Die Geister, die mich riefen - Peter Wagner - E-Book
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Die Geister, die mich riefen E-Book

Peter Wagner

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Beschreibung

Gibt es Botschaften aus dem Jenseits - oder sind Menschen, die von übersinnlichen Erfahrungen berichten, schlicht und einfach verrückt? Walter von Lucadou ist Deutschlands Experte Nummer eins zu den Themen Hellsehen, Esoterik und Spuk. Jedes Jahr erreichen ihn Tausende von Briefen, in denen Menschen von Geistern und unheimlichen Phänomenen berichten. Er nimmt sie ernst. Und findet erstmals glaubwürdige Antworten darauf, warum es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt.

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Über die Autoren

DR. RER. NAT. DR. PHIL. WALTER VON LUCADOU,

Diplom-Physiker, Jahrgang 1945, Studium der Physik und Psychologie in Freiburg i. Br. und Berlin. Von 1974 bis 1977 Assistent am Physikalischen Institut der Universität Freiburg i. Br.; von 1977 bis 1979 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kiepenheuer-Institut für Solarastronomie, Freiburg i. Br.; von 1979 bis 1985 wissenschaftlicher Assistent an der Abteilung für Psychologie und Grenzgebiete der Psychologie der Universität Freiburg i. Br. und von 1985 bis 1987 Gastprofessor am Parapsychologischen Laboratorium der Universität Utrecht (Niederlande), einschließlich eines Forschungsaufenthaltes (auf Einladung) an der Universität Princeton (USA). 1989 Gründung der »Parapsychologischen Beratungsstelle« in Freiburg i. Br. und seitdem deren Leiter; Gründungsmitglied und Forschungsdirektor der Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie e.V. (WGFP); Lehrbeauftragter an verschiedenen Fachhochschulen und Universitäten.

Max-Dessoir-Preis der WGFP, 1993; Outstanding Contribution Award for 2000 of the Parapsychology Association, USA.

Mitglied der Parapsychological Association (PA), USA; der Society for Psychical Research (SPR), GB; der Society for Scientific Exploration (SSE), USA; der European Society for the Study of Cognitive Systems (ESSCS), NL; der Deutschen Gesellschaft für Systemforschung (DGSF); des Fachverbands für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg e.V. (AGJ); des Arbeitskreises Psychomarkt – Sekten – Destruktive Kulte beim Berufsverband Deutscher Psychologen e.V. (BDP); der Wissenschaftlichen Gesellschaft zur Förderung der Parapsychologie (WGFP) sowie dem Deutschen Kollegium für Transpersonale Psychologie und Psychotherapie (DKTP); Mitarbeit am Institut für medizinische Ethik, Grundlagen und Methoden der Psychotherapie und Gesundheitskultur (IEPG).

Mitherausgeber und Redakteur der Zeitschrift für Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie, der Zeitschrift Cognitive Systems und der Revue Française de Psychotronique; Wissenschaftlicher Beirat der Zeitschrift Transpersonale Psychologie und Psychotherapie.

Über 200 Fachpublikationen in Physik und Systemtheorie, Psychologie und Parapsychologie; als Bücher liegen vor: Spektrum der Parapsychologie (1983); Psi – was verbirgt sich dahinter? (1984) (jeweils als Herausgeber, zusammen mit Eberhard Bauer); Experimentelle Untersuchungen zur Beeinflußbarkeit von stochastischen quantenphysikalischen Systemen durch den Beobachter (1986); Psyche und Chaos – Neue Ergebnisse der Psychokineseforschung (1989); Psyche und Chaos – Jugendliche im Umgang mit dem Okkulten (1992) (zusammen mit Walter Schmidt, Hans-Dieter Mutschler und Albert Lampe); Psyche und Chaos – Theorien der Parapsychologie (1995); Geister sind auch nur Menschen (1997) (zusammen mit Manfred Poser); Psi-Phänomene – Neue Ergebnisse der Psychokinese-Forschung (1997); Dimension Psi (2003) (Herausgeber); Ein Haus mit Fenstern aus Licht (2004) (zusammen mit Gunter Klosinski und Inge Mamay).

PETER WAGNER,

Jahrgang 1977, arbeitet als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung.

Walter von Lucadou mit Peter Wagner

Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt

Inhalt

Vorwort   1. KAPITEL: Beratungsalltag, und gleich spukt’s   2. KAPITEL: »Ich denke, also bin ich«   3. KAPITEL: Alles wissen – alles verstehen – alles können  4. KAPITEL: Quantenphysik und Parapsychologie – mein Lebensthema   5. KAPITEL: Wer wendet sich an eine Parapsychologische Beratungsstelle?   6. KAPITEL: Erscheinungen – nur Kino im Kopf?   7. KAPITEL: Spuk an der Universität   8. KAPITEL: Spuk im Labor   9. KAPITEL: Die okkulte Welle 10. KAPITEL: »Was macht ihr eigentlich anders?« 11. KAPITEL: Botschaften aus dem Jenseits? 12. KAPITEL: Legende oder Wirklichkeit? 13. KAPITEL: Vom Umgang mit Wahrträumen 14. KAPITEL: Tabuthemen: Verhexung, Verfluchung 15. KAPITEL: Unheimliche Häuser 16. KAPITEL: Spuk – ein Rätsel der Menschheit 17. KAPITEL: Noch Fragen? Anmerkungen Literatur zur Einführung in die Parapsychologie

