Die Hermetiker - A. M. Reis - E-Book

Die Hermetiker E-Book

A. M. Reis

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Beschreibung

Merkwürdige Vorahnungen lassen den jungen Claude Devier-Mercer tief in eine geheimnisvolle Welt eintauchen. Er findet heraus, dass er von Geburt an Hermetiker ist. Auf der Suche nach dem Warum entdeckt er seine Leidenschaft für mächtige Artefakte und begibt sich auf eine spannende Entdeckungsreise, die fortan sein Leben bestimmt.

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Seitenzahl: 376

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Über die Autoren:

Anne Reis wurde 1982 in Fulda geboren. Die reisebegeisterte Redakteurin führt seit vielen Jahren ihren Blog cardamonchai.com. Am liebsten arbeitet sie Persönlichkeiten schriftlich aus und versucht sich in andere Menschen hineinzuversetzen, was ihr erstaunlich gut gelingt.

Matthias Reis kam 1974 in Hammelburg zur Welt. Schon seit seiner frühesten Jugend denkt sich der Software-Entwickler und Wissenschafts-Enthusiast Geschichten aus. Seit er 2011 seiner Frau Anne begegnet ist, leben die beiden dieses Hobby mit Begeisterung gemeinsam aus.

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil: Erebos Die Finsternis

Kapitel 1: Mr. Sun, Mr. Moon

Kapitel 2: Outback

Kapitel 3: Das Register

Kapitel 4: Svart Klubb

Kapitel 5: Die Regenbogenschlange

Kapitel 6: Der Bischof

Kapitel 7: Die Chaturyedischen Meister

Kapitel 8: Der Umzug

Kapitel 9: Die Pagoden von Kakku

Kapitel 10: Das Ritual

Kapitel 11: Der Dom

Kapitel 12: Der Steinkreis

Kapitel 13: Die Plana-Steine

Kapitel 14: Der Algorithmus

Kapitel 15: Die Vision

Kapitel 16: Das Hamburger Archiv

Kapitel 17: Der Konvent

Kapitel 18: Vorbereitungen

Kapitel 19: Quellcode

Kapitel 20: Pole Position

Kapitel 21: Das Experiment

Kapitel 22: Astralreisen

Kapitel 23: Qual

Kapitel 24: Das Erwachen

Kapitel 25: Der Countdown

Kapitel 26: Kollektiv

Epilog: Das Ende der Zeit

Appendix: Hermetizismus

Über Hermetik

Die Politik der Hermetischen Gesellschaft

Kulte

Das große Ganze

Die Hermetik aus der Sicht der Normalsterblichen

Erster TeilErebos Die Finsternis

Es gibt Licht genug für die, welche nichts anderes wollen als sehen, und Dunkelheit genug für die, welche eine entgegengesetzte Veranlagung haben.

Blaise Pascal

1

Mr. Sun, Mr. Moon

Saint-Prest, Frankreich, November 1970

Als Cloq aufwachte, schneite es draußen. Der erste Schnee in diesem Jahr. Das kannte er aus den Jahren zuvor. Es war schon immer so gewesen. So lange er denken konnte, hatte es um seinen Geburtstag herum Schnee gegeben. Er schob die Decke weg und sprang mit einem Schwung aus dem Bett.

15 Jahre war er nun alt. Wenn er sich überlegte, was er in der Zeit alles gelesen, gesehen und erlebt hatte, fühlte sich das nach einem deutlich längeren Zeitraum an. Er klappte seinen Plattenspieler auf und ließ die Nadel auf die Platte herunter. „Mr. Sun, Mr. Moon“ von Paul Revere And The Raiders. Das Lied begleitete ihn schon ein ganzes Jahr. Er bewegte sich leicht mit dem Takt, während er sich den klammen Wollpullover und die ausgewaschene Jeans überzog und sich vor dem Spiegel mit dem Kamm das dünne, blonde Haar in Form zupfte.

Von unten duftete es nach Kaffee und nach den selbst gebackenen Madeleines seiner Mutter. Er liebte die luftigen, feinen Plätzchen, die es nur an ganz besonderen Tagen gab. Er schlurfte in die Küche, ließ sich auf dem Platz gegenüber dem Ofen nieder und begrüßte seine Mutter, die ihm zum Geburtstag gratulierte. Sie schenkte ihm einen Pullover und eine Tafel seiner Lieblingsschokolade. Beides war äußerst liebevoll verpackt mit dem sorgsam glatt gebügelten Papier von seinem letzten Geburtstag.

Geschenkpapier gehörte zu den Dingen, die seine Mutter aufhob und immer wieder verwendete. Sie war eine sparsame Frau. In ihrer Kindheit hatte sie nicht viel besessen. Ihre Familie war gezwungen von der Hand in den Mund zu leben. Diese Zeit hatte in ihr das Bewusstsein geschaffen, dass Dinge wertvoll und nicht selbstverständlich sind. Sie versuchte dies, so gut es ging, an ihren Sohn weiterzugeben.

Nachdem Cloqs Vater vor 10 Jahren nach einer kurzen und schweren Krankheit gestorben war, waren die beiden immer weiter zusammengerückt. Oft saßen sie gemeinsam an dem großen Tisch mit der bunten, abgegriffenen Wachsdecke in der Küche. Still und vertieft las er in einem Buch, seine Mutter strickte, stopfte Socken oder löste das Kreuzworträtsel in der Zeitung, die sie sich mit den Nachbarn teilten. Sie mussten sich nicht viel sagen. Sie verstanden sich auch ohne Worte.

In den letzten Wochen jedoch hatte seine Mutter das Gefühl bekommen, dass sich der Junge mehr und mehr zurückzog. Immer häufiger verschwand er in seinem Zimmer, wo er Stunde um Stunde verbrachte, wieder und wieder dieselbe Platte hörte, nicht zu laut, gerade so, dass sie die Musik beim Vorbeigehen auf dem Flur wahrnehmen konnte und Buch um Buch wälzte.

Das vermutete sie zumindest, denn beim Aufräumen fand sie derer viele neben seinem Bett, auf dem Schreibtisch und über die Fensterbank verstreut. Außerdem fiel ihr auf, dass es jeden Tag später zu werden schien. Der Junge kam nicht mehr direkt nach der Schule nach Hause, sondern hatte offensichtlich noch etwas anderes zu tun. Ob er nun doch endlich Anschluss unter seinen Mitschülern gefunden hatte? Oder gar ein Mädchen? Sie hatte entschieden, erst mal nicht näher darüber nachzudenken und ihn bei Gelegenheit darauf anzusprechen.

Er war schon immer ein intelligenter Junge gewesen. Um seine Noten musste sie sich nie Sorgen machen. Er war ein guter Schüler, schrieb nicht ab und stritt sich nicht mit den anderen Kindern. Kurz nachdem er sprechen konnte, hatte er lesen gelernt. Schon vor seiner Einschulung hatte er angefangen, alles was ihm einfiel, in ein kleines Notizbuch zu schreiben. Inzwischen besaß er viele dieser Bücher. Alle paar Monate brachte sie ihm ein neues aus der Stadt mit. Zusammen mit ein paar Minen für seinen Bleistift. Sie war stolz auf ihren Sohn. Vielleicht würde aus ihm ja eines Tages mal ein berühmter Schriftsteller werden.

