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Seitenzahl: 112
Karl Schönherr Der Weibsteufel
Drama in fünf Akten vonKarl Schönherr
Erstes bis drittes Tausend
Leipzig * Verlag von L. Staackmann * 1914
Den Bühnen gegenüber Manuskript.
Übersetzungsrecht für alle Sprachen vorbehalten. Das Aufführungsrecht ist nur durch den Verlag L. Staackmann in Leipzig, Hospitalstraße 10, Abteilung Bühnenvertrieb zu erwerben.
Copyright 1914 by L. Staackmann, Leipzig.
Der Mann Sein Weib Ein junger Grenzjäger
Schauplatz: Eine Stube.
Mann und Weib sitzen am Tisch. Vor ihnen stehen zwei Gläser mit Wein.
Mannnoch jung, aber kränklich und schwach; mit schütterem, rötlichem Haarflaum. Erhebt sich und nimmt das Glas zur Hand; schmunzelnd
Weib. Was ist heut für ein Tag?
Weib
Heut vor sechs Jahren haben wir Hochzeit ghabt.
Mann
Stoß an mit mir. Stoßen an. Weib, du sollst leben.
Weibsieht ihm in die Augen
Und du nit minder. Trinken die Gläser leer und küssen sich auf die Wange.
Mann froh
Jetzt sag: Haben wir ein einzigsmal gstritten unter alle sechs Jahr?
Weib
Wir sein immer gut auskommen. Ich weiß von kein Streit. Räumt die leeren Gläser vom Tisch.
Mann setzt sich und lacht
Na also. Grad lachen muß ich, wenn ich zurückdenk, wie sich die Leut da alle das Maul zerrissen haben: Du sollst mich nit nehmen. Und meine eignen Brüder gespottet und glacht: So ein blutschwaches Manndl und das Weib dazu — das geht nit gut aus. Übermütig Wo sein sie jetzt alle — die Prophezeier; die Schwarzseher?
Weib schlicht und warmherzig
Grad weil du schwach bist; und ich hab gsehen, du brauchst wen; und man kann dir was sein; grad deswegen hab i dich gnommen. Dann Weißt, so hab i dich wie ein hilfnotiges Kind, das man hüten und pflegen und um das man sich sorgen muß.
Mann stiller, nachdenklich
Ja; so ein Krankensessel bin ich schon von kleinauf immer gwesen; sieht nach dem Bild seiner Mutter an der Wand gelt, Mutter. Dann Aber dafür bin ich schlau. Hat sich erhoben und verriegelt von innen die Tür. Zieh die Vorhäng zu. Während das Weib dem Befehl nachkommt, zieht er das Stehmesser aus der Hintertasche und hebt mit der Messerklinge ein Dielenstück des Fußbodens aus dem Falz. Holt aus der Höhlung in Papier gewickelten Seidenstoff und Spitzen hervor; breitet beides vor dem Weib auf dem Tische aus. Froh. He, Weib. Was sagst? Das ist für dich. Gelt, da schaust.
Weib voll Freude
Ah, ist das eine Pracht. Die feinen Spitzen und die Seide. Probiert den Seidenstoff als Schürze.
Mannbeobachtet befriedigt des Weibes Tun; für sich
Da hat sie eine Freud, das Kind. Dann Gelt, Weib; Schmuggelwaar ist feine Waar. Und Schmuggelwaar tragt Gold. Hat der Kommode einen großen Lederbeutel mit großenGoldstücken entnommen, die er mit Wohlgefallen auf dem Tisch Stück für Stück nebeneinander zu legen beginnt. Da; und da; und da; und da; den ganzen Tisch könnt ich pflastern mit Goldfüchs. Alles für dich.
Weibgreift nach seinem Arm; mit leuchtenden Augen
Wenn wir einmal das schöne Haus am Marktplatz haben; mit der großen Toreinfahrt und den gemalten Fensterbögen; und wenn ich dann am Sonntag in Spitzen und mit einem seidenen Kittel in die Kirchen rausch — ah.
