"Die Jagd, die Beute und der Tod" - Jochen Polanski - E-Book

"Die Jagd, die Beute und der Tod" E-Book

Jochen Polanski

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Beschreibung

Die Mordkommission Köln steht vor Rätseln, als sich herausstellt, dass Studentinnen ermordet werden, die bei Mitfahrzentralen reisen. Mit Strom im Sicherheitsgurt wehrlos gemacht, missbraucht, ermordet, werden sie in Müllsäcken in den Rhein geworfen. Die Mordserie setzt sich in Frankfurt fort. Profiler, ein Zusammenschluss der Kommissionen muss die Ex-Frau Wagners, eines besessenen Killers, schützen, ohne dass sie den medienwirksamen Mord verhindern. Wagner flüchtet nach Belgien, seine Machenschaften im Autodiebstahl und das heiße Pflaster in Deutschland zwingen ihn dazu. Hauptkommissare Wagner, Paulsen und Kollegin Nowak, eine Amazone im Polizeiberuf aus Köln - zusammen mit den Frankfurter Kollegen -, überlisten den Täter. Er landet im Knast, bricht wieder aus, und sein Vermögen vom Autohandel, - auf einem Schweizer Nummernkonto gebunkert - lässt es zu, erstmal in der Schweiz die große Geldsumme abzuheben. Dann in Marseille, Frankreich, wird er von seinem Trieb eingeholt, vergeht sich an weiteren Frauen, bis er in Paris eintrifft. Rastlos pirscht er sich an jungen attraktiven Frauen an, die martialisch ermordet werden. In Paris ist eine Sonderkommision aus Kommissaren von Köln, Frankfurt,Marseille und Paris vereint, um dem Schrecken ein Ende zu bereiten. Als Wagner eine Bankiertochter ermordet, kommt alles anders.

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Ähnliche


Jochen Polanski

"Die Jagd, die Beute und der Tod"

Psycho-Thriller

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

1. Teil STROM

1

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Epilog

2. Teil DIE WIEDERKEHR; DIE BESESSENHEIT, UND DAS UNAUSWEICHLICHE

Prolog

1

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Impressum

Vorwort

„Die meisten Menschen sind viel zu sehr mit sich beschäftigt, um boshaft zu sein.“

Friedrich Nietzsche

1. Teil STROM

1

Sie wartete am verabredeten Treffpunkt. Es war kalt an diesem Novemberabend 2007, starke Windstöße wirbelten ihren langen blonden Locken über den rot-schwarzen Rucksack. Ihr Haar schimmerte goldglänzend auf ihren Schultern im Licht der Straßenlaternen. Sie hätte doch ein Haarband tragen sollen! Böen peitschten lästig ihre Strähnen auf den Wangen, und ihr nicht unschweres Gepäck auf dem Rücken brachte sie aus dem Gleichgewicht. Es hielt sich noch in Grenzen.

Lange musste sie sicherlich nicht mehr warten. Ein Blick auf ihr Handy zeigte. 17 Uhr 58.

Um 18 Uhr wollte ihre Mitfahrgelegenheit eintreffen. Nicole Stürmer hatte vor, ihre Freundin in Mainz zu besuchen. Sandra wurde morgen 22 Jahre alt; und Nicole hatte ein schon ein heftiges Wochenende im Auge, Stunden voller Ausgelassenheit und Spaß, eine wilde Party, bei der nichts zu kurz kommen würde.

Während Nicole Sozialarbeit in Köln studierte, war Sandra in Mainz in BWL immatrikuliert. Nicht nur die unterschiedlichen Fakultäten und Universitätsstädte unterschieden sie, auch ihre Temperamente glichen sich ganz und gar nicht. Sandra war ihrem Freund gefolgt, es war eine Amour fou, wie man sie sich nicht besser vorstellen konnte. Und doch meisterten sie ihre Zeit an der Uni! Was hatten sie sich gewandelt, seitdem sie Köln verlassen hatte!

Köln-Bayenthal. Nicole hielt Ausschau nach einem schwarzen Opel Astra Kombi. So langsam könnte er kommen! Die Rheinuferstraße war wie immer stark befahren, eine Karosserie klebte sich an die nächste. Sie hatte Schwierigkeiten beim Auseinanderhalten der verschiedenen Fahrzeugtypen, es kostete sie Konzentration, ihre Augen permanent auf die Fahrbahn zu fokussieren. Jetzt sah sie ein schwarzes Auto sich dem Seitenstreifen nähern. Eine Lichthupe folgte. Nicole winkte. Der Wagen hielt an. Der Fahrer stieg aus, ein Mittdreißiger in Bluejeans und schwarzer Lederjacke, dessen Kragen hochgezogen waren. Sein dunkelbrauner Bürstenhaarschnitt und seine blassblauen großen Augen wirkten auf Nicole im ersten Moment eigenartig: eine Mischung aus Müdigkeit und unverhohlener Neugier.

„Ich bin Bernd Neumann,“ er nickte freundlich, „ du willst nach Mainz? Na dann steig ein, den Rucksack kannst du im Kofferraum legen.“

„Ich nehme ihn mit auf den Beifahrersitz. Er stört mich dort nicht ,“ erwiderte sie.

„Einverstanden,“ er grinste, als sie platz nahm, blickte sie durch die Windschutzscheibe lächelnd an und setze sich dann in den Fahrersitz, startete das Auto.

„Angeschnallt hast du dich ja schon. Gut!“ Er beschleunigterasant, fuhr aber sicher.

„Und was schaffst dich nach Mainz?“ fragte sie ihn.

„Ich habe dort geschäftlich zu tun. Schon spät abends fahre ich wieder zurück.“

Geschäftliches! Was sonst! Das konnte sie sich denken.

.„Wielange bleibst du in Mainz?“

„Das Wochenende. Eine Freundin feiert Geburtstag, da will ich nicht fehlen!“

„Schade, ich würde dich gerne wieder zurückfahren. Aber das geht nicht.“

„Machen sie sich keine Gedanken. Ich weiß schon, wie ich zurückkomme.“ Nicole sah zuerst geradeaus, dann zum Rhein, drehte dann den Blick leicht zu dem Mann. Seine sportliche Statur wirkte selbstsicher. Er griff mit der rechten Hand in die linke Brustinnentasche, holte sich Zigaretten raus, zündete eine an. Nach dem ersten Zug trafen seine blassblauen, großen Augen ihren Mund, ihren Augen, ihren Hals. Ihre Windbreakerjacke war zugezogen. Nicole rauchte zwar auch, doch sie hatte jetzt keinen Schmacht. Er rauchte ziemlich hastig, es dauerte keine fünf Minuten, da drückte er sie aus.

„Nicht mehr lange, dann sind wir auf der Autobahn.“ Seine Stimme klang fremd, so als wäre es gelogen. Sie sagte nur. Ja.“ schwieg dann…

Das Schweigen hielt an. Eigenartig, er ließ keine Musik laufen, obwohl er eine geile Anlage im Auto hatte. Musik täte ihr jetzt gut. Doch sie fragte ihn nicht danach, sie wusste nicht warum.

Sie griff in ihre rechte Jackentasche, umfasste ihr Handy. Jetzt Sandra anrufen. Wozu? Sie wusste ja ungefähr, wann sie käme. Ein Auto wäre schon nicht schlecht! Wie teuer das Autofahren heute geworden ist. Von ihren Eltern wollte sie keins. Sie sparte schon. Wenn sie ihr Diplom hatte, würde sie sich einen Gebrauchtwagen kaufen. Den Lappen hatte sie schon.

Merkwürdig, er grinste sie schon wieder so an. Dann fuhr er in eine Straße links rein.

„Das ist nicht der richtige Weg!“ sie waren mittlerweile in Sürth. „Wo wollen sie denn hin?“ Bei diesen Worten spürt sie deutlich ihren Herzschlag im Brustbereich, ihr Solarplexus strömte einen bedrohlichen Druck aus.

„Keine Sorge, ich habe noch was zu erledigen.“ Bernd Neumann gab in der kleinen, nicht beleuchteten Straße Gas. Nicole sah weg, als er sie von der Seite musterte. Neumann machte eine Vollbremsung. Weit rissen sich ihre Augen auf, dann ein Schrei, vor Schrecken starr. Mit einem unnatürlichen Wimpernschlag schlossen sich ihre Augen.