Dabei respektierte sie Cloqs Privatsphäre voll und ganz. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, seine Schublade zu öffnen und in seinen Notizen zu lesen. Er würde sie ihr schon zeigen, wenn die Zeit gekommen war. Da war sie sich sicher. Außerdem hatte ihre Mutter in ihrer Mädchenzeit mal in ihrem Tagebuch gelesen, was für sie unverzeihlich gewesen war. Danach hatte sich ihr Verhältnis zu ihrer Mutter für immer geändert und das wollte sie ihrem Sohn und sich selbst nicht antun. War er doch alles, was ihr geblieben war. Ihr Ein und Alles. „Mein Stern“ nannte sie ihn gelegentlich. Er hasste es, wenn sie das tat, zog jedes Mal einen Flunsch, sagte vorwurfsvoll „Maman!“ und wurde ganz rot im Gesicht.

Cloq hieß mit vollem Namen Claude Devier-Mercer. Seinen Spitznamen hatte sie ihm gegeben und er würde ihn sein Leben lang nicht ablegen. Sie fand, „Cloq“ passte zu ihm. Es war eine hübsche Abkürzung seines Namens und es machte ihn einzigartig. Irgendwie erinnerte es sie außerdem an „cloque“, Seifenblasen, die sie als Kind so geliebt hatte. Die hatten etwas Unbekümmertes. Und eine unbeschwerte Kindheit, das war es, was sie sich für ihren Jungen wünschte.

Nach dem Frühstück fuhr Cloq mit dem Fahrrad von seinem Heimatort Saint-Prest ins Lycee nach Chartres. Er mochte die Schule. Er mochte seine Lehrer. Sie waren nett zu ihm und niemals zu streng oder gar gemein. Wenn er Fragen hatte, fragte er. Er machte seine Hausaufgaben und gab bei allen Tests als Erster ab.

Freunde hatte er keine. Er hatte sich schon immer mehr als Einzelgänger gesehen. Er unterhielt sich zwar hier und da mal mit einem Mitschüler, doch das waren immer eher oberflächliche Gespräche. Viele der Schüler verstanden ihn außerdem nicht. Einmal hatte er zum Beispiel im Geschichtsunterricht einen kleinen Vortrag gehalten, auf den er stolz war und im Anschluss war, bis auf den Lehrer, der eine Eins im Klassenbuch notierte, die ganze Klasse in schallendes Gelächter ausgebrochen. Nach der Mittagspause, die im Anschluss stattgefunden hatte, hatte er auf der Suche nach einem Radiergummi einen toten Frosch in seiner Manteltasche gefunden.

Das war der erste in einer ab diesem Zeitpunkt nicht mehr enden wollenden Serie aus üblen Scherzen, die sich die Mitschüler mit ihm erlaubten. Er hatte schnell von sich aus beschlossen, nicht darauf einzugehen und sich ein dickes Fell zugelegt. Zuhause erzählte er nichts davon. Er wollte nicht, dass es unnötig aufgebauscht wurde. Seine Pausen verbrachte er lesend in der Schulbibliothek und nach der Schule stieg er schnell auf sein Fahrrad und verlängerte die halbstündige Fahrt mit kleinen Touren durch die Umgebung, bevor er nach Hause fuhr, um Hausaufgaben zu machen und an seinen Aufzeichnungen zu arbeiten.

In letzter Zeit wurden diese Touren mit jedem Tag größer, es kam ihm vor, als erkunde er dabei nicht nur die Landschaft, sondern auch sich selbst. Er dachte viel nach, auch über die Tatsache, dass er lieber alleine war, als sich mit Gleichaltrigen abzugeben und dass ihm die Streiche der Jungs aus seiner Schule nicht das Geringste ausmachten.

Tiefer und tiefer drang er in seine Gedankenwelt ein. Weiter und weiter trug ihn sein Rad. Häufiger und häufiger kam er erst in der Dämmerung nach Hause. Schon ein paar Mal hatte er sich deshalb mahnende Worte seiner Mutter anhören müssen, etwas, das er bis dahin nicht gekannt hatte.

Eines Tages, als er wieder auf einer seiner Touren unterwegs war, kam es ihm plötzlich so vor, als würde ihm jemand folgen. Da es schon zu dämmern begann, begab er sich schnell auf den Weg nach Hause und beschloss, am nächsten Tag genauer darauf zu achten, was sich hinter ihm abspielte.

Als er nach Unterrichtsschluss auf den Sattel stieg und in Richtung Ortsausgang fuhr, dauerte es keine fünf Minuten und er hatte wieder das Gefühl, jemand sei ihm auf den Fersen. Er drehte sich um und sah nur ein einziges graues Auto, in dem zwei Herren saßen, ansonsten war die Straße leer.

Er fuhr weiter, bog in eine Seitenstraße ab, schlug einen Haken beim Haus seiner Lehrerin und fuhr ab dort den Weg zurück zur Schule, wo er sich hinter dem Müllcontainer am Seiteneingang versteckte. Sie konnten ihn nicht gesehen haben.

Zehn Minuten wartete er mit klopfendem Herzen hinter dem Container, dann wagte er weiterzufahren. Er bog um die Ecke, fuhr an der Bushaltestelle für den Schulbus vorbei und hörte plötzlich ein ihm bekanntes Motorengeräusch hinter sich. Als er sich umdrehte, fiel er vor Schreck fast vom Rad.

Der Mann am Steuer schaute ihm direkt in die Augen. Auch er schien einen Schrecken bekommen zu haben. An der nächsten Kreuzung verschwand der Wagen und Cloq fuhr so schnell er konnte nach Hause. Mit hochrotem Kopf und schweißgebadet betrat er das Haus, rannte die Stufen hoch zu seinem Zimmer und schaltete sofort den Plattenspieler ein.

Die nächsten vierzehn Tage fuhr er nach der Schule schnellstmöglich nach Hause. Seiner Mutter erzählte er, dass er viele Hausaufgaben zu erledigen hätte und daher ungestört in seinem Zimmer arbeiten wolle.

Mitte Dezember lag der Schnee dann so hoch, dass es nicht mehr möglich war, mit dem Fahrrad in die Schule zu fahren, was ihn dazu zwang, gemeinsam mit seinen Mitschülern den Bus zu nehmen.

Den langen, kalten Winter verbrachte Cloq fast ausschließlich im Zimmer. Nur selten kam er herunter, um seiner Mutter beim Schneeschaufeln zu helfen, oder um die Zeitung zu den Nachbarn rüberzubringen.