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Alle zitierten Fälle stammen aus Briefen oder E-Mails an die Parapsychologische Beratungsstelle in Freiburg. Sie sind anonymisiert und zum Zwecke der Lesbarkeit und der Nachvollziehbarkeit teilweise gekürzt und bearbeitet. Die Dialogsequenzen sind zum Teil aus der Erinnerung aufgezeichnet oder nachgestellt und in die Erzählung eingepasst, um dem Leser ein Gefühl für den Ablauf der streng vertraulichen Beratungen zu geben. Jedoch beruhen alle Abläufe, Inhalte und Dialoge auf echten Fällen. Das Buch ist zwar teilweise autobiografisch, aber nur soweit es meine Beschäftigung mit der Parapsychologie und meinen beruflichen Hintergrund betrifft; über mein privates Leben, meine Familie und meine Freunde wird nur am Rande berichtet.

Originalausgabe

Copyright © 2012 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Monika Hofko, Scripta Literaturagentur, München Umschlaggestaltung: Pauline Schimmelpenninck, Büro für Gestaltung, Berlin Umschlagmotiv: © missleehavier.de E-Book-Produktion: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN 978-3-8387-1524-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Vorwort

Seit mehr als vierzig Jahren beschäftige ich mich mit Parapsychologie. Immer schon interessierte mich die Frage, ob es paranormale Phänomene tatsächlich gibt oder nicht. Wer jedoch dabei an unbekannte Flugobjekte oder an Astrologie denkt, liegt nicht ganz richtig. Die Parapsychologie ist die Wissenschaft von den außergewöhnlichen Erfahrungen, die ein Mensch haben kann. Sie beschäftigt sich hin und wieder auch mit Ufos; viel intensiver aber widmet sie sich zum Beispiel der Frage, ob Menschen allein mittels ihres Geistes Informationen und Gedanken übertragen oder erlangen können, ob der Mensch also telepathisch begabt ist.

Die Parapsychologie erforscht unter anderem das Phänomen, dass Menschen offenbar Ereignisse vorherträumen können. Man spricht dann von Präkognition. Parapsychologen versuchen auch zu ergründen, ob der Mensch wirklich hellsehen kann, ob er also Informationen über objektive Sachverhalte bekommen kann, ohne diese mittels normaler Sinneswahrnehmung zu erfahren. Und sie erforschen das erlebte Erscheinen von Verstorbenen oder von Geistern.

Ich persönlich finde das ziemlich verbreitete paranormale Phänomen am spannendsten: den Spuk beziehungsweise die Psychokinese. Ist der Geist in der Lage, Einfluss auf physikalische Prozesse zu nehmen?

Menschen erleben solche Phänomene in Grenzsituationen. Diese geschehen im Randbereich unserer Wahrnehmung. Ich will nichts anderes als diese verstehen. Wo kommen sie her? Wie funktionieren sie? Wofür sind sie da? Wie kann ich den Menschen helfen, die Paranormales erleben?

Vor mehr als zwanzig Jahren habe ich in Freiburg im Breisgau die Parapsychologische Beratungsstelle ins Leben gerufen. Viele Tausend Menschen haben sich seitdem bei mir gemeldet.

Für mich ist es tatsächlich Alltag, wenn das Telefon läutet und eine Frau mir von fremdartigen Schriftzeichen an der Wand in ihrer Wohnung berichtet, die nicht von ihr selbst und – weil nur sie den Schlüssel zur Wohnung hat – auch von niemand anderem stammen können.

Ich wundere mich nicht, wenn ein Mann am Telefon sagt, dass der Fluch seiner Exfrau sein Leben verändert habe. Auch wenn eine Frau mir berichtet, dass fremde Männer durch ihre Wohnung spaziert seien, um dann in der Wand zu verschwinden, gruselt es mich nicht.

Die Menschen, die sich bei mir melden, sind im Allgemeinen nicht verrückt. Sie müssen vielmehr ernst genommen werden. Immer noch gilt es in Deutschland und auch in vielen anderen westeuropäischen Ländern als Tabu, über außersinnliche Wahrnehmungen, über seltsame Erscheinungen oder Erlebnisse zu reden. Weil man die meisten paranormalen Phänomene nicht so leicht erklären kann, scheuen sich die Menschen, anderen davon zu erzählen. Gesunde, kluge erwachsene Menschen erleben jeden Tag Dinge, die sie sich ihr Leben lang nicht vorstellen konnten. Wenn sie dann ihrem Nachbarn davon erzählen, werden sie sehr wahrscheinlich sehr schnell für sehr verrückt gehalten. Manche werden von unvorsichtigen Ärzten in die Psychiatrie überwiesen. Genau das will ich verhindern. Für viele Menschen bin ich so etwas wie die letzte Rettung.

