Die große Märchensammlung von Andersen, Grimm und Hauff. 6. Band - Wilhelm Grimm - E-Book

Die große Märchensammlung von Andersen, Grimm und Hauff. 6. Band E-Book

Wilhelm Grimm

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Beschreibung

In dieser großen Sammlung werden sämtliche Märchen der Brüder Grimm vorgestellt. Die Brüder Jacob Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) stammten aus einer hessischen Beamten- und Pastorenfamilie. Nach dem Abitur in Kassel begannen beide Brüder in Marburg Jura zu studieren. Ab 1807 begannen sie Märchen zu sammeln und aus mündlicher Überlieferung aufzuzeichnen. 1812 erschien der erste Band ihrer "Kinder- und Hausmärchen". 1815 folgte der zweite Band. Beide Brüder rechneten nicht mit einem wirtschaftlichen Erfolg ihrer Märchensammlung. Sie sahen ihre Arbeit vielmehr als Dienst am deutschen Kulturerbe. 1840 wurden beide Brüder vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. als Mitglieder der "Akademie der Wissenschaften" mit einem Sondergehalt nach Berlin berufen. Dadurch kamen die Grimms in eine gehobene und gut bezahlte Position. Wie verabredet, arbeiteten und lebten die Grimms ihr ganzes Leben lang zusammen.

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Walter Brendel (Hrg.)

Die große Märchensammlung von Andersen, Grimm und Hauff

Komplettausgabe

6. Band

Die große Märchensammlung von Andersen, Grimm und Hauff

Komplettausgabe

6. Band

Walter Brendel (Hrg.)

Impressum

Texte: © Copyright by Walter Brendel (Hrg.)

Umschlag:© Copyright by Walter Brendel

Verlag:Das historische Buch, 2023

Mail: [email protected]

Druck:epubli - ein Service der neopubli GmbH,

Berlin

Inhalt

6. Band: Kinder- und Hausmärchen

Vollständige Ausgabe vonJacob und Wilhelm Grimm

90. Der junge Riese

100. Des Teufels rußiger Bruder

110. Der Jude im Dorn

120. Die drei Handwerksburschen

130. Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein

140. Das Hausgesinde

150. Die alte Bettelfrau

160. Rätselmärchen

170. Lieb und Leid teilen

180. Die ungleichen Kinder Evas

190. Die Brosamen auf dem Tisch

200. Der goldene Schlüssel

Kinderlegenden

6. Band: Kinder- und Hausmärchen

Vollständige Ausgabe von

Jacob und Wilhelm Grimm

90. Der junge Riese

Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen und ward gar nicht größer und wuchs in etlichen Jahren nicht ein Haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pflügen, da sagte der Kleine: »Vater, ich will mit hinaus.« »Du willst mit hinaus?«, sprach der Vater, »bleib du hier, dort bist du zu nichts nutz: du könntest mir auch verloren gehen.« Da fing der Däumling an zu weinen, und um Ruhe zu haben, steckte ihn der Vater in die Tasche und nahm ihn mit. Draußen auf dem Felde holte er ihn wieder heraus und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam über den Berg ein großer Riese daher. »Siehst du dort den großen Butzemann?« sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig wäre, »der kommt und holt dich.« Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen kaum ein paar Schritte gethan, so war er bei der Furche. Er hob den kleinen Däumling mit zwei Fingern behutsam in die Höhe, betrachtete ihn und ging ohne ein Wort zu sprechen mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schrecken keinen Laut hervorbringen und dachte nicht anders, als sein Kind für verloren, also daß er's sein, Lebtag nicht wieder mit Augen sehen würde.

Der Riese aber trug es heim und ließ es an seiner Brust saugen, und der Däumling wuchs und ward groß und stark nach Art der Riesen. Nach Verlauf von zwei Jahren ging der Alte mit ihm in den Wald, wollte ihn versuchen und sprach: »Zieh dir eine Gerte heraus.« Da war der Knabe schon so stark, daß er einen jungen Baum mit den Wurzeln aus der Erde riß. Der Riese aber meinte: »Das muß besser kommen,« nahm ihn wieder mit und säugte ihn noch zwei Jahre. Als er ihn versuchte, hatte seine Kraft schon so zugenommen, daß er einen alten Baum aus der Erde brechen konnte. Das war dem Riesen noch immer nicht genug, er säugte ihn abermals zwei Jahre, und als er dann mit ihm in den Wald ging und sprach: »Nun reiß einmal eine ordentliche Gerte aus,« so riß der Junge den dicksten Eichenbaum aus der Erde, daß er krachte, und war ihm nur ein Spaß. »Nun ist's genug,« sprach der Riese, »du hast ausgelernt,« und führte ihn zurück auf den Acker, wo er ihn geholt hatte. Sein Vater stand da hinter dem Pflug, der junge Riese ging auf ihn zu und sprach: »Sieht Er wohl, Vater, was sein Sohn für ein Mann geworden ist.« Der Bauer erschrak und sagte: »Nein, du bist mein Sohn nicht, ich will dich nicht, geh weg von mir.« »Freilich bin ich sein Sohn, laß Er mich an die Arbeit, ich kann pflügen so gut als Er und noch besser.« »Nein, nein, du bist mein Sohn nicht, du kannst auch nicht pflügen, geh weg, von mir.« Weil er sich aber vor dem großen Mann fürchtete, ließ er den Pflug los, trat zurück und setzte sich zur Seite ans Land. Da nahm der Junge das Geschirr und drückte bloß mit einer Hand darauf, aber der Druck war so gewaltig, daß der Pflug tief in die Erde ging. Der Bauer konnte das nicht mit ansehen und rief ihm zu: »Wenn du pflügen willst, mußt du nicht so gewaltig drücken, das giebt schlechte Arbeit.« Der Junge aber spannte die Pferde aus, zog selber den Pflug und sagte: »Geh Er nur nach Haus, Vater, und laß Er die Mutter eine große Schüssel voll Essen kochen; ich will derweil den Acker schon umreißen.« Da ging der Bauer heim und bestellte das Essen bei seiner Frau; der Junge aber pflügte das Feld, zwei Morgen groß, ganz allein, und dann spannte er sich auch selber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zugleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbäume aus, legte sie auf die Schultern, und hinten und vorn eine Egge daraus, und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles, als wär es ein Bund Stroh, nach seiner Eltern Haus. Wie er in den Hof kam, erkannte ihn seine Mutter nicht und fragte: »Wer ist der entsetzliche große Mann?« Der Bauer sagte: »Das ist unser Sohn.« Sie sprach: »Nein, unser Sohn ist das nimmermehr, so groß haben wir keinen gehabt, unser war ein kleines Ding.« Sie rief ihm zu: »Geh fort, wir wollen dich nicht.« Der Junge schwieg still, zog seine Pferde in den Stall, gab ihnen Hafer und Heu, alles wie sich's gehörte. Als er fertig war, ging er in die Stube, setzte sich auf die Bank und sagte: »Mutter, nun hätte ich Lust zu essen, ist's bald fertig?« Da sagte sie: »Ja,« und brachte zwei große Schüsseln voll herein, daran hätte sie und ihr Mann acht Tage lang satt gehabt. Der Junge aber aß sie allein aus und fragte, ob sie nicht mehr vorsetzen könnte? »Nein,« sagte sie, »das ist alles, was wir haben.« »Das war ja nur zum Schmecken, ich muß mehr haben.« Sie getraute nicht ihm zu widerstehen, ging hin und setzte einen großen Schweinekessel voll übers Feuer, und wie es gar war, trug sie es herein. »Endlich kommen noch ein paar Brocken,« sagte er und aß alles hinein; es war aber doch nicht genug seinen Hunger zu stillen. Da sprach er: »Vater, ich sehe wohl, bei Ihm werde ich nicht satt, will Er mir einen Stab von Eisen verschaffen, der stark ist und den ich vor meinen Knien nicht zerbrechen kann, so will ich fort in die Welt gehen.« Der Bauer war froh, spannte seine zwei Pferde vor den Wagen und holte bei dem Schmied einen Stab so groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fortschaffen konnten. Der Junge nahm ihn vor die Knie und ratsch! brach er ihn wie eine Bohnenstange in der Mitte entzwei und warf ihn weg. Der Vater spannte vier Pferde vor und holte einen Stab so groß und dick, als ihn die vier Pferde fortschaffen konnten. Der Sohn knickte auch diesen vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und sprach: »Vater, der kann mir nicht helfen, Er muß besser vorspannen und einen stärkeren Stab holen.« Da spannte der Vater acht Pferde vor und holte einen so groß und dick, als ihn die acht Pferde herbeifahren konnten. Wie der Sohn den in die Hand nahm, brach er gleich oben ein Stück davon ab und sagte: »Vater, ich sehe, Er kann mir keinen Stab anschaffen wie ich ihn brauche, ich will nicht länger bei Ihm bleiben.«