Mann
Da werden die Leut hinter uns die Mäuler aufsperren.
Weibwiegt den Lederbeutel in der Hand
Wieviel fehlt denn noch zum Haus?
Mannlegt die Goldstücke wieder in den Beutel
Es fehlt nimmer viel; noch ein paar gute Frachten und wir wären so weit. Verschließt den Beutel wieder in die Kommode.
Weiblegt den Seidenstoff und die Spitzen wieder sorgsam zusammen
Ist nit heut nacht wieder eine Schmugglfracht kommen?
Mann nickt
Im Keller liegt sie; unter dem doppelten Boden; ist dem Weib beim Glattrollen der Spitzen behilflich aber man kann nichts mehr wegschaffen; nix mehr zu Gold machen; der neue Jäger hat Augen, die sehen durch Holz und Mauer.
Weibhat Spitzen und Seidenstoff wieder in das Papier gewickelt.
Streicht denn der Tag und Nacht um?
Mann
So. Jetz legs nur wieder hinein. Weib legt das Paket in die Dielenöffnung, Mann paßt das Dielenstück wieder auf die Öffnung. Und die Schmuggler wollen nichts mehr wagen; sie sagen, ich als der Hehler hätt leicht lachen hinter dem warmen Ofen daheim; aber sie müßten es ausfressen; sie sagen, der neue Jäger haut und sticht und kennt kein Pardon; und der laßt sich auch nit abschmiern.
Weib
Am End faßt er uns auch noch.
Mannhat sich vom Boden erhoben und tritt das eingepaßte Dielenstück mit den Füßen fest. Zieht dann das Weib zu einer altertümlichen, großen, geräumigen Truhe hin
Jetz sag einmal: Seit wir Mann und Weib sein, haltst du die Truhe da versperrt; kein Mensch weiß, was drin ist.
Weib schroff abschneidend
Mann, es ist gut; die Truhe laß mir in Ruh.
Mann
Aber die Truhe hetzt uns die Grenzjäger auf den Hals.
Weib
Wie das?
Mann
Jeder Knecht und jeds Dienstmädl, das einmal bei uns gwesen ist, redt von der Truhe im Dorf herum; da sei eine Heimlichkeit drin. Na, und da spitzen die Grenzjäger die Ohren. Dann Sie haben jetzt schon wieder etwas Neus ausgetiftelt gegen mich.
Weib
Was denn schon wieder?
Mann
Weil ich ihnen zu schlau bin, und sie kommen mir nit an — jetz wolln sie dich dazu einspannen.
Weib
Mich?
Mann
Ja; dich — gegen mich. I weiß alls von einem, der selber dabei war; mit einem Goldstückl hab ich ihm das Maul aufgsperrt. Setzt sich auf die Truhe und zieht das Weib neben sich nieder. Dann Also gestern hat der Kommandant die Jäger alle zusammgetrommelt und gsagt: „Ist keiner da, der mir endlich einmal den Kapitalfuchs da oben fangt?“ Das wär nämlich ich. Drauf sagen die Jäger: „Wir tun, was wir können; aber dem kommt man nit an.“ Drauf sagt der Kommandant: „Er soll ja ein saubers Weib daheim haben. Himmelelement. Und ihr Jäger alls jungfrische Kerl. Na also. Warum steckt sich denn keiner hinter sie und macht sie ein bißl verliebt — die Gans; bis sie zum Schnattern anfangt. Weib hat sich erhoben. So ein Weib frißt einem jungen Kerl ja bald aus der Hand; und dann erfahrt man alls, was man wissen will. Na also: Wer wagts?“ Aber es ist mäuselstill geblieben in der Wachstubn; keiner hat sich grührt.
Weib
Pfui Teufel. Ist das nit ein Spott und Schand, für was der ein Weib anschaut? Glaubs gern, daß er zu so was keinen Jäger findet. Der soll sich schamen bis ins letzte Haar.