Wer wegen seiner seltsamen Erlebnisse nicht mehr weiterweiß, wer niemanden hat, dem er sich anvertrauen kann, der wendet sich an mich. Ich habe nicht für alle Phänomene eine Erklärung. Ich bin nicht allwissend und ich habe schon gar keinen Kontakt zum Jenseits oder zu Geistern oder zu geheimen Mächten. Ich habe Physik und Psychologie studiert und in beiden Fächern promoviert. Ich bin nur ein ganz normaler Wissenschaftler. Aber im Lauf der vergangenen vier Jahrzehnte habe ich von mehr als 50000 Menschen nicht nur im deutschsprachigen Raum Geschichten erzählt bekommen oder gelesen, die sich auf den ersten Blick unglaublich anhören.

Bei manchen Vorkommnissen, von denen man mir berichtet, kenne ich vielleicht nur den Ansatz zu einer Erklärung. In einigen Fällen muss ich passen und den Menschen sagen, dass ich auch nicht weiterweiß.

Aber so enttäuschend das auch klingen mag: Die meisten Menschen sind froh, dass es da noch jemanden gibt, der sie nicht insgeheim als Spinner abtut. Mich wundert nichts mehr. Ich halte sehr viel für möglich, und allein diese Tatsache beruhigt die Anrufer. Außerdem gehen wir auch im täglichen Leben mit Dingen um, die wir nur teilweise verstehen. Wissen Sie zum Beispiel, wie Ihr Computer oder das Fernsehgerät funktioniert? Wenn Sie nicht weiterwissen, fragen Sie den Fachmann, und ein solcher Fachmann für das Paranormale bin ich.

Vielleicht ist es hilfreich, gleich zu Beginn einem Missverständnis vorzubeugen. Ich bin kein »Geisterjäger«. Mir ist bewusst, dass sich in jüngerer Zeit immer mehr Menschen in Gruppen zusammenfinden, um gemeinsam ungewöhnlichen Phänomenen oder Geistern nachzuspüren. Geisterjäger haben Konjunktur, wenngleich die Ghostbusters-Filme schon vor etlichen Jahren im Kino liefen. Niemandem sei sein Hobby verwehrt, aber es ist verhältnismäßig unwahrscheinlich, dass man mit Videokameras, Mikrofonen oder Infrarotfallen Zeuge paranormaler Begebenheiten wird. Das sagt mir die Erfahrung.

Als junger Wissenschaftler habe ich oft meinen Psychologieprofessor Hans Bender in Freiburg – er war damals einer der bekanntesten Forscher in den Grenzgebieten der Psychologie – bei Ortsbegehungen begleitet. Die Menschen haben bei unseren Besuchen ihre Erlebnisse erzählt und das Geschehene noch einmal nachgestellt. Nach mehreren solcher Ortsbegehungen war mir klar, dass der Augenschein bei der Erkundung der Phänomene sicher interessant ist, dass er aber nicht wirklich hilft, wenn man die Hintergründe der Phänomene verstehen will.

Von einigen der Fälle, die ich selbst untersucht habe, will ich in diesem Buch berichten. Aber spätestens mit der Gründung der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg blieb mir immer weniger Zeit für eine persönliche Ortsbegehung. Die Beratung spielt sich vor allem am Telefon und per Mail ab. So kommt es, dass mir ein großer Teil der Fälle, die in diesem Buch erwähnt werden, im Gespräch, in Briefen oder in E-Mails berichtet wurde. Deshalb sind diese Fälle nicht weniger interessant und nicht weniger echt. Aus eigener Erfahrung und aus der Lektüre von Zigtausend weiteren, auch von anderen Wissenschaftlern dokumentierten Fällen weiß ich, dass sich die außergewöhnlichen Wahrnehmungen kategorisieren lassen. Die meisten folgen einem bestimmten Muster. Die »Dramaturgie« – wenn man den Verlauf der Erlebnisse so nennen will – wiederholt sich. Deshalb fahre ich nur noch selten zu Spukfällen. Ich erfahre dort für gewöhnlich nichts Neues, und meistens habe ich einfach nicht die Zeit und das Geld für die nötigen Reisen.

Das heißt aber nicht, dass mein Interesse im Lauf der Zeit nachgelassen hätte. Bei jedem Läuten des Telefons in meinem Büro in der Hildastraße in Freiburg bin ich gespannt, was ich diesmal erfahren werde. Ich gehe so unvoreingenommen an den Apparat wie nur möglich. Das ist eine Prämisse, die in meinem Leben immer wieder hilfreich war. Nur wer versucht, der Welt vollkommen offen gegenüberzutreten, hat eine Chance, sie wenigstens ein bisschen zu begreifen.

Wenn das Telefon läutet, versuche ich, alles, was ich an Theorien und Kategorien und Wissen über die paranormalen Phänomene habe, beiseitezulassen. Diese Methode wurde in Freiburg von dem Philosophen Edmund Husserl entwickelt und wird als »phänomenologische Methode« bezeichnet. Ich versuche, mir nur das geschilderte Phänomen anzuhören. Das ist nicht leicht, das muss ich zugeben. Die meisten Begebenheiten folgen allerdings bekannten Mustern; viele paranormale Phänomene sind gut dokumentiert. Aber in der Beratung kommt es nicht allein auf eine schnelle Erklärung an. Die Menschen, die sich bei mir melden, brauchen Hilfe. Sie erleben Dinge, mit denen sie nirgendwo anders ernst genommen werden. »Halten Sie mich nicht für verrückt«, sagen viele. Und ich antworte: »Keine Sorge, ich halte Sie nicht für verrückt.«

Weil ich weiß, dass wir nicht alles wissen.