Da ging er fort und gab sich für einen Schmiedegesellen aus. Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geizmann, gönnte keinem Menschen etwas und wollte alles allein haben; zu dem trat er in die Schmiede und fragte, ob er keinen Gesellen brauchte. »Ja,« sagte der Schmied, sah ihn an und dachte: »Das ist ein tüchtiger Kerl, der wird gut vorschlagen und sein Brot verdienen.« Er fragte: »Wie viel willst du Lohn haben?« »Gar keinen will ich haben,« antwortete er, »nur alle vierzehn Tage, wenn die anderen Gesellen ihren Lohn bezahlt kriegen, will ich dir zwei Streiche geben, die mußt du aushalten.« Das war der Geizmann von Herzen zufrieden und dachte damit viel Geld zu sparen. Am anderen Morgen sollte der fremde Geselle zuerst vorschlagen, wie aber der Meister den glühenden Stab brachte und jener den ersten Schlag that, so flog das Eisen voneinander und der Amboß sank in die Erde, so tief, daß sie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten. Da ward der Geizmann bös und sagte: »Ei was, dich kann ich nicht brauchen, du schlägst gar zu grob, was willst du für den einen Zuschlag haben?« Da sprach er: »Ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben, weiter nichts.« Und hob seinen Fuß auf und gab ihm einen Tritt, daß er über vier Fuder Heu hinausflog. Darauf suchte er sich den dicksten Eisenstab aus, der in der Schmiede war, nahm ihn als einen Stock in die Hand und ging weiter.

Als er eine Weile gezogen war, kam er zu einem Vorwerk und fragte den Amtmann, ob er keinen Großknecht nötig hätte. »Ja,« sagte der Amtmann, »ich kann einen brauchen; du siehst aus wie ein tüchtiger Kerl, der schon was vermag, wie viel willst du Jahreslohn haben?« Er antwortete wiederum, er verlangte gar keinen Lohn, aber alle Jahre wollte er ihm drei Streiche geben, die müßte er aushalten. Das war der Amtmann zufrieden, denn er war auch ein Geizhals. Am anderen Morgen, da sollten die Knechte ins Holz fahren, und die anderen Knechte waren schon auf, er aber lag noch im Bett. Da rief ihn einer an: »Steh auf, es ist Zeit, wir wollen ins Holz, und du mußt mit.« »Ach,« sagte er ganz grob und trotzig, »geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder als ihr alle miteinander.« Da gingen die anderen zum Amtmann und erzählten ihm, der Großknecht läge noch im Bett und, wollte nicht mit ins Holz fahren. Der Amtmann sagte, sie sollten ihn noch einmal wecken und ihn heißen die Pferde vorspannen. Der Großknecht aber sprach wie vorher: »Geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder als ihr alle miteinander.« Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen, da stieg er endlich aus den Federn, holte sich aber erst zwei Scheffel voll Erbsen vom Boden, kochte sich einen Brei und aß den mit guter Ruhe, und wie das alles geschehen war, ging er hin, spannte die Pferde vor und fuhr ins Holz. Nicht weit vor dem Holz war ein Hohlweg, wo er durch mußte, da fuhr er den Wagen erst vorwärts, dann mußten die Pferde stille halten, und er ging hinter den Wagen, nahm Bäume und Reisig und machte da eine große Hucke (Verhack), sodaß kein Pferd durchkommen konnte. Wie er nun vors Holz kam, fuhren die anderen eben mit ihren beladenen Wagen heraus und wollten heim, da sprach er zu ihnen: »Fahrt nur hin, ich komme doch eher als ihr nach Haus.« Er fuhr gar nicht weit ins Holz, riß gleich zwei der allergrößten Bäume aus der Erde, warf sie auf den Wagen und drehte um. Als er vor der Hucke anlangte, standen die anderen noch da und konnten nicht durch. »Seht ihr wohl,« sprach er, »wärt ihr bei mir geblieben, so wärt ihr ebenso schnell nach Haus gekommen und hättet noch eine Stunde schlafen können.« Er wollte nun zufahren, aber seine Pferde konnten sich nicht durcharbeiten, da spannte er sie aus, legte sie oben auf den Wagen, nahm selber die Deichsel in die Hand, und hüf! zog er alles durch, und das ging so leicht als hätte er Federn geladen. Wie er drüben war, sprach er zu den anderen: »Seht ihr wohl, ich bin schneller hindurch als ihr,« fuhr weiter, und die anderen mußten stehen bleiben. In dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand, zeigte ihn dem Amtmann und sagte: »Ist das nicht ein schönes Klafterstück?« Da sprach der Amtmann, zu seiner Frau: »Der Knecht ist gut; wenn er auch lange schläft, er ist doch eher wieder da als die anderen.«

