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Sie haben ein Problem mit einem Geist? Spukt Ihr toter Ehemann im Wohnzimmer? Randaliert Ihr renitenter Vorgänger in Ihrem Büro? Dann kann Ihnen eventuell die Geisterjägerin weiterhelfen. Aber erwarten Sie nicht, dass sie Sie allzu ernst nimmt. Das perfekte Buch für einen herbstlichen Leseabend auf dem Sofa! Eigentlich schnüffelt die Geisterjägerin nur ungerne in den Problemen anderer Menschen herum. Die Lebenden sind ihr suspekt. Die Toten sind allerdings auch nicht immer von der angenehmsten Sorte. Und die Krähen, ihre Verbündeten im Kampf gegen renitente Geister, haben ihre eigene Agenda und man kann von Glück sagen, wenn sie überhaupt bei einem vereinbartem Treffpunkt auftauchen. Zum Glück gibt es den Großstadt-Hexenzirkel, in dem es sich vortrefflich über die Kundschaft lästern lässt. Dabei gibt es hier allerdings auch die eine oder andere angenehme oder unangenehme Verwicklung.
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Seitenzahl: 74
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Eigentlich schnüffelt die Geisterjägerin nur ungerne in den Problemen anderer Menschen herum. Die Lebenden sind ihr suspekt. Die Toten sind allerdings auch nicht immer von der angenehmsten Sorte. Und die Krähen, ihre Verbündeten im Kampf gegen renitente Geister, haben ihre eigene Agenda und man kann von Glück sagen, wenn sie überhaupt bei einem vereinbartem Treffpunkt auftauchen. Zum Glück gibt es den Großstadt-Hexenzirkel, in dem es sich vortrefflich über die Kundschaft lästern lässt. Dabei gibt es hier allerdings auch die eine oder andere angenehme oder unangenehme Verwicklung.
Chris* Lawaai schreibt queere Science Fiction und Urban Fantasy. Neben der schriftstellerischen Arbeit begeistert sier sich für Sprachen und Aikido, jobbt als Buchhalter*in und bastelt mit Papierund Audioformaten. Sier lebt in Berlin-Neukölln und twittert unter @flausensuppe.
Wie spukt es in diesem Haus
Muffins und Musik
Eine Frage der Loyalitäten
Thank you! Danksagungen
Content Notes
Lustlos radelte ich den Berg hoch. Die Schwerkraft, schlecht aufgepumpte Reifen und eine vor Urzeiten zum letzten Mal geölte Kette hatten sich gegen mich verbündet. Mein Gefährt quietschte und ratterte über das Kopfsteinpflaster. Dazu schwitzte ich stark und hoffte inständig, dass der Patchouli-Duft das überdecken würde. Das unbeständige Herbstwetter war schwer einzuschätzen und ich hatte ziemlich viele Schichten übereinander angezogen, als ich aus dem Haus ging. Jetzt war mir viel zu warm, aber ich hatte keine Zeit mehr, anzuhalten und etwas auszuziehen.
Einfamilien-Reihenhäuser zu beiden Seiten der Straße mit akkuraten Vorgärten waren nun freistehenden kleinen Villen mit größeren Gärten gewichen, die wahrscheinlich romantisch-verwildert wirken sollten. Auch zwischen dem Kopfsteinpflaster wuchs Gras. Hohe Alleebäume begannen, ihre gelben Blätter abzuwerfen. Hier war ich schon lange nicht mehr gewesen. Keine Ahnung wie sich jemand, der hier wohnte, auf meine Internetseite verirrt hatte.
Die Steigung nahm ab, ich hielt an und schaute nochmal auf der OpenStreetMap-App nach. Anscheinend war ich noch auf dem richtigen Weg. Eine tiefe Schwere überkam mich. Ich hatte keine Lust auf diesen Job. Viel lieber hätte ich mich auf den Rand des Gehsteigs gesetzt und eineSprachnachricht an Gröbert gesendet. Immer, wenn ich keine Lust hatte zu arbeiten, musste ich an ihn denken. Aber nie, wenn ich Zeit hatte.