Schließlich ist noch eine Bemerkung vonnöten zum Ziel dieses Buches: Leider wird in unserer Gesellschaft nicht neutral und sachlich über parapsychologische Phänomene und Sachverhalte gesprochen. Man ist meist entweder »dafür« oder »dagegen«, man ist »Gläubiger« oder »Skeptiker«. Ich bin weder das eine noch das andere – ich bin kritisch.

Leider machen mir eine Reihe selbst ernannter »Skeptiker« in der Öffentlichkeit das Leben schwer. Natürlich bezeichnen sie mich als »Gläubigen«, oder ich werde als »tragischer Beglaubiger« geschmäht, und sie unterstellen mir Aussagen, die ich so nicht gemacht habe oder die aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Meine Richtigstellungen werden nicht zur Kenntnis genommen und oft auch unterschlagen.1

Für diese Menschen wurde dieses Buch nicht geschrieben. Obwohl es ein erzählerisch angelegtes Sachbuch ist, stellt es keine wissenschaftliche Abhandlung dar, in der ich mich nach allen Seiten absichern muss, um den Einwänden meiner Gegner zuvorzukommen. Und doch ist alles, was ich berichte, wissenschaftlich sorgfältig geprüft. Zu allen Teilen kann ich meinen Kritikern jederzeit Rede und Antwort stehen. Notwendige weiterführende Literaturhinweise und Referenzen finden sich in den Anmerkungen.

Das Buch soll einen Einblick in ein »Lebenswerk« geben. Stellen Sie sich einfach vor, ich sei an einem schönen Sonntagnachmittag bei Ihnen zu Besuch und erzähle Ihnen, was ich den ganzen Tag tue.

1. Kapitel:

Beratungsalltag, und gleich spukt’s

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, als ich an diesem Montagmorgen mein Büro in der Parapsychologischen Beratungsstelle in der Hildastraße in Freiburg betrete. Die ersten Laubbäume verlieren ihre Blätter. Es ist halb neun, ich bin der Erste im Haus. Meine Mitarbeiterin Franziska Wald – sie ist Psychologin2 und meine Stellvertreterin – hat die Post aus den vergangenen zwei Wochen gesammelt; die Briefe stapeln sich auf meinem Schreibtisch. Daneben blinkt der Anrufbeantworter fast schon vorwurfsvoll.

Ich atme tief durch. Immer wenn ich im Urlaub war, plagt mich ein schlechtes Gewissen. Ich bin einer der wenigen aktiven professionellen Parapsychologen in Deutschland. Für viele bin ich so etwas wie ein Not-Anker. Wer nicht mehr weiß, wem er von seinen unglaublichen Erlebnissen berichten soll, der wendet sich an mich. An wen soll man sich wenden, wenn hier niemand ans Telefon geht? Wer nimmt die Menschen ernst, die von Unglaublichem berichten? Und was heißt eigentlich »ernst nehmen«?

Aber davon später.

Ich gehe in die Küche und setze Wasser auf, gehe zurück ins Büro, öffne ein Fenster, fahre den PC hoch und öffne unterdessen den ersten Brief. In der Küche kocht bald das Wasser, aber schon die ersten Zeilen nehmen mich gefangen:

Sehr geehrter Herr von Lucadou,

wir leben seit zwei Jahren in einem alten Stallgebäude, welches in ein Wohnhaus umgebaut wurde. Unsere kleine Tochter ist jetzt drei Jahre alt.

Anfangs empfanden wir das Haus als gemütlich und sonnig. Wir haben uns einigermaßen wohlgefühlt, jedoch nahmen die nächtlichen Schreiattacken unserer Tochter zu. Sie hatte ein eigenes Zimmer, stand nachts auf ihren wackeligen Beinen und schlug um sich. Vier Monate nach unserem Einzug kam es für mich und meinen Mann zu einem furchterregenden Ereignis, welches ich bis heute nicht vergessen kann. Wir schliefen tief und fest. Es muss circa halb zwei Uhr nachts gewesen sein, als mir eine tiefe Männerstimme laut ins Ohr schrie. Es waren nur zwei Buchstaben: »HE!!!«

Ich bekam einen solchen Schrecken, dass ich auch heute noch nur mit der Decke über dem Kopf einschlafen kann. Seit diesem Ereignis häuften sich kuriose Dinge, die ich nun nur aufzähle, ohne sie weiter zu kommentieren:

Einmal, während wir zu dritt frühstückten, sah ich, wie ein alter Mann durch den Flur an unserem Tisch vorbeilief und in der Wand verschwand.

Eine Zeit lang ging das batteriebetriebene Spielzeug unserer Tochter nachts und auch bei Tag immer wieder an.

Drei Monate nachdem die fremde Stimme mir so laut ins Ohr geschrien hatte, passierte meinem Mann dasselbe. Allerdings war es da erst 22 Uhr. Er war vor mir schlafen gegangen und wartete bei eingeschaltetem Licht auf mich.