Erst Ende März ölte er die Kette seines Fahrrads und fuhr wieder selbst in die Schule. Die Herren in dem grauen Auto hatte er bis dahin fast vergessen. Er beschloss, nach dem Unterricht zu dem kleinen Weiher hinter der Kirche zu fahren, um sich dort ein wenig niederzulassen, am Ufer seine Hausaufgaben zu erledigen und anschließend noch ein paar flache Steine über das Wasser hüpfen zu lassen. Das war eine Beschäftigung, die ihm lieb geworden war. Dabei konnte man so schön die Gedanken schweifen lassen. Meistens dachte er dabei an seinen Vater, der ihm das „Flippern“, wie er es nannte, schon früh beigebracht hatte. Für ihn war es immer, als wäre es erst gestern gewesen, wenn er wieder mit einem kleinen, glatten Stein in der Hand am Ufer stand. In diesen Momenten fühlte es sich toll an, kurz in die Vergangenheit einzutauchen, die kühlen Steine, die er zuvor gesammelt hatte, in der Hosentasche und die Gedanken bei seinem Père.

Im Laufe der Jahre hatte er seine Flippertechnik optimiert. Er wollte sehen, ob er seinen Rekord von 9 Sprüngen, die einer der Kiesel letzten Sommer über das Wasser gemacht hatte, dieses Jahr vielleicht halten, oder sogar brechen konnte.

Sofort nach dem Unterricht begab er sich zum Weiher. Er konnte den Frühling mit jeder Faser seines Körpers spüren. Die Sonne hatte noch nicht ihre volle Kraft erreicht und doch wärmte sie ihm schon ein bisschen das Haar. Die Vögel zwitscherten und ein paar Insekten zeigten sich an den aufknospenden Blüten der Büsche am Wegesrand.

Als er in die Rue de l’Eglise einbog und zum Fluss in Richtung Kirche hinunterblickte, stockte ihm der Atem. Die längst vergangene Winterkälte kroch in seinen Körper zurück. Vor dem Seiteneingang stand der graue Wagen. Nervös drehte er sich um und blickte in alle Richtungen. Ihm fiel auf, dass sich im Fahrzeug nur ein Mann befand, waren es nicht im letzten Jahr zwei gewesen? Da sah er plötzlich, dass sich der zweite Mann in seine Richtung bewegte. Er musste auf den Stufen des Haupteingangs gesessen haben, leicht versetzt zu seiner Position, weshalb er ihn zuerst nicht gesehen hatte.

Cloq trat in die Pedale, als sei der Teufel persönlich hinter ihm her. Panische Angst durchzuckte ihn, als er die Bahnbrücke kurz vor der Siedlung überquerte. So schnell war er noch nie in seinem Leben gefahren. Die Umgebung zischte nur so an ihm vorbei. Um ein Haar hätte er ein Huhn überfahren, das gemütlich am Straßenrand nach einigen Körnern pickte. Schwitzend bog er in die Rue Robert Raynaud ein, die zur Rue Rousseau führte. In der Hausnummer 2 befand sich sein Elternhaus. Die kleine Seitenstraße schien meilenweit entfernt zu sein. Der sichere Hafen wirkte unerreichbar. Er legte einen Endspurt hin, der ihm bei der Tour de France vermutlich ein Trikot eingebracht hätte. Das Fahrrad schleuderte er regelrecht in die Ecke. Zum Glück war der Schlüssel schnell und ohne Fehlversuch eingesteckt und er in der Wohnung. Mit einem Knall schloss er die Tür hinter sich und ließ sich direkt dahinter auf den Boden sinken, um erst einmal zu verschnaufen.

Ein paar Minuten saß er fast reglos da und lauschte auf die Geräusche vor der Tür, bevor er sich leise nach oben in sein Zimmer zurückzog, um seine Mutter mit seinem Verhalten nicht zu verunsichern und die Straße weiter unentdeckt beobachten zu können. Den Kopf aufgestützt, am Schreibtisch sitzend, fasste er später einen Beschluss. Er musste der Sache nachgehen. So durfte es doch nicht weitergehen mit ihm. Er konnte seine Zukunft doch nicht in ständiger Angst vor ein paar seltsamen Herren in grauen Anzügen verbringen. Er wünschte sich ein unkompliziertes Leben. Seine Mitschüler und seine angehende Pubertät nervten ihn schon genug.

In der Nacht träumte er von einem grauen Wagen, der ihn verfolgt und schließlich von seinem Fahrrad drängte. Zwischendurch wachte er immer wieder auf und wälzte sich mit finsteren Gedanken von einer Seite auf die andere. Am nächsten Morgen bereitete er sich vor und war fest entschlossen, an diesem Tag einige Beobachtungen anzustellen.

Er hatte das Glück, dass die Rue de l’Eglise vom Fluss aus vollständig einsehbar war und ihm das Tal der l’Eure gleichzeitig zahlreiche Versteckmöglichkeiten bot, die er für die Observation nutzen konnte. Er kannte das Gelände wie seine Westentasche. Schließlich war es nicht nur seine tägliche Fahrradstrecke, er war auch von frühester Kindheit an regelmäßig zu Streifzügen in dieses Gebiet losgezogen.

Direkt nach der Schule schnappte er sich sein altes Fernglas, das er von seinem Vater geerbt hatte, zwei Butterbrote und einen Apfel und startete die Mission.

Sicher versteckt lag er im hohen Gras und spähte die Gegend mit dem Fernglas aus. Bis in die Dämmerung verharrte er an seinem Platz. Er wusste instinktiv, dass er geduldig sein musste, wenn er sein Ziel erreichen wollte. Er schwor sich, so lange zu warten, bis er etwas entdeckte. Da musste das Abendessen heute eben mal ein bisschen warten. Etwas enttäuscht stieg er in der einbrechenden Dunkelheit auf sein Fahrrad, das er sorgfältig in einem Busch versteckt hatte.

Am zweiten Tag hatte er mehr Glück. Schon auf dem Weg zu seinem Versteck sah er den grauen Wagen aus der Ferne vor dem Kirchentor stehen. Jetzt musste er schnell sein und sich und das Fahrrad verstecken, bevor sie ihn entdeckten. Leise wie eine Katze huschte er über das Feld in die kleine Mulde, von der aus er Ausschau halten wollte, nachdem er sein Fahrrad im Busch verstaut hatte.

Heute würde er länger durchhalten als gestern, sagte er sich. Essen und Trinken hatte er sich genügend mitgenommen. Sein knurrender Magen würde seinen Plan also schon mal nicht durchkreuzen.

Kurz vor acht war es dann soweit und er wurde für seine Geduld belohnt. Wie auf ein Stichwort verließen vier Personen schweigend das Pfarrhaus und schritten in Richtung des grauen Wagens.

Einer von ihnen war auf jeden Fall der Fahrer, da war sich Cloq sicher. Er würde nie vergessen, wie er ihm an jenem Spätsommertag direkt in die Augen geschaut hatte. Er erinnerte sich an das seltsame Gefühl, als er merkte, dass sich sein Gegenüber genau wie er erschrocken zu haben schien. Sein markantes Gesicht mit der tiefen Denkerfalte auf der Stirn, das ansonsten völlig glatt zu sein schien, ja fast schon künstlich wirkte in seiner Makellosigkeit, hatte sich für immer in sein Gedächtnis eingebrannt.

Hinter dem Fahrer, so nannte Cloq den Makellosen jetzt, und einem weiteren Mann in einem teuer wirkenden Anzug folgte in einigem Abstand Pfarrer Binseigne. Dicht gefolgt von einem gesetzten Herrn, ebenfalls in kirchlichem Gewand. Nach längerem Hinsehen war er sich sicher, dass es sich bei ihm um keinen geringeren als Bischof Michon handelte.

