Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens Ihr Maß und ihre Form; Zweite Auflage - Hoche, Alfred; Binding, Karl - kostenlos E-Book

Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens Ihr Maß und ihre Form; Zweite Auflage E-Book

Alfred, Karl, Hoche, Binding

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The Project Gutenberg eBook, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, by Karl Binding and Alfred Hoche

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Title: Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens

Ihr Maß und ihre Form; Zweite Auflage

Author: Karl Binding and Alfred Hoche

Release Date: January 2, 2014 [eBook #44565]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE FREIGABE DER VERNICHTUNG LEBENSUNWERTEN LEBENS***

E-text prepared by Norbert H. Langkau, Norbert Müller, and the Online Distributed Proofreading Team (http://www.pgdp.net)

Anmerkungen zur Transkription

Der Originaltext ist in Fraktur gesetzt.

Text, der im Original in Antiqua gesetzt ist, ist hier kursiv dargestellt.

Rechtschreibung und Zeichensetzung des Originaltextes wurden übernommen, lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert.

Die Querverweise innerhalb des Textes sind teilweise nicht korrekt. Die Hyperlinks wurden dementsprechend korrigiert.

The cover image was created for this edition and is placed in the public domain.

Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens

Ihr Maß und ihre Form

Von den Professoren

Dr. jur. et phil.Karl BindingundDr. med.Alfred Hochefrüher in Leipzigin Freiburg

Zweite Auflage

Verlag von Felix Meiner in Leipzig 1922

Karl Binding †

Während des Druckes dieser Schrift ist Geh. Rat Binding abgerufen worden; das Echo, welches seine Ausführungen finden werden, antwortet der Stimme eines Toten.

Ich darf bekunden, daß die Fragen, mit denen unsere Abhandlung sich beschäftigt, dem Verstorbenen Gegenstand eines von lebhaftestem Verantwortungsgefühl und tiefer Menschenliebe getragenen Nachdenkens gewesen sind.

Mir persönlich wird die Erinnerung an die Stunden der gemeinsamen Arbeit mit dem Feuerkopf voll kühlscharfen Verstandes immer ein wehmütig stimmender Besitz bleiben.

Freiburg i. Br., den 10. April 1920.

Hoche.

I. Rechtliche Ausführung

von

Professor Dr. jur. et phil.Karl Binding.

Für die zweite Auflage durchgesehen von Paul Binding.

Ich wage am Ende meines Lebens mich noch zu einer Frage zu äußern, die lange Jahre mein Denken beschäftigt hat, an der aber die meisten scheu vorübergehen, weil sie als heikel und ihre Lösung als schwierig empfunden wird, so daß nicht mit Unrecht gesagt werden konnte, es handle sich hier »um einen starren Punkt in unseren moralischen und sozialen Anschauungen«.[1]

Sie geht dahin: soll die unverbotene Lebensvernichtung, wie nach heutigem Rechte — vom Notstand abgesehen —, auf die Selbsttötung des Menschen beschränkt bleiben, oder soll sie eine gesetzliche Erweiterung auf Tötungen von Nebenmenschen erfahren und in welchem Umfange?

Ihre Behandlung führt uns von Fallgruppe zu Fallgruppe, deren Lage jeden von uns aufs tiefste erschüttert. Um so notwendiger ist es, nicht dem Affekt, andererseits nicht der übertriebenen Bedenklichkeit das entscheidende Wort zu überlassen, sondern es auf Grund bedächtiger rechtlicher Erwägung der Gründe für und der Bedenken gegen die Bejahung der Frage zu finden. Nur auf solch fester Grundlage kann weiter gebaut werden.

Ich lege demnach auf strenge juristische Behandlung das größte Gewicht. Gerade deshalb kann den festen Ausgangspunkt für uns nur das geltende Recht bilden: wieweit ist denn heute — wieder vom Notstande abgesehen — die Tötung der Menschen freigegeben, und was muß denn darunter verstanden werden? Den Gegensatz der »Freigabe« bildet die Anerkennung von Tötungsrechten.

Diese bleiben hier vollständig außer Betracht.

Die wissenschaftliche Klarstellung des positivrechtlichen Ausgangspunktes aber ist um so unumgänglicher, als er sehr häufig ganz falsch oder doch sehr ungenau gefaßt wird.

I. Die heutige rechtliche Natur des Selbstmordes. Die sog. Teilnahme daran.

I. Von einer Macht, der er nicht widerstehen kann, wird Mensch für Mensch ins Dasein gehoben. Mit diesem Schicksale sich abzufinden — das ist seines Lebens Beruf. Wie er dies tut, das kann innerhalb der engen Grenzen seiner Bewegungsfreiheit er nur selbst bestimmen. Insoweit ist er der geborene Souverän über sein Leben.