Im Herbst vergangenen Jahres lief schnellen Schrittes ein klar und deutlich zu sehender junger Mann vor mir durch die Räume und verschwand im Kinderzimmer. Er war von sehr kräftiger Gestalt und trug einen Blaumann, darunter einen Wollpullover, auf dem Kopf eine Mütze.

Den beschriebenen jungen Mann hat mein Mann schon häufiger als nicht klar zu erkennende Gestalt auf meiner Bettseite liegen sehen.

Als unsere Tochter zu reden anfing, sagte sie immer: »Da ist ein junger Mann.« Oder sie erzählte von ihrem längst verstorbenen Opa, ohne dass wir ihr überhaupt zuvor von ihm erzählt hätten.

Ich habe in unserem Haus mehrmals, auch bei Tag, um die Mittagszeit, Frauenstimmen wahrgenommen. Ich habe sie auch nachts deutlich gehört. Wenn ich von dem wirren, aber klaren Gerede aufwachte, sagten die Stimmen: »Pssst, sie wacht auf.«

Um die Weihnachtszeit habe ich des Öfteren in der großen Wohnstube neben dem Weihnachtsbaum auf der Couch geschlafen. Einmal wurde ich wach. Neben mir auf der anderen Couch saß ein Mann. Es war eine sympathische Erscheinung. Aber ich hatte das Gefühl, er belächelte mich, weil ich so Angst hatte. Ich schlief wieder ein.

Die Lichter werden bei uns mit Vorliebe manchmal ein- und ausgeschaltet, ohne dass wir etwas dazutun. Türen, die vorher geöffnet waren, sind plötzlich verschlossen.

Mein Mann sah eine große, stämmige Gestalt hinter unserer Tochter laufen. Mir wurde unbehaglich, als unsere Maus sich dann auch noch umdrehte und sagte: »Da ist einer bei mich, Mama.«

Ich erzählte unserer Vermieterin von den Vorfällen, weil ich mir erhoffte, zu erfahren, ob Vormieter auch solche Erlebnisse hatten. Sie war sichtlich schockiert und meinte, in dem Haus hätten jahrelang dieselben Leute gewohnt, und die seien auch nur ausgezogen, weil sie selbst bauen wollten.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass die älteste Tochter meines Mannes – sie ist schon 33 Jahre alt – zu Weihnachten bei uns schlief. Sie sagte danach, sie würde nie wieder bei uns schlafen, da sie, als sie nachts zur Toilette ging, neben dem Tannenbaum eine Gestalt sah. Es erging ihr dabei genau wie meiner Mutter, die mir versicherte, sie würde nie wieder nach Einbruch der Dunkelheit auf unsere kleine Tochter aufpassen, da sie trotz eines Tinnitus auf einem Ohr Geräusche und Schritte im Haus hörte.

Mein Mann und ich gehen mittlerweile routinierter mit der Angelegenheit um. Wir sind vor zwei Wochen in unsere Ferienwohnung gezogen. Unser Haus ist in der Zwischenzeit an von uns betreute Jugendliche vermietet – mein Mann ist Sozialpädagoge, und ich bin Erzieherin. Wir haben den Jugendlichen nichts von den Erlebnissen erzählt, und sie berichten auch nichts von sonderbaren Erlebnissen, die unseren ähneln würden.

In unserer jetzigen kleinen Ferienwohnung kann ich wieder ohne die schon erwähnte Decke über dem Kopf schlafen. Die Kleine schläft seit unserem Einzug wieder selig in ihrem Zimmer durch. Jedoch ist meinem Mann nun im Traum eine alte Frau erschienen, die ihn einlud, um Mitternacht, bei Vollmond an einer bestimmten Treppe bei uns im Dorf zu stehen. Sie sagte ihm, dort würden viele stehen und die Aussicht genießen.

Mir kommt das alles nicht sehr geheuer vor, aber mein Mann will beim nächsten Vollmond hingehen, um der alten Dame den Wunsch zu erfüllen.

Was sagen Sie dazu?

Halten Sie meine Erzählungen bitte nicht für Hirngespinste. Warum haben wir diese Erlebnisse und andere nicht? Ist der große Mann hinter meiner Tochter ein Schutzengel? Oder sollten wir irgendetwas unternehmen? Warum wird uns so ins Ohr geschrien? Und warum haben wir immer das Gefühl gehabt, wir sollten geärgert werden?

Ich würde mich freuen, wenn es Ihre Zeit erlaubte, sich vielleicht in schriftlicher Form oder auch telefonisch mit uns in Verbindung zu setzen. Können Sie uns weiterhelfen?

Gerade als ich den letzten Satz lese, klingelt es an der Tür. Frau Wald ist da.

»Sie sind wieder zurück!«, sagt sie.

Ich bin noch gefangen von der Lektüre des ersten Briefes und grüße mit Verzögerung.

»War der Urlaub schön? Soll ich Ihnen einen Tee machen?«, fragt sie.

»Ach ja, der Tee«, sage ich. »Ich habe schon Wasser aufgesetzt und dann gleich angefangen, die Post durchzugehen. Wären Sie so nett?«

Sie nickt und verschwindet in der Küche.

Ich gehe zurück ins Arbeitszimmer und mache mir eine Notiz zu dem Brief der Frau: »Hypnagoger Zustand« und »Gestaltwahrnehmung«.