Er war verwirrt. Waren es Kirchenleute, die ihn verfolgt hatten? Was ergab das für einen Sinn? Mit Pfarrer Binseigne war er doch immer sehr gut ausgekommen, selbst wenn er in dessen Gegenwart immer ein seltsames Gefühl hatte, das er sich nicht so genau erklären konnte. Der Geistliche war sogar immer mal wieder bei ihnen zu Hause, um nach dem Rechten zu sehen und sich nach dem Tod seines Vaters nach ihrem Befinden zu erkundigen.

Er war jetzt so entschlossen wie nie zuvor, das Rätsel um die mysteriösen Herren zu lösen. Alle vier stiegen in das graue Auto und setzten sich in Richtung Rue de la Republique in Bewegung. Er war sich sicher, dass er sie bald aus den Augen verlieren würde, dennoch schnappte er sich sein Rad und fuhr, so schnell es ihm möglich war, den Fußweg am Fluss entlang zum südlichen Ortsausgang. Er konnte sie gerade noch am Ende der Avenue de la Gare erahnen, ehe sie hinter einem Hügel verschwanden. Er hatte recht in seiner Annahme, dass sie auf dem Weg nach Chartres waren.

Am darauf folgenden Tag sollte es gleich weitergehen. Seine Mutter ließ ihm zum Glück genügend Freiraum und stellte keine Fragen. Er hatte sie schon darauf vorbereitet, dass er immer wieder mal etwas später nach Hause kam und sie wusste, dass er seine Hausaufgaben gerne im Freien erledigte. Selbst wenn er offensichtlich noch andere Dinge tat, immerhin war er 15, war er dennoch zuverlässig. Sie aß ohnehin gerne etwas später zu Abend.

Sofort nach der Schule machte Cloq einen Abstecher zur Kathedrale im wenige Kilometer von seinem Heimatdorf entfernten Chartres. Von plötzlichem Mut gepackt, sei es durch das Adrenalin, das ungebremst durch seinen Körper zu strömen schien, oder durch das Vertrauen, dass ihm Pfarrer Binseigne in der Vergangenheit geschenkt hatte, warf er einige Blicke auf die Wirtschaftsgebäude des Bischofssitzes.

Es gab nichts Außergewöhnliches zu sehen, bis er in die Rue Serpente einbog und dort gleich mehrere dieser grauen Fahrzeuge entdeckte, von denen er in Saint-Prest schon eines gesehen hatte. Sie waren dort abgestellt worden. Im Innenraum sah man niemanden.

Erneut packte ihn ein bisschen die Panik. Seine Gefühle schienen im Minutentakt zwischen Angst und Neugierde zu wechseln. Er beschloss, sich vorerst auf den Heimweg zu machen, selbst wenn es nicht so brenzlig war, wie beim letzten Mal. Lieber noch nicht zu viel riskieren. Inzwischen war er außerdem schon über eine Stunde zu spät. Nicht, dass seine Mutter noch anfing, sich Sorgen zu machen. Das konnte er jetzt am Allerwenigsten gebrauchen.

Sein Entschluss stand nach wie vor fest. Er musste Licht in diese Sache bringen und so erkundete er auch in den nächsten Tagen immer wieder die Häuser um die Rue Serpente. Am vierten Tag wurde es besonders spät. Nach dem Unterricht war er über zwei Stunden in der Stadt und beobachtete dort Verdächtige, die mit grauen Fahrzeugen unterwegs waren. Die meisten davon stellten sich als harmlos heraus. Andere passten aber genau in das makellose Bild, das er vom Fahrer hatte.

Mit der Zeit wagte sich Cloq immer näher an die rätselhaften Personen heran. Ab und an spürte er dabei dieses seltsame Gefühl in der Magengegend und ein leichtes Drücken im Kopf, das er nicht einzuordnen vermochte, das er aber in ähnlicher Form auch bei Pfarrer Binseigne hatte. Er schob es auf seine Aufregung und die ungewisse Situation.

Er schlich durch Nebenstraßen, rannte durch Gassen, versteckte sich in Hauseingängen und versuchte dabei so unauffällig wie möglich zu sein. Er kam sich ein bisschen wie ein Detektiv vor, auf der Spur einer in kriminelle Machenschaften verstrickten Verbrecherbande.

Immer öfter schlich er dabei um die Wirtschaftsgebäude des Bischofssitzes und kroch sogar durch die Hecken hinter deren Mauern, um besser beobachten zu können. So behutsam er war, er blieb immer wieder mit der Jacke oder den Haaren an Dornen und Blättern hängen, was für Bewegung zwischen den Zweigen sorgte.

Eines Tages wagte er sich besonders nah heran. Es gelang ihm, fast bis an die Tür des Hauses vorzudringen, ohne sein Vorhaben vorzeitig abbrechen zu müssen, weil er wieder durch knackende Zweige oder schwankendes Blattwerk auf sich aufmerksam machte. Er war aufgeregt. Hoffentlich bemerkten sie ihn nicht. Er war schon so nah dran, dass er sie ohne Fernglas beobachten konnte. Nur noch ein paar Schritte.

Jetzt regte sich auch sein Magen wieder. Dieses seltsam flaue Gefühl war zurück, als hätte er auf einen unreifen Apfel gebissen. Gleichzeitig wurde ihm fast ein bisschen schwindelig. Er musste unbedingt wieder vorsichtiger sein, sagte er sich. Man konnte nicht wissen, was oder wem er da auf der Spur war.

Plötzlich packte ihn jemand mit festem Griff von hinten an der Schulter.

2

Outback

Mutitjulu, Australien, April 1985

Joey Rosen war elf Jahre alt geworden. Mit richtigem Namen hieß sie Joann, aber so hatte sie schon lange niemand mehr genannt. Ihre Familie, Vater Carl, Mutter Jennifer und sie, wären eine normale, australische Familie gewesen, gäbe es da nicht ein paar unbedeutende Abweichungen.

Die Rosens wohnten in Mutitjulu, einer kleinen Siedlung am Fuße des Ayers Rock, auch Uluru genannt, dem heiligen Berg der Aborigines.

Gemeinsam mit dem Aborigine-Stamm der Anangu betrieben sie dort eine Forschungsstation. Über die Anangu sagt man sich seit der Traumzeit, die sie hier Tjukurrpa nennen, sie seien die Hüter des Berges. Sie gelten als Ursprung und Begründer der meisten Songlines. Bei diesen Legenden aus der Traumzeit, die unter anderem von der Erschaffung der Welt berichten, handelt es sich um Geschichten, die seit der Besiedlung Australiens vor mehr als 40.000 Jahren unter allen Aborigines mündlich von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sie werden als der Ursprung aller Regeln der menschlichen Zivilisation gehandelt.

Weil die Familie fast das ganze Jahr über im Outback lebte, wurde Joey zusammen mit einigen anderen Kindern unter anderem von ihren Eltern unterrichtet. Sie passten auf, dass sie keinen Unterrichtsstoff verpasste, und erklärten ihr alles, so genau sie konnten. Einfühlsam, wie die beiden waren, gaben sie gute Lehrer ab. Die clevere Joey wurde von Tag zu Tag eine bessere Schülerin.