Nun diente er dem Amtmann ein Jahr; wie das herum war, und die anderen Knechte ihren Lohn kriegten, sprach er es wäre Zeit, er wollte sich auch seinen Lohn nehmen. Dem Amtmann ward aber angst vor den Streichen, die er kriegen sollte, und bat ihn inständig, er möchte sie ihm schenken, lieber wollte er selbst Großknecht werden, und er sollte Amtmann sein. »Nein,« sprach er, »ich will kein Amtmann werden, ich bin Großknecht und will's bleiben, ich will aber austeilen was bedungen ist.« Der Amtmann wollte ihm geben, was er nur verlangte, aber es half nichts, der Großknecht sprach zu allem: »Nein.« Da wußte sich der Amtmann nicht zu helfen und bat ihn um vierzehn Tage Frist, er wollte sich auf etwas besinnen. Der Großknecht sprach, die Frist sollte er haben. Der Amtmann berief alle seine Schreiber zusammen, sie sollten sich bedenken und ihm einen Rat geben. Die Schreiber besannen sich lange, endlich sagten sie, vor dem Großknecht wäre niemand seines Lebens sicher, der schlüge einen Menschen wie eine Mücke tot. Er sollte ihn heißen, in den Brunnen steigen und ihn reinigen, wenn er unten wäre, wollten sie einen von den Mühlsteinen, die da lägen, herbeirollen und ihm auf den Kopf werfen, dann würde er nicht wieder an das Tageslicht kommen. Der Rat gefiel dem Amtmann, und der Großknecht war bereit in den Brunnen hinabzusteigen. Als er unten auf dem Grund stand, rollten sie den größten Mühlstein hinab, und meinten der Kopf wäre ihm eingeschlagen, aber er rief: »Jagt, die Hühner vom Brunnen weg, die kratzen da oben im Sand und werfen mir die Körner in die Augen, daß ich nicht sehen kann.« Da rief der Amtmann: »Husch! husch!« und that als scheuchte er die Hühner weg. Als der Großknecht mit seiner Arbeit fertig war, stieg er herauf und sagte: »Seht einmal, ich habe doch ein schönes Halsband um,« da war es der Mühlstein, den er um den Hals trug. Der Großknecht wollte jetzt seinen Lohn nehmen, aber der Amtmann bat wieder um vierzehn Tage Bedenkzeit. Die Schreiber kamen zusammen und gaben den Rat, er sollte den Großknecht in die verwünschte Mühle schicken, um dort in der Nacht Korn zu mahlen; von da wäre noch kein Mensch morgens lebendig herausgekommen. Der Anschlag gefiel dem Amtmann, er rief den Großknecht noch denselben Abend und hieß ihn acht Malter in die Mühle fahren und in der Nacht noch mahlen; sie hätten's nötig. Da ging der Großknecht auf den Boden und that zwei Malter in seine rechte Tasche, zwei in die linke, vier nahm er in einem Quersack halb auf den Rücken, halb auf die Brust, und ging also beladen nach der verwünschten Mühle. Der Müller sagte ihm, bei Tag könnte er recht gut da mahlen, aber nicht in der Nacht, da wäre die Mühle verwünscht, und wer da noch hinein gegangen wäre, den hätte man am Morgen tot darin gefunden. Er sprach: »Ich will schon durchkommen, macht Euch nur fort und legt Euch aufs Ohr.« Darauf ging er in die Mühle und schüttete das Korn auf. Gegen elf Uhr ging er in die Müllerstube und setzte sich auf die Bank. Als er ein Weilchen da gesessen hatte, that sich auf einmal die Thür auf und kam eine große große Tafel herein, und auf die Tafel stellte sich Wein und Braten und viel gutes Essen, alles von selber, denn es war niemand da, der's auftrug. Und danach rückten sich die Stühle herbei, aber es kamen keine Leute, bis auf einmal sah er Finger, die hantierten mit den Messern und Gabeln und legten Speisen auf die Teller, aber sonst konnte er nichts sehen. Da er hungrig war und die Speisen sah, so setzte er sich auch an die Tafel, aß mit und ließ sich's gut schmecken. Als er satt war und die anderen ihre Schüsseln auch ganz leer gemacht hatten, da wurden die Lichter auf einmal alle ausgeputzt, das hörte er deutlich, und wie's nun stockfinster war, so kriegte er so etwas wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Da sprach er: »Wenn noch einmal so etwas kommt, so teil ich auch wieder aus.« Und wie er zum zweitenmale eine Ohrfeige kriegte, da schlug er gleichfalls mit hinein. Und so ging das fort die ganze Nacht er nahm nichts umsonst, sondern gab reichlich zurück und schlug nicht faul um sich herum; bei Tagesanbruch aber hörte alles auf. Wie der Müller aufgestanden war, wollte er nach ihm sehen und verwunderte sich, daß er noch lebte. Da sprach er: »Ich habe mich satt gegessen, habe Ohrfeigen gekriegt, aber ich habe auch Ohrfeigen ausgeteilt.« Der Müller freute sich und sagte, nun wäre die Mühle erlöst, und wollte ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er sprach aber: »Geld will ich nicht, ich habe doch genug.« Dann nahm er sein Mehl auf den Rücken, ging nach Haus und sagte dem Amtmann, er hätte die Sache ausgerichtet und wollte nun seinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hörte, da ward ihm erst recht angst: er wußte sich nicht zu lassen, ging in der Stube auf und ab, und die Schweißtropfen liefen ihm von der Stirn herunter. Da machte er das Fenster auf nach frischer Luft, ehe er sich's aber versah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenster in die Luft hineinflog, immer fort, bis ihn niemand mehr sehen konnte. Da sprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns: »Kommt er nicht wieder, so müßt Ihr den anderen Streich hinnehmen.« Sie rief: »Nein, nein, ich kanns nicht aushalten,« und machte das andere Fenster auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirn herunter liefen. Da gab er ihr einen Tritt, daß sie gleichfalls hinausflog, und da sie leichter war, noch viel höher als ihr Mann. Der Mann rief: »Komm doch zu mir,« sie aber rief: »Komm du zu mir, ich kann nicht zu dir.« Und sie schwebten da in der Luft, und konnte keins zum anderen kommen, und ob sie da noch schweben, das weiß ich nicht; der junge Riese aber nahm seine Eisenstange und ging weiter.

91. Dat Erdmänneken

Et was mal en rik Künig west, de hadde drei Döchter had, de wören alle Dage in den Schlottgoren spazeren gaen, un de Künig, dat was so en Leivhawer von allerhand wackeren Bömen west: un einen, den hadde he so leiv had, dat he denjenigen, de ümme en Appel dervon plückede, hunnerd Klafter unner de Eere verwünschede. As et nu Hervest war, da worden de Appel an den einen Baume so raut ase Blaud. De drei Döchter gungen alle Dage unner den Baum un seihen to ov nig de Wind 'n Appel herunner schlagen hädde, awerst se fannen er Levedage kienen, un de Baum de satt so vull, dat he breken wull, un de Telgen (Zweige) hungen bis up de Eere. Da gelustede den jungesten Künigskinne gewaldig un et segde to sinen Süstern: »Use Teite (Vater), det hett us viel to leiv, ase dat he us verwünschen deihe: ik glöve dat he dat nur wegen de frümden Lude dahen hat.« Un indes plücked dat Kind en gans dicken Appel af un sprunk für sinen Süstern und segde: »A, nu schmecket mal, mine lewen Süsterkes, nu hew ik doch min Levedage so wat schönes no nig schmecket.« Da beeten de beiden annern Künigsdöchter auch mal in den Appel, un da versünken se alle drei deip unner de Eere, dat kien Haan mer danach krähete.

