Die Fontäne -  - E-Book

Die Fontäne E-Book

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Beschreibung

Die Fontäne ? ein interessanter Name für eine spannende Zeitschrift. Die Fontäne steht nicht nur mit ihrem Namen für eine mannigfaltige Quelle, sie ist auch in ihrem Themenspektrum vielseitig und vielfältig. Aus ihr entspringen geistes-, kultur- und naturwissenschaftliche Themen und werden von Experten einer großen und anspruchsvollen Leserschaft dargeboten. Im Mittelpunkt steht dabei immer der Mensch, der es schafft, die Synthese zwischen emotionaler und rationaler Welt ? den Einklang von Herz und Verstand ? zu vollbringen.

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Seitenzahl: 131

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www.diefontaene.de

Liebe Freundinnen und Freunde der Fontäne,

im Schatten der abscheulichen und menschenverachtenden Attentate von Paris, Beirut und Ankara, der Kriege und des Terrors im Nahen Osten sowie auch der Flüchtlingswellen nach Europa sollte ein Editorial-Text eigentlich pessimistisch gefärbt sein. Aber letztlich bestätigen diese Ereignisse unseren Ansatz, dass wir immer mehr auf Dialog und Zusammenarbeit angewiesen sind und dass ein fundiertes Wissen wiederum die Grundvoraussetzung für Dialog und Zusammenarbeit ist. Wir betonen erneut unsere volle Überzeugung, dass ein friedliches Zusammenleben von verschiedenen Konfessionen, Weltan-schauungen und Kulturen historisch, praktisch und theore-tisch möglich ist und für unsere Gegenwart eine alternativlose Notwendigkeit darstellt.

Die 71. Ausgabe unserer Fontäneunterstreicht diese Prämis-se mit allen ihren Beiträgen und Gedanken, seien sie natur-wissenschaftlicher oder geisteswissenschaftlicher Natur. Wir möchten unseren Leserinnen und Lesern ein breites Spektrum an Wissen nahebringen, das statt pauschalisierender Meinun-gen eine differenzierende Sichtweise vermittelt.

Die Gesellschaft benötigt junge Denkerinnen und Denker, Au-torinnen und Autoren, die sich diesem Ideal widmen, und mit unserem Artikelwettbewerb haben wir den Versuch unternom-men, einige vielversprechende Talente aufzuspüren. Die einge-sandten Beiträge stimmen uns in dieser Hinsicht sehr zuver-sichtlich. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern, die sich die Mühe gemacht haben, uns ihre Gedanken vorzustellen.

Wir freuen uns, Ihnen unsere Zeitschrift ab diesem Heft im neu-en Format von nun 68 Seiten präsentieren zu dürfen, und wün-schen Ihnen allen ein frohes neues Jahr 2016!

Ihr Fontäne Team

EDITORIAL

www.diefontaene.de

Kultur & Gesellschaft

36

Hügel des HerzensSekr und Sahw - (Trunkenheit und Nüchternheit)Fethullah Gülen

40

GesellschaftDie moderne FrauEin Interview mit Prof. Christine KulkeHilal Akdeniz

Zum Sterben schön - Ein Interview mit Prof. Reiner SörriesAbdullah Kulac

12

Die moderne Frau - Ein Interview mit Prof. Christine Kulke Hilal Akdeniz

40

Tugend und GlückFethullah Gülen

6

BuchrezensionUnsere MitbürgerMuslime in der PostmoderneFelix Stein

44

SpracheSprache und MenschSeyfi Agirel

57

6

Leitartikel Philosophie

Tugend und Glück

Fethullah Gülen

9

Literatur Die Geburt eines TextesErdogan Karakaya

12

GesellschaftZum Sterben schön -Ein Interview mit Prof. Reiner SörriesAbdullah Kulac

20

GesellschaftVerschwörungstheorien Erdogan Karakaya

Nr.71/ JAN - MÄRZ 2016

INHALT

Dialog

Literatur Dialog und Theater - Lessings Ringparabel 'Nathan der Weise'Prof. Christoph Bultmann

48

Kommunikation

Sprachen - Tore zu einer neuen WeltZafer Dogan

28

Lebensmittelterrorismus - eine unterschätzte GefahrHayriye Cetin Karaca

16

Dialog und Theater - Lessings Ringparabel 'Nathan der Weise' Prof. Christoph Bultmann

