauen?<, fragte sie.
>Ich habe Euch gerettet, schließlich seid Ihr in Gefahr gewesen. Diese Männer waren bestimmt gute Freunde, so wie sie Euch behandelt haben, noch dazu, wenn ich nicht gekommen wäre, hätten sie ganz andere Dinge mit Euch getan, wenn dies nicht schon passiert, ist<. Sie wurde langsam unruhig. Sie wollte doch nur an einen warmen Ort, wo sie Essen und sich etwas ausruhen wollte.
>Was haben sie getan?<, wollte Lillith wissen.
Einen Moment zögerte sie. Lillith konnte sich bereits denken, was die Männer ihr angetan hatten und sie unterdrückte einen weiteren Antrieb aus Hass und Verachtung gegenüber der Menschheit. Manchmal hatte sie das Gefühl, sie solle diese habgierigen und dreckigen Widerlinge in Stücke reißen und sich an ihrem Blut laben.
>Was wollt Ihr?<, wollte sie wissen.
Lillith forderte etwas Warmes zu Essen und einen Ort, wo sie ruhen konnte, das Mädchen zögerte wieder und überlegte. Lillith begann die Toten zu durchsuchen, fand jedoch nichts Ehrbares. Das Mädchen stellte sich als Malin vor, während Lillith sich als Tessa ausgab, sie gab Malin als Antwort, dass sie eine Söldnerin sei und bei ihrem letzten Auftrag ihre Ausrüstung verloren hatte. Dies erklärten zumindest die zerrissene Kleidung und das ganze Blut, geschweige denn die Mordlust. >Ich fände es besser, wenn du verschwinden würdest, Tessa<, gab Malin plötzlich zu wissen.
Lillith, die gerade damit beschäftigt war, die Armbrust des Schützen zu spannen, reagierte nicht sofort, da sie kurzzeitig vergaß, dass sie sich einen anderen Namen gegeben hatte. Vorhin hatte sie dem man einen spärlichen Geldbeutel mit wenigen Münzen abgenommen.
Sie blickte grimmig zu Malin auf und hob die Armbrust, sie wich vor Lillith zurück.