Mann ruhig
Halt, bin noch nit fertig. Fährt fort. Wie der Kommandant sieht, es will keiner dran, hat er noch ein Draufgab geben: „Jäger,“ sagt er, „wer mir den Fuchs da oben fangt, daß man ihm sein Hehlerei beweisen kann — der avanciert. — Ist noch keiner da, ders wagt?“ Dann Und jetzt ist einer vor und schreit: „Hier.“
Weib
Wer?
Mann
Der neue Jäger. Der Wachtmeister fragt ihn noch: „Du blutjunger Jäger. Bist du bei den Weibern schon so gut beschlagen?“ — Drauf hat der gsagt: „Hab noch mit keiner was zu tun gehabt; aber so ein Weib ein bissel karessieren, das wird doch kein Kunst sein. Und avancieren ist auch kein Dreck.“
Weib
Du Hund.
Mannhat inzwischen die verschlossene Türe wieder aufgeriegelt und schiebt die Vorhänge an den Fenstern zurück; sieht wie ungefähr durch das Fenster; dann plötzlich
Weib, dort; schau. Weib ist ans Fenster geeilt Siehst ihn? Über den Bergsteig kommt er; gradwegs auf unser Haus zu.
Weibsieht hinter dem Fenster scharf zu
Hund, verruchter. Komm mir nur. Dir fahr ich an die Gurgel.
Mann tritt vom Fenster zurück
Was hättst davon? Der schlenkert dich weg, wie eine Fliegn.
Weib
Wir schlagen ihm die Haustür vor der Nasen zu. Will ab.
Mann hält sie am Arm zurück
Natürlich. Daß wir gleich sein Verdacht aufriegeln. Dann sucht er uns auf der Stell das ganze Haus von oben bis unten ab und findet am End die ganze Fracht. Dann adje, Haus am Marktplatz, mit den gemalten Fensterbögen. Zieht sie ganz zu sich heran Weib. Schlau muß man sein: Wenn uns einer eine Grube grabt, dann müssen wir gegengraben.
Weib
Was willst damit sagen?
Mann
Wenn er dich fangen will — fang ihn du. Wirf ihm ein Hölzl; stell ihm ein Bein. Tu ihm auch ein bissel schön; halt ihn solang in der Stube, bis ich mit meinen Helfern die ganze Fracht aus dem Keller hab; solang er da in meiner Stube sitzt, weiß ich, er kann mit seinem Fernglas nit irgendwo hinter einem Baum oder Stein versteckt hocken und von der Weiten mein Haus abspekulieren.
Weibstarrt den Mann mit weit offenen Augen an
Aber Mann, was fallt dir denn ein? Ich so was. Ist das dein Ernst?
Mann klopft ihr auf die Schulter
Weib. Schlau muß man sein.
Weib sträubt sich heftig
Na. Bitt dich, Mann. Stell mich zu so was nit an. Was fallt dir denn ein? Da müßt ich ja schon ganz ausgschamt sein.
Mann ungeduldig
Herrgott noch einmal; brauchst ja nur dazusitzen und ein bissel das Maul verziehen, wenn er was sagt. Und laß nur die Augen ein bissel spielen; du hast ja ein Paar gute Augen; nu, wie man halt so einen Gimpel lockt; das hat doch jeds Weib am klein Finger.
Weib
Aber Mann, i bitt dich, Mann; das kann doch nit dein Ernst sein.
Mann abschneidend
Still jetzt. Er kommt schon. Flüstert ihr zu Denk an das Haus am Marktplatz; Spitzen und Seide; es gschieht ja alls nur für dich.
Jäger tritt in die Stube
Guten Tag um und um.
Mann
Auch soviel. Dann Schau, Weib, wer da ist. Zum Jäger Sind Sies oder nit: Der neue Jäger von der Grenz?