In ihrer Freizeit spielte sie mit den Kindern der Anangu. Insbesondere Colebee, ein Junge in ihrem Alter, sowie die 13-jährigen Zwillinge Alkina und Alkira, übersetzt bedeutet das Mond und Sterne, waren ihr ans Herz gewachsen.

Gemeinsam begaben sich die vier Kinder auf Entdeckungstouren rund um das Lager und zu den kleineren Höhlen im Uluru. Tief in den Berg hinein durften sie nicht vordringen, das hatten ihnen ihre Eltern verboten und die Kinder hielten sich bis jetzt immer daran. Besonders die jungen Aborigines kannten viele unheimliche Geschichten über das, was sich angeblich in den Höhlen abspielte.

Der wie ein riesenhafter Monolith aus der flachen Ebene herausragende Berg Uluru ist von Hohlräumen durchzogen, die im Durchmesser von kleineren Rohren bis hin zu großen, kuppelartigen Höhlen reichen. Sie ziehen sich angeblich fast bis zu seinem Fundament hinab, das fünf Kilometer unter der Erde liegt.

Es gab eine weitere Sache, die die Rosens von anderen australischen Familien unterschied. Sie waren Forscher im Auftrag der Akademie, Offizielle des akademischen Rates der Hermetischen Gesellschaft, Abteilung Australien und Ozeanien, Ressort geologische Hermetik.

Hermetiker sind Menschen mit magischen Fähigkeiten und zusätzlichen Wahrnehmungsebenen, die Normalsterblichen nicht zur Verfügung stehen. Landläufig könnte man sie als Zauberer bezeichnen, doch so würden sie sich selbst nie nennen.

Unter Wissenden ist die Zauberei vielmehr als die hohe Kunst der Hermetik bekannt und wird als großes Geheimnis gehütet. In den Geschichten, Sagen und Märchen der Menschen wird in der Regel mächtig übertrieben, wenn es um Zauberei geht. Wie lässt sich etwas so Besonderes auch beschreiben, wenn man es selbst nicht erlebt hat?

Das menschliche Talent für Hermetik bedeutet im Wesentlichen ein ausgeprägtes Gespür für die astralen, immateriellen Repräsentationen anderer Lebewesen und Gegenstände. Jedes Stück Materie im Universum besitzt einen mehr oder weniger energiereichen, zusammenhängenden Hermetischen Kern, den man Astralkörper nennt. Teilt man zum Beispiel eine Flüssigkeit in zwei Teile auf, so entsteht im gleichen Moment ein zweiter Astralkörper.

In der akademische Welt wird diese astrale Kraft, die in allem schlummert, als Mana bezeichnet.

Das Mana ist weitestgehend zufällig über die Weltkugel verteilt. Hohe Konzentrationen sind extrem selten und so gibt es auch nur ganz wenige hochtalentierte Magier. Nur jeder zehnte Mensch besitzt überhaupt messbare Fähigkeiten. Der stärkste in Europa registrierte Hermetiker wird bei Stufe 16 eingeordnet. Der weltweit mächtigste Hermetiker ist ein in Mexiko lebender, 42-jähriger Mann mit Stufe 19.

Joey besaß dieses Talent, doch sie hatte obendrein etwas Besonderes an sich, das sie von den meisten anderen Hermetikern unterschied. Man bezeichnete sie als Glückskind, der offizielle, wissenschaftliche Begriff für ihre Gabe lautet Glückskind-Phänomen.

Bislang vermochte die Wissenschaft keine Erklärung für dieses Phänomen zu finden, jedoch passiert bei einem verschwindend geringen Prozentsatz der Geburten genau das, was Joey widerfuhr. Mana geht von der Mutter auf das Kind über. Ein Glückskind wird das Neugeborene dann, wenn die Natur beim Kind schon selbst für Mana sorgt und zusätzlich eine Übertragung von der Mutter stattfindet. Ein Hermetisches Ausnahmetalent wird geboren.

Sowohl ihr Vater, als auch ihre Mutter waren fähige, ausgezeichnet ausgebildete Magier. Als hochintelligente und angesehene Wissenschaftler wurden sie schon früh in den akademischen Rat der Hermetischen Gesellschaft berufen.

Doch die kleine Joey übertraf die Fähigkeiten ihrer Eltern bei Weitem. Glücklicherweise bekamen die Rosens dies mit. Sie begannen schon in jungem Alter damit, ihr Töchterchen mit ihrem Talent zu konfrontieren, ihre Selbstständigkeit zu fördern und sie im Umgang mit Mana und im Hinblick auf die Hermetik zu trainieren und auszubilden.

Schon als sie noch klein gewesen war, hatten sie ihre Joey dabei unterstützt, sich mit ihrer Kraft vertraut zu machen. Sie hatten ihr gezeigt, wie sie sie bündeln und damit zielgerichtet einsetzen konnte. Inzwischen war ihre Tochter schon sehr weit. Weiter, als sie es nach so kurzer Zeit vermutet hätten. Bald, so hatten sie beschlossen, würden sie Joey mit auf ihre erste Expedition in den heiligen Berg nehmen.

Wie so oft saß Joey bei ihrer Mutter im Unterricht. Heute standen Mathematik, Englisch und Hermetische Biologie auf dem Lehrplan. Darüber freute sich Joey besonders, war es doch ihr Lieblingsfach.

Ihre Aborigine-Mitschüler mussten die Hermetischen Unterrichtsfächer nicht besuchen und so waren die meisten Kinder aus ihrer Klasse an diesem Tag schon nach Hause gegangen. Neben ihr saß nur Colebee, der ebenfalls in Hermetik unterrichtet wurde. Obwohl, oder gerade weil die Schülergruppe nur so klein war, fand Joey die Hermetischen Fächer am interessantesten. Na ja, besser als Mathe auf jeden Fall.

In der kleinen Pause zwischen dem Englischunterricht und Hermetischer Biologie hatte sie sich für später verabredet. Die vier Freunde wollten zu eine kleine Tour zur Loa’a-Höhle aufbrechen. Sie waren fast jeden Nachmittag irgendwo im Outback unterwegs, die Höhle war inzwischen zu ihrem Stammplatz geworden, den sie regelmäßig besuchten.

Nachdem der Gong den Unterrichtsschluss verkündet hatte, schnappten sich die Kinder ihre Rucksäcke und begaben sich auf den Weg. Zunächst schlugen sie die gewohnte Richtung ein, doch dann machte Joey einen kleinen Schlenker und sie betraten für sie bisher unbekanntes Terrain.

„Wo sind wir hier?“, fragte Colebee. „Ich wollte heute mit Absicht mal einen anderen Weg nehmen“, antwortete Joey. „Ich will mir hier noch etwas ansehen.“ Sie waren wie immer zu viert unterwegs. Joey kannte sich von allen am besten aus. Meistens führte sie die kleine Gruppe an. Anders als ihren Freunden stand ihr ja auch ein weiterer Sinneseindruck zur Verfügung, auf den sie sich verlassen konnte.

Colebee hatte das schnell verstanden. Er fühlte das Gleiche, wenn sie zu bestimmten Höhlen oder in manche Gebiete kamen. Hier, wo sie jetzt in diesem Moment pausierten, war es wieder so. Als Magier konnte man die Macht dieses Ortes spüren. Selbst, wenn Colebees Fähigkeiten bei weitem nicht an Joeys heran reichten, konnte er durch den sechsten Sinn, den die beiden hatten, manchmal eine gewisse Verbindung zu dem Mädchen spüren, wenn sie sich in Gegenden wie dieser aufhielten. Wie eine Art stumme Verständigung war das, als würde er sich mit ihren Entscheidungen einverstanden erklären, selbst wenn er nichts zu ihr sagte. Manchmal drehte sie auf einer Erkundungstour um und er dachte kurz danach, dass er instinktiv genau so entschieden hätte. Es ging ihm genauso, wenn sie sich in bisher unbekannte Gefilde vorwagte und er ihr folgte. Immer wenn sie hier unterwegs waren, spürte der Junge ein Gefühl von Ehrfurcht. Der Uluru war nicht nur heilig, sondern vor allem einer der magischsten Orte der Welt. „Der Berg ist von Mana durchzogen“, pflegten seine Eltern immer zu sagen.

„Kannst du es spüren?“, fragte Joey ihren Freund leise. „Ich glaube, dass genau hier die Mana-Linien verlaufen, wie eine Art Weg. Von dieser Stelle dort“, sie zeigte auf einen Punkt, an dem ein krummer alter Ast aus dem Boden ragte. „In diese Richtung genau auf den Berg zu.“

„Nein, ich spüre gar nichts. Nur den Berg, wie immer, aber nichts Spezielles, das ich sonst nicht spüre“, antwortete Colebee verdutzt.

Auch die beiden Zwillinge schauten etwas verwirrt drein. Keiner aus der kleinen Clique wusste, was genau Joey ausgerechnet an diesem Ort hier zu suchen hatte.

„Mein Opa hat mir mal von Bergpfaden erzählt“, sagte Alkina. „Er kannte viele Geschichten darüber. Er meinte aber, es gab sie nur in der Traumzeit und dass sie heute verschwunden sind.“

„Sie erzählt uns mal wieder ihre Märchen,“ erwiderte ihre Schwester Alkira und beide begannen zu grinsen. Auch wenn sie immer wieder ihre kleinen Witzchen über Joey und ihre Begabung machten, hatten sie doch einen gewissen Respekt davor und meinten es nicht so, wenn sie über sie lachten und das wusste Joey.

„Nein, dieses Mal nicht!“, wies Joey Alkira dennoch in ungewohnt ernstem Tonfall zurecht. Ihre energische Reaktion verunsicherte die Zwillinge ein wenig und so hörten sie schnell mit ihren lieb gemeinten Sticheleien auf.

Alkinas Andeutung über die Bergpfade weckte allerdings Colebees Interesse. „Was hat es denn mit diesen Bergpfaden auf sich, Alkina?“, fragte er. In diesem Moment wurde auch Joey der mögliche Zusammenhang zu ihren Mana-Linien das erste Mal bewusst. „Du meinst, das könnten wirklich die alten Bergpfade aus der Traumzeit sein?“, sprach sie Alkina an. Doch ihre Freundin antwortete nicht. „Mama hat im Geounterricht auch mal so etwas erwähnt. Sie meinte, der Uluru sei der Ursprung der Traumzeit und die Traumzeitlegenden könnten von mächtigen Anangu-Wächtern stammen.“

„Großvater Orad hat uns alles darüber erzählt“, begann Alkina schließlich doch mit ihrer Geschichte. Auch wenn sie selbst keine Magier waren, so wussten doch alle Anangu über die Hermetik oder E‘ot, wie sie es nannten, Bescheid. Sogar die Schulkinder kennen die Wahrheit über Mana und können damit umgehen. Im Gegensatz zur Westlichen Welt, wo die Hermetische Gesellschaft dafür sorgt, dass ihr Wirken geheim bleibt.

„Vor vielen Jahren, in der Traumzeit,“, fuhr Alkina fort, „kamen die ersten Anangu hier zum Uluru. Sie sollen aus fünf Richtungen angekommen sein. Ihre Pfade waren noch lange danach spürbar. Sie wurden von drei Tieren angeführt, dem Känguru, der Regenbogenschlange und dem Waran.

Zwei der ersten Anangu waren etwas ganz Besonderes. Sie trugen das E’ot in sich. Sie begannen damit, diese Gemeinschaft hier in Sicherheit aufzubauen und hielten dabei ständigen Kontakt zu ihren tierischen Begleitern, zu den Sternen und zum Berg Uluru.“

„Ich kann hier nur zwei Spuren entdecken,“ erwiderte Joey. „Eine führt hier entlang und die andere hier…“. Die Gruppe wurde immer mutiger, ihre Neugierde war geweckt und ohne auf die Zeit zu achten, wagten sie sich immer weiter vor.

Noch drei Stunden wanderten die vier Kinder Joeys Mana-Linien entlang, erzählten sich Traumzeitgeschichten und entdeckten neue Höhleneingänge am Uluru.

„Die Sonne geht schon bald unter.“, meldete sich Colebee zu Wort. „Ich glaube, wir sollten einen Weg zur Höhle suchen, so lange wir noch genügend Licht haben.“ Colebee war eindeutig der Vernünftigste in der Clique. Er fühlte sich ein bisschen als ihr Beschützer. Im Laufe der Zeit war er ein erfahrener Fährtenleser geworden. Er sprang immer dann ein, wenn sich Joey mal wieder gedankenverloren mit höheren Dingen beschäftigte. Er kannte sich in der Gegend rund um das Lager aus. Auf dieser Seite des Berges wusste er über jeden Winkel Bescheid, doch heute hatte selbst ihn das Verfolgen der Traumzeitpfade in die Irre geführt.

Just in diesem Moment kamen sie auf der Nordseite des Uluru heraus. Sie mussten sich immer noch in einigen Kilometern Entfernung zu der Höhle befinden. Etwa eine Stunde lang liefen sie, die Himmelsrichtungen beachtend, um den heiligen Berg herum. Erst danach fanden sie eine Stelle, die Colebee wieder aufatmen ließ. „Gleich haben wir es geschafft“, verkündete er erleichtert. „Da drüben ist der Weg zum Kali-Baum. Ab hier sind es nur noch ein paar Kilometer.“

Dank Colebees blendendem Orientierungssinn gelangten sie doch noch zu ihrer Höhle. Die Sonne war fast untergegangen und tauchte den Uluru in ein tiefes, warmes Rot. Nach einer kleinen Mahlzeit aus Nüssen und getrocknetem Kängurufleisch, die sie nachdenklich schweigend an ihrem Rastplatz in der Höhle zu sich nahmen, brachen die Freude wieder auf. Ihr schlechtes Gewissen belastete sie schwer. Normalerweise waren die vier immer pünktlich vor Sonnenuntergang zu Hause.

Als sie das Lager erreichten, war es schon dunkle Nacht. Die nachtaktiven Tiere hatten ihre Herrschaft über das Outback übernommen. Um diese Zeit in der Wildnis unterwegs zu sein, konnte gefährlich werden, wenn man sich nicht auskannte. Das wussten die Kinder genau, deshalb waren sie auf die Reaktion ihrer Eltern schon vorbereitet.

Die Rosens und Colebees und Alkinas Eltern befanden sich in Sorge um ihren Nachwuchs, die, wie bei allen Eltern dieser Welt, ohne Vorwarnung in Wut überging, sobald die durch die Freude des Wiedersehens ausgelöste Erleichterung verebbt war. Joey wurde gleich in ihr Zelt geschickt, von wo aus sie ein Streitgespräch ihrer Eltern mitbekam, die in nur fünf Metern Entfernung an der Feuerstelle standen.

3

Das Register

Hamburg, Deutschland, März 1626

Seit Jahrtausenden schon entwickelt sich die Hermetik zu einer konspirativen Macht. Das Phänomen brachte eine gigantische Geheimgesellschaft hervor, die im Stillen agiert und die Geschichte der Menschheit lenkt und permanent beeinflusst. Vor allem die Hermetiker selbst stehen unter ständiger Beobachtung, um das Gleichgewicht zwischen der weltlichen Macht und den Mächtigen der Welt zu wahren. Schon vor vielen tausend Jahren begannen die einflussreichsten unter den Hermetikern eine effektive Verwaltung einzurichten, die sie das „Register” nannten. Im Laufe der Zeit entstand so eine umfassende, ultimative Verwaltungsbehörde.

Dem Register kommen zwei Hauptaufgaben zu. Die erste davon ist das Führen der Chronik der Hermetischen Gesellschaft. Darin wird so gut wie jedes Ereignis erfasst, gefiltert und verarbeitet. Schon lange bevor viele Völker überhaupt angefangen hatten, Schriften zu entwickeln, hatten die Hermetiker begonnen, ein Jahrbuch herauszubringen, von dem heute noch fast alle Exemplare zumindest als Abschriften zur Verfügung stehen.

Das erste davon wurde vor nunmehr über 6.000 Jahren fertiggestellt.

Die zweite Aufgabe der Ämter besteht in der Registrierung. Daher stammt deren Name „Register“. Jeder ausreichend talentierte Hermetiker ist dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Insgesamt kann man heute von rund 1,5 Millionen registrierten Hermetikern weltweit sprechen.

Während der Registrierung wird auch die Einteilung in offizielle Stufen durchgeführt.

Es ist vor allem auf seine Lage und Geschichte zurückzuführen, dass das Hamburger Register noch heute als eines der größten in Europa gilt. Es wurde im Jahre 1241 zeitgleich mit der Gründung der Hanse ins Leben gerufen und ist seit seinen Anfängen eines der Hauptregister.

Die absolute Vormachtstellung im Nordeuropäischen Raum erlangte es zu Beginn des 15. Jahrhunderts, als zwei tatendurstige, einfallsreiche und versierte Hermetiker die Leitung übernahmen. Die beiden führten eine Rapport-Pflicht ein, jeder Matrose mit hermetischem Hintergrund war fortan bei einem Landgang in Hamburg dazu aufgerufen, seinen Bericht darüber abzugeben, was auf dem Schiff passierte, welche Handelswaren eingeführt wurden und was man sich in den zuvor angefahrenen Häfen so erzählte.

Die aufgezeichneten Rapporte wurden weiter klassifiziert, gruppiert und verknüpft und erzeugten so ein Gesamtbild der Lage auf der ganzen Welt.

In der Hochphase der Hanse war das Hamburger Register jahrelang damit beauftragt, sogar die Jahreschronik des Registerrats zu verfassen, bei dem es sich um eines der wichtigsten zeitgeschichtlichen Dokumentationen handelt, vor der Welt der Nicht-Eingeweihten bis zum heutigen Tage sorgsam gehütet.

Im Jahre 1568, die Hanse war gerade dabei, an Bedeutung zu verlieren, wurden neue, weltumspannende Seewege entdeckt. Der in Holland geborene Willem Hoorn war 20 Jahre alt, als er von Amsterdam nach Hamburg kam, um im dortigen Register seine Arbeit aufzunehmen.

Inzwischen war er alt und weise geworden. Seit 60 Jahren arbeitete er dort und hatte sich in dieser Zeit eine beträchtliche Menge an Wissen und Allgemeinbildung angeeignet. Durch seine Kontakte mit allen ein- und auslaufenden Schiffen und deren Besatzung, wusste er, was in der ganzen Welt vor sich ging.

Schon kurz nach seiner Anstellung wurde er als Spezialist eingesetzt, der sich vor allem mit dem Erfassen und Archivieren von Artefakten beschäftigte.

Willem war der Inbegriff eines Zauberers, wie man ihn aus Mythen und Geschichten kennt. Man hätte ihm nur einen großen Filzhut aufsetzen müssen, dann wäre das Bild perfekt gewesen. Sein langer Bart war von einem hellen Grau, das von dicken, weißen Strähnen durchsetzt war. Seine Züge wirkten zugleich seegegerbt und einige Töne blasser, als die der Durchschnittsmatrosen und ließen aufmerksame Beobachter darauf schließen, dass sein Tagwerk aus einem regen Wechsel aus Schiffsreisen und Verwaltungsarbeit bestand.

Seine Hermetischen Fähigkeiten ließen Willem trotz des dicken, grauen Rauschebarts nicht wie ein 80-jähriges Väterchen wirken. Mana lässt die Menschen langsamer altern und der betagte Willem hatte noch einige Jahre und Abenteuer vor sich.

Die Arbeit beim Register durfte man sich nicht als besonders spannend oder gar abenteuerlich vorstellen. Bei der Institution handelte es sich in erster Linie um eine Verwaltungsbehörde, ein Aktenlager, eine Bürokratie. Zur damaligen Zeit war das mit dem gleichzusetzen, was man heute flapsig als „Zettelwirtschaft“ bezeichnen würde. Wenn Willem im Register war, bearbeitete er viele Berichte über Artefakt-Funde.

Durch sein über die Jahre angesammeltes Fachwissen Pflanzen, Steine und deren Manakonzentration betreffend, war er jedoch insgesamt fünf Mal auf Schiffsexpeditionen geschickt worden. Jede davon hatte über zwei Jahre gedauert. Willem hatte dadurch vier der fünf Kontinente bereist. Damals konnten das nur wenige Menschen von sich behaupten.

Er war überzeugt davon, passable Hermetische Fähigkeiten zu besitzen. Im Register war er zunächst bei Stufe 8 eingetragen gewesen, später hatte man eine Korrektur auf Stufe 9 vorgenommen, was nur selten vorkam.

Sein unschlagbares Talent bestand darin, die Konzentration von Mana zu erspüren. Mana verleiht seinen Trägern unterschiedlichste, aber durchaus miteinander verwandte Fähigkeiten. Vom Gedankenlesen und Manipulieren, über das Erspüren der Aura anderer Menschen, dem Hellsehen von Vergangenheit und Zukunft, sowie Astralreisen bis hin zur Nutzbarmachung des Mana außerhalb des Körpers war fast alles dabei, was man sich vorstellen konnte.