Viele Besucher finden mein Büro wegen der altmodischen Möbel eine Spur zu dunkel. Der Baum vor dem Fenster tut ein Übriges, dem Raum das Licht zu nehmen. Er wirkt wie eine Wissenschaftlerklause, in der man in aller Ruhe nachdenken kann. Der Eindruck einer abgeschiedenen Welt mitten in Freiburg wird noch verstärkt durch den dicken Vorhang im Windfang, gleich am Eingang im Hochparterre. Ein Besucher hat von einer »Spukhöhle« gesprochen, was ich aber übertrieben finde. In meinem Büro geht es ganz alltäglich zu, und mit der Ruhe eines Wissenschaftlers ist es hier nicht weit her. Normalerweise klingelt andauernd das Telefon. Nur jetzt ist es noch still. Der Anrufbeantworter blinkt. Ich lasse ihn noch blinken. Erst will ich die Post durchsehen.

Einer der Briefe scheint die Reaktion auf ein Gespräch zu sein, das ich einige Wochen vor meinem Urlaub mit einem jungen Mann führte, der mich um Rat gefragt hatte. Er sprach davon, dass es in seinem Haus spuke. Ich bat ihn daraufhin, alle vergangenen und alle neu auftretenden Ereignisse aufzuschreiben. Nun hat er mir seine Aufzeichnungen geschickt:

Von meiner Fernsehcouch aus kann ich seitlich durch die Tür in einen offenen Flur sehen. Jeden Tag sehe ich dort einen schemenhaften Schatten, der sich plötzlich bildet und bei direktem Hinsehen weghuscht. Manchmal nach links, manchmal nach rechts. Das Phänomen tritt nie bei direkter Beobachtung des Ganges auf, sondern taucht sozusagen in den Augenwinkeln auf. Sämtliche äußeren Störungen wie Autoscheinwerfer, Lampen und so weiter habe ich gründlich ausgeschlossen beziehungsweise untersucht.

Ich notiere am Rande des Briefes wieder den Begriff »Gestaltwahrnehmung«. Dann lese ich weiter:

Eines Morgens ging mein Computer nicht mehr. Noch am Vorabend hatte ich ihn benutzt, aber jetzt ging nichts mehr. Ich rief einen Techniker, der zu unser beider Erstaunen gut einen Viertelliter Wasser in der Tastatur fand. Die Papierbögen neben der Tastatur waren aber seltsamerweise komplett trocken geblieben. Wie war die Flüssigkeit dort reingekommen? Im Wohnzimmer lag an jenem Morgen der Aschenbecher vom Fernsehtisch zerbrochen auf dem Boden. Es war seltsam – niemand war in der Nacht im Haus gewesen.

Gelegentlich hörte ich in der Küche schlurfende Schritte aus dem Schlafzimmer darüber – obwohl ich allein im Haus lebe. Seit einigen Monaten übernachte ich allerdings immer bei meiner Freundin, weil ich nicht mehr besonders gern allein im Haus bin; deshalb kann ich nicht sagen, ob das Schlurfen immer noch zu hören ist.

Vor längerer Zeit war ich am Sonntagnachmittag bei einem befreundeten Paar eingeladen. Da uns nach einiger Zeit die Getränke ausgingen, schickte ich einen Freund aus der anwesenden Runde mit dem Schlüssel zu meinem Haus, um Nachschub zu holen. Als er zurückkam, fragte er mich:

»Wer ist denn bei dir zu Besuch?«

Ich wunderte mich und entgegnete: »Niemand, wieso?«

»Das ist komisch«, sagte er. »Als ich wieder weggefahren bin, habe ich gesehen, wie jemand aus dem Fenster geschaut hat.«

Ich schluckte und sagte: »Willst du mich …?«

»Ganz bestimmt nicht«, sagte der Freund schnell, sodass ich sicher sein konnte, dass er mich nicht zum Narren halten wollte. Er wirkte sehr ernst. »Ich bin selbst ziemlich erschrocken. Als ich im Haus war, habe ich nichts gehört. Gar nichts. Erst als ich draußen war und mich noch einmal umgedreht habe, habe ich das Gesicht gesehen.«

Ich lege den Brief zur Seite und denke nach. Einerseits berichtet der junge Mann von Erscheinungen, dann aber auch von Spukphänomenen. Der Spuk verändert Dinge, er hat echte Auswirkungen auf unsere physikalische Umwelt. Erscheinungen verändern eigentlich nichts. Der Spuk hinterlässt eine Spur im Leben, die auch Fremde nachverfolgen können. Das Wasser in der Tastatur ist ein Hinweis auf einen echten Spuk.

Der Mann hat meine Ratschläge aus unserem Gespräch befolgt und alle Ereignisse dokumentiert: Neben seinem Brief nehme ich noch drei weitere Berichte aus dem Kuvert. Alle Erlebnisse sind aufnotiert. Ein Brief ist von seiner Freundin, die von ähnlichen Erlebnissen berichtet, als sie sich im Haus des jungen Mannes aufhielt:

Im unteren Gang huscht ein Schemen hin und wieder her. Lautlos. Nur aus den Augenwinkeln wahrnehmbar. Ich habe es vom Treppenabsatz im ersten Stock aus gesehen. In letzter Zeit habe ich den Eindruck, als würde der Schemen zu einem richtigen Schatten und als würde er die halbe Treppe hoch in den ersten Stock nehmen.