Jäger
Ja, der bin ich. Sieht sich spähend in der Stube um und faßt das Weib fest ins Auge, zum Mann Sie hausen da herobn wie in einem Geiernest; ganz weg von den Leuten.
Mann
Ja. Man laßt sich nit gern bei jedem Löffl voll Suppn ins Maul schauen. Wir wollen aber doch bald ins Tal ziehen, wenn sichs machen laßt; gelt, Weib. Dann Herr Jäger, womit kann man dienen?
Jäger behält das Weib im Auge
Es ist mehr Weibssach: Bin da drunten an einer Stauden hängen blieben und hab mir den Ärmel aufgrissen.
Mannwirft dem Weib einen verstohlenen Blick zu; besieht den Ärmel
Hm, da sein Sie aber ordentlich hängen blieben. Schaut aus, wie mit dem Messer gschnitten. Zum Weib Weib. Gleich hol das Nähzeug und flick den Herr Jäger wieder schön zusamm.
Weibholt zögernd widerwillig das Nähkörbchen, wobei ihr der Jäger mit den Augen folgt.
Mannwirft dem Weib, das das Nähzeug auf den Tisch gestellt hat, einen vielsagenden Blick zu
Weib; näh aber gut und fein, daß man nichts merkt. Geht der Eingangtüre zu.
Weib wie von plötzlicher Angst befallen, flehend
Mann, bleib da. Der Türe zu Oder wart, i geh auch.
Mann ihr zublinzelnd, ärgerlich
Sei nit so kindisch. Laß den Jäger nit warten; der hat noch andere Sachen zu tun. Bin gleich wieder da. Eingangtür ab.
Weibsetzt sich widerwillig an den Tisch und nimmt Nadel und Faden zur Hand; unwillig zum Jäger
So ziehen Sie also frisch Ihren Rock aus.
Jäger
Bin im Dienst. Mein Rock und Seitengwehr tu ich nit ab. Da müssen wir schon zusammenrucken. Rückt sich neben dem Weib einen Stuhl zurecht und setzt sich; legt seinen schweren Arm mit dem zerrissenen Ärmel auf den Tisch.
Weibmißt den Jäger mit einem scharfen Blick
Jägervon dem Blick befangen und verwirrt, für sich
Teufel. Die hat Augen mit Widerhakn. Dann unschlüssig Überhaupt, der Riß da. Könnts ja auch gut sein lassen. Erhebt sich halb zum Gehen.
Weib
Jetzt hab ich schon eingfädelt.
Jäger zögernd
Na also, gut; wenn schon eingfädelt ist. Aber bitt, nur vorwärts. Ich will wieder fort. Während das Weib zu nähen beginnt, mit erzwungenem Lachen Sie tun ja grad, als ob Sie sich da fürchtn täten mit mir allein.
Weib trocken
Ich?
Jäger
Na, ich vielleicht? Macht sich stramm; lachend Ich schreib mich nit Fürchter.
Weib näht
Ja, die Leut reden schon davon, Sie seien ganz ein Harter im Dienst.
Jäger
Kann schon sein.
Weib
Aber Sterndl seh ich noch keins an Ihrem Kragen.
Jäger
Wird schon kommen.
Weib näht
Na ja; wenn man jung und strebsam ist wie Sie, da kanns nit fehlen. Plötzlich innehaltend Herrgott; unter dem Ärmel gehts hin und her, wie gespannte Strick.
Jäger
Naja. Muskeln haben wir schon, Gott sei Dank.
Weib befühlt den Arm
Na, hören Sie; wenn man da hingreift — das ist grad, als wenn alls voll steinerne Mäus durcheinand hupfen täten; befühlt wieder den Arm Brrr; es ist ganz gruslig.
Jäger lacht
So greifen Sie halt nit hin.
Weibnimmt die Näharbeit am Ärmel wieder auf
Mit zwei solche Arm können Sie freilich leicht den wilden Grenzjäger spielen. Dann