„Los los”, redete ich mir gut zu und trat ordentlich in die Pedale, um die verlorene Zeit aufzuholen. Ich war schon ein bisschen zu spät. Schließlich hielt ich vor einem weißen Gartenzaun, von dem die Farbe abblätterte und schloss mein Fahrrad an.
Eine Frau stand schon in der Tür der hellblauen, mit sich bereits rot färbendem Wein bewachsenen Villa. Sie hatte ihre langen grauen Haare zu einem Pferdeschwanz gebundenen und sah aus, als hätte sie sich aus dem Hess Natur-Katalog eingekleidet. Dazu lächelte sie sympathisch. Ich konnte sie jetzt schon nicht leiden. Bei solchen Leuten spukte es fast nie. Man musste sie entweder bescheißen oder war ganz umsonst gekommen.
„Frau Jenssen?”, rief sie laut. Ich nickte und sie eilte zur Gartentür, um sie aufzuschließen.
Sie redete auf mich ein, während wir hineingingen, zwitscherte wie eine Lerche im Singflug, was nicht ganz zu ihrer stattlichen Figur passte. Lauter unwichtiges Zeug über das Wetter, ihren Garten, den beginnenden Herbst. Ich sah mich in Ruhe um. Alles bei ihr war gemütlich eingerichtet: Holz, weiche Stoffe, schöne Farben, vor allem grün, gelb und orange. Alles sauber. Wie sie das bloß immer machten, wahrscheinlich hatte sie jemanden dafür.
Sie ließ mich in einem Sessel Platz nehmen und schenkte Tee ein, der schon bereitstand; irgend so ein neumodisches Zeug mit albernem Namen, Überbordende Freude oder so. Ich nahm einen Schluck, sie redete immer noch.
Sie hatte einen Kamin, der allerdings nicht an war und ziemlich viele Pflanzen. Wahrscheinlich lebte sie alleinehier, ich konnte nicht die Handschrift einer anderen Person in dem Raum entdecken. Was machte sie bloß mit den anderen Räumen?
Schließlich ließ sie eine Pause, endlich. Sie hatte wohl alles gesagt, was ihr einfiel, um das Eis zu brechen - die Gelegenheit, um das Thema anzubringen, weswegen ich hergekommen war. Da ich nicht pro Stunde bezahlt wurde, sondern sozusagen mit einer Fallpauschale, hatte ich keine Lust, noch etwas über Kürbissuppe, Bodennebel oder emsige Eichhörnchen im Garten anzuhören.
„Und wie spukt es in diesem Haus?” fragte ich.
Die Frau (ich musste leider feststellen, dass ich mir ihren Namen nicht gemerkt hatte) wurde still. „Ich glaube, es ist mein verstorbener Mann,” sagte sie dann ernst.
„Woran merken sie das?”
„Man erkennt doch die Menschen, irgendwie fühlen sie sich alle besonders an. Ich wusste immer, ob er im Raum ist oder nicht. Und als er gestorben ist, habe ich immer noch seine Anwesenheit gespürt, das war noch mein altes Haus, wissen Sie, unser gemeinsames Haus in Hamburg.” Sie sagte tatsächlich „Hamburch”. „Ich bin dann umgezogen, hierher in dieses nette Häuschen vor zwei Jahren, ein Glück, dass ich es gefunden habe. Die Nachbarschaft ist auch echt nett. Und da habe ich ihn zuerst nicht mehr gespürt. Aber nach einiger Zeit, so nach fünf, sechs Monaten, war er wieder da.”
„Dann lassen Sie uns doch einmal schauen.” Ich öffnete meinen Rucksack und holte das Spukimeter heraus. Innerlich bereitete ich mich schon darauf vor, ihr zu sagen, dass eine Therapie sicher das Beste für sie sei. Bestimmt hatte sie schon eine gemacht. Aber noch eine konnte ja nicht schaden. Ich drehte an den Knöpfen herum, stimmtesozusagen mein Instrument, brachte es auf einen möglichst neutralen Zustand. Allerdings redete die Frau immer noch, sie spekulierte, wie seine Seele ruhelos umhergewandert sein musste, um sie nach ihrem Umzug zu suchen. Mitten im Winter, im Kalten und Dunkeln, ganz alleine, hunderte von Kilometern wie eine ausgesetzte Katze.