Das Recht — ohnmächtig dem Einzelnen die Tragkraft nach der ihm vom Leben auferlegten Traglast zu bestimmen — bringt diesen Gedanken scharf zum Ausdruck durch Anerkennung von jedermanns Freiheit, mit seinem Leben ein Ende zu machen.[2] Nach langer höchst unchristlicher Unterbrechung dieser Anerkennung — von der Kirche gefordert, gestützt auf die unreine Auffassung, der Gott der Liebe könne wünschen, daß der Mensch erst nach unendlicher körperlicher oder seelischer Qual stürbe[3], — dürfte sie heute, von ganz wenigen zurückgebliebenen Staaten abgesehen, wieder voll zurückgewonnener, für alle Zukunft unangefochtener Besitz bleiben. Das Naturrecht hätte Grund gehabt, von dieser Freiheit als dem ersten aller »Menschenrechte« zu sprechen.

II. Wie diese Freiheit aber gesehen werden muß im Rahmen unseres positiven Rechtes, dies steht noch keineswegs fest. Ebenso in falscher Terminologie wie in falschen praktischen Folgerungen spricht sich diese Unsicherheit aus. Es ist höchste Zeit, daß größte wissenschaftliche Genauigkeit die bisherige ungenaue Behandlung der einschlagenden Fragen ablöse —, daß insbesondere die fundamentale rechtliche Verschiedenheit zwischen dem schlecht sog. Selbstmord und der Tötung Einwilligender klar erkannt werde.

Zwei sich im tiefsten widersprechende Auffassungen vom Selbstmord gehen heute nebeneinander her — beide übereinstimmend nur darin, daß sie falsch sind, und daß sie in die Forderung seiner Straflosigkeit münden.[4]

1. Nach der einen ist der Selbstmord widerrechtliche Handlung, Delikt, qualitativ dem Mord und dem Totschlag aufs engste verwandt, weil Übertretung des Verbotes der Menschentötung.[5]

Solche Ausdehnung der Tötungsnorm ist unseren gemeinrechtlichen Quellen ganz fremd, und alle Beweise für die deliktischen Eigenschaften des Selbstmordes versagen.

Alle religiösen Gründe besitzen für das Recht aus doppeltem Grunde keine Beweiskraft. Sie beruhen hier auf ganz unwürdiger Gottesauffassung, und das Recht ist durch und durch weltlich: auf Regelung des äußeren menschlichen Gemeinlebens eingestellt. Nebenbei gesagt, berührt das neue Testament das Problem mit keinem Wort.

Die gleiche Unkraft, für die Rechtswidrigkeit der Selbsttötung zu beweisen, eignet der ebenso haltlosen als »pharisäischen« (Gaupp) Behauptung, sie sei stets eine unsittliche Handlung und so verstehe sich ihre Rechtswidrigkeit von selbst.[6]

Schon der »harte und lieblose« Name Selbstmord[7] für die eigene Tötung ist tendenziös. Denn dem »Morde« waren stets feige Heimlichkeit und Niedertracht wesentlich. Und nun bedenke man zunächst die große Anzahl psychisch gestörter Personen, die Hand an sich legen![8] Außerdem gibt es altruistische Selbsttötungen geistig völlig Gesunder, die auf der höchsten Stufe der Sittlichkeit stehen, andererseits Selbsttötungen, die bis auf den tiefsten Grad frivoler Gemeinheit oder elender Feigheit herabsinken können.[9] Ja es gibt unterlassene Selbsttötungen, die gerade wegen der Unterlassung schweren sittlichen Tadel verdienen.

Außerdem ist die unsittliche Handlung als solche durchaus nicht auch rechtswidrig und die rechtmäßige durchaus nicht immer sittlich.

Der Beweis der Widerrechtlichkeit der Selbsttötung könnte nur aus dem exakten Nachweis der positivrechtlichen Tötungsnorm geführt werden.[10] Dafür fehlt aber das Material überall, wo die Selbsttötung nicht unter Strafe gestellt oder sonst unzweideutig als Delikt gekennzeichnet ist.[11] Oder sie könnte sich als Folgerung aus rechtlich feststehenden Prämissen ergeben. Solchen Nachweis versucht Feuerbach, aber in der unzulänglichsten Weise. »Wer in den Staat eintritt — der Neugeborene tritt aber doch nicht ein! —, verpflichtet dem Staat seine Kräfte und handelt rechtswidrig, wenn er ihm diese durch Selbstmord eigenmächtig raubt«.[12] Das ist offenbar eine nichtssagende petitio principii.

Für die Deliktsnatur der Selbsttötung fehlt also nicht nur alles Beweismaterial,[13] sondern es fällt auch heutzutage keinem Selbstmörder und keinem seiner Beurteiler auch nur von ferne ein, in der Selbsttötung eine verbotene Handlung zu erblicken und diese wirklich qualitativ auf eine Linie mit Mord und Totschlag zu stellen.