Jetzt musste es schnell gehen. Es ging schnell. Er packte den Rücklehnengriff, riss ihren Kopf nach hinten, so dass ihr Handy aus der Jackentasche flog. Er schnappte es sich, entfernte die SimCard und steckte es ins Handschuhfach. Der Sicherheitsgurt löste sich von ihrem Körper. Ein Streifen bildete sich an ihre Jacke. Versengt. Der Gurt hatte sein Gutes getan. Neumann zog ihre sämtliche Kleider vom Leib. Ein rotes Brandmal, 8 Zentimeter breit, ging von links unten nach rechts oben, die Brustwarze war verkohlt. Mit einer Mullbinde stopfte er ihren Mund, klebte ihn mit Tesaband zu. Die Ohren stöpselte er mit Tampons zu.

Gierig grapschte er nach ihrer Vagina, fuchtelte mit vier Fingern durch ihre Schamlippen. Neumann öffnete seine Hose, stieß seinen erigierten Schwanz in ihre junge Vulva. Mit entsetzlichen Stößen rammte er sein Ding in ihr hilfloses Geschlechtsorgan.

Da riss sie wieder ihre Augen auf. Noch nicht ganz tot, erwachte sie aus einem wahren Albtraum. Der teuflische Schmerz in ihrer rechten Brustwarze, ein Brennen, das nicht aufzuhalten war. Das abartige Penetrieren ihres Körpers mit dieser unaufhaltsamen Gewalt. Als sie in seine Augen sah, spürte sie seine grenzenlose Gier, das dunkle Funkeln eines Raubtieres. Das waren keine Augen eines Menschen, keine eines Mannes.

Nicole konnte nicht mehr hinsehen. Ihre Angst, ihre endlosen Schmerzen steigerten sich ins Unermessliche. Seine starke Hand packte die heile Brust und rieb sie an der verletzten. Spuren von Blut verschmierten ihren Busen. Sie keuchte nach Luft, doch es ging nicht. Ihre Nasenflügel blähten sich verkrampft auf. Sie verdrehte ihre Augen. Er packte sie am Bauch, unterhalb des Bauchnabels, drückte fest zu. Alabasterfarbige Anatomiefragmente zuckten in Wellen zitternder Bewegungen. Sein Schwanz wütete weiter in ihr. Sie schlug den Kopf nach rechts, nach links, nach oben, nach unten. Neumann begann immer lauter tierische Töne von sich zu geben. Sie hörte es nicht. Sie konnte es nicht hören.

Neumann holte einen Müllsack aus dem Handschuhfach. Dann öffnete er die Tür, schmiss ihre Kleidung in den Beutel. Er griff unter ihre Arme, zog sie aus dem Auto und steckte sie in den Sack. Er verschnürte sie mit einem Bindfaden und trug sie wieder auf den Beifahrersitz. Er schloss die Tür, setzte sich wieder ins Auto. Es war nicht mehr weit bis zum Rhein, er war nahe dem Ufer. Bäume säumten den Rand des Flusses. Jetzt hielt er an. Vor ihm floss der Strom. Er packte sich die umhüllte Leiche, schleppte sie zum fließenden Wasser. Eine steile Böschung führte zum Fluss. Der stürmische Wind erschwerte das Tragen des leblosen Frauenkörpers, er spürte das Tosen. Er konnte den Rhein hören. Dann kippte er sie herunter in die Tiefe, in den Fluss. Ein Platschen folgte, ein Verlorensein, ein Verlassensein.

2

Simone war noch auf. Sonntagabend, 22 Uhr 32, der 11 November 2007. Sie tippte die Tasten ihres Handys. Jetzt konnte sie nicht mehr warten, bei Sandra anzurufen. Nicole hatte sich bei Sandra nicht mehr gemeldet, und sie war noch immer nicht wieder zu Hause.

„Hallo Sandra! Ich bin es, Simone. Du, ist Nicole noch bei dir?“

„Nein, Simone! Nicht nur das nicht. Sie war gar nicht hier! Sie hatte mich doch Freitagnachmittag angerufen und gesagt, wann sie in Mainz ankommt.“ Ein Stöhnen. Dann ein kurzes Schweigen.

„Dass ist unfassbar!“ sagte Simone, hoffentlich ist ihr nichts passiert.“ Ihre Stimme zitterte, sie stand vor der Balkontür rauchend, blickte in die Nacht der Kölner Südstadt, umhüllt von kaltem Novemberhauch.

„Da stimmt was nicht, Simone. Irgendwas muss da vorgefallen sein! Sie ist nicht mehr erreichbar, ihr Handy ist tot. Ich wollte schon früher bei dir anrufen. Hätte ich das bloß getan! Auf der Party kam keine Stimmung auf.“ Sandra schluchzte.

„Das glaube ich dir. Du sagst, sie sei mit dem Handy nicht zu erreichen. Was hat das nur zu bedeuten?“

„Auf alle Fälle nichts Gutes. Du musst unbedingt ihre Eltern benachrichtigen.“

„Das mache ich morgen, heute Abend nicht mehr. Ich möchte die beiden nicht jetzt schon beunruhigen.“ – „Gut, was meinst du, Simone, steckt nicht vielleicht der Fahrer dahinter, der sie mitnahm?“

„Wie kommst du darauf? Das kann zwar sein, aber...“

„Hör mal, das ist doch naheliegend. Sie hätte gegen 20 Uhr am Bahnhof sein müssen, dann mit Straßenbahn zu mir. Sie wäre so um halb 9 bei mir gewesen. Wer oder was kommt da sonst in Frage?“

„Du kannst da Recht haben, wirklich. Wenn ich mir das so überlege. Ich ahne Böses!“

„Ich auch. Pass auf, Simone. Ich rufe dich morgen Abend mal an, und du erzählst mir, wie der Stand der Dinge ist.“

„Ja, mach ich. Die Eltern werden sich die Polizei benachrichtigen, „Simone seufzte, - „Gut, dann lass uns jetzt Schlussmachen, sonst wird es zu teuer. Machs gut.“

„Du auch.“

Morgen früh musste sie wieder zur Uni. Auch sie studierte Sozialarbeit, war aber zwei Semester weiter. Es war bedrückend still in der Altbauwohnung. Nicole fehlte. Sonst saßen die beiden zu dieser Zeit in der Küche, tranken grünen Tee, rauchten und quatschten. Sie verstanden sich gut. In den zwei Jahren, die sie hier zusammen wohnten, lief alles bestens.. Nicole und Simone hatten dieselbe Wellenlänge, sie mochten die die gleiche Musik: Alternativ und Indie mit all seinen geilen Vibes. Und sie tranken gerne ein Gläschen Wein zusammen, gingen in ihre Stammkneipe, wo sie Pool-Billard spielten, was beide mit gekonnter Sicherheit brachten, und dabei ab und wann mit Kerlen flirteten.

Simone hatte noch ein Vollbad nehmen wollen, doch sie war nicht in die Wanne gestiegen. Ihr war nicht danach. Sie trank noch etwas Tee, rauchte, bis sie ihre Abendtoilette erledigte.

Im Bett stiegen finstere Bilder in ihr hoch. Beklommen wälzte sie sich hin und her, versuchte auf andere Gedanken zu kommen. An Schlafen war nicht zu denken.

Es war schon 1 Uhr nachts durch, sie hatte noch kein richtig zugedrückt. Was war geschehen? War sie das Opfer einer Vergewaltigung geworden? Sie malte sich das Schlimmste aus. Irgend so ein Triebtäter, ein Perverser hat sie in die Finger bekommen...Sie ging auf Toilette. Dann rauchte sie eine, trank dazu zur Beruhigung ein Glas italienischen Rotwein.

Irgendwann musste sie dann doch eingeschlummert sein, denn als der Wecker klingelte, es war 7 Uhr morgens, schlief sie noch.

Sie wollte erst zur Uni fahren, an ihren Kursen teilnehmen. Erst danach würde sie Nicoles Eltern anrufen.

In der Hochschule kam sie auf andere Gedanken. Mit anderen Studenten zusammen zu sein, wurde sie abgelenkt,.

Als ihr erster Kurs beendet war, sprach sie Nils an.