As et da Middag is, da wull se de Künig do Diske roopen, do sind so nirgends to finnen: he söket se so viel im Schlott un in Goren, awerst he kun se nig finnen. Da werd he so bedröwet un let dat ganse Land upbeien (aufbieten), un wer ünne sine Döchter wier brechte, de sull ene davon tor Fruen hewen. Da gahet so viele junge Lude uwer Feld un söket, dat is gans ut der Wiese (über alle Maßen), denn jeder hadde he drei Kinner geren had, wiil se wören gegen jedermann so fründlig un so schön von Angesichte west. Un et togen auck drei Jägerburschen ut, un ase da wol en acht Dage riefet hadden, da kümmet se up en grot Schlott, da woren so hübsche Stoben inne west, un in keinen Zimmer is en Disch decket, darup wören so söte Spisen, de sied noch so warme dat se dampet, awerst in den ganzen Schlott, is kien Minsk to hören noch to seihen. Do wartet se noch en halwen Dag, un de Spisen bliwet immer warme un dampet, bis up et lest, da weret se so hungerig, dat se sik derbie settet un ettet, un macket mit en anner ut, se wüllen up den Schlotte wuhnen bliewen, un wüllen darümme loosen, dat eine in Huse blev un de beiden annern de Döchter söketen; dat doet se auck, un dat Los dreppet den ölesten. Den annern Dag da gaet de twei jüngesten söken, un de öleste mot to Huse bliewen. Am Middoge kümmt der so en klein klein Männeken un hölt um 'n Stückesken Braud ane, da nümmt he von dem Braude, wat he da funnen hädde, un schnitt en Stücke rund umme den Braud weg un will ünne dat giewen, indes dat he et ünne reiket, lett et dat kleine Männeken fallen und segd, he sulle dok so gut sin un giewen ün dat Stücke wier. Da will he dat auck doen und bucket sik, mit des nümmt, dat Männeken en Stock un packt ünne bie den Haaren un gift ünne düete Schläge. Den anneren Dag, da is de tweide to Hus bliewen, den geit et nicks better. Ase de beiden annern da den Awend nah Hus kümmet, da segt de öleste: »No, wie hätt et die dann gaen?« »O, et geit mit gans schlechte.« Da klaget se sik enanner ere Naud, awerst den jungesten hadden se nicks davonne sagd, den hadden se gar nig lien (leiden) mögt un hadden ünne jummer den dummen Hans heiten, weil he nig recht van de Weld was. Den dritten Dag, da blivt de jungeste to Hus, da kümmet dat kleine Männeken wier und holt um en Stücksken Braud an; da he ünne dat giewen hätt, let he et wier fallen un segt he mügte dock so gut sien un reicken ünne dat Stücksken wier. Da segd he to den kleinen Männeken: »Wat! kannst du dat Stücke nig sulwens wier up nümmen, wenn du die de Möhe nig mal um dine dägliche Narunge giewen wust, so bist du auck nich wert, dat du et etest.« Da word dat Männeken so bös und segde he möst et doen: he awerst nig fuhl, nam min lewe Männeken un drosch et duet dör (tüchtig durch). Da schriege dat Männeken so viel un rep: »Hör up, hör up, un lat mie geweren, dann will ik die auck seggen, wo de Künigsdöchter sied.« Wie he dat hörde, häll hei üp to slaen, un dat Männeken vertelde he wör en Erdmänneken, un sulke wären mehr ase dusend, he mögte man mit ünne gaen, dann wulle he ünne wiesen wo de Künigsdöchter weren. Da wist he ünne en deipen Born, da is awerst kien Water inne west. Da segt dät Männeken, he wüste wohl dat et sine Gesellen nig ehrlich mit ünne meinten, wenn he de Künigskinner erlösen wulle, dann möste he et alleine doen. De beiden annern Broer wullen wohl auck geren de Künigsdöchter wier hewen, awerst se wullen der kiene Möge un Gefahr umme doen, he möste so en grauten Korv nümmen, un möste sik mit sinen Hirschfänger un en Schelle darinne setten un sik herunter winnen laten: unnen da wören drei Zimmer, in jeden sette ein Künigskind un hädde en Drachen mit villen Köppen to lusen, den möste he de Köppe afschlagen. Ase dat Erdmänneken nu dat alle sagd hadde, verschwand et. Ase't Awend is, da kümmet de beiden annern un fraget wie et ün gaen hädde, da segd he: »O, so wit gut,« un hädde keinen Minsken sehen, ase des Middags, da wer so ein klein Männeken kummen, de hädde ün umme en Stücksken Braud biddit, do he et ünne giewen hädde, hädde dat Männeken et fallen laten un hädde segd, he mögtet ünne doch wier üp nümmen, wie he dat nig hadde doen wullt, da hädde et anfangen to puchen, dat hädde he awerst unrecht verstan un hädde dat Männeken prügelt, un da hädde et ünne vertellt wo de Künigsdöchter wären. Da ärgerten sik de beiden so viel, dat se gehl un grön wören. Den annern Morgen da gungen se to haupe an den Born un mackten Lose, wer sik dat erste in den Korv setten sulle, da feel dat Los wier den öllesten to, he mot sik darin fetten un de Klingel mitnümmen. Da segd he: »Wenn ik klingele, so mutt gi mik nur geschwinne wier herupwinnen.« Ase he en bitken herunner is, da klingelte wat, da winnen se ünne wier heruper; da sett sik de tweide herinne, de maket ewen sau; nu kümmet dann auck de Riege an den jungesten, de lät sik awerst gans drinne runner winnen. Ase he ut den Korve stiegen is, da nümmet he sienen Hirschfänger un geit vor der ersten Doer staen un lustert, da hort he den Drachen gans lute schnarchen. He macket langsam de Döre oppen, da sitt da de eine Künigsdochter und häd op eren Schot niegene (neun) Drachenköppe ligen un luset de. Da nümmet he sinen Hirschfänger und hogge to, da siet de niegne Koppe awe. De Künigsdochter sprang up un fäl ünne um den Hals un drucket un piepete (küßte) ünn so viel, un nümmet ihr Bruststücke, dat wor von rauen Golle west, un henget ünne dat umme. Da geit he auck nach der tweiden Künigsdochter, de häd en Drachen mit sieven Köppe to lusen un erlöset de auck, so de jungeste, de hadde en Drachen mit viere Köppen to lusen had, da geit he auck hinne. Do froget se sich alle so viel, un drucketen un piepeten ohne uphören. Da klingelte he sau harde, bis dat se owen hört. Da set he de Künigsdöchter ein nach der annern in den Korv un let se alle drei heruptrecken, wie nu an ünne de Riege kümmt, da fallet ün de Woore (Worte) von den Erdmänneken wier bie, dat et sine Gesellen mit ünne nig gut meinden. Da nümmet he en groten Stein de da ligt un legt ün in den Korv, ase de Korv da ungefähr bis in de Midde herup is, schnien de falsken Broer owen dat Strick af, dat de Korv mit den Stein up den Grund füll, un meinten he wäre nu daude, un laupet mit de drei Künigsdöchter wege un lotet sik dervan verspreken dat se an ehren Vater seggen willt dat se beiden se erlöset hädden; da kümmet se tom Künig, un begert se tor Fruen. Unnerdies geit de jungeste Jägerbursche gans bedröwet in den drei Kammern herummer un denket dat he nu wull sterwen möste, da süht he an der Wand 'n Fleutenpiepe hangen, da segd he: »Worümme hengest du da wull, hier kann ja doch keiner lustig sin?« He bekucket auck de Drachenköpp un segd: »Ju künnt mie nu auck nig helpen.« He geit so mannigmal up un af spatzeren, dat de Erdboden davon glatt werd. Un et lest, da kriegt he annere Gedanken, da nümmet he de Fleutenpiepen van der Wand un blest en Stücksken, up eenmahl kummet da so viele Erdmännekens, bie jeden Don, den he däht, kummt eint mehr; da blest he so lange dat Stücksken, bis det Zimmer stopte vull is. De fraget alle wat sin Begeren wöre, da segd he he wull geren wier up de Eere an Dages Licht, da satten se ünne alle an, an jeden Spir (Faden) Haar, wat he up sinen Koppe hadde, un sau steiget se mit ünne herupper bis up de Eere. Wie he owen is, geit he glick nach den Künigsschlott wo grade de Hochtit mit der einen Künigsdochter sin sulle, un geit up den Zimmer, wo de Künig mit sinen drei Döchtern is. Wie ünne da de Kinner seihet, da wered se gans beschwämt (ohnmächtig). Da werd de Künig so böse un let ünne glick in een Gefängnisse setten, weil he meint he hädde den Kinnern en Leid anne daen. Ase awer de Künigsdöchter wier to sik kummt, da biddet se so viel he mogte ünne doch wier lose laten. De Künig fraget sie worümme, da segd se dat se dat nig vertellen dorften, awerst de Vaer de segd se füllen et den Owen (Ofen) vertellen. Da geit he herut un lustert an de Döre ün hört alles. Da lät he de beiden an en Galgen hängen, un den einen givt he de jungeste Dochter; un da trok ik en Paar gläserne Schohe an, un da stott ik an en Stein, da segd et »klink!« da wören se kaput.