Wer aber die Deliktsauffassung vertritt, der muß unter allen Umständen die sog. Teilnehmer an der Selbsttötung[14] unter der Voraussetzung verschuldeten Handelns gleichfalls als Delinquenten betrachten. Und aus der Straflosigkeit des Selbstmörders ist die der »Teilnehmer« dogmatisch gar nicht ohne weiteres zu folgern:[15] denn sie handeln widerrechtlich gegen das Leben eines Dritten, stehen somit auf höherer Stufe der Strafbarkeit als der, der sich nur an sich selbst vergreift, wenn dessen Tat als Delikt betrachtet wird.

In Konsequenz der Auffassung von der Deliktseigenschaft der Selbsttötung hätten die Staatsorgane, zu deren Aufgabe die Deliktshinderung gehört, ein Zwangsrecht zur Unterlassung der Tötung gegen den Selbstmörder und seine sog. Teilnehmer, wogegen diesen Allen natürlich ein Notwehrrecht nicht zustünde.

2. Ganz naturrechtlich gedacht, wenn auch durchaus nicht immer von den durch die kirchliche Auffassung stark beeinflußten Naturrechtslehrern vertreten, ist die entgegengesetzte Auffassung: die Selbsttötung ist Ausübung eines Tötungsrechtes. Auch sie findet in den Quellen nicht die geringste Stütze: denn die Straflosigkeit des Selbstmordes kann als solche nicht betrachtet werden. Es gibt straflose Delikte in Fülle.

So ist sie eine rein theoretische Konstruktion, die sich einer vollständigen Verkennung des Wesens der subjektiven Rechte und der üblichen Verwechslung der Reflexwirkungen von Verboten mit solchen Rechten schuldig macht. Da die Tötung nur des Nebenmenschen verboten ist, so wird gefolgert, hat jeder Mensch ein Recht entweder auf Leben oder am Leben oder gar über das Leben — alle drei Auffassungen sind gleich verkehrt —, und kraft dieses Besitzrechtes darf er das Leben ebenso behaupten als von sich werfen, besitzt er also ein Tötungsrecht an sich selbst oder wider sich selbst,[16] ja kann dieses vielleicht gar mit Bezug auf sich selbst auf andere übertragen.[17]

Lasse ich das ganz unmögliche Recht auf oder am oder über das eigene Leben einmal auf sich beruhen — ganz gut dagegen E. Rupp S. 15 —, so ist gegen das Selbst-Tötungsrecht einzuwenden, daß Handlungsrechte nur zu Zwecken verliehen werden, welche der Rechtsordnung generell als ihr konform, ihr förderlich erscheinen. Darin liegt also eine generelle Billigung der Handlung von Rechts wegen. Solche verbietet sich jedoch gegenüber der Selbsttötung unbedingt. Übt diese doch in einer nicht kleinen Zahl ihrer Vorkommnisse auf dem Rechtsgebiet sehr empfindliche schädliche Wirkungen aus: etwa die Begründung weitgehender öffentlicher Unterstützungspflichten. Ja, sie kann geradezu das Mittel zur Verletzung schwerer Rechtspflichten bilden: etwa der Pflichten, seine Schulden zu bezahlen, seine Strafe zu verbüßen, an gefährlicher Stelle vor dem Feinde Vorpostendienste zu leisten oder an einem Angriff teilzunehmen.

Stellt man sich aber einmal auf diesen Standpunkt der Anerkennung von der Rechtmäßigkeit der Selbsttötungshandlung, so ergibt sich,

a. daß niemand ein Recht besitzen kann, den Selbstmörder an seiner rechtmäßigen Tat zu hindern;

b. daß diesem gegen jeden Hinderungsversuch ein Notwehrrecht zusteht;

c. daß, wenn man das Recht jedes Menschen, sich selbst zu töten, gar als ein übertragbares betrachtet, alle sog. Teilnehmer, die mit seiner beachtlichen Einwilligung handeln — aber allerdings nur diese —, gleichfalls rechtmäßig handeln, also gleichfalls daran von niemandem gehindert werden dürfen und gegen jeden Hinderungsversuch die Notwehr besitzen.

Alle Teilnehmer jedoch, die ohne solche Einwilligung handeln, begehen Unerlaubtes, dürfen, ja müssen eventuell an der Ausführung ihrer Handlung gehindert werden, und machen sich im Schuldfall grundsätzlich verantwortlich.[18]

Ja, vom Standpunkt dieses übertragbaren Tötungsrechtes aus muß sogar

d. die Tötung des beachtlich Einwilligenden gleichfalls als rechtmäßige Tötungshandlung betrachtet werden.[19]

III. Läßt sich der Selbstmord weder als eine deliktische noch als eine rechtmäßige Handlung auffassen, so bleibt nur übrig, ihn als eine rechtlich unverbotene Handlung zu begreifen.[20]