Es verschwinden Dinge im Haus. Neulich war die Kaffeemaschine ausgeschaltet, der Filterbehälter war ausgeklappt – obwohl ich sie vorher angestellt hatte.

Einmal spürte ich im Schlafzimmer im Bett einen kalten Hauch, einen seltsamen Luftzug, der sich auf mir niederließ – bei geschlossenen Fenstern. Mein Partner schlief neben mir. Ich spürte ein Kribbeln, das langsam meine Arme und Beine hochkroch. Nach circa zwei bis drei Minuten war es weg. Ich fühle mich beobachtet und verspüre Angst im Haus.

Die beiden anderen Berichte aus demselben Kuvert bestätigen die ersten Aufzeichnungen. Ich bin schon versucht, den jungen Mann gleich anzurufen und zu fragen, was in der Zwischenzeit geschehen ist. In der Regel rufe ich die Leute nicht an, sondern schreibe ihnen, dass sie mich zurückrufen können. Ich will nicht aufdringlich sein und nicht als neugierig erscheinen. Zudem lösen sich manche Probleme von selbst – sie verschwinden einfach von allein. Heute ist aber der erste Tag nach dem Urlaub, da will ich eine Ausnahme machen – schließlich mussten die Leute ja schon lange genug auf eine Antwort warten.

Eine hilfreiche Methode, einem Spuk, dem rätselhaftesten paranormalen Phänomen, beizukommen, ist, die unheimlichen Ereignisse zu notieren. Erfahrungsgemäß hilft die Niederschrift, die präzise Dokumentation dabei, den Spuk zum Verschwinden zu bringen. Außerdem will ich im Fall des Mannes wissen, ob noch etwas vorgefallen ist. Vieles spricht dafür, dass zumindest der Spuk mittlerweile verschwunden ist, wenn er fleißig weiter seine Erlebnisse aufgeschrieben hat.

Ich will schon zum Telefonhörer greifen, als mein Blick an einem dicken Kuvert hängen bleibt, auf dem mit schwungvoller Schrift die Adresse der Beratungsstelle geschrieben steht. Ich sehe auf die Uhr: gleich halb zehn. Dann betrachte ich den riesigen Stapel Briefe und sehe aus den Augenwinkeln den Anrufbeantworter blinken. Okay, denke ich und seufze: Diesen Brief öffne ich noch.

Es geht um eine verschwundene Stadt bei uns in der Nähe. Der Sage nach soll im Jahre 1348 die Pest zahlreiche Bewohner hinweggerafft haben. 1398 kamen erst die Pommern, dann 1430 die Hussiten mit Mord und Totschlag. Von dem Städtchen blieben wohl nur ein paar Steine übrig, die von den umliegenden Dörfern nach und nach für ihre Bauten abgetragen wurden. Seitdem erzählt man sich, dass manche Wanderer oder Pilzsammler Opfer plötzlicher Visionen werden: So höre und sehe man das bunte Treiben auf einem mittelalterlichen Marktplatz, man höre das Läuten von Kirchenglocken, und im Winter sehe man sogar seltsame Spuren im Schnee.

In der Zwischenzeit stellt mir meine Kollegin eine Tasse Tee auf den Tisch und begibt sich in ihr Arbeitszimmer. Abwesend sage ich: »Danke.« Ich rühre die Tasse nicht sofort an, so sehr beschäftigt mich das Schreiben. Nur ein Teil der Briefe, die ich bekomme, ist so differenziert, so gut formuliert. Diese Erzählungen sind für mich die interessantesten. Je besser der Zeuge einer unheimlichen Erscheinung das Ereignis beschreiben kann, desto besser kann ich den Fall einordnen. Ich lese weiter – in der linken Hand die Teetasse, in der rechten Hand den Brief:

Mich faszinierten die Erzählungen so sehr, dass ich mit meinem Mann und meinem Sohn einen Ausflug in den besagten Wald machte – ohne den beiden aber etwas von dem angeblichen Spuk zu erzählen. Ich wollte nicht, dass sie voreingenommen auf jedes Geräusch horchten oder gar versuchten, mich in die Irre zu führen. Als wir also durch diesen Wald stromerten, sagte mein Sohn, damals circa zehn Jahre alt: »Das ist ja komisch! Hier zwitschern gar keine Vögel!«

Auch mir war vorher schon aufgefallen, dass etwas nicht stimmte, ich kam aber nicht darauf, was es war. Etwa zwei Minuten später hörten wir alle ein ziemlich lautes metallisches Geräusch:

»Klonk.«

Es ließ sich am ehesten mit dem Geräusch eines Schmiedehammers auf einem Amboss vergleichen. Als dieses Geräusch ertönte, waren wir drei jeweils etwa vier Meter voneinander entfernt. Jeder trottete für sich durch das dichte Laub am Boden. Bei diesem »Klonk« schauten wir alle in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, dass ich dachte: Das muss da hinter dem Zaun gewesen sein!

Nur: Da war kein Zaun.