„Sie müssen jetzt mal kurz still sein”, sagte ich ihr, „sonst kann ich mein Gerät nicht ordentlich vorbereiten.”
„Entschuldigen Sie. Wissen Sie was, ich habe noch einen Kuchen in der Küche. Kürbiskuchen. Ich hole den mal.”
Als sie wiederkam, war ich fertig.
„Sehen Sie schon was?” fragte sie.
„Nein, aber gleich.” Ich versuchte, ganz ruhig zu bleiben. Wie immer, bevor ich das Spukimeter befragte, war ich plötzlich aufgeregt, obwohl es diesmal ganz sicher nichts anzeigen würde. Jeder Spuk war anders. Und jeder war eine Herausforderung. Ich setzte meine Kopfhörer auf und drückte den grünen Knopf.
Da war es, ganz deutlich. Das Pochen eines toten Herzens. Es pulsierte in einem unangenehmen Rhythmus, aufgeregt, drängend. Wusste der Untote, dass ich ihn entdeckt hatte?
Ich nahm die Kopfhörer ab und sah mich in dem Raum um. Nichts verriet die Anwesenheit des Geistes. Andererseits - die Frau, die mir gegenüber auf ihrem Sofa saß und die so aussah, als habe sie alles, was man zu einem guten Leben braucht, hatte es irgendwie gespürt. Sonst hätte sie mich nicht gerufen.
„Wie war Ihr Mann so… als Mensch?”, fragte ich. „Ich meine, als er noch gelebt hat.”
Stumm leistete ich Abbitte, denn natürlich gehörte es sich eigentlich nicht, über Anwesende in der dritten Person zusprechen. Ich dachte wieder an Gröbert, dessen Steckenpferd diese Regel war. Wie oft hatte er betrunken gegrölt: „Man zeigt nicht mit nacktem Finger auf angezogene Leute!”, wenn wir zusammen unterwegs waren, nachts von der Tanke noch ein Bier holen oder so. Während meine Auftraggeberin noch zu überlegen schien, nahm ich einen Schluck des Kräutertees, der ganz okay schmeckte. Viel Süßholz, dazu Melisse und etwas Erdiges. Beruhigend.
„Er war ein ganz Lieber”, sagte die Frau. Sie hatte ihre lavendelfarbene Strickjacke fester um sich gezogen, als würde sie frieren. „Ein ganz Lieber! Aber er wusste, was er wollte.” Sie sah mich forschend an, als wolle sie an meinem Gesichtsausdruck ablesen, ob ich mit diesen Plattitüden zufrieden war. Natürlich nicht. „Ich habe ihn sozusagen geschäftlich kennengelernt”, fügte sie noch hinzu, dann verfiel sie wieder in Schweigen. Die Zeit verrann zäh.
„Wie haben Sie ihn kennengelernt?”, fragte ich. Während ich auf ihre Antwort wartete, die sie mir nur zögernd geben wollte, sah ich mich unauffällig im Raum nach Fotos von ihm um. Es gab keine.
„Sie dürfen ihn aber nicht verurteilen, wenn ich es Ihnen verrate”, sagte sie schließlich.
„Ich bin nicht hier, um über Sie oder Ihnen Mann zu urteilen”, antwortete ich ausweichend, was ja auch stimmte. „Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, wenn möglich.”
„Er war mein Therapeut.” Sie sah mich wachsam an. „Die meisten Leute waren nicht einverstanden damit, obwohl wir die Therapie beendet haben, nachdem es mit uns losgegangen ist. Da hatten wir natürlich schon ein paar Mal miteinander geschlafen.” Wieder ein wachsamer Blick von ihr. „Das gehört sich natürlich nicht.” Blick nach unten, Lächeln, Erröten.
Es fiel mir nicht schwer, einen neutralen Blick beizubehalten. Irgendwie berührte mich diese Geschichte überhaupt nicht. Ich fühlte mich abgetrennt, wie in einer Kapsel.
„Wie alt waren Sie da?”, fragte ich ohne großes Interesse, um das Gespräch am Laufen zu halten.
„Zweiundzwanzig.”
„Und er?”
„Fünfzehn Jahre älter als ich.”
„Wie lief Ihre Ehe?”