92. Der König vom goldenen Berg

Ein Kaufmann, der hatte zwei Kinder, einen Buben und ein Mädchen, die waren beide noch klein und konnten noch nicht laufen. Es gingen aber zwei reichbeladene Schiffe von ihm auf dem Meere, und sein ganzes Vermögen war darin, und wie er meinte dadurch viel Geld zu gewinnen, kam die Nachricht, sie wären versunken. Da war er nun statt eines reichen Mannes ein armer Mann und hatte nichts mehr übrig als einen Acker vor der Stadt. Um sich sein Unglück ein wenig aus den Gedanken zu schlagen, ging er hinaus auf den Acker, und wie er da so auf- und abging, stand auf einmal ein kleines schwarzes Männchen neben ihm und fragte, warum er so traurig wäre, und was er sich so sehr zu Herzen nähme. Da sprach der Kaufmann: »Wenn du mir helfen könntest, wollt ich dir es wohl sagen.« »Wer weiß,« antwortete das schwarze Männchen, »vielleicht helf ich dir.« Da erzählte der Kaufmann, daß ihm sein ganzer Reichtum auf dem Meer zu Grunde gegangen wäre, und hätte er nichts mehr übrig als diesen Acker. »Bekümmere dich nicht,« sagte das Männchen, »wenn du mir versprichst das, was dir zu Haus am ersten widers Bein stößt, in zwölf Jahren hierher auf den Platz zu bringen, sollst du Geld haben so viel du willst.« Der Kaufmann dachte: »Was kann das anders sein als mein Hund?« aber an seinen kleinen Jungen dachte er nicht und sagte ja, gab dem schwarzen Mann Handschrift und Siegel darüber und ging nach Haus.

Als er nach Haus kam, da freute sich sein kleiner Junge so sehr darüber, daß er sich an den Bänken hielt, zu ihm herbei wackelte und ihn an den Beinen fest packte. Da erschrak der Vater, denn es fiel ihm sein Versprechen ein und er wußte nun, was er verschrieben hatte; weil er aber immer noch kein Geld in seinen Kisten und Kasten fand, dachte er es wäre nur ein Spaß von dem Männchen gewesen. Einen Monat nachher ging, er auf den Boden und wollte altes Zinn zusammen suchen, und verkaufen, da sah er einen großen Haufen Geld liegen. Nun war er wieder guter Dinge, kaufte ein, ward ein größerer Kaufmann als vorher und ließ Gott einen guten Mann sein. Unterdessen ward der Junge groß und dabei klug und gescheit. Je näher aber die zwölf Jahre herbei kamen, je sorgenvoller ward der Kaufmann, sodaß man ihm die Angst im Gesicht sehen konnte. Da fragte ihn der Sohn einmal was ihm fehlte; der Vater wollte es nicht sagen, aber jener hielt so lange an, bis er ihm endlich sagte, er hätte ihn, ohne es zu wissen was er verspräche, einem schwarzen Männchen zugesagt und vieles Geld dafür bekommen. Er hätte seine Handschrift mit Siegel darüber gegeben, und nun müßte er ihn, wenn zwölf Jahre herum wären, ausliefern. Da sprach der Sohn: »O Vater, laßt Euch nicht bang sein, das, soll schon gut werden; der Schwarze hat doch keine Macht über mich.«

Der Sohn ließ sich von dem Geistlichen segnen, und als die Stunde kam, gingen sie zusammen hinaus auf den Acker, und der Sohn machte einen Kreis und stellte sich mit seinem Vater hinein. Da kam das schwarze Männchen und sprach zu dem Alten: »Hast du mitgebracht, was du mir versprochen hast?« Er schwieg still, aber der Sohn fragte: »Was willst du hier?« Da sagte das schwarze Männchen: »Ich habe mit deinem Vater zu sprechen und nicht mit dir.« Der Sohn antwortete: »Du hast meinen Vater betrogen und verführt, gieb die Handschrift heraus.« »Nein,« sagte das schwarze Männchen, »mein Recht geb ich nicht auf.« Da redeten sie noch lange miteinander, endlich wurden sie einig, der Sohn, weil er nicht dem Erbfeind und nicht mehr seinem Vater zugehörte, sollte sich in ein Schiffchen setzen, das auf, einem hinabwärtsfließenden Wasser stände, und der Vater sollte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen, und, dann sollte der Sohn dem Wasser überlassen bleiben. Da nahm er Abschied von seinem Vater, setzte sich in ein Schiffchen, und der Vater mußte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen. Das Schiffchen schlug um, sodaß der unterste Teil oben war, die Decke aber im Wasser; und der Vater glaubte, sein Sohn wäre verloren, ging heim und trauerte um ihn.

Das Schiffchen aber versank nicht, sondern floß ruhig fort, und der Jüngling saß sicher darin; und so floß es lange, bis es endlich an einem unbekannten Ufer festsitzen blieb. Da stieg er ans Land, sah ein schönes Schloß vor sich liegen und ging darauf los. Wie er aber hineintrat, war es verwünscht; er ging durch alle Zimmer, aber sie waren leer, bis er in die letzte Kammer kam, da lag eine Schlange darin und ringelte sich. Die Schlange aber war eine verwünschte Jungfrau, die freute sich, wie sie ihn sah, und sprach zu ihm: »Kommst du, mein Erlöser? auf dich habe ich schon zwölf Jahre gewartet; dies Reich ist verwünscht, und du mußt es erlösen.« »Wie kann ich das?« fragte er. »Heute Nacht kommen zwölf schwarze Männer, die mit Ketten behangen sind, die werden dich fragen was du hier machst, da schweig aber still und gieb ihnen keine Antwort, und laß sie mit dir machen was sie wollen; sie werden dich quälen, schlagen und stechen, laß alles geschehen, nur rede nicht; um zwölf Uhr müssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwölf andere kommen, in der dritten vierundzwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwölf Uhr ist ihre Macht vorbei, und wenn du dann ausgehalten und kein Wörtchen gesprochen hast, so bin ich erlöst. Ich komme zu dir, und habe in einer Flasche das Wasser des Lebens, damit bestreiche ich dich, und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zuvor.« Da sprach er: »Gern will ich dich erlösen.« Es geschah nun alles so, wie sie gesagt hätte: die schwarzen Männer konnten ihm kein Wort abzwingen, und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schönen Königstochter, die kam mit dem Wasser des Lebens und machte ihn wieder lebendig. Und dann fiel sie ihm um den Hals und küßte ihn, und es war Jubel und Freude im ganzen Schloß. Da wurde ihre Hochzeit gehalten und er war König vom goldenen Berg.