Und selbst als ich die Augen für einen Augenblick schloss, um einen klaren Blick zu bekommen, half es nichts: Ich öffnete die Augen und sah nichts. Nur Wald. Keinen Zaun. War ich denn verrückt geworden? Warum sagte mir mein Gefühl, dass dort vorne ein Zaun sein musste – ein Zaun aus Strohmatten? (Ich weiß nicht, wie ich es anders beschreiben soll. Hoffentlich können Sie sich trotzdem vorstellen, was ich meine!)

Ich behielt meine Verwirrung für mich. Wir setzten unseren Spaziergang fort und vergaßen das Geräusch wieder.

Einige Tage später unterhielt ich mich mit meinem Sohn noch mal über unseren Ausflug und über die fehlenden Vögel. Zu meiner Überraschung sagte er plötzlich:

»Da hinter dem Zaun muss aber einer auf Eisen gehauen haben!«

Einen Moment lang war ich verblüfft. Dann antwortete ich ihm: »Da war aber kein Zaun!«

Mein Sohn aber blieb beharrlich und sagte:

»Natürlich war da ein Zaun! So einer aus Stroh!«

Mir wurde heiß. Dann erinnerte ich mich, dass ich nichts gesehen hatte, dass ich aber glaubte, etwas gesehen zu haben.

»Da war nichts«, sagte ich. »Wir können gerne noch mal hinfahren und uns davon überzeugen.« Das taten wir dann auch. Allerdings erst mehrere Monate später. Vorher schafften wir es nicht.

Es war schon Winter. Mein Mann hatte sich kurz vorher einen neuen Kompass gekauft, den er nun in der Jackentasche spazieren trug. Wir gingen zuerst zu der Stelle, an der wir das »Klonk« gehört hatten – und an der vielleicht auch ein Zaun war.

Während mein Sohn mir noch immer erklärte, dass er schwören könne, dort einen Strohmattenzaun gesehen zu haben, fluchte mein Mann laut auf. Er schüttelte den neuen Kompass.

»Das Ding geht nicht! Die Nadel hat sich verhakt!«, sagte er.

Mein Sohn und ich versuchten der Reihe nach das Gleiche. Wir schüttelten den Kompass, wir klopften das Gehäuse sogar gegen einen Baumstamm – immer in der Absicht, die Nadel aus ihrer Erstarrung zu lösen.

Vergeblich.

Mein Mann fand sich damit ab, dass der neue Kompass wohl schon kaputt war, und wir setzten unseren Spaziergang fort.

Später am Abend, wir waren wieder zu Hause, sah ich den Kompass auf der Kommode liegen. Ich nahm ihn und wollte noch ein letztes Mal versuchen, die Blockade zu lösen. Da sah ich, dass er ordnungsgemäß funktionierte.

Ich ging ins Wohnzimmer und fragte meinen Mann:

»Der Kompass geht ja wieder. Wie hast du das hinbekommen?«

»Ich habe ihn nur aus der Tasche genommen – und da ging er wieder.«

Herr von Lucadou, wie erklären Sie sich unsere Erlebnisse? Stimmt es, dass sie mit der untergegangenen Stadt zu tun haben?

Im Kopf des Briefes ist die Telefonnummer der Frau notiert. Ich greife dieses Mal gleich zum Telefon.

»Guten Tag, hier spricht Walter von Lucadou von der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg. Sie haben mir wegen der versunkenen Stadt geschrieben.«

»Ach, das ist aber nett, dass Sie sich melden. Ich war mir ja nicht ganz sicher, ob Sie unseren Fall auch ernst nehmen würden – egal, wem ich von den Erlebnissen erzähle, ich werde eigentlich immer nur belächelt.«

»Ich bin nicht dazu da, Sie zu belächeln«, antworte ich ihr. »Es gibt auch keinen Grund dafür. Was Sie berichten, gehört in gewisser Weise zum Erzähl- und Sagengut unserer Gesellschaft.«

»Wie meinen Sie das?«, fragt sie neugierig nach.

»Von überall dort, wo Dörfer oder ganze Städte untergegangen sein sollen, werden solche Geschichten berichtet, wie Sie sie aufgeschrieben haben. Ich weiß es hier im Schwarzwald vom Titisee: Dort hört man angeblich in stillen Nächten die Glocke der Kirche, die in der im See versunkenen Ortschaft stand.«

»Verstehe. Das erinnert mich an den Amboss, den wir gehört haben.«

»Nun ja, den Sie vermeintlich gehört haben.«

»Sie glauben also auch nicht, dass wir dieses ›Klonk‹ …«

»Ich glaube Ihnen durchaus, dass Sie dieses metallische Hämmern gehört haben«, beeile ich mich zu antworten. »Schließlich bin ich nicht dazu da, Ihnen Ihre Erlebnisse auszureden. Die Frage ist nur, was diesen Klang ausgelöst hat.«

»Was glauben Sie? Ist das ein Spuk?«, fragt sie nun neugierig.

»Nicht wirklich. Ein Spuk hinterlässt normalerweise Spuren in der wirklichen Welt und ist noch um einiges rätselhafter. Ich würde hier eher von einer Erscheinung sprechen.«

»Was ist eine Erscheinung?«, fragt sie zögernd.