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Die Blenden ihres Schlafzimmers sind weit geöffnet. Gabriellas Blick geht über die sanften Hügel der Toskana und den kleinen Ort ihrer Kindheit. Sie braucht eine Auszeit von ihrem Job und ist nach vielen Jahren in das Haus ihrer Familie zurückgekehrt. Sie liegt in den weißen Laken ihres Bettes und beschließt, es den ganzen Sommer nicht mehr zu verlassen. Wer sie sehen will, muss sich zu ihr legen. Und alle kommen, vom Schornsteinfeger bis zum Pfarrer. Sie reden auch über Gabriellas Mutter, die rätselhafte amerikanische Schauspielerin, die eines Tages für immer verschwand. Gabriella hatte nur noch ihren Vater und die geliebte Haushälterin Emilia - doch mit jeder neuen Geschichte ihrer Gäste wird Gabriella klarer, dass die Dinge nicht so liegen, wie sie dachte ...
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Veröffentlichungsjahr: 2016
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www.piper.de
ISBN 978-3-492-97322-9
Mai 2016
© Piper Verlag GmbH, München 2016
Covergestaltung: FAVORITBUERO, München
Covermotiv: age fotostock, Look-foto
Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe
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Als Gabriella Cosini sich am späten Nachmittag des 28. August in ihr Bett legte, war sie zweiunddreißig Jahre alt. Ihr Haus mit den dicken Mauern war sonnendurchflutet, und von draußen strömte der Duft der wilden Rosen herein, die an der alten Sandsteinvilla emporrankten. Gabriella fühlte sich wie in einem Rettungsboot auf sturmumtoster See. Und ab sofort würde sie dieses Boot aus gestärktem weißen Leinen nicht mehr verlassen.
Es war still, nur der Wind war zu hören und Emilias schwere Schritte auf dem alten Holzboden. Sie trat ins Zimmer und kniff in ihrer ganz eigenen Art missbilligend die Augen zusammen. Gabriella blickte ihr entgegen und musste lächeln, Emilia wird mich für verrückt halten, dachte sie, wenn sie es nicht schon längst tut.
»Unten steht der Schornsteinfeger.«
Gabriella nickte. »Gut. Er hat sich angemeldet.«
»Was soll ich ihm sagen?«
»Er soll heraufkommen.«
»In Ihr Schlafzimmer …?«
»In mein Schlafzimmer!«
Es war eine Mischung aus Fluch und Stoßgebet, was Emilia ausstieß, während sie sich umdrehte und hinausging, die braunen Augen zur Decke gerichtet. Der Schatten ihres schwarzen, wadenlangen Kleides wanderte langsam mit.
Gabriella blickte ihr hinterher.
Sie kannte Emilia, seit sie überhaupt denken konnte. Mit dem Tag ihrer Geburt war sie in ihr Leben getreten. Gabriellas Vater hatte sie eingestellt, um seiner Frau, der jungen Mutter, das Leben zu erleichtern. Das Leben in dieser großen alten Villa mit ihren vielen Zimmern und verwinkelten Fluren. Beide waren sie nicht mehr da, sinnierte Gabriella, meine Mutter nicht und auch nicht mein Vater. Nur Emilia ging noch wie all die Jahre zuvor aufrecht durch das Haus, kam jeden Morgen zur gleichen Zeit vom Dorf den Hügel hinaufgeschritten und ging abends denselben staubigen Weg zurück. Sie war wie das präzise Uhrwerk, das, von Meisterhand geschaffen, keine Verzögerung, keinen Ausfall kennt.
Gabriella seufzte und ließ sich in das große Kissen zurücksinken. Sie selbst war der Ausfall. Ein Ausfall auf der ganzen Linie. Seit ihrer Rückkehr war sie etwas, das nicht in Emilias Weltbild von großer Beständigkeit passte.
Gabriella sah durch die weit geöffneten Fensterflügel hinaus auf den Weinberg ihres Vaters, der sich fast bis hinunter zu den Dächern des Dorfes erstreckte. Die Nachmittagssonne lag auf den alten Ziegeln und färbte sie tiefrot, und der leichte Wind bauschte die Vorhänge aus cremefarbenem Taft, die Gabriella gleich nach ihrem Einzug in dieses Zimmer mitsamt den spitzengefassten Gardinen zur Seite gezogen hatte. Sie hörte die leisen Schritte, die zögernd die Holztreppe heraufkamen. Unwillkürlich musste sie lächeln. Sie hatte Flavio vor acht Tagen auf der Beerdigung ihres Vaters gesehen. Er hatte, wie alle Dorfbewohner, schweigend dagestanden, als der Sarg in die toskanische Erde gesenkt wurde und der Pfarrer seinen letzten Segen sprach.
Durch den Spalt der offenen Holztür sah Gabriella, wie Flavio eine Zeit lang vor ihrem Zimmer stehen blieb. Er hatte die Stelle seines Vaters übernommen, und sicherlich hatte der ihm ein paar Ermahnungen mit auf den Weg gegeben, bevor er zur Sandsteinvilla des alten Conte, den es ja nun nicht mehr gab, aufgebrochen war.
Schließlich hob Flavio die Hand und klopfte gegen das schwere Holz. Es hörte sich dumpf an, und Gabriella sah, dass er die Hand nicht sinken ließ. Offensichtlich ging er davon aus, dass er ein zweites Mal würde anklopfen müssen.
»Es ist offen«, rief sie. Er schob die Tür auf und kam forscher herein, als sie vermutet hatte. Vor dem großen Bett blieb er stehen und deutete mit einem knappen Kopfnicken eine Verbeugung an.
»Guten Tag, Contessa.«
»Guten Tag, Flavio. Bitte nenne mich Gabriella, ich bin keine Contessa.«
Es war seinem Blick anzusehen, dass er bei dieser Bezeichnung bleiben würde. Die Dorfbewohner hatten sie immer so genannt, was an der Vergangenheit des Hauses lag, nicht an seinen Bewohnern. Wer dort wohnte, war automatisch der Graf. So wie schon die hundert Jahre zuvor.
»Ich habe mir Ihre Heizung angesehen«, begann Flavio und versuchte, seine Augen nicht über das große Bett wandern zu lassen, dessen rechte Seite leer war. Ein weißes Laken, ein aufgestelltes weißes Kopfkissen, keine Decke, nichts. Gabriella klopfte sanft mit ihrer Hand neben sich.
»Setz dich zu mir. Oder leg dich. Wie du willst.«
Er sah an seinem schwarzen Kehranzug herunter.
Gabriella betrachtete ihn. Sie kannte ihn noch als kleinen Jungen, der seinem Vater stets wie ein junger Hund hinterhergelaufen war. Es war damals schon klar gewesen, dass er irgendwann in dessen Fußstapfen treten würde. Doch seit sie nach New York gegangen war, hatte sie ihn nicht mehr gesehen, das war nun gut sieben Jahre her. Und bei der Beerdigung hatte sie Flavio nur erkannt, weil er neben seinem Vater gestanden hatte, der zwar grauhaarig geworden war, sich aber sonst kaum verändert hatte. Flavio dagegen schon: Aus dem schmächtigen kleinen Burschen war ein stattlicher junger Mann geworden.
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