Also lebten sie vergnügt zusammen, und die Königin gebar einen schönen Knaben. Acht Jahre waren schon herum, da fiel ihm sein Vater ein und sein Herz ward bewegt, und er wünschte ihn einmal heimzusuchen. Die Königin wollte ihn aber nicht fortlassen und sagte: »Ich weiß schon, daß es mein Unglück ist,« er ließ ihr aber keine Ruhe bis sie einwilligte. Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wünschring und sprach: »Nimm diesen Ring und steck ihn an deinen Finger, so wirst du alsbald dahin versetzt, wo du dich hinwünschest, nur mußt du mir versprechen, daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wünschen.« Er versprach ihr das, steckte den Ring an seinen Finger und wünschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Im Augenblick befand er sich auch dort und wollte in die Stadt; wie er aber vors Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er seltsame und doch so reiche und prächtige Kleider anhatte. Da ging er auf einen Berg, wo ein Schäfer hütete, tauschte mit diesem die Kleider und zog den alten Schäferrock an und ging also ungestört in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber glaubte nimmermehr, daß es sein Sohn wäre und sagte, er hätte zwar einen Sohn gehabt, der wäre aber längst tot; doch weil er sähe, daß er ein armer dürftiger Schäfer wäre, so wollte er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schäfer zu seinen Eltern: »Ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen könnt?« »Ja,« sagte die Mutter, »unser Sohn hatte eine Himbeere unter dem rechten Arm.« Er streifte das Hemd zurück, da sahen sie die Himbeere unter seinem rechten Arm und zweifelten nicht mehr, daß es ihr Sohn wäre. Darauf erzählte er ihnen, er wäre König vom goldenen Berg und eine Königstochter wäre seine Gemahlin, und sie hätten einen schönen Sohn von sieben Jahren. Da sprach der Vater: »Nun und nimmermehr ist das wahr: das ist mir ein schöner König, der in einem zerlumpten Schäferrock hergeht.« Da ward der Sohn zornig und drehte, ohne an sein Versprechen zu denken, den Ring herum und wünschte beide, seine Gemahlin und sein Kind, zu sich. In dem Augenblick waren sie auch da, aber die Königin klagte und weinte, und sagte er hätte sein Wort gebrochen und hätte sie unglücklich gemacht. Er sagte: »Ich habe es unachtsam gethan und nicht mit bösem Willen,« und redete ihr zu; sie stellte sich auch als gäbe sie nach, aber sie hatte Böses im Sinn.

Da führte er sie hinaus vor die Stadt auf den Acker und zeigte ihr das Wasser, wo das Schiffchen war abgestoßen worden, und sprach dann: »Ich bin müde, setze dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schoß schlafen.« Da legte er seinen Kopf auf ihren Schoß und sie lauste ihn ein wenig, bis er einschlief. Als er eingeschlafen war, zog sie erst den Ring von seinem Finger, dann zog sie den Fuß unter ihm weg und ließ nur den Toffel zurück; hierauf nahm sie ihr Kind in den Arm und wünschte sich wieder in ihr Königreich. Als er aufwachte, lag er da ganz verlassen, und seine Gemahlin und das Kind waren fort und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel stand noch da zum Wahrzeichen. »Nach Haus zu deinen Eltern kannst du nicht wieder gehen,« dachte er, »die würden sagen, du wärst ein Hexenmeister, du willst aufpacken und gehen, bis du in dein Königreich kommst.« Also ging er fort und kam endlich zu einem Berg, vor dem drei Riesen standen und mit einander stritten, weil sie nicht wußten, wie sie ihres Vaters Erbe teilen sollten. Als sie ihn vorbeigehen sahen, riefen sie ihn an und sagten, kleine Menschen hätten klugen Sinn, er sollte ihnen die Erbschaft verteilen. Die Erbschaft aber bestand aus einem Degen, wenn einer den in die Hand nahm und sprach: »Köpf alle runter, nur meiner nicht,« so lagen alle Köpfe auf der Erde; zweitens aus einem Mantel, wer den anzog, war unsichtbar; drittens aus ein paar Stiefeln, wenn man die angezogen hatte und sich wohin wünschte, so war man im Augenblick da. Er sagte: »Gebt mir die drei Stücke, damit ich probieren kann, ob sie noch in gutem Stande sind.« Da gaben sie ihm den Mantel, und als er ihn umgehängt hatte, war er unsichtbar und war in eine Fliege verwandelt. Dann nahm er wieder seine Gestalt an und sprach:. »Der Mantel ist gut, nun gebt mir das Schwert.« Sie sagten: »Nein, das geben wir nicht! Wenn du sprächst »Köpf alle runter, nur meiner nicht!« so wären unsere Köpfe alle herab und du allein hättest den deinigen noch.« Doch gaben sie es ihm unter der Bedingung, daß er's an einem Baum probieren sollte. Das that er und das Schwert zerschnitt den Stamm eines Baumes wie einen Strohhalm. Nun wollte er noch die Stiefeln haben, sie sprachen aber: »Nein, die geben wir nicht weg, wenn du sie angezogen hättest und wünschtest dich oben auf den Berg, so stünden wir da unten und hätten nichts.« »Nein,« sprach er, »das will ich nicht thun.« Da gaben sie ihm auch die Stiefeln. Wie er nun alle drei Stücke hatte, so dachte er an nichts als an seine Frau und sein Kind und sprach so vor sich hin: »Ach wäre ich auf dem goldenen Berg.« und alsbald verschwand er vor den Augen der Riesen, und war also ihr Erbe geteilt. Als er nahe beim Schloß war, hörte er Freudengeschrei, Geigen und Flöten, und die Leute sagten, ihm, seine Gemahlin feierte ihre Hochzeit mit einem andern. Da ward er zornig und sprach: »Die Falsche, sie hat mich betrogen und mich verlassen, als ich eingeschlafen war.« Da hing er seinen Mantel um und ging unsichtbar ins Schloß hinein. Als er in den Saal eintrat, war da eine große Tafel mit köstlichen Speisen besetzt, und die Gäste aßen und tranken, lachten und scherzten. Sie aber saß in der Mitte in prächtigen Kleidern auf einem königlichen Sessel und hatte die Krone auf dem Haupt. Er stellte sich hinter sie und niemand sah ihn. Wenn sie ihr ein Stück Fleisch auf den Teller legten, nahm er ihn weg und aß es; und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er's weg und trank's aus; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts, denn Teller und Glas verschwanden augenblicklich. Da ward sie bestürzt und schämte sie sich, stand auf und ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her. Da sprach sie: »Ist denn der Teufel über mir, oder kam mein Erlöser nie?« Da schlug er ihr ins Angesicht und sagte: »Kam dein Erlöser nie? Er ist über dir, du Betrügerin. Habe ich das an dir verdient?« Da machte er sich sichtbar, ging in den Saal und rief: »Die Hochzeit ist aus, der wahre König ist gekommen!« Die Könige, Fürsten und Räte, die da versammelt wären, höhnten und verlachten ihn; er aber gab kurze Worte und sprach: »Wollt ihr hinaus oder nicht?« Da wollten sie ihn fangen und drangen auf ihn ein, aber er zog sein Schwert und sprach: »Köpf alle runter, nur meiner nicht.« Da rollten alle Köpfe zur Erde, und er war allein der Herr und der König vom goldenen Berg.