Die damit verbundenen Talente waren nicht zwangsläufig gleichmäßig an die Mana-Stufe des jeweiligen Hermetikers gekoppelt. Jeder entwickelte sein eigenes, persönliches Talent. Die meisten davon ließen sich durch Training und Übung verbessern und erweitern.

Das Talent des Registrars war teils angeboren, teilweise aber durch die intensive, dekadenübergreifende Arbeit, geschärft und verbessert worden. Mit seinem ausgeprägten Gespür für Artefakte sowie deren Kraft und Echtheit, war er Experte geworden, ein weiser Mann, wenn man so wollte.

Zur Hansezeit waren die Räumlichkeiten des Hamburger Registers ein weit verzweigtes Netz aus kleinen Kammern, die in die Stadtmauer eingelassen waren. Einige Häuser, die in der Nähe standen, gehörten dazu. Außerdem gab es ein kleines Tunnelsystem, welches die Gebäude innerhalb der Stadtmauer mit denen außerhalb verband.

Willem selbst arbeitete in einem der Kontor-Häuser am Kalkhof. Während der Rest des Umlandes mit dem 30-jährigen Krieg zu kämpfen hatte, ging es den Hamburgern nach wie vor gut. Handelsschiffe legten an, brachten ihre Güter und gingen wieder auf die Reise. Durch den Krieg war der Handel mit Informationen äußerst gefragt, sie kamen genau wie die Waren über den Seeweg ins Land. So gelang es der Hermetischen Gesellschaft, weiter ihre zahlreichen, weit reichenden Fäden zu spinnen.

Willem Hoorn brauchte nicht viel weltlichen Besitz. Er hatte nie danach gestrebt, etwas sein Eigen nennen zu können. Im Vergleich zu den Menschen, die außerhalb der Stadtmauern wohnten, konnte man ihn allerdings als wohlhabend bezeichnen. Er lebte und schlief im Kontor. Es gab dort im Obergeschoss einige Kammern, die von den Registraren ohne Familie bewohnt wurden. So wie es Anderen gefiel, Dinge zu sammeln oder Besitz anzuhäufen, lebte Willem für die Geschichten, die er tagein tagaus hörte. Er hatte seinen Traumberuf gefunden und ging darin auf. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, jemals etwas anderes zu tun.

Jeden Morgen begann er zeitig, pünktlich mit dem Sonnenaufgang, mit seiner täglichen Arbeit. Für ihn, genau wie für viele andere Registrare, gab es kaum freie Tage. Willem störte sich nicht an diesem Umstand. Für ihn war das Register schon immer der Lebensmittelpunkt gewesen.

Nach seinem kurzen Frühstück, das meistens aus einer Tasse Tee und etwas Graubrot mit Butter bestand, stieg er die steile Steintreppe nach unten und betrat seine Kontorstube. Die Amtsstuben waren auf der Wandrahm-Insel hinter dem Brooktor angesiedelt. Sie befanden sich in einer Reihe aus steinernen Unterbauten, die als Basis für die darüber liegenden Holzfachwerkgebäude dienten. Hier, in der Nähe der großen, konischen, aus Ziegeln geformten Kalköfen, waren die meisten Registerstuben der Sektionen II und III zu finden. Von hier aus konnte das Register in aller Ruhe operieren, ohne dabei Aufsehen zu erregen.

Es kamen immer wieder Matrosen vorbei, die sich zum Rapport bei ihm oder einem seiner Amtskollegen meldeten. In einer Woche konnten es bis zu zwanzig sein. Die interessantesten Geschichten machten unter den Kollegen schnell die Runde.

Gearbeitet wurde im Register immer von Montag bis Samstag. Dann hatte jeder seinen Wochenbericht an die nächsthöhere Abteilung zu übergeben. Der Sonntag stand den Registraren zur freien Verfügung.

Willem war bei der Erstellung der Berichte extrem genau. Für seine eigenen Aufzeichnungen fertigte er jeden Morgen einen Eintrag über den Vortag an, ehe die ersten Matrosen zum Rapport eintrafen. Meist kamen die Seeleute am späten Vormittag oder gegen Mittag an. Die Artefakte und Geschichten vom Seevolk und von der Hamburger Bevölkerung, die für ihn von Interesse waren, landeten somit meistens gegen Nachmittag auf seinem Tisch.

Zusätzlich zur alltäglichen Arbeit legte der erfahrene Registrar alle drei Wochen einen, wie er es nannte, Archivtag ein, an dem er archivierte Berichte aus der Vergangenheit wieder aufgriff und sich von Querverweis zu Querverweis durch die jüngere Geschichte hangelte, um damit Fälle aktuelleren Datums besser beurteilen zu können.

Aus den wenigsten der von ihm bearbeiteten oder ihm vorgetragenen Geschichten wurden echte Fallakten. Nur selten gab es Themen, die seine Aufmerksamkeit länger auf sich zogen. Oft bestand die Arbeit wochenlang aus bürokratischen Vorgängen.

Am heutigen Vormittag, Willem hatte gerade einige seiner Fälle aufgearbeitet und an das Archiv weitergegeben, erzählte man sich im Amtszimmer der Archivare Geschichten über einen heutigen Gast, einen Maat, der von einer Handelskaracke, einem dicken Dreimaster aus Indien, an Land gekommen war und einen speziellen Stein bei sich trug.

Da Willem Hoorn auf diesem Gebiet ein absoluter Experte war, lauschte er dem Gerücht nicht nur mit halbem Ohr. Er konnte nicht anders, als sich selbst an dem Schnack zu beteiligen. Nachdem er alles erfahren hatte, was die Kollegen aufgeschnappt hatten, war er sich sicher, dass er sich umgehend auf den Weg machen musste, um den Maat zu finden und sich persönlich mit ihm zu unterhalten. Er nahm seinen Mantel und spazierte zum Neuen Krahn, an dem die Zeno, so lautete der Name der Karacke, soeben gelöscht wurde. Auf diesem Schiff arbeitete der Seemann mit dem bemerkenswerten Kleinod.

Er fragte sich bei den Hafenarbeitern durch, die an Bord mit dem Entladen beschäftigt waren und fand den Maat unter Deck. Er stellte sich ihm als Roberto Alvarez vor, sein Heimatland war Spanien. Der sprachbegabte Willem wechselte mühelos ins Spanische, als er merkte, dass der Seemann nur einige Brocken deutsch sprach. Diese lebendige Sprache hatte ihm nie große Mühe bereitet, hatte er doch mit dem seetüchtigen spanischen Volk im Hamburger Register und auf Reisen schon so oft zu tun gehabt.

Ohne große Umschweife sprach Willem den weit gereisten Alvarez auf den Stein an und dieser berichtete ihm.

„Wo haben Sie das Stück gefunden?“, fragte er ihn.

„Er kam in Indien zu mir, bei einem Landgang in Delhi“, antwortete Alvarez kurz.

„Von wem haben sie es bekommen?“, fuhr Willem mit der Befragung fort.