„Nicole ist verschwunden. Sie wollte auf eine Geburtstagsparty in Mainz und kam nie dort an.“

„Das ist sehr rätselhaft. Hast du schon die Bullen angerufen?“

„Wieso ich? Das sollen ihren Eltern machen. Ich rufe nach der Uni an.“

„Mach das.“ Nils stand mit am Mensaeingang, rauchten eine, tranken Kaffee aus Pappbechern. Er überragte sie um Kopfeslänge, seine breiten Schultern, sein markantes Gesicht mit den knisternden Augen hatten es ihr angetan.. Wenn er sie ansprach, sah sie oft zu ihm auf seinem Mund seine Augen.

„Du, ich muss gleich weiter, in den nächsten Kurs. Was haltest du davon, wenn wir uns mittags in der Mensa treffen?“

„Gerne!“ Simone strahlte.

Dann in der Mensa, sie aßen ihr Stammessen: „Du, Nils, wir habe schlimme Befürchtungen, wir, das heißt, Sandra, das Geburtstagskind und ich. Sie war mit einer Mitfahrgelegenheit nach Mainz unterwegs, und seitdem sie dort eingestiegen ist, bricht der Kontakt zu ihr ab. Über ihr Handy ist sie nicht mehr zu erreichen und in Mainz kommt sie scheinbar nicht mehr an.!“

„Du denkst, der Fahrer hat ihr was angetan!“ seine rechte Augenbraue zuckte hoch. „Wenn das der Fall ist, wenn er Nicole auf dem Gewissen hat, dann...“

„Seit drei Tagen vermisse ich sie, sie weg, verschwunden!“ Simones Tonfall war gestiegen. Sie war mit dem Essen fertig, stand mit dem Tablett auf und sah Nils an.

„Der Kerl hat seine Daseinsberechtigung verloren. Wenn der das war, muss er für immer hinter Gittern, für immer.“ Nils ging vor, sie folgte ihm. In der Cafeteria tranken sie einen Kaffee. Sie sagten kaum etwas.

„Und du rufst nachher ihre Eltern an!“

„Ja!“

„Warum wartest du noch. Mach es gleich jetzt!“

„Du hast Recht. Ich habe die Nummer gespeichert.“ Simone griff ihr Handy rief an.

„Stürmer!“

„Hallo, hier ist Simone Mertens. Ich rufe an, weil Nicole nicht aus Mainz zurückgekehrt ist. Sie wissen doch sicherlich, dass sie auf eine Geburtstagsparty wollte?“

„Ja, aber das kann doch nicht sein! Ist ihr etwas passiert? Wissen Sie Näheres?“ Frau Stürmer stockte.

„Ich weiß, dass sie gar nicht in Mainz eingetroffen ist. Sandra hatte am Freitag Geburtstag und sagte mir das. Und was noch schrecklicher ist, Nicoles Handy ist nicht mehr aktiv, seit sie mit der Mitfahrgelegenheit losgefahren ist.“

„Sie machen mir ja richtig Angst. Ich muss unbedingt die Polizei anrufen.“ Frau Stürmers Stimme klang verbittert. Die Sorge, das ihrer Tochter etwas zugestoßen sein konnte, bereitete ihr Angst, eine gereizte Stimmung nahm von ihr Besitz.“

„Ja, das müssen sie unbedingt tun. Kann ich sie heute Abend anrufen, um zu erfahren, was alles ergebe hat?“

„Ja, das dürfen sie, Simone.“ Gabi Stürmer kannte Simone, Nicole und sie waren seit dem Gymnasium befreundet, auch wenn sie eine Stufe höher war. Schon zu jener Zeit, als Nicole noch zu Hause wohnte, besuchten sie sich oft. Sie gab ihr Trost beim ersten Liebeskummer, und sie hielten zusammen, wie es beste Freundinnen taten. Frau Stürmer mochte sie.

„Danke, Alles Gute. Frau Stürmer.“

„Auf Wiedersehen.“

Die beiden saßen an Tischen mit wenig Studenten, sie konnte ungestört ihr Gespräch führen.

„Siehst du, das hast du schon mal geschafft.“

„Ja, stimmt. Besser als wenn ich das zu Hause allein hätte erledigen müssen. Du bist eine große Hilfe, Nils.“

„Das ist doch klar, dass ich dir helfe. Komm, wir rauchen draußen noch eine, bevor unser Kurs anfängt.

Simone verließ dann die Hochschule und fuhr zur 2-WG.

Es war kurz nach 16 Uhr, als sie die Wohnung in der Altenberger Straße betrat. Im Briefkaste war nichts. Sie schaltete erstmal die Heizung an, machte sich eine Instant-Cappuccino und flätzte sich aufs Sofa im Wohnzimmer.

Wie würde die Polizei reagieren? Ob sie was veranlassten, Ermittlungen aufnahmen? Noch fehlte jede Spur. Sie war gespannt, was Nicoles Mutter ihr mitteilen würde! Und sie würde Sandra anrufen.

Nicoles war ihr einziges Kind. Gabi hatte noch Nachwuchs gewollt, am liebsten ein Brüderchen für die Kleine, die sie damals noch war. Doch Frank wollte das nicht. Sie hatte das geschluckt mit Toleranz gemischt aus Na-gut-wenn-du-es-so-willst und Dass-du-kein-zweites-Kind-willst-hätte-ich-nicht-von-dir-erwartet.

Gabi Stürmer stand in der Küche der 4-Zimmer-Wohnung, in gemütlich eingerichteten Wänden in Köln Nippes. Frank war noch am arbeiten, jedoch wollte sie nicht mehr warten mit dem Anruf. Vielleicht machte er sogar Überstunden, das war gut möglich. Die Auftragslage erlaubte es, und er, der zuverlässige Energieanlagenelektroniker.

Gleich war es 17 Uhr. Sie ging zum schnurlosen Telefon im Flur und wählte die Nummer der Kripo Köln und wurde mit dem Präsidium verbunden.

„Guten Tag, Stürmer ist mein Name. Ich muss eine Vermisstenanzeige machen. Meine Tochter ist seit Freitagnachmittag spurlos verschwunden.“

„Kriminalpolizei Köln, Hauptkommissar Brand. Sagen Sie bitte Genaues zum Vorgang, Frau Stürmer. Name, Alter der Tochter, was sie getan hat zu jener Zeit.“

„Meine Tochter heißt Nicole Stürmer, ist 22 Jahre alt. Sie wollte eine Freundin mit Namen Sandra Berger in Mainz besuchen, die hatte Geburtstag. Sie nahm eine Mitfahrgelegenheit. Sie hatte mir das telefonisch mitgeteilt; sie wohnt nicht zu Hause. Um 18 Uhr sollte sie mitgenommen werden.“

„Ich muss Sie unterbrechen, Frau Stürmer. Sie hat keinen Führerschein und Auto?“

“Doch doch, einen Führerschein schon, aber noch kein Auto. Wissen Sie, sie studiert noch, da hat sie nicht so viel Geld. Und heutzutage ist Autofahren fast schon Luxus.“

„Frau Stürmer, kommen Sie morgen früh um 8 Uhr ins Polizeipräsidium und verlangen Sie nach Hauptkommissar Brand. Wir nehmen die Personalien und ein Protokoll auf, damit Sie Anzeige erstatten können.“

„In Ordnung, morgen um 8 Uhr bin ich im Präsidium.“

„Auf Wiedersehen, Frau Stürmer.“

Sie verabschiedete sich, legte den Hörer auf. Bald musste Frank von der Arbeit kommen. In der Regel hatte er um 17 Uhr Feierabend. Sie konnte sich schon denken, was er für eine Miene machte. Und sie würde ihn vorwurfsvoll anblicken! Warum hast du ihr keinen Wagen gekauft, als sie die Führerscheinprüfung geschafft hatte?

Dann öffnete sich auch schon die Wohnungstür auf. Sie ging gleich auf ihn zu.

„Na, Gabi! Wie geht’s? Was ist los? Was siehst du mich so an?“

„Nicole ist spurlos verschwunden! Seit Freitagabend! Keiner weiß, wo sie geblieben ist!“

„Sie wollte doch nach Mainz zu Sandras Geburtstag! Und dann?“

„Frank, das hatte sie vor, sie ist aber nie in Mainz angekommen. Simone, Nicoles Mitbewohnerin, rief mich heute Nachmittag an. Sie hatte das von Sandra gehört. Mensch, Frank! Hoffentlich ist ihr nichts passiert!“

Frank nahm sie in seine Arme, klopfte sie sanft auf die Schulter.

„Wir wollen das Beste hoffen.“

„Die Kripo habe ich schon informiert. Ich soll morgen um 8 Uhr ins Polizeipräsidium. Und, weißt du was, ihr Handy ist nicht aktiv!“

„Das kann viele Ursachen haben, denk nicht gleich an das Schlimmste Vielleicht ist es kaputt gegangen. Es war ganz schön stürmisch am Freitag und es kamen einige Schauer herunter.“

„Ach ja, du.“ Dann schwieg sie, ging ins Wohnzimmer. Frank holte sich eine Flasche Kölsch aus dem Kühlschrank. Sie fing an zu rauchen, er setzte sich zu ihr, nahm einen Schluck und zündete sich auch eine an.

Auf einmal kam sie sich mit ihren 45 Jahren allein vor. 2 Jahre war Nicole aus dem Haus, ab und zu kam sie zu Besuch, doch nicht all zu oft in der letzten Zeit.

„Ich bin sprachlos,“ sagte er nach einem kräftigen Hieb Kölsch, hastig zog er zweimal an der Zigarette. Ihm wurde bewusst, dass Nicole verschwunden war, dass ihr mit großer Wahrscheinlichkeit etwas zugestoßen war. Konnte es anders sein?

Er sah Gabi an, sie drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus. Nur kurz schaute sie ihn an, leicht verstört und voll erledigt. Sie ging in die Küche, holte Mineralwasser, goss es in einem großen dickwandigen Glas ein, nahm einen Schluck, ging wieder zu ihm. Sie wollte was sagen, doch Zweifel traten in ihr hervor. Sie strich über ihr kurzes blondes Haar, glatt wie es war, - die Locken hatte Nicole von ihr, sie entfernte sie sich seit geraumer Zeit -.sie sah ihr goldiges Gesicht vor Augen, ihr strahlenden Augen, die das lodernde Feuerwerk in ihr und die mentale Zielstrebigkeit offenbarten. Warum sagte er nichts?. Sie saß neben ihm auf der Couch, vor ihnen der Fernseher, der unberührt blieb; und auch Musik wollte keiner hören.

Es dauerte nicht lange und Simone rief an. Natürlich sagte sie nicht viel. Das was noch zu sagen war.

Frank war so ruhig. Warum sagte er nichts?

„Du bist so still.“ Sie legte ihre Hände auf seinen Wangen, streichelte sanft seine Bartstoppeln.

„Du auch. Weißt du was, morgen nehme ich mir frei. Allein lasse ich dich nicht ins Präsidium gehen. Ich will dabei sein.“

Gabi hauchte ihre vollen warmen Lippen an seinem Mund, saugte an seiner Unterlippe und züngelte zaghaft fordernd. Traurig-verträumt sah sie ihn an.

„Du bist ein Schatz.“ Sie kraulte ihm sein Haar.

Am nächsten Morgen rief er gleich bei der Firma an, schilderte die Sache. Gabi hatte schon den Frühstücktisch gedeckt. Es war 7 Uhr 12. Sie aßen Toast mit Honig, dann Käse, tranken Milchkaffe aus der Espressomaschine.

„Wir haben noch ein bisschen Zeit, bevor dahin fahren.“ Er bot ihr eine Zigarette an, auch wenn sie sonst leichtere rauchte. Sie machten sich auf den Weg ins Präsidium. Gabi war aufgeregt wie nie zuvor. Frank fuhr wie immer sicher die Neusser Strasse runter Richtung Zentrum.

„Glaubst du, dass sie noch lebt?“

„Gabi, sag so was nicht!“

Als sie das Polizeigebäude erreicht hatten, alle Sicherheitsmassnahmen beim Betreten durchlaufen und vor dem Beamten, der die Personalien aufnahm, gesprochen hatten, nannte man ihnen das Büro des zuständigen Hauptkommissars. Sie betraten den Raum.

„Guten Morgen, ich bin Hauptkommissar Brand. Wie ich sehe, sind beide Elternteile der vermissten Person anwesend. Nehmen Sie doch bitte Platz.“ Brand saß vor dem Rechner, Kollege Paulsen neben ihm.

„Morgen, Stürmer mein Name.“ Stürmer und seine Frau setzten sich.“ Das übliche Prozedere nahm seinen Gang.

„Meine erste Frage: Seit wann genau wissen sie, dass ihre Tochter vermisst wird?“

Es war Montagmittag, so gegen 13 Uhr, da rief mich Simone Mertens an. Nicole und sie wohnen zusammen in der Südstadt, Altenberger Strasse 44. Durch sie habe ich erfahren, dass Nicole nicht zu der Geburtstagsfeier von Sandra Berger gekommen ist.“

„Gut,“ unterbrach Brand seinen gepflegten Kinnbart kratzend. „Seit Freitag, den 09.11.2007 vermissen sie ihre Tochter. Sie kam nicht zu der Party. Sie sagten, ihre Tochter sei mit einer Mitfahrgelegenheit oder wollte mit einer nach Mainz fahren.“

„Ja, das stimmt. Und Simone Mertens teilte mir telefonisch mit, dass ihr Handy nicht mehr aktiv sei.. Sandra Berger hatte versucht, sie zu erreichen, nachdem sie zum vereinbarten Zeitpunkt nicht in ihrer Wohnung erschienen war.“

„Frau Mertens. Ihre Tochter will mit einer Mitfahrgelegenheit nach Mainz, sie kommt dort nicht an, ihr Handy ist deaktiviert und seitdem fehlt jede Spur.“

HK blickte zu Paulsen, der alles kontrollierte, der dann beide Handflächen zusammendrückte. „Wir werden die Mitfahrzentralen befragen und die Person ermitteln. Es könnte ein Problem werden, festzustellen, wer der Fahrer war, das sage ich ihnen gleich.“

„Was wollen sie damit sagen?“ schob Frank Stürmer ein.

„Nehmen Sie einmal an, der Fahrer suchte ein Opfer. Er wird mit Sicherheit versucht haben, alle personenbezogenen Daten zu fälschen, verstehen Sie?“

Brand sah, wie Stürmer die linke Hand seiner Frau nahm, mehrmals kopfschüttelnd, dann beide Hände ergriff.

„Wir müssen die Möglichkeiten, die In Frage kommen, in Erwägung ziehen.“ Werner Brand war 52 Jahre alt, ein Kriminalkommissar, der im Laufe der Jahre Mordfälle bearbeitet hatte, die ihm von der Realität keine Illusionen machte. Er kannte die Kaltblütigkeit, die gewissenslose Gier nach Gewalt, nach der Täter trachteten. Soziopathen und Psychopathen – und noch gefährlicher: die Mischform beider Arten, die unberechenbar, und doch intelligent ihre Taten vollstreckten. Ein sicherer, aus vielen Straftatbeständen erfahrener Verdacht kam in ihm hoch, kurze Gedankenfetzen, Bilder aus vergangenen ermittelnden Morden mit nicht nachvollziehbaren Beweggründen, fatalen Motiven, zogen in Bruchteilen einer Sekunde durch sein Bewusstsein.

Als Gabi Stürmer das hörte, wie er sagte das mit dieser klaren offenbarenden Stimme, wurde ihr bewusst, dass sie mit allem rechnen musste. Wenn er gleich, nachdem sie ihre Aussagen gemacht hatten, mit solchen Mutmaßungen kam, dann nicht von ungefähr. Hier sprach ein Mann mit Erfahrung und Wissen, der ohne etwas zu beschönigen die Sache so nannte, wie sie waren. Zwiespältige Situation, die Tatsache, das hier was vorlag, war einsichtig und beklemmend zugleich.

„Rauchen ist hier verboten?“ fragte sie.

„Ja, Sie können gleich, wenn die Vernehmung beendet ist, rauchen.“ Er lächelte. Ein angedeutetes Augenzwinkern konnte Gabi in seinen Augen erkennen.

„Frau und Herr Stürmer, wir müssen noch die Personalien von Simone Mertens und Sandra Berger aufnehmen. Nur zur Sicherheit. Das Beste ist, sie teilen den beiden Frauen vorab mit, dass wir sie befragen wollen . In Mainz ist die erforderliche Stelle zuständig.“

Gabi Stürmer kannte auch Sandra. Schließlich hatte sie noch in Köln gewohnt, bevor sie mit ihrem Freund nach Mainz umzog, um dort zu studieren.

„Wenn wir definitiv Neues in Erfahrung gebracht haben, lassen wir es sie wissen.“

„Haben Sie Dank,“ sagte Frank Stürmer. “Ich will hoffen, dass sie sie wiederfinden. Es kann doch sein, dass sie lebt, dass sie unbeschadet ist, Hauptkommissar Brand.“

„Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Wir werden alle Möglichkeiten durcharbeiten. Auf Wiedersehen.“

Gabi und Frank Stürmer verließen das Kriminalkommissariat. Vor dem Auto steckten sich beide eine Zigarette an.

„Frank, unser Leben ist nicht mehr so, wie es war.“ Ihr Gesicht zitterte, der nasskalte Westwind gab das Übrige.

„Sag das nicht , wir geben unsere Hoffnung nicht auf, hörst du?“

Gabis rote Winterjacke, die sie über dem Fleece-Shirt, dem T-Shirt und BH trug, reichten nicht aus, sie fror wie nie zuvor. Sie zog von der Zigarette, ihre Finger blau gefärbt von der Kälte. Sie zitterte, ein frostiger Schauer lief über ihrem Rücken. Frank griff sie am rechten Oberarm „Komm, fahren wir los.“

3

Freitag. 16. November 2007, kurz nach 18 Uhr. Rolf Deppe fuhr durch die Kölner Nordstadt. Ruhig und sicher saß er am Steuer. Die BILD und der Kölner Express hatten nichts geschrieben über das Verschwinden einer jungen Frau. Das störte ihn nicht im Geringsten. Sollten doch die Bullen und die Presseheinis recherchieren!

In der Melchiorstrasse hielt er an. Die junge Frau, die er erwartete, stand auf dem Bürgersteig mit einer kleinen Reisetasche, sie war schwarzhaarig, bestimmt gefärbt, trug enge helle Bluejeans, einen blauen Wollpulli, der unter ihre schwarzen Lederjacke rausstreckte, halb ihren Po bedeckte.

Sie ging auf ihn zu, als er die Autotür öffnete.

„Hallo, ich bin Mary. Sie fahren nach Dortmund?“

„Ja, steig ein, du kannst mitfahren.“

Sie setzte sich in den Beifahrersitz, fragte, ob sie rauchen dürfte. Deppe bejahte. Sie hatte gepflegte schöne Hände, ihre Fingernägel waren vom Nagelstudio beeindruckend bearbeitet worden: silberweiß mit Apricot. Und ihr Busen war bemerkenswert wohlgeformt, das sah er sofort, die Rundungen unter ihrem Wollpulli. Er zündete sich auch eine an.

„Na dann, los geht’s.“

„O.k.“

Mary gefiel ihm außerordentlich, ihre gold lidbeschatteten blauen Augen lächelten ihn leicht herausfordernd an. „Kannst du Musik anmachen? Bis Dortmund dauert es noch was.“

„Na klar, kann ich machen.“ Rolf Deppe schaltete seine Hifi-Anlage an, mit Sub-Woofer und überwältigendem Bass. „Gimme more“ von Britney Spears lief. Marys rechter Fuß bewegte sich auf der Stelle im Groove.

„Was willst du denn in Dortmund, wenn ich fragen darf.“

„Ich besuche meinen Freund. Und...“ weiter sagte sie nichts.

„Du besuchst also deinen Freund,“ Deppe hielt lässig das Lenkrad in Händen, die Schultern breit in die Rückenlehne gedrückt. Seine 1 Meter 79 waren durchtrainiert.

„Ja, das mache ich jedes Wochenende. Er wohnt dort, seit er seinen Job hat. Natürlich kann ich nicht tagelang auf ihn verzichten!“ Sie lächelte, drückte ihre Zigarette aus.

„Das verstehe ich. Und wenn er dort arbeitet, wäre er ja schön blöd, jeden Tag zu pendeln bei diesen Spritpreisen und dieser Pendlerpauschale, die die Politiker uns eingebrockt haben.“

„Stimmt genau,“ sie wollte erst noch etwas sagen, doch ließ sie es. Sie war Verkäuferin in einem Drogeriemarkt, hatte eine modern eingerichtete 2-Zimmer-Wohnung, und wenn es klappte, wollte sie bald mit Robert zusammenziehen. Dazu fehlte ihr nur noch die Entscheidung ihres Chefs, in die Filiale nach Dortmund zu wechseln. Gerade überfuhren sie die Deutzer Brücke, führen am Messegelände vorbei. Zuerst wunderte sie sich, dass sie diese Strecke fuhren, über dem Kölner Ring wäre es kürzer. Eigentlich war er ganz nett, dieser Rolf, er sah nicht schlecht aus, er war attraktiv. Sonst fuhr sie immer mit dem Zug nach Dortmund. Heute wollte sie Geld sparen. Und die Fahrt mit ihm war o.k.. Ab und wann sah er sie ernst an, ein Blick, der schwer zu deuten war.

Als sie durch Köln-Kalk fuhren, sagte er: „In Porz fahre ich auf die Autobahn. Nur dass du Bescheid weißt.“

Mary seufzte erleichtert. Ihre üppigen Brüste schwangen dabei hoch, dann griff sie mit der linken die rechte Hand und hielt sie fest. Deppes Augen leuchteten, was sie nicht bemerkte: ein eskalierender Exzess baute sich in ihm auf. Sein Schwanz wuchs.

„Say it right“ von Nelly Furtado lief über der Anlage, Deppe drehte lauter.

„Den Song finde ich super, und die Anlage ist mega-geil.“

„Ja.“

Sie blickte geradeaus, in die Dunkelheit der Landstrasse. Der Verkehr war gering, nicht mehr lange, und sie erreichten Porz. Eigenartigerweise fuhr er am Rheinufer entlang. Sie wollte was sagen.

„Ich halte hier mal kurz an, abtreten.“ Doch dann ein Stromschlag, beinahe so stark, einen Menschen- zu töten, jagte durch ihren Körper. Direkt vom Sicherheitsgurt drang die elektrische Energie in ihr ein. Er hatte schon gebremst. Die Baumreihe am Rheinufer wirbelte schemenhaft Blätter durch die Luft, wild und ungestüm flogen sie im Kreis, landeten auf das Dach des Autos. Er knebelte sie wieder auf die gleiche Art, stopfte ihre Ohren. Keuchend, befriedigend grinsend, zog er Jacke und Pulli aus. Sie trug einen schwarzen Body, den er schulterwärts runterriss. Ihre prallen Titten machten ihn besessen, die rasierte Scham brachte ihn in Ekstase. Seinen Ständer wollte er nicht länger eingezwängt lassen. Das Stigma an ihrer elfenbeinweißen Haut glänzte wie gegrillt. Er verglich die beiden Brustwarzen. Er steckte ihn rein. Sie mit bewusstlosen Augen, ohne eine Miene oder eine Geste, steif wie eine Puppe, lag sie auf dem Beifahrersitz, durchgeschüttelt von der Kopulation. Deppe rammte seinen Schwanz in ihr, schlug fest auf ihre Brüste, die gefoltert aussahen, die verbrannte Brustwarze, der rote Brandstriemen auf ihrem Oberkörper, steigerten seinen Exzess. Sein Sperma spritzte in ihrer teilnahmslosen Vagina, und mit einem animalischem Schrei schlug er auf ihren Solarplexus. Er zog seinen Schwanz aus ihr raus, verrieb die Spermareste auf ihrem schmalen, fast mädchenhaften Bauch. Marys Augen blieben geschlossen. Sie würden sich nicht mehr öffnen. Dann tat er das, was er mit der letzten jungen Frau auch getan hatte. Er warf die Leiche in einem Abfallsack in den Rhein.

4

Deppe machte sich auf den Weg nach Hause, zu seiner Wohnung in Köln-Niehl. Zur anderen Rheinseite am Ende der Stadt zu fahren tat er gelassen und ruhig. Eine wohltuende Wärme beherrschte seinen gesamten Körper. Über die Zoobrücke überquerte er den Rhein.

.Das Erste was er tat, er ging duschen. Das erfrischende Wasser und die vitalisierende Dusch-Lotion waren genau das Richtige. Beim Einseifen bekam er eine Erektion, die junge Mary vor Augen. Er war gut bestückt, er genoss es, wie immer folgte ein Wechselbad, warm-kalt, warm-kalt. Er lächelte, selbst beim Abtrocknen hatte er noch einen Ständer. Er ging aus dem Bad, zog sich im Schlafzimmer frische Kleidung an, eine schwarze Jeans, ein marineblaues T-Shirt, darüber einen gleichfarbigen Troyer.

Deppe setzte sich an seinen Rechner, der im Wohnzimmer, abgeteilt durch ein großes Kiefernholzbücherregal, auf einem sonnengelblackierten Schreibtisch, stand. Er war Systemprogrammierer, die PC-Konfiguration war sein Heiligtum, die ausgeklügelte Grafiksoftware das A und O. Abgesehen davon, dass er selten Besuch hatte, - wenn dann waren es Kumpels, mit denen er dieses oder jenes Geschäft machte – ließ er keinen an seinen Computer dran. Das Sicherheitssystem suchte Seinesgleichen, es war sehr schwer zu knacken, ein tägliches wechselnde Pass-Wort und verschiedene Antivirus-Scans, die auch in der Lage waren, den elendesten Wurm oder hinterlistigsten Trojaner zu entdecken und zu eliminieren.

Rolf Deppe war 36 Jahre alt, seit 2 Jahren geschieden, seine Frau war mit einem Kerl durchgebrannt und lebte jetzt mit ihm in Frankfurt. Kein Kontakt mehr, gut so. Er exerzierte am PC eine notwendige Maßnahme, eine Sicherheitsanwendung, die all seine Spuren , seine persönliche Merkmale löschen würde.

Brand hatte Wochenenddienst. Er brauchte nicht lange zu fahren, um das Polizeipräsidium am Waidmarkt zu erreichen. Es war Sonntagmorgen, der 17. November, er las die Berichte der bisherigen Ermittlungen. Der Hauptkommissar war heute ein bisschen wortkarg. „Du bist heute sehr mitteilsam,“ meinte Paulsen, als er zwei Becher Kaffee mitbrachte, Brands schwarz mit einem Süßstoff, seiner mit etwas Mich, ohne Zucker. Er stellte sie auf den Schreibtisch, nippte von den Tasse.

„Danke, Jürgen, der Kaffee tut gut.“ Ein grauer Novembertag, Regentropfen prasselten auf die Scheiben der Mordkommission. „Dieser Bernd Neumann, den die Mitfahrzentrale uns nannte, den gibt es gar nicht. Name, Adresse und Personalausweisnummer sind gefälscht.“

„Ich weiß,“ sagte Paulsen, „ wir haben es hier mit einem gezielt vorgehenden Täter zu tun, der nichts auslässt, um unerkannt zu bleiben.“

„Und es fehlt uns immer noch jede Spur von Nicole Stürmer. Keine Hinweise gibt es bis jetzt, nichts. Niemand hat ihren Einstieg in das Auto beobachtet, das wäre schon viel wert. Und dass das Kennzeichen vom Wagen gefälscht ist, spricht für sich. Ich würde mich nicht wundern, wenn es bald eine zweite Vermisste gibt.“

„Das Gleiche denke ich auch.“

Gabi und Frank hatten gerade gefrühstückt, er hatte frische Brötchen vom Bäcker gekauft, was er sonntags immer machte.

„8 Tage sind schon vergangen,“ sie blies den Rauch auf den abgeräumten Frühstückstisch, „Glaubst du, dass sie noch lebt?“

„Es gibt kein Lebenszeichen von Nicole seit letzter Woche Freitag. Das ist, was Tatsache ist, was wir wissen. Das heißt nicht, dass sie doch noch am Leben ist.“

Gabi Augen waren den Tränen nahe, sie trank einen kräftigen Schluck Kaffee. „Frank, ich halte dass nicht mehr aus. Die ständige Angst, die Unwissenheit macht mich krank. Und wenn uns ihre Todesmeldung erreicht?“

„Bleib stark, Gabi,“ er drückte seine Zigarette aus, griff ihren rechten Oberschenkel, rieb sanft einige Male, dann streichelte er ihre Wangen. Sie fing an zu weinen.

5

Alfred Bongartz ging mit seinem Mittelschnauzer Max wie jeden Morgen am Rhein Gassi. Der Rentner aus Duisburg war Witwer, seine Ehefrau war vor 5 Jahren gestorben im Alter von 61 Jahren. Seitdem lebte der 6 Jahre ältere Witwer ein Leben, das aus regelmäßigen Ritualen bestand: alles dazu bestimmt, den Kopf hoch zu halten. Er traf sich mit ehemaligen Arbeitskollegen, die er seit einem Jahr vermisste. Die erste Zeit im Ruhrort war noch schwer, der Hafen war sein Leben gewesen, und als seine Frau nicht mehr da war, war ihm bewusst geworden, wie sehr er für sie gelebt hatte, wie er sie geliebt hatte.

Max fing an zu bellen. Bongartz zog an der Leine.

„Was ist los?“ Er zog sich seine englische, karierte Mütze zurecht, blickte auf das Rheinufer, das Max bellend mit energischer Kraft zusteuerte. „Da stimmt doch was nicht!“. Der leichte Regen wurde stärker, die Weiden und Ulmen am Ufer wogen ihre Äste im stürmischen Wind. Bongartz trug eine wind- und wasserdichte schwarze Jacke. Max hörte nicht auf zu bellen Eine krumme Weide, dessen Wurzeln und Äste im Fluss verliefen, bot ihm einen Anblick, der ihn erschaudern ließ: ein schwarzer Plastiksack, verwickelt mit Schnurbändern, die im nassen, morschen Holz fest hingen, aus dem lange helle Haare gespenstisch heraustraten, die in der Strömung wie die Tentakeln einer toten Qualle diabolisch glitten.

„Ganz ruhig Max,“ Alfred Bongartz klopfte ihn an die rechte Seite, ging dann ganz nahe ans Wasser. „Da steckt eine Leiche drin! So wie es aussieht, muss es eine tote Frau sein.“ Nur der höchste Punkt des Kopfes war zu erkennen. Max schnüffelte und jaulte. So hatte er sich den Sonntagmorgen nicht vorgestellt. An Frühstücken war nicht zu denken! Als nächstes riefe er die Kripo an.

Als er wieder zu Hause war, ging er zum Telefon, tippte die Nummer der Kripo.

„Guten Tag, Bongartz mein Name, Alfred Bongartz. Ich habe heute gegen halb 9 eine Frauenleiche am Rheinufer gefunden.“

Er nannte alle Einzelheiten, wo genau er sie entdeckt hatte, wie er sie vorgefunden hatte. Die Duisburger Kripo war schnell vor Ort. Hauptkommissar Schwarze leitete die Ermittlungen, die Spurensicherung begann, nachdem die Leiche mit zwei Tauchern geborgen war, mit den Untersuchungen. „Ein grausamer Anblick, eine so junge Frau, unbekleidet...“, Schwarze betrachtete die starre, vom Wasser aufgeschwommene, nackte Tote. Ein schwarzer Streifen zog sich von untern links nach oben rechts, die Brustwarze war zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Tampons steckten in ihren Ohren, und ihr Mund war geknebelt. Die Augen der einmal jungen Frau hatten etwas Mahnendes an sich: Obwohl sie geschlossen waren, schienen sie zu schreien.

„ Sie war Anfang 20, so wie ich das anhand ihres Zustands feststellen kann,“ sagte Rechtsmediziner Ludwig, „genauere Untersuchungen werden zeigen, was passiert ist. Eins steht schon fest: Sie ist einem gewalttätigen Sexualverbrechen zum Opfer gefallen.“

„Unsere Mordkommission hat im Laufe der letzten Woche mit keinem Fall zu tun gehabt, der solch eine Frau behandelte. Wir müssen die anderen Städte informieren. Die können sicherlich Näheres in Erfahrung bringen.“

In der Duisburger Rechtsmedizin fing Ludwig mit der Autopsie an. Er fand heraus, dass der schwarze Streifen an der Leiche von einem Stromschlag herrührte. Bei der Untersuchung der Vagina fand Ludwig trotz der Zeit, die die Tote im Wasser getrieben war, Spermaspuren, und die nicht wenig. waren.

Das Telefon klingelte. Schwarze meldete sich. „Was haben Sie herausgefunden?“

„Ich lag mit dem Verdacht richtig. Sie wurde vergewaltigt. Der Mörder muss sie mit einem Stromschlag, der offensichtlich seine Quelle im Sicherheitsgurt hatte, bewusstlos gemacht haben. Ein gezielter Stoss Strom. Nicht zu viel, als dass er sie hätte töten können. Sie wurde penetriert, noch halb am Leben, ich fand Druckstellen an beiden Unterarmen. Also hatte sie sich doch noch gewehrt. Todesursache ist nicht ein weiterer starker Stromschlag, sondern sie wurde mit gezielter Kraft am Solarplexus geschlagen. Aber alles andere hat schon genug angerichtet.“

„Danke, Ludwig. In Duisburg sind wir nicht fündig geworden. Doch nach einigen Telefonaten fanden wir heraus, das in Köln eine Frau vermisst wird, auf die die Personenbeschreibung zutrifft. Zeit der mutmaßlichen Tat stimmt auch.“

6

Gegen Mittag trafen Brand und Paulsen im Duisburger Polizeipräsidium ein. Kollege Schwarze begrüßte sie in seinem Büro.

„Die Leiche ist in der Rechtsmedizin. Nehmen Sie sie mit nach Köln, damit sie endgültig identifiziert werde kann. Kommen Sie, ich bringe sie dorthin.“

Nachdem der Leichnam in einem Krankentransportwagen, gepackt in einem Zinksarg, gebracht worden war, fuhren die Kölner Kommissare in ihren Dienstwagen wieder zurück.

„Wir müssen die Eltern benachrichtigen, damit sie ihre Identität sicherstellen können,“ sagte Brand während der Fahrt, „rufe du sie bitte an, und bitte Sie, um 15 Uhr ins Präsidium zu kommen.

„Das mache ich,“ Paulsen nickte. „Tja, bei dem Fund konnte keinen Spuren vom Täter sichergestellt werden. Das wird schwierig.“

„Das denke ich auch.“

Pünktlich um 3 Uhr nachmittags traf das Ehepaar Stürmer in der Mordkommission ein. Die Überbringung der traurigen Nachricht hatten beide in Fassungslosigkeit gebracht, Gabi wollte es nicht wahrhaben, und Frank kamen das erste Mal die Tränen, bevor sie ins Auto gestiegen waren.

Gabi trug eine rote Winterjacke, rot war Nicoles Lieblingsfarbe gewesen, schwarze Jeans und ein schwarzes Sweatshirt. Frank war in verwaschener Bluejeans, einem weißen Hemd und schwarzer Lederjacke erschienen.

„Kommen Sie bitte herein, Frau und Herr Stürmer,“ Brand gab beiden die Hand, die Blässe im Gesicht der Frau war deutlich im Gegensatz zu vergangenem Dienstag, kein bisschen mehr von der gesunden Gesichtsfarbe und den klaren, wachen Augen war da.

„Sie haben unsere Tochter gefunden? Wo?“

„Sie wurde am Rheinufer von Duisburg entdeckt von einem Rentner, der heute morgen seinen Hund Gassi führte.“

„Können wir sie sehen?“

„Ja, das können sie. Aber ich muss ihnen gleich sagen, sie wurde in Duisburg autopsiert. Auf den ohnehin nicht schönen Anblick möchte ich Sie hinweisen.“

Dann betraten sie Leichenschauhalle. Die Kälte, die entgegenströmte, erfasste beide sofort. Gabi nahm Franks Hand, als sie sich ihre toten Tochter näherten.

Gabi blieb gefasst, als Brand das Leichentuch aufschlug. Und sie sah den bleichen aufgeweichten Leib, entstellt von einem dunklen Streifen.

„Was ist dass?“ fragte sie, „das ist Nicole! Was hat dieses Schwein gemacht?“ schrie sie verbittert. Frank packte seinen rechten Arm und ihre Schulter.

„Sie wurde mit Strom traktiert Der Schlag traf sie mit dem Sicherheitsgurt.“ Brand wusste, dass, wenn er das sagte, mit allen Reaktionen zu rechnen war.

„Ist sie...““ Frank stoppte mitten im Satz. „Ja, sie wurde Opfer eine Sexualverbrechens.“ Paulsen antwortete diesmal, sah die beiden an, erkannte die Verzweiflung und Trauer in ihren Gesichtern.

„Packen sie dieses Schwein, das unsere Tochter auf dem Gewissen hat. Packen sie diesen Perversen, und geben sie ihm die gerechte Strafe! Was sage ich da? Gerechte Strafe? Wollen Sie wissen, was der verdient hat?“ Franks Mund wurde von Gabis Hand zugehalten. „Beruhige dich, Frank. Wir müssen die Vernunft bewahren.“

„Du hast Recht, Schatz. Was hilft es, sich in etwas reinzusteigern, was nicht weiterhilft.“ Frank Stürmer nahm die Hand seiner Frau. „Komm, gehen wir.“ Gemeinsam verließen sie die Halle. Wieder im Kommissariat setzten sie sich.

„Frau und Herr Stürmer, die Ermittlungen werden nicht einfach, da wir bis jetzt keine Spur haben. Der Mörder hinterließ nichts bei seinem Opfer, was zu Beweisen nutzen könnte.“ Brand wartete bis die zwei etwas erwiderten.

Stürmer fing: „Kann es sein, dass wir es hier mit einem Triebtäter zu haben?, einer der weitere Opfer sucht und findet und dann niederstreckt?“

„Genau das befürchten wir. Es kann sich um einen Serienmörder handeln und seine wahrscheinlich erste Tat, auf die weitere folgen werden.“

„Solche Menschen sind krank,“ warf Gabi ein, „krank im Kopf, die haben doch kein Gewissen und keine Moral. Sie sind pervers, sie versuchen damit ihre Schwächen auszugleichen oder sie verarbeiten irgendein Trauma aus ihrer Kindheit.“

„Sie scheinen sich auszukennen, Frau Stürmer,“ sagte Jürgen Paulsen, er strich sich über seinen buschigen schwarzen Schnauzer, seine Augen hellwach, „ so oder ähnlich trifft das bei Serienkillern zu.“ Paulsen war vier Jahre jünger als Brand, also 48 Jahre alt, auch er war verheiratet, doch seine Ehe war glücklicher als die von Werner. Werners Frau, Sybille, konnte sich in all den Jahren nicht an seine Arbeitszeiten gewöhnen, auch nicht an seine Fälle, von denen er berichtete. Da war Jürgen besser dran, Sabine war 10 Jahre jünger, eine attraktive, sportliche Brünette, die sich mit Joggen, Schwimmen und Radfahren fithielt, und in den 16 Ehejahren war er froh, das er sie geheiratet hatte, dass er noch ein zweites Mal geheiratet hatte. Die kecke Frohnatur, die als zahnmedizinische Prophylaxehelferin berufstätig war, gab ihm die Kraft, die er für seine Arbeit brauchte und viele schöne Stunden.

„Man hört dies und das. Und was habe ich nicht alles darüber gelesen!.“ Das Thema schien abzulenken, sie war nicht mehr so niedergeschlagen.

„Sie sind doch Bürokauffrau,“ meinte Paulsen.

„Ja, kaufmännische Angestellte in der Buchhaltung. In meiner Freizeit lese ich Romane, auch schon mal das eine oder andere Sachbuch. Ich bin überzeugt, man sollte die Meinungsbildung nicht allein dem Fernsehen und den Zeitungen überlassen.“

„Da stimme ich ihnen vollkommen zu, Frau Stürmer,“ Jürgen Paulsen lächelte sie an, froh darüber, sie auf andere Gedanken gebracht zu haben. Werner Brand krümmte seine Augenbrauen hoch.

„Sie müssen jetzt Ruhe bewahren, nicht die Nerven verlieren. Ich versichere Ihnen, den Täter packen wir. Wenn eine zweite Tat folgt, davon gehen wir aus, wird es leichter sein, Spuren zu finden. Die Erfahrung zeigt, je öfter ein Täter zuschlägt, desto mehr Fehler macht er, desto eher hinterlässt er Spuren. Und es gibt schließlich solche, die es drauf anlegen, mit Spuren die Ermittler zu täuschen, mit ihnen einen Spiel zu treiben.“

Frank meinte dazu: „Ich sehe, sie werden das schon richtig in Angriff nehmen. Tun sie das Beste, was sie können. Das Schwein darf nicht mehr frei rumlaufen“

„Gut, ich würde sagen, das war es fürs Erste. Wir melden uns bei Ihnen, sobald wir eine Spur haben oder Genaues zum Tatvorgang wissen. Auf Wiedersehen.“

Die zwei Hauptkommissare verabschiedeten sich von dem Ehepaar.

Simone saß bequem auf dem Zweiersofa in ihrem Zimmer, eine molligwarme Decke über ihre Beine und den Oberkörper. Der CD-Player spielte Evanessense „Going under“ in moderater Lautstärke, nicht so, wie sie es sonst getan hätte. Es war Sonntagabend am 17. November. Während der vergangenen Woche versuchte sie diese Stille zu überwinden, wenn sie allein war. Lernte sie für die Uni, dann lief oft das Radio oder sie ließ eine CD abspielen. Es war mehr als ungewohnt, dass Nicole nicht mehr da war. Die Tatsache ihrer unwiderruflichen Abwesenheit quälte Simone. Dass jemand länger Zeit weg ist und man weiß: dann ist sie wieder da, war was anderes.

Sie überlegte, die Glotze kam nicht in Frage, auch keine DVD ansehen. Sie könnte kurz Sandra in Mainz anrufen, Doch schon klingelte ihr Handy.

„Mertens.“ Sie sah auf das Display: 21 Uhr 18.

„Gabi Stürmer! Guten Abend. Ich rufe Sie an, weil Nicole tot aufgefunden worden ist. Ermordet fand man sie in Duisburg im Rhein in einem Müllsack!“

„Das ist unfassbar!“ Simone hielt den Atem an. Sie hatte keine Zeitung gelesen. „Weiß man, ob es der Fahrer war?“

„Alles deutet darauf hin. Aber sind bis jetzt nur Indizien.“ Frau Stürmer sagte kurze Zeit nichts, dann: “mehr kann ich nicht sagen, Simone, halte den Kopf hoch und mache dein Studium zu Ende.“

„Das mache ich ganz bestimmt,“ ihre Stimme, klang nüchtern-sachlich, keine Spur von Traurigkeit. „Alles Gute, Frau Stürmer und ihrem Mann.“

Sie nahm das Handy aus der Hand, holte eine Flasche Rotwein aus der Küche, goss sich ein Glas ein, nachdem sie eine Zigarette angezündet hatte. Ihr Leben hatte einen Wendepunkt erreicht.

7

Es war schon Mittagszeit in der Mordkommission, Brand verspürte Hunger. „ Jürgen, wollen wir das Pizza-Taxi anrufen?“ – „Keine schlechte Idee, mein Magen könnte ne Calzone vertragen.“ – „Ich bestelle Frutti di Mare, frage doch bitte die Kollegen, ob sie auch was bestellen wollen.“

Später, als sie aßen, meinte Brand: „Wir können doch nicht alle Mitfahrzentralen überwachen, um einen weiteren Mord zu verhindern!“ – „Wenn nicht schon einer begangen ist,“ Paulsen blickte Brand skeptisch an, mit besorgter Miene kaute er seine Calzone. „Ich habe das ungute Gefühl, dass dieses Schwein schon wieder eine Schandtat angerichtet hat.“ Der Montagvormittag war wie immer hektisch verlaufen, zahllose Anzeigen wurden zusätzlich zum Wochenende gemacht, Einbrüche und schwere Körperverletzungen, räuberischer Diebstahl, nur ein Mord, der fehlte noch.

„Wenn wir nicht als Erste was erfahren, dann die Boulevardblätter, darauf kannst du Gift nehmen,“ Brand stutzte. „Dass die Mitarbeiter der Mitfahrzentrale keine Beschreibung von diesem Neumann geben konnte, die weiterhilft. Es ist zum Schreien. Sybille sagte gestern Abend, dass ich schon wieder so einen widerlichen Fall hätte. Es täte mal ganz gut, wenn ich auf andere Gedanken käme, lockerer wäre und du weißt schon...“ “Tja. Werner, du müsstest Sybille anders behandeln, so mit deinem Job umgehen, das sie mehr Distanz zu den Fällen erfährt. Ich verstehe nicht, dass du sie auch so damit belastest. Du weißt doch schon seit Jahren, wie das dann immer ist, und trotzdem beklagst du, dass eure Ehe so eingeschlafen ist.“

Werner Brand sagte nichts dazu. Sie gingen wieder ins Büro. Im Flur begegnete ihnen Hauptkommissarin Bea Nowak. Seit heute war sie wieder da, eine zweiwöchige Weiterbildung in Sachen Internetkriminalität hatte sie beansprucht.

„Schön euch zu sehen!“ sie lächelte mit ihrem gewinnenden Charme, die mit Mascara getuschten grünen Augen blickten hellwach aus ihrem frischen Gesicht.

„Na, wieder die Schule?“ fragte Werner, der sie mit Handschlag begrüßte.

„ So ein langweiliger Schnösel von Dozent versuchte uns auf alle Eventualitäten des On-Line-Verbrechens aufmerksam zu machen, und das mit einer stoischen Ruhe, dass man vergaß, dass es hier um Crime im World Wide Web ging!“ sie grinste, strich durch ihr gegeltes, schwarzes Haar, einer frechen Fransenfrisur, die ihr bestimmendes Temperament betonte.

Wie ich höre und sehe, war das nicht die Welt!“

„Na ja, einiges haben wir uns schon aneignen können, ein paar Tricks der Täter, und wie man den Gaunern am besten auf die Schliche kommt.“

„Da bin ich ja beruhigt.“ erwiderte Brand. Sie gingen in ihr gemeinsames Büro. „Da kannst du uns in Zukunft mit eine paar Trümpfen aus dem Ärmel verblüffen.“ Werner nahm Platz. Bea setzte sich ihm gegenüber direkt hinter dem Fenster. Sie schaltete sofort den Computer ein, gab das Pass-Wort ein.

„Ihr seid , das heißt, wir sind am Fall Nicole Stürmer dran, ich habe mich schon mal vorab informiert.“ Wie meistens trug sie schwarz, ihre Fingernägel waren penibel weinrot lackiert, die sie kurz in Augenschein nahm. „ Der Täter ist mit allen Wassern gewaschen, ich schätze mal, dass er auch noch andere Dinger dreht, bestimmt mit Komplizen, die das Eine oder Andere klarmachen. Selbst wenn er niemand in die Tat eingeweiht hat, wird er von der Hilfe seiner Kollegen profitieren.“

„Das denke ich auch,“ warf Jürgen ein, „ für einen allein wäre das ein bisschen viel. Er mag zwar ein Perfektionist sein, doch alles im Griff zu haben, bedeutet, er kann sich auf ihre Unterstützung verlassen, er kann gezielt vorgehen, ohne Spuren zu hinterlassen und mit Sicherheit sein Tun und Handeln mit System.““

Beim Zusammenstellen seines Profils war Bea bewusst, dass er computergestützt vorging, ob es das Fälschen der Papiere, die Kontaktaufnahme bei der Mitfahrzentrale war, oder die geklauten Kfz-Kennzeichen, die er geschickt austauscht hatte.. Auch wenn er in ihren Augen ein mieses Schwein war, er war ein intelligentes.

„Die Tat geschah am Freitag, dem 9. November, also am Wochenende. Wir sollten davon ausgehen, dass er in der Woche berufstätig ist. Wenn das der Fall sein sollte,“ Werner Brand kratzte seinen Kinnbart, „muss er bedacht sein, ohne aufzufallen seiner Arbeit weiterhin nachzugehen. Er muss stressfrei sein, seine Kollegen dürfen keine Veränderungen an ihm feststellen, wie üblich sollte sein Kontakt zu den anderen Mitarbeitern sein.“