93. Der Rabe

Es war einmal eine Königin, die hatte ein Töchterchen, das war noch klein und mußte auf dem Arm getragen werden. Zu einer Zeit war das Kind unartig, und die Mutter mochte sagen was sie wollte, es hielt nicht Ruhe. Da ward sie ungeduldig, und weil die Raben so um das Schloß herumflogen, öffnete sie das Fenster und sagte: »Ich wollte, du wärst ein Rabe und flögst fort, so hätte ich Ruhe.« Kaum hatte sie daß gesagt, so war das Kind in einen Raben verwandelt und flog von ihrem Arm zum Fenster hinaus. Er flog aber in einen dunkeln Wald und blieb lange Zeit darin und die Eltern hörten nichts von ihm. Danach führte einmal einen Mann sein Weg in diesen Wald, der hörte den Raben rufen und ging, der Stimme nach, und als er näher kam, sprach der Rabe: »Ich bin eine Königstochter von Geburt und bin verwünscht worden, du aber kannst mich erlösen.« »Was soll ich thun?« fragte er. Sie sagte: »Geh weiter in den Wald und du wirst ein Haus finden, darin sitzt eine alte Frau; die wird dir Essen und Trinken reichen, aber du darfst nichts nehmen: wenn du etwas ißest oder trinkst, so verfällst du in einen Schlaf und kannst du mich nicht erlösen! Im Garten hinter dem Haus ist eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen und mich erwarten. Drei Tage lang komm ich jeden Mittag um zwei Uhr zu dir in einem Wagen, der ist erst mit vier weißen Hengsten bespannt, dann mit vier roten und zuletzt mit vier schwarzen, wenn du aber nicht wach bist, sondern schläfst, so werde ich nicht erlöst.« Der Mann versprach alles zu thun, was sie verlangt hatte. Der Rabe aber sagte: »Ach, ich weiß es schon, du wirst mich nicht erlösen, du nimmst etwas von der Frau.« Da versprach, der Mann noch einmal, er wollte gewiß nichts anrühren weder von dem Essen noch von dem Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm und sagte: »Armer Mann, was seid ihr abgemattet, kommt und erquickt Euch, esset und trinket.« – »Nein,« sagte der Mann, »ich will nicht essen und nicht trinken.« Sie ließ ihm aber keine Ruhe und sprach: »Wenn Ihr denn nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem Glas, einmal ist keinmal.« Da ließ er sich überreden und trank. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf den Raben warten. Wie er da stand, ward er auf einmal so müde, und konnte es nicht überwinden und legte sich ein wenig nieder; doch wollte er nicht einschlafen. Aber kaum hatte er sich hingestreckt, so fielen ihm die Augen von selber zu, und er schlief ein und schlief so fest, daß ihn nichts auf der Welt hätte erwecken können. Um zwei Uhr kam der Rabe mit vier weißen Hengsten gefahren, aber sie war schon in voller Trauer und sprach: »Ich weiß, daß er schläft.« Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief. Sie stieg aus dem Wagen, ging zu ihm und schüttelte ihn und rief ihn an, aber er erwachte nicht. Am anderen Tage zur Mittagszeit kam die alte Frau wieder und brachte ihm Essen und Trinken, aber er wollte es nicht annehmen. Doch sie ließ ihm keine Ruhe und redete ihm so lange zu, bis er wieder einen Zug aus dem Glase that. Gegen zwei Uhr ging er in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf den Raben warten. Da empfand er auf einmal so große Müdigkeit, daß seine Glieder ihn nicht mehr hielten: er konnte sich nicht helfen, mußte sich legen und fiel in tiefen Schlaf. Als der Rabe daher fuhr mit vier roten Hengsten, war sie schon in voller Trauer und sagte: »Ich weiß, daß er schläft.« Sie ging zu ihm hin, aber er lag da im Schlaf und war nicht zu erwecken. Am anderen Tage sagte die alte Frau, was das wäre? er äße und tränke nichts, ob er sterben wollte? Er antwortete: »Ich will und darf nicht essen und nicht trinken.« Sie stellte aber die Schüssel mit Essen und das Glas mit Wein vor ihn hin, und als der Geruch davon zu ihm aufstieg, so konnte er nicht widerstehen und that einen starken Zug. Als die Zeit kam, ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wartete auf die Königstochter; da ward er noch müder, als die Tage vorher, legte sich nieder und schlief so fest, als wäre er ein Stein. Um zwei Uhr kam der Rabe und hatte vier schwarze Hengste, und die Kutsche und alles war schwarz. Sie aber war schon in voller Trauer und sprach: »Ich weiß, daß er schläft und mich nicht erlösen kann.« Als sie zu ihm kam, lag er da und schlief fest. Sie rüttelte ihn und rief ihn, aber sie konnte ihn nicht aufwecken. Da legte sie ein Brot neben ihn hin, dann ein Stück Fleisch, zum dritten eine Flasche Wein, und er konnte von allem so viel nehmen, als er wollte, es ward nicht weniger. Danach nahm sie einen goldenen Ring von ihrem Finger und steckte ihn an seinen Finger, und war ihr Name eingegraben. Zuletzt legte sie einen Brief hin, darin stand, was sie ihm gegeben hatte und daß es nie alle würde, und es stand auch darin: »Ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erlösen kannst, willst du mich aber noch erlösen, so komm nach dem goldenen Schloß von Stromberg, es steht in deiner Macht, das weiß ich gewiß.« Und wie sie ihm das alles gegeben hatte, setzte sie sich in ihren goldenen Wagen und fuhr in das goldene Schloß von Stromberg.

Als der Mann aufwachte und sah, daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig und sprach: »Gewiß nun ist sie vorbeigefahren und ich habe sie nicht erlöst.« Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand, wie es zugegangen war. Also machte er sich auf, ging fort und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald und ging vierzehn Tage darin fort und konnte sich nicht herausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so müde, daß er sich an einen Busch legte und einschlief. Am anderen Tage ging er weiter und abends, als er sich wieder an einen Busch legen wollte, hörte er ein Heulen und Jammern, daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute Lichter anstecken, sah er eins schimmern, machte sich auf und ging ihm nach; da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dachte er bei sich: »Gehst du hinein und der Riese erblickt dich, so ist es leicht um dein Leben geschehen.« Endlich wagte er es und trat heran. Als der Riese ihn sah, sprach er: »Es ist gut, daß du kommst, ich habe lange nichts gegessen: ich will dich gleich zum Abendbrot verschlucken.« »Laß das lieber sein,« sprach der Mann, »ich lasse mich nicht gern verschlucken; verlangst du zu essen, so habe ich genug, um dich satt zu machen.« »Wenn das wahr ist,« sagte der Riese, »so kannst du ruhig bleiben; ich wollte dich nur verzehren, weil ich nichts anderes habe.« Da gingen sie und setzten sich an den Tisch, und der Mann holte Brot, Wein und Fleisch, das nicht alle ward. »Das gefällt mir wohl,« sprach der Riese und aß nach Herzenslust. Danach sprach der Mann zu ihm: »Kannst du mir nicht sagen, wo das goldene Schloß von Stromberg ist?« Der Riese sagte: »Ich will auf meiner Landkarte nachsehen, darauf sind alle Städte, Dörfer und Häuser zu finden.« Er holte die Landkarte, die er in der Stube hatte, und suchte das Schloß, aber es stand nicht darauf. »Es thut nichts,« sprach er, »ich habe oben im Schranke noch größere Landkarten; darauf wollen wir suchen;« aber es war auch vergeblich. Der Mann wollte nun weiter gehen; aber der Riese bat ihn, noch ein paar Tage zu warten, bis sein Bruder heim käme, der wäre ausgegangen, Lebensmittel zu holen. Als der Bruder heim kam, fragten sie nach dem Schloß von Stromberg; er antwortete: »Wenn ich gegessen habe und satt bin, dann will ich auf der Karte suchen.« Er stieg dann mit ihnen auf seine Kammer und sie suchten auf seiner Landkarte, konnten es aber nicht finden; da holte er aber noch andere alte Karten, und sie ließen nicht ab, bis sie endlich das goldene Schloß von Stromberg fanden, aber es war viele tausend Meilen weit weg. »Wie werde ich nun dahin kommen?« fragte der Mann. Der Riese sprach: »Zwei Stunden habe ich Zeit, da will ich dich bis in die Nähe tragen, dann aber muß ich wieder nach Haus und das Kind säugen, das wir haben.« Da trug der Riese den Mann bis etwa hundert Stunden vom Schloß und sagte: »Den übrigen Weg kannst du wohl allein gehen.« Dann kehrte er um, der Mann aber ging vorwärts Tag und Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam. Es stand aber auf einem gläsernen Berge, und die verwünschte Jungfrau, fuhr in ihrem, Wagen um das Schloß herum und ging dann hinein. Er freute sich, als er sie erblickte und wollte zu ihr hinaufsteigen, aber wie er es, auch anfing, er rutschte an dem Glas immer wieder herunter. Und als er sah, daß er sie nicht erreichen konnte, ward er ganz betrübt und sprach zu sich selbst: »Ich will hier unten bleiben und auf sie warten.« Also baute er sich eine Hütte und saß darin ein ganzes Jahr und sah die Königstochter alle Tage oben fahren, konnte aber nicht zu ihr hinaufkommen.