48

Wissenschaft

16

BiologieLebensmittelterrorismus -eine unterschätzte GefahrHayriye Cetin Karaca

25

Gesundheit

Zigaretten - Freiheit in Abhängigkeit

Numan Sarrac

54

MathematikDas Geheimnis der SchneeflockenBedriye Gürel

46

MedizinDie Mundhöhle - ein wahres WunderwerkSüleyman Kültigin

64

WissenschaftNeues aus Wissenschaft und Forschung

TechnologieWas erwartet uns in der Zukunft?Kemal Serce

32

Fragen und Antworten

Die Verinnerlichung der TugendHikmet Isik

61

Inhaltsverzeichnis

Wer den Menschen Glücksversprechen macht, sollte ihnen zunächst gewisse Tugenden vermitteln. Denn für jemanden, dessen Herz nicht von Tugend durchtränkt ist, liegt Glück außer Reichweite. Von der Vergangenheit bis in die Gegenwart haben aufrichtige Menschen diese Tatsache immer akzeptiert. Glück und Tugend sind Zwillinge.

Tugendund Glück

Leitartikel

6

die Fontäne / JAN - MÄRZ 2016

Inhaltsverzeichnis

von Fethullah Gülen

Wer den Men-schen Glücks-versprechun-gen macht, sollte ihnen zunächst gewisse Tugenden ver-mitteln und ihnen die Möglichkeit bieten, diese zu verinnerlichen. Denn für Herzen, die vergeblich nach Tugend dürsten, ist es un-möglich, Glück zu finden. Von der Vergangenheit bis in die Gegen-wart haben verantwortungsbe-wusste und besonnene Menschen diese Tatsache immer akzeptiert. Glück und Tugend wurden stets als Zwillinge angesehen.

Ein tugendhafter Mensch zu sein bedeutet in erster Linie, sich durch die erhabensten ethischen und moralischen Werte zu entfalten und das ganze Sein voller Liebe zu betrachten. Ein wahrhaft tugend-hafter Mensch ist allem und jedem auf eine bestimmte Art und Weise verbunden. Vor seinen Augen zie-hen die Ereignisse vorüber wie Frühlingsbrisen, die seine Seele entlasten, und schenken ihm ein Glücksgefühl, das auch sein Herz mit Freude erfüllt. In der Flut der Dinge und Ereignisse erkennt er immer wieder neue Zeichen und beobachtet sie voller Staunen und Frohsinn. Weder der Auf- und Untergang der Sonne noch der immerwährende Zyklus von Tag und Nacht vermag seine Freude zu trüben oder sein Herz in Trauer zu hüllen. Im Gegenteil, beim An-blick des Szenarios, das sich vor seinen Augen abspielt und immer neue Formen annimmt, durchlebt er unvergessliche Momente des in-neren Friedens und Glücks.

Auf der einen Seite bedeutet tugendhaft zu sein nicht, alle menschlichen Bedürfnisse samt und sonders von sich zu weisen, ein übertrieben entbehrungsrei-

ches Leben zu führen und der materiellen Welt den Rücken zu kehren. Ein solches Verständnis entfremdet die Menschen von der Welt, in der sie leben, es führt zu Hoffnungslosigkeit und ist zu-gleich eine Quelle des Pessimis-mus. Es bedeutet eine „Zerstörung des Glücks“, wie Ibsen es aus-drückt.

Gleichzeitig zeugen solch extre-me und unbegründete Positionen davon, dass die Gedanken des be-treffenden Individuums nur um die eigene Person kreisen, dass es stets mit sich selbst beschäftigt ist und dass ihm nicht möglich sein wird, Gefühle wie Edelmut und Nächstenliebe zu entwickeln. Entsprechende Gedanken sind ein Beispiel dafür, wie man das Konzept eines tugendhaften und verantwortungsbewussten Le-bens falsch verstehen kann. Zu-dem fehlt es diesen Menschen an Selbstlosigkeit und Aufopferungs-bereitschaft gegenüber ihren Mit-menschen.

Auf der anderen Seite wäre es falsch zu behaupten, dass Tugend-haftigkeit materielles und spiritu-elles Glück garantiert. Auch ein tugendhafter Mensch kann krank, arm oder niedergeschlagen sein. Er kann unter Unterdrückung lei-den, Beleidigungen ausgesetzt sein und zum Opfer von Verrat werden, und vielleicht muss er sogar Folter, Verurteilung und Exil über sich ergehen lassen. Jesus wurde verraten, Sokrates verur-teilt und Epiktet tyrannisiert, aber sie alle blieben in einem tiefen

Sinne glücklich. Daher glauben wir, dass das Glück im Herzen be-heimatet ist, dass es dort durch den Glauben die Gestalt von Bri-sen eines inneren Paradieses annimmt und dass es noch ver-stärkt wird durch ein tugendhaf-tes Leben, das sich durch nichts erschüttern lässt. Geradeso wie im Glauben die Saat eines spiritu-ellen Paradieses mit angelegt ist, birgt die Verkennung der Wahr-heit eine spirituelle Hölle in sich.

Wenn Menschen ihre eigene Be-schränktheit realisieren und ihre Unbedeutendheit und Kleinheit in der Unendlichkeit des Universums erkennen, so ist dies eine Tugend. Tugendhaftigkeit bedeutet nicht, dass man der eigenen Person mehr Aufmerksamkeit schenkt, als sie verdient. Wenn jemand ständig körperlichem Leid ausge-setzt ist, seine Selbstachtung und Würde andauernd verletzt werden und er aufgrund seines unersätt-lichen und ignoranten Ehrgeizes von Unheil heimgesucht wird, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihm in seinem selbst herbei-geführten erniedrigenden Elend sein ganzes Glück abhanden-kommt. Ein tugendhafter Mensch hingegen verfügt über gesunden Menschverstand. Er verzweifelt nicht vor Hilflosigkeit, wenn es eine Lösung gibt, er sie jedoch nicht findet, und jammert nicht, wenn es überhaupt keine Lösung gibt. Im Gegenteil, er wird alles in seiner Macht Stehende tun, um das Vermeidbare abzuwenden, und bei Geschehnissen, auf die er keinen Einfluss besitzt, den Weg der Ergebung in den Willen Gottes einschlagen.

Im Gegensatz zu anderen entwer-ten tugendhafte Menschen ihr Glück nicht durch egozentrische oder niedere Gedanken, Gier nach Reichtum oder Streben nach irdi-schem Ruhm. Weil diese aufrichtig denkenden Menschen von Anfang

Glück und Tugend sind Zwillinge.

Tugendund Glück

7

JAN - MÄRZ 2016 / die Fontäne

Inhaltsverzeichnis

an bereit sind, sich auch unüber-windbaren Problemen und unab-wendbarem Unheil zu stellen, fällt kein Schatten auf ihr Glück. Ihrem Bewusstsein und ihren Gefühlen fließen reine und erhabene Freu-den und Genüsse zu. Es bereitet ihnen stets große Freude, andere Menschen zu lieben - im Kreise ih-rer Familie, in Brüderlichkeit und Schwesternschaft und in Freund-schaft. Unterdrückung oder Verrat liegen ihnen ebenso fern wie jeder Gedanke an Rache, Groll, Hass und Neid. So spüren sie, dass sie jederzeit von einer Brise aus Res-pekt und Liebe umweht sind, und sind immerzu glücklich. Weil sie sich ihrer Familie, ihrem Land, ihrer Gesellschaft und der ganzen Schöpfung verbunden fühlen, ba-den sie in einem Meer der Liebe, das von keiner Küste begrenzt wird. Sie erleben unendliche Ver-zückung und kosten die Freuden des Paradieses, schon bevor sie es betreten. Ihre Glücksgefühle entstammen dem Teilen der Freu-de anderer Menschen und dem Nachempfinden dieser Freuden in der eigenen Seele. Und sie ent-stammen auch dem Eröffnen neu-er Wege zum Glück dieser Men-

schen, indem man gemeinsam Kummer und Leid die Stirn bietet.

Tugendhaft zu sein bedeutet, ein ebenso starkes Band zu Vergan-genheit und Zukunft zu knüpfen wie zur Gegenwart. Tugendhaft zu sein bedeutet, mit den ange-sehensten Persönlichkeiten aus Vergangenheit und Zukunft geis-tig verbunden zu sein und ihre Zustimmung und Anerkennung tief im Herzen zu erspüren. Tu-gendhaft zu sein bedeutet, so zu leben, wie die vornehmsten Per-sönlichkeiten in der Geschich-te der Menschheit es taten, sich mit unseren Vorfahren und mit allen zukünftigen Generationen zu vereinen und mit ihnen zu verschmelzen. Wer ein solch in-nigliches Verhältnis zur ganzen Menschheit und zum Universum pflegt, dessen Herz wird bereits ewige Glückseligkeit erlangen, noch während er auf Erden weilt. Er wird in eine Dimension vorsto-ßen, in der äußere Ereignisse sein Glück nicht länger beeinträchti-gen können.

Es waren die ehrwürdigsten al-ler Menschen, die uns diese tiefe Wechselbeziehung von Tugend

und wahrem Glück aufgezeigt ha-ben. Genau diese Glückseligkeit schenkt dem Herzen Zufrieden-heit und dem Verstand Frieden. Sie ruht auf den solidesten Säulen der Tugend: auf dem Fehlen jeder Überheblichkeit, auf Reife und Toleranz, auf dem Hinwegsehen über die Fehler anderer und auf einer Absage an Groll und Hass. Oder anders ausgedrückt, diese Glückseligkeit durchdringt Herz und Geist gleichermaßen. Sie ist so tief verwurzelt, dass sie nie durch etwas anderes ersetzt wer-den könnte. Sie ist unmittelbar mit der menschlichen Essenz ver-knüpft. Materialistische Vergnü-gungen in einem oberflächlichen, selbstsüchtigen und begierigen Sinne können diese Glückseligkeit weder bereichern, noch könnten sie an ihre Stelle treten und sie in Vergessenheit geraten lassen. Wie glücklich sich doch all jene schät-zen dürfen, die ihre Seele mit dem Glauben auf einen höheren Rang heben und ihr Herz durch Tugend veredeln!

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die Fontäne / JAN - MÄRZ 2016

Inhaltsverzeichnis

Die Geburt

eines Textes

Gehen wir einmal davon aus, dass jede Ausgabe der Fontäne durchschnittlich 13 Artikel (mittlerweile 17 Artikel) hat. Grob über den Daumen gepeilt macht das bei 70 bisher erschienenen Ausgaben über 900 Beiträge. Was liegt also näher, als einen unserer Autoren schildern zu lassen, wie seine Texte üblicherweise das Licht der Welt erblicken.

von Erdogan Karakaya

Ich habe eine Idee für ei-nen neuen Artikel. Jedoch bin ich wieder einmal hin und her gerissen, ob ich wirklich über das Thema schreiben soll. Auf neue Ideen zu kommen, empfinde ich nicht im-mer als ganz einfach. Inspiration hole ich mir dabei aus persönli-

chen Eindrücken, Gesprächen mit meinen Mitmenschen und aus vie-lem, das mich gerade beschäftigt und interessiert. Manchmal bren-ne ich sogar für ein Thema.

Aber reichen guten Ideen aus? Ich habe schon eine Vielzahl von Arti-keln geschrieben, aber irgendwie sollte es bis heute nicht sein, dass einer davon veröffentlicht wurde. Daher möchte ich es jetzt noch einmal versuchen, egal ob mein

Beitrag veröffentlicht wird oder nicht. Ich glaube einfach, dass mich das Schreiben persönlich weiterbringt.

Ich setze mich an meinen Laptop, erstelle einen Ordner und eine neue Word-Datei. Um einen ge-wissen Rahmen zu setzen, über-lege ich mir mehrere mögliche Titel für meinen neuen Artikel und versuche zunächst, mir erste Gedanken zu notieren. Dann heißt

Gesellschaft

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JAN - MÄRZ 2016 / die Fontäne

Inhaltsverzeichnis

es: Speichern unter: „Artikelidee Fontäne“.

Die Idee gärt

Aufs Neue holt mich der Alltag mit seinen Verpflichtungen, Ver-antwortungen und Herausforde-rungen ein. Die Idee ist mir nach wie vor präsent, doch das Word-Dokument bleibt unberührt. Ganz gleich, ob ich mit dem Auto unterwegs bin, joggen gehe, für das Abendessen einkaufe oder fern-sehe - das Thema lässt mich nicht los und ich behande-le es wie ein ungeborenes Kind, mit dem idealerweise schon früh kommuniziert wird, damit es sich im Mutterleib an die Stimmen der Eltern gewöhnt.

Am Anfang ist es eine einseitige Kommunikation: Erste auffla-ckernde Geistesblitze fühlen sich wie die ersten Fußtritte eines Un-geborenen an. Sie sind für mich der Beweis und die nötige Moti-vation, das etwas richtig läuft und ich in dieser Art weiter denken kann und soll. Um diese Gedan-ken nicht ungenutzt vorbeiziehen zu lassen, gewöhne ich mir an, immer ein kleines Notizbüchlein und einen Stift griffbereit zu ha-ben. Spontane Ideen, eigene Ge-danken und Eindrücke aus tollen Gesprächen schreibe ich hinein und bereichere damit später mein Word-Dokument.

Quellenrecherche

Nun heißt es, auf Quellenrecher-che zu gehen, wofür ich die Uni-versitätsbibliothek durchforste. Ich lese eine Handvoll Bücher samt Inhaltsverzeichnissen und kurzen Textstellen an, leihe einige davon aus. Neben der klassischen Quellenrecherche erschließe ich

mir auch Literaturen, die in der Bibliothek nicht so schnell aufzu-finden sind. Dazu gebe ich unter-schiedliche Kombinationen von zwei bis drei Wörtern zum gedach-ten Themengebiet in Suchmaschi-nen ein. Damit die Resultate für meine Arbeit genauso wertvoll sein können wie die Nahrung, die eine werdende Mutter zu sich nimmt, für das Ungeborene, su-che ich in drei, manchmal sogar vier Sprachen nach geeigneter Literatur. Ich stöbere in Links, In-ternetdatenbanken, wissenschaft-lichen Papers und populären Zeit-schriften.

Schreiben - ein anstrengender Prozess

Nachdem der virtuelle Ar-beitstisch gefüllt ist, beginnt das intensive Lesen und Notieren. Die ersten Sätze werden formuliert. Der Text wächst Stück um Stück, so wie der Embryo, der sich im Bauch der Schwangeren abzeich-net und nach außen drückt. Je umfangreicher er wird, desto in-tensiver beschäftige ich mich mit ihm, desto größer meine Zunei-gung zu ihm. Doch dann - der letz-te Punkt ist gesetzt und ich denke, der Text wurde erfolgreich zur Welt gebracht - enthüllt mir das erste sorgfältige Lektorat, dass das Ungeborene noch nicht bereit für die große weite Welt ist.

Es folgen erste Korrekturen, die eine problemlose Geburt garantie-

ren sollen. Stolz und erhobenen Hauptes freue ich mich dann da-rauf, mein Baby in der Redakti-onssitzung zu präsentieren, und sehne mich nach Zuspruch und Zustimmung. Doch wie so oft kommt es nicht dazu, zumindest nicht in der Form wie erwartet. Und doch gibt es Anlass zur Hoff-nung. Die konstruktive Kritik und die Anmerkungen der Redakteure, die aus ganz verschiedenen Be-reichen kommen, führen mir vor Augen, dass die Geburt des Textes in Kürze erfolgen kann, dass das Baby vorher lediglich noch ein wenig aufgepäppelt werden muss.

Man wünscht sich für sein Kind nur das Beste, deshalb setze ich mich erneut allein mit meinem Text auseinander, versuche, alle

Der Text wächst Stück um Stück wie ein Embryo im Bauch seiner Mutter.

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die Fontäne / JAN - MÄRZ 2016

Inhaltsverzeichnis

Anmerkungen, die ihm gut tun könnten, einzubinden. Eine zwei-te Begutachtung in der Fontä-ne-Redaktion wenig später bestä-tigt mich: Bald ist es soweit. Das positive Feedback des Teams und die Versicherung, dass der Text in den Artikel-Pool aufgenommen wird, erfüllen mich mit Freude, Erleichterung und Zuversicht.

Sobald der Beitrag ausgewählt wird, geht er ins professionelle Lektorat. Anschließend heißt es für mich, ihn noch einmal zu le-sen und zu prüfen, welche Verän-derungen vorgenommen worden sind. Ist mein Baby vielleicht so verfremdet, dass ich es nicht mehr wiedererkenne? Nein, mit Freude stelle ich fest: Es ist immer noch mein Kind, und stolz möchte ich

es der ganzen Welt präsentieren.

Von nun an heißt es: Abwarten. Warten auf den Geburtstermin,