Da sah er einmal aus seiner Hütte, wie drei Räuber sich schlugen und rief ihnen zu: »Gott sei mit euch!« Sie hielten bei dem Rufe inne; als sie aber niemand sahen, fingen sie wieder an sich zu schlagen, und das war ganz gefährlich. Da rief er abermals: »Gott sei mit euch!« Sie hörten wieder auf, guckten sich um, weil sie aber niemand sahen, fuhren sie auch wieder fort sich zu schlagen. Da rief er zum drittenmal: »Gott sei mit euch!« und dachte: »Du mußt sehen, was die drei vorhaben,« ging hin, und fragte, warum sie aufeinander losschlügen. Da sagte der eine, er hätte, einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine Thür schlüge, so spränge sie auf; der andere sagte, er habe einen Mantel gefunden, wenn er den umhinge, so wäre er unsichtbar; der dritte aber sprach, er hätte ein Pferd gefangen, damit könnte man überall hinreiten, auch den gläsernen Berg hinauf. Nun wüßten sie nicht, ob sie das in Gemeinschaft behalten oder ob sie sich trennen sollten. Da sprach der Mann: »Die drei Sachen will ich euch eintauschen. Geld habe ich zwar nicht, aber andere Dinge, die mehr wert sind; doch muß ich vorher eine Probe machen, damit ich sehe, ob ihr auch die Wahrheit gesagt habt.« Da ließen sie ihn aufs Pferd setzen, hingen ihm den Mantel um und gaben ihm den Stock in die Hand, und wie er das alles hatte, konnten sie ihn nicht mehr sehen. Da gab er ihnen tüchtige Schläge und rief: »Nun, ihr Bärenhäuter, da habt ihr, was euch gebührt; seid ihr zufrieden?« Dann ritt er den Glasberg hinauf und als er oben vor das Schloß kam, war es verschlossen: da schlug er mit dem Stock, an, das Thor und alsbald sprang es auf. Er trat ein und ging die Treppe hinauf bis oben in den Saal, da saß die Jungfrau und hatte einen goldenen Kelch mit Wein vor sich. Sie konnte ihn aber nicht sehen, weil er den Mantel um hatte. Und als er vor sie kam, zog er den Ring, den sie ihm gegeben hatte, vom Finger und warf ihn in den Kelch, daß es klang. Da rief sie: »Das ist mein Ring, so muß auch der Mann da sein, der mich erlösen wird.« Sie suchten im ganzen Schloß und fanden ihn nicht, er war aber hinausgegangen, hatte sich aufs Pferd gesetzt und den Mantel abgeworfen. Wie sie nun vor das Thor kamen, sahen sie ihn und schrien vor Freude. Da stieg er ab und nahm die Königstochter in den Arm: sie aber küßte ihn und sagte: »Jetzt hast du mich erlöst und morgen wollen wir unsere Hochzeit feiern.«

94. Die kluge Bauerntochter

Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Häuschen und eine alleinige Tochter. Da sprach die Tochter: »Wir sollten den Herrn König um ein Stückchen Rottland bitten.« Da der König ihre Armut hörte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen, den hackte sie und ihr Vater um, und wollte ein wenig Korn und derartige Frucht drauf säen. Als sie den Acker beinahe herum hatten, so fanden sie in der Erde einen Mörser von purem Gold. »Hör,« sagt der Vater zu dem Mädchen, »weil unser Herr König ist so gnädig gewesen, und hat uns diesen Acker geschenkt, so müssen wir ihm den Mörser dafür geben.« Die Tochter aber wollte es nicht bewilligen und sagte: »Vater, wenn wir den Mörser haben und haben den Stößer nicht, dann müssen wir auch den Stößer herbeischaffen, darum schweigt lieber still.« Er wollte ihr aber nicht gehorchen, nahm den Mörser, trug ihn zum Herrn König, und sagte, den hätte er gefunden in der Heide, ob er ihn als eine Verehrung annehmen wollte. Der König nahm den Mörser und fragte, ob er nichts mehr gefunden hätte? »Nein,« antwortete der Bauer. Da sagte der König er sollte nun auch den Stößer herbeischaffen. Der Bauer sprach, den hätten sie nicht gefunden; aber das half ihm so viel, als hätte er's in den Wind gesagt, er ward ins Gefängnis gesetzt, und sollte so lange da sitzen, bis er den Stößer herbeigeschafft hätte. Die Bedienten mußten ihm täglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefängnis kriegt, da hörten sie, wie der Mann fortwährend schrie: »Ach, hätt' ich meiner Tochter gehört! ach, ach, hätt ich meiner Tochter gehört!« Da gingen die Bedienten, zum König und sprachen das, wie der Gefangene fortwährend schrie: »Ach, hätt' ich doch meiner Tochter gehört!« und wollte nicht essen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, sie sollten den Gefangenen vor ihn bringen, und da fragte ihn der Herr König, warum er fortwährend schrie: »Ach, hätt' ich meiner Tochter gehört! Was hat Eure Tochter denn gesagt?« »Ja, sie hat gesprochen, ich sollte den Mörser nicht bringen, sonst müßt ich auch den Stößer schaffen.« »Habt Ihr so eine kluge Tochter, so laßt sie einmal herkommen.« Also mußte sie vor den König kommen, der fragte sie, ob sie denn so klug wäre, und sagte, er wolle ihr ein Rätsel aufgeben, wenn sie das treffen könnte, dann wollte er sie heiraten. Da sprach sie gleich ja, sie wollt's erraten. Da sagte der König: »Komm zu mir, nicht gekleidet, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wenn du das kannst, will ich dich heiraten.« Da ging sie hin und zog sich aus splitternackend, da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn, und setzte sich hinein und wickelte es ganz um sich herum, da war sie nicht nackend; und borgte einen Esel fürs Geld und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, darin er sie fortschleppen mußte, und war das nicht geritten und nicht gefahren; der Esel mußte sie aber in dem Fahrgleise schleppen, sodaß sie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam, und war das nicht in dem Wege und nicht außer dem Wege. Und wie sie so daher kam, sagte der König, sie hätte das Rätsel getroffen und es wäre alles erfüllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefängnis und nahm sie zu sich als seine Gemahlin und befahl ihr das ganze königliche Gut an.

Nun waren etliche Jahre herum; als der Herr König einmal auf die Parade zog, da trug es sich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft; etliche hatten Ochsen vorgespannt und etliche Pferde. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein junges Füllchen, das lief weg und legte sich mitten zwischen zwei Ochsen, die vor dem Wagen waren. Als nun die Bauern zusammenkamen, fingen sie an sich zu zanken, zu schmeißen und zu lärmen, und der Ochsenbauer wollte das Füllchen behalten und sagte, die Ochsen hätten's gehabt, und der andere sagte nein, seine Pferde hätten's gehabt, und es wäre sein. Der Zank kam vor den König, und er that den Ausspruch: wo das Füllen gelegen hätte, da sollt es bleiben; und also bekam's der Ochsenbauer, dem's doch nicht gehörte. Da ging der andere weg, weinte und lamentierte über sein Füllchen. Nun hatte er gehört, daß die Frau Königin so gnädig wäre, weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen wäre. Da ging er zu ihr, und bat sie, ob sie ihm nicht helfen könnte, daß er sein Füllchen wieder bekäme